Ehemalige Soldaten und Offiziere der DDR warnen in einem Appell
angesichts des neuen West-Ost-Konflikts vor Krieg und fordern
Kooperation statt Konfrontation mit Russland
Da ich selber in der DDR Uniform trug und jede Stimme für Frieden
eine wichtige und unterstützenswerte ist und weil ich es gut finde, wenn
Soldaten sagen "Lasst uns keinen Krieg führen!", und ihm voll zustimme, veröffentliche ich an
dieser Stelle den Text des Appells der DDR-Militärs, der am 5.5.15
öffentlich vorgestellt wurde (Quelle: junge Welt, 6.5.15):
Als Militärs, die in der DDR in verantwortungsvollen Funktionen
tätig waren, wenden wir uns in großer Sorge um die Erhaltung des
Friedens und den Fortbestand der Zivilisation in Europa an die deutsche
Öffentlichkeit.
In den Jahren des Kalten Krieges, in denen wir eine lange Periode
der Militarisierung und Konfrontation unter der Schwelle eines offenen
Konflikts erlebten, haben wir unser militärisches Wissen und Können für
die Erhaltung des Friedens und den Schutz unseres sozialistischen
Staates DDR eingesetzt. Die Nationale Volksarmee war keinen einzigen Tag
an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt, und sie hat bei den
Ereignissen 1989/90 maßgeblich dafür gesorgt, dass keine Waffen zum
Einsatz kamen. Frieden war immer die wichtigste Maxime unseres Handelns.
Deshalb sind wir entschieden dagegen, dass der militärische Faktor
erneut zum bestimmenden Instrument der Politik wird. Es ist eine
gesicherte Erfahrung, dass die brennenden Fragen unserer Zeit mit
militärischen Mitteln nicht zu lösen sind.
Es sei hier daran erinnert, dass die Sowjetarmee im Zweiten
Weltkrieg die Hauptlast bei der Niederschlagung des Faschismus getragen
hat. Allein 27 Millionen Bürger der Sowjetunion gaben ihr Leben für
diesen historischen Sieg. Ihnen, wie auch den Alliierten, gilt am 70.
Jahrestag der Befreiung unser Dank.
Jetzt konstatieren wir, dass der Krieg wieder zum ständigen
Begleiter der Menschheit geworden ist. Die von den USA und ihren
Verbündeten betriebene Neuordnung der Welt hat in den letzten Jahren zu
Kriegen in Jugoslawien und Afghanistan, im Irak, Jemen und Sudan, in
Libyen und Somalia geführt. Fast zwei Millionen Menschen wurden Opfer
dieser Kriege, und Millionen sind auf der Flucht.
Nun hat das Kriegsgeschehen wiederum Europa erreicht.
Offensichtlich zielt die Strategie der USA darauf ab, Russland als
Konkurrenten auszuschalten und die Europäische Union zu schwächen. In
den letzten Jahren ist die NATO immer näher an die Grenzen Russlands
herangerückt. Mit dem Versuch, die Ukraine in die EU und in die NATO
aufzunehmen, sollte der Cordon sanitaire von den baltischen Staaten bis
zum Schwarzen Meer geschlossen werden, um Russland vom restlichen Europa
zu isolieren. Nach amerikanischem Kalkül wäre dann auch eine
deutsch-russische Verbindung erschwert oder verhindert.
Um die Öffentlichkeit in diesem Sinne zu beeinflussen, findet
eine beispiellose Medienkampagne statt, in der unverbesserliche
Politiker und korrumpierte Journalisten die Kriegstrommeln rühren. In
dieser aufgeheizten Atmosphäre sollte die Bundesrepublik Deutschland
eine den Frieden fördernde Rolle spielen. Das gebieten sowohl ihre
geopolitische Lage als auch die geschichtlichen Erfahrungen Deutschlands
und die objektiven Interessen seiner Menschen. Dem widersprechen die
Forderungen des Bundespräsidenten nach mehr militärischer Verantwortung
und die in den Medien geschürte Kriegshysterie und Russenphobie.
Die forcierte Militarisierung Osteuropas ist kein Spiel mit dem Feuer – es ist ein Spiel mit dem Krieg!
Im Wissen um die zerstörerischen Kräfte moderner Kriege und in
Wahrnehmung unserer Verantwortung als Staatsbürger sagen wir in aller
Deutlichkeit: Hier beginnt bereits ein Verbrechen an der Menschheit.
Sind die vielen Toten des Zweiten Weltkrieges, die riesigen
Zerstörungen in ganz Europa, die Flüchtlingsströme und das unendliche
Leid der Menschen schon wieder vergessen? Haben die jüngsten Kriege der
USA und der NATO nicht bereits genug Elend gebracht und viele
Menschenleben gefordert?
Begreift man nicht, was eine militärische Auseinandersetzung auf dem dichtbesiedelten europäischen Kontinent bedeuten würde?
Hunderte Kampfflugzeuge und bewaffnete Drohnen, bestückt mit
Bomben und Raketen, Tausende Panzer und gepanzerte Fahrzeuge,
Artilleriesysteme kämen zum Einsatz. In der Nord- und Ostsee, im
Schwarzen Meer träfen modernste Kampfschiffe aufeinander und im
Hintergrund ständen die Atomwaffen in Bereitschaft. Die Grenzen zwischen
Front und Hinterland würden sich verwischen. Millionen Mütter und
Kinder würden um ihre Männer, um ihre Väter und Brüder weinen. Millionen
Opfer wären die Folge. Aus Europa würde eine zerstörte Wüstenlandschaft
werden.
Darf es soweit kommen? Nein und nochmals Nein!
Deshalb wenden wir uns an die deutsche Öffentlichkeit:
Ein solches Szenario muss verhindert werden.
Wir brauchen keine Kriegsrhetorik, sondern Friedenspolemik.
Wir brauchen keine Auslandseinsätze der Bundeswehr und auch keine Armee der Europäischen Union.
Wir brauchen nicht mehr Mittel für militärische Zwecke, sondern mehr Mittel für humanitäre und soziale Erfordernisse.
Wir brauchen keine Kriegshetze gegen Russland, sondern mehr
gegenseitiges Verständnis und ein friedliches Neben- und Miteinander.
Wir brauchen keine militärische Abhängigkeit von den USA, sondern die
Eigenverantwortung für den Frieden. Statt einer »Schnellen
Eingreiftruppe der NATO« an den Ostgrenzen brauchen wir mehr Tourismus,
Jugendaustausch und Friedenstreffen mit unseren östlichen Nachbarn.
Wir brauchen ein friedliches Deutschland in einem friedlichen Europa.
Mögen sich unsere Kinder, Enkel und Urenkel in diesem Sinne an unsere Generation erinnern.
Weil wir sehr gut wissen, was Krieg bedeutet, erheben wir unsere Stimme gegen den Krieg, für den Frieden.
Armeegeneral a.D. Heinz Keßler
Admiral a.D. Theodor Hoffmann
Die Generaloberste a.D. Horst Stechbarth; Fritz Streletz; Fritz Peter
Die Generalleutnante a.D. Klaus Baarß; Ulrich
Bethmann; Max Butzlaff; Manfred Gehmert; Manfred Grätz; Wolfgang Kaiser;
Gerhard Kunze; Gerhard Link; Wolfgang Neidhardt; Walter Paduch; Werner
Rothe; Artur Seefeldt; Horst Skerra; Wolfgang Steger; Horst Sylla;
Ehrenfried Ullmann; Alfred Vogel; Manfred Volland; Horst Zander
Vizeadmiral a.D. Hans Hofmann
Die Generalmajore a.D. Olivier Anders; Heinz
Bilan; Bernhard Beyer; Günter Brodowsky; Kurt Brunner; Heinz Calvelage;
Sebald Daum; Willi Dörnbrack; Alfred Dziewulski; Johannes Fritzsche;
Egon Gleau; Otto Gereit; Roland Großer; Peter Herrich; Karl-Heinz Hess;
Günter Hiemann; Lothar Hübner; Siegmund Jähn; Günter Jahr; Manfred
Jonischkies; Günter Kaekow; Johannes Kaden; Helmut Klabunde; Klaus
Klenner; Raimund Kokott; Kurt Kronig; Manfred Lange; Bernd Leistner;
Hans Leopold; Klaus Listemann; Heinz Lipski; Hans Georg Löffler; Rudi
Mädler; Manfred Merkel; Günter Möckel; Dieter Nagler; Johannes Oreschko;
Rolf Pitschel; Hans Christian Reiche; Fritz Rothe; Günter Sarge; Dieter
Schmidt; Horst Schmieder; Gerhard Schönherr; Gerhard Seifert; Kurt
Sommer; Erich Stach; Manfred Thieme; Wolfgang Thonke; Henry Thunemann;
Walter Tzschoppe; Günter Voigt; Gerd Weber; Dieter Wendt; Klaus Wiegand;
Heinrich Winkler; Heinz-Günther Wittek; Erich Wöllner; Werner Zaroba;
Manfred Zeh; Alois Zieris
Die Konteradmirale a.D. Herbert Bernig; Eberhard
Grießbach; Hans Heß; Werner Henniger; Klaus Kahnt; Werner Kotte; Helmut
Milzow; Gerhard Müller; Joachim Münch
Namens einer großen Anzahl von Obersten und Kapitänen zur See a.D. Volker
Bednara; Frithjof Banisch; Bernd Biedermann; Karl Dlugosch; Thomas
Förster; Günter Gnauck; Günter Leo; Friedemann Munkelt; Werner
Murzynowski; Gerhard Matthes; Lothar Matthäus; Friedrich Peters; Helmut
Schmidt; Fritz Schneider; Heinz Schubert; Helmar Tietze; Wilfried
Wernecke; Rolf Zander; Oberstleutnant a.D. Günter Ganßauge
Weitere Angehörige der NVA aus den Reihen der Offiziere, Fähnriche, Unteroffiziere und Soldaten bekunden ihre Zustimmung.
"... Begrüßt wurde der Aufruf von dem CDU-Politiker Willi Wimmer.
»Die Angehörigen der Nationalen Volksarmee gehörten als Speerspitze der
Streitkräfte des Warschauer Pakts zu denen, die die Folgen einer
militärischen Auseinandersetzung in Europa und damit in Deutschland
beurteilen können«, erklärte der ehemalige Parlamentarische
Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium in einer Stellungnahme.
»Es zeichnet die Verfasser aus, dabei die historische Entwicklung und
die daraus resultierende Verpflichtung deutlich anzusprechen. (…) Das
bis heute fortdauernde Elend in Europa, das durch zwei Weltkriege
hervorgerufen worden ist, verpflichtet alle Völker und Staaten zu guter
Nachbarschaft und friedlichem Handel.«"
junge Welt, 6.5.15
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