• Neues Amt für Turtschinow
"Am Dienstag führte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Alexander Turtschinow (50) als neuen Sekretär des Sicherheitsrates in Kiew ins Amt ein. Das Gremium koordiniert die militärischen Aktivitäten des Landes, also auch das Abschlachten der eigenen Bevölkerung in der Ostukraine im Rahmen der »Antiterroristischen Operation«. Formal wird der Rat von Poroschenko geleitet, was Turtschinow nicht weiter interessieren dürfte. Ihm war stets egal, wer sich unter ihm Präsident oder Ministerpräsident nannte. Er arbeitete in den 1980ern im kommunistischen Jugendverband Komsomol und in den 90ern bei der »Privatisierung«, also Ausraubung seiner Heimatregion Dnjepropetrowsk, war Präsidentenberater und gründete gemeinsam mit dem späteren Regierungschef Pawlo Lazarenko eine Partei. Als der 2006 in den USA wegen Korruption zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, war Turtschinow gerade Chef des ukrainischen Geheimdienstes gewesen und hatte Staatsanwälte auf den Fersen, die von ihm wissen wollten, warum er Dossiers über seine politische Alliierte Julia Timoschenko und deren Verbindung zum organisierten Verbrechen verschwinden ließ. ...
Er vertrat Timoschenko im Parlament, setzte sich dort nach dem Putsch der Maidan-Führer am 22. Februar auf den Stuhl des Präsidenten und nannte es einen »historischen Moment«, als er den Kommunisten den Fraktionsstatus absprechen und zusehen konnte, wie sie von »Swoboda«-Faschisten im Plenarsaal zusammengeschlagen wurden. Sein Amtsvorgänger im Sicherheitsrat, Andri Parubi, war ein Nazi alter Schule und wahrscheinlich Urheber des Massakers in Odessa vom 2. Mai. ..." (junge Welt, 17.12.14, S. 8)
• Obama will neue Sanktionen gegen Russland und Waffen für Ukraine genehmigen
"Der amerikanische Präsident, Barack Obama, wird voraussichtlich noch in dieser Woche seine Unterschrift unter neue Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise setzen. Obama habe zwar Bedenken, weil sich die Vereinigten Staaten in diesem Fall nicht mit Verbündeten über neue Strafmaßnahmen abgestimmt hätten, sagte sein Sprecher Josh Earnest am Dienstag. Das Gesetz verschaffe ihm aber Spielraum für neue Sanktionen.
Außenminister John Kerry erklärte in London, Russland habe in den vergangenen Tagen konstruktive Schritte zur Entspannung der Lage in der Ukraine unternommen.
Die neuen Sanktionen sollen russische Rüstungsunternehmen und ausländische Investoren in der russischen Ölindustrie treffen. Vor allem westliche Länder werfen Russland vor, Soldaten und Waffen für die Rebellen über die Grenze zu schicken und so den Konflikt in der Ukraine anzuheizen. Die Regierung in Moskau weist dies zurück. ...
Mit seiner Unterschrift unter das Gesetz kann Obama zudem den Weg frei machen für die Lieferung von sogenannter „tödlicher Militärausrüstung“ an das ukrainische Militär. Bislang genehmigte Obama lediglich die Lieferung nicht-tödlicher Militärhilfe an die Ukraine." (FAZ online, 16.12.14)
• Kiew: Ukraine ist "korruptestes Land"
"Die ukrainische Regierung hat eingeräumt, dass die Korruption eine der Hauptursachen für die wirtschaftlichen Probleme des Landes ist. „Die Ukraine ist das korrupteste Land in Europa“, sagte Wirtschafts- und Handelsminister Aivaras Abromavicius der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag in Brüssel.
Die Regierung in Kiew wolle das Problem nun aber entschlossen mit Hilfe der EU und anderer internationaler Partner angehen. Der Kampf gegen die Korruption ist eine Hauptforderung internationaler Geldgeber für eine weitere finanzielle Unterstützung des Landes.
Sein eigenes Ministerium sei ein bürokratisches „Monster“ mit 1300 Beschäftigten, das von Grund auf reformiert, wenn nicht sogar einfach geschlossen werden müsse, sagte Abromavicius, der aus Litauen stammt. Die Bürokratie im Land sei allgegenwärtig und schaffe unendliche Möglichkeiten für Beamte, das System zu missbrauchen und Unternehmergeist zu ersticken.
Obwohl die Veränderungen steigende Arbeitslosigkeit bedeuteten, glaubten viele Ukrainer, dass radikale Reformen ihre „letzte Chance“ seien, sagte der Wirtschaftsminister. „Wenn es keine Reformen gibt, um unsere Wirtschaft zu stärken, steht unsere Souveränität auf dem Spiel.“ ..." (Handelsblatt online, 16.12.14)
• Drei US-Kongress-Mitglieder reichen, um neuen "Kalten Krieg" anzuheizen
Der ehemalige US-Kongress-Abgeordnete Dennis Kucinich macht in einem am 16.12.14 im Online-Magazin Common Dreams veröffentlichten Beitrag darauf aufmerksam, dass am 11.12.14 im US-Kongress ein antirussisches Sanktionsgesetz (H.R. 5859) einstimmig verabschiedet wurde – nachdem nur drei anwesende Abgeordnete sich mit dem Gesetzestext beschäftigten. Diese zweite antirussische Parlamentsentscheidung innerhalb einer Woche verschlechtere das Verhältnis zu Russland weiter und gebe den Kriegsgewinnlern in den USA mehr Macht.
Kucinich verweist auf seine eigene Erfahrung, dass die US-Kongress-Mitglieder nur selten die ihnen vorliegenden Gesetzentwürfe lesen. Das verabschiedete Gesetz, das nun auf dem Tisch von US-Präsident Barack Obama liegt, enthalte Sanktionen gegen Russland und weitere Unterstützung für die Ukraine:
1. Sanktionen der russischen Energiebranche, einschließlich Rosoboronexport und Gazprom
2. Sanktionen der russischen Rüstungsindustrie, in Bezug auf Waffenlieferungen an Syrien
3. Grundzüge der Sanktionen gegen russische Banken und Investitionen Russen
4. Bestimmungen für die Privatisierung der ukrainischen Infrastruktur, Strom, Öl, Gas und erneuerbaren Energien, mit der Hilfe von Weltbank und USAID
5. Fünfzig Millionen Dollar um die Unternehmensübernahme der Öl- und Gasindustrie der Ukraine zu unterstützen
6. Dreihundertfünfzig Millionen Dollar für Militärhilfe für die Ukraine, einschließlich Panzer, Anti-Panzer, optisch, und Anleitung und Regeltechnik, sowie Drohnen
7. Dreißig Millionen Dollar für eine intensive Radio-, Fernsehen- und Internet-Propaganda-Kampagne in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion
8. Zwanzig Millionen Dollar für "demokratische Organisation" in der Ukraine
9. Sechzig Millionen Dollar, ausgegeben durch Gruppen wie die National Endowment for Democracy (NED), zur "Demokratieförderung" in Russland10. Erklärung, dass Russland den INF-Vertrag verstoßen hat, und damit eine nukleare "Bedrohung für die Vereinigten Staaten" darstellt und zur "Rechenschaft zu ziehen"ist
11. Rückzug der USA aus dem INF-Vertrag aus dem Jahr 1988
12. Forderung an Russland, bodengestützte Marschflugkörper oder Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 km zu vernichten
Kucinich macht zugleich darauf aufmerksam, dass das ukrainische Parlament ebenfalls am 11.12.14 den neuen Militärhaushalt und ein Reformprogramm für die Armee bis 2020 beschloss. Diese Programm habe das Ziel, die Ukraine zu einem "Militärstaat" zu machen, wie Dmytro Shimkiv, Vizechef der Kiewer Präsidialadministration am 29.9.14 bereits erklärt hatte.
"Unter dem Deckmantel der Demokratisierung beraubte der Westen die Ukraine ihrer Souveränität mit einem von den USA unterstützten Putsch, benutzt sie als Vorlage, um die NATO an die russische Grenze zu bringen und entfacht den Kalten Krieg, komplettiert mit einem weiteren nuklearen Showdown.
Die Menschen in der Ukraine werden weniger frei sein, während ihr Land zu einem "Militärstaat" wird und in die Knie geht vor den internationalen Banken, angesichts struktureller Anpassungen, der Privatisierung der öffentlichen Güter, des Niedergangs der soziale Dienste, höherer Preise und eines noch stärkeren Rückgangs ihres Lebensstandards." Dem Westen gehe es nicht um die Ukraine und deren Bevölkerung, sondern nur darum, sie in seinem gepolitischen Spiel als strategischen Vorteil gegen Russland zu nutzen, so Kucinich.
• "Freie Ukraine" - eine deutsche Tradition
"Vor 99 Jahren wurde der deutsche Thinktank »Freie Ukraine« gegründet
Von Daniel Bratanovic
Der Kriegsverlauf an der Ostfront im Laufe des Jahres 1915 ermutigte die Mittelmächte zu den kühnsten Hoffnungen. Der russische Bär wankte, drohte zu fallen, man wähnte sich seiner Zerlegung nahe. Bis zum September gelangen den österreichisch-ungarischen und den deutschen Truppen gegen russische Divisionen mehrere Durchbruchoperationen, die bedeutende Gebietsgewinne erbrachten. Ende Juni waren Lemberg, der größte Teil Galiziens und die Nordbukowina zurückerobert, im Sommer und Herbst gerieten Kongress-Polen, Teile des Baltikums und Weißrusslands in die Hände der deutschen Militärs - fast ein Viertel des europäischen Russlands. Doch trotz aller Erfolge wurde das Hauptziel, die Zerschlagung der russischen Armee und das Ausscheiden des Zarenreichs aus dem Krieg, nicht erreicht, und der Bewegungskrieg wandelte sich wieder zum Stellungskrieg.
Die territorialen Eroberungen und die gescheiterten Sondierungen für einen Separatfrieden mit St. Petersburg ließen in Deutschland diejenigen Stimmen laut werden, die eine schärfere antirussische Annexions- bzw. Randstaatenpolitik forderten. Auffällig an der Situation im Herbst 1915 war der Umstand, dass in Betreff der Kriegsziele im Osten nun eine gewisse Annäherung anfänglich divergierender Positionen erfolgte. Gleichwohl bestanden in der liberalen, den neuen Industrien zugeneigten Strömung und in der alldeutsch-annexionistischen Gruppierung, die eher die Interessen der Schwerindustrie vertrat, weiterhin unterschiedliche Vorstellungen über Methoden und Schritte, Russland als Machtfaktor auszuschalten.
Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg war zwar gegen die maßlose Eroberungssucht der Alldeutschen, plädierte aber nichts desto weniger für ein härteres Vorgehen. Am 11. August 1915 schrieb er dem Kaiser, dass durch »eine Zurückdrängung des Moskowiterreiches nach Osten unter Absplitterung seiner westlichen Landesteile« eine »Befreiung von diesem Alp im Osten« erreicht werden müsse. ...
Auf Initiative des Kriegsministeriums entstand Ende 1915 der »Verband deutscher Förderer der ukrainischen Freiheitsbestrebungen >Freie Ukraine<«. Die offizielle Gründungsveranstaltung fand am 11. Dezember im Verhandlungssaal des Preußischen Abgeordnetenhauses statt. ...
An die Spitze setzten die »deutschen Förderer ukrainischer Freiheitsbestrebungen« den stellvertretenden Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes, den General der Kavallerie, Konstantin Freiherr von Gebsattel. ...
Aus einem Einladungstext von 1916 geht die nur dürftig kaschierte Interessenlage des deutschen Bank- und Industriekapitals hervor. Im Osten »lebt das 39-Millionen-Volk der Ukrainer, das sich (...) danach sehnt, völlig befreit und staatlich neu geformt, unser Bundesgenosse zu werden«. Dort seien »unübersehbare Naturschätze zu heben und dem Weltgebrauch zuzuführen«. Deutlicher wurde Schupp in einem Aufsatz in der Osteuropäischen Zukunft: »Erfüllt die Ukraine (...) alle Bedingungen, die für die Gründung und Lebensfähigkeit eines eigenen Staatswesens unerlässlich sind, so wird dafür gesorgt werden müssen, dass diese Entwicklung des Landes sich unseren Interessen entsprechend vollzieht.« ..." (junge Welt, 13.12.14, S.15)
• "Das NATO-Netzwerk schlägt zurück"
"Keine Woche ist der Appell von 60 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur unter dem Titel »Nicht in unserem Namen« auf dem deutschen Meinungsmarkt, da schlägt das NATO-Netzwerk zurück. Im Berliner Tagesspiegel verbitten sich 100 meist um eine Generation jüngere Osteuropaexperten das weichgespülte Gerede ehemaliger Kanzler, Sicherheitsberater und Bundespräsidenten über die Notwendigkeit, eine sich subjektlos aufschaukelnde Konfrontation in Europa zu entschärfen, und fordern klare Kante. »Es gibt in diesem Krieg einen eindeutigen Aggressor, und es gibt ein klar identifizierbares Opfer.« Wenig überraschend soll Russland der Böse, die Ukraine der Gute sein in diesem Konflikt, über dessen Entstehung die Initiatoren Erstaunliches mitzuteilen haben: »Wenn sich Moskau von der EU und/oder NATO bedroht fühlt, sollte es diesen Streit mit Brüssel austragen. Die Ukraine ist weder Mitglied dieser Organisationen, noch führt sie Beitrittsverhandlungen mit ihnen.« ...
In diesem Stil geht es in dem Gegenaufruf weiter. Wie oft hat denn Russland den Westen aufgefordert, über eine gemeinsame Sicherheitsregelung für ganz Europa zu verhandeln? Ist Putins Münchener Rede von 2007 schon wieder vergessen? Und sollte es den Unterzeichnern entgangen sein, dass Russland in dem Moment, wo es in Brüssel »seinen Streit« über die EU-Assoziation der Ukraine »austragen« wollte, von der EU zu hören bekommen hat, es solle sich gefälligst nicht in die bilateralen Verhandlungen zwischen Brüssel und Kiew einmischen? Das Präsens des als Argument gedachten Satzes »Die Ukraine ist weder Mitglied ... , noch führt sie Beitrittsverhandlungen ...« verrät die Art von Außenpolitik, die die Unterzeichner des Aufrufs Moskau gerade noch zugestehen wollen: abzuwarten, bis sie Mitglied ist, also die andere Seite Fakten geschaffen hat. Kapitulation als Voraussetzung des Dialogs. Die meisten Unterzeichner arbeiten in politischen Stiftungen und Medien, sind also von praktischer Verantwortung für die Folgen ihres Handelns frei. So wie die deutschen Professoren, die 1914 hurrapatriotische Appelle »an die Kulturwelt« herausgaben, als Scharfmacher an der Heimatfront.
Initiiert hat den Aufruf Andreas Umland. Der Mann hat ausweislich der Wikipedia-Seite über ihn einige Jahre mit einem NATO-Stipendium in den USA verbracht und an der erzkonservativen Katholischen Universität Eichstätt gelehrt. Derzeit doziert er, vom Deutschen Akademischen Austauschdienst finanziert, an der Kiewer Mohyla-Akademie, einer Hochburg des Nationalismus in der ukrainischen Wissenschaftslandschaft. Wegen mit seinem Status als Gastwissenschaftler nicht ganz vereinbarer Aktivitäten auf dem Euro-Maidan forderten Abgeordnete der »Partei der Regionen« im vergangenen Winter seine Ausweisung aus der Ukraine; dazu kam es nicht mehr." (Reinhard Lauterbach in junge Welt, 13.12.14)
Am 12.12.14 erinnerte Knut Mellenthin in der Tageszeitung junge Welt daran, dass in den 70er Jahren "hunderte Journalisten" für die CIA arbeiteten. Und er fragt: "Und heute nicht ein einziger?"
• Kiew erschwert das Leben der Menschen im Donbass
"Anfang dieser Woche hatte Dmytro Kuleba vom ukrainischen Außenministerium Anlass zur Freude. Das ist nicht selbstverständlich in einem Land, dem sein Ministerpräsident am Donnerstag die Hauptaufgabe gestellt hat, das kommende Jahr zu überleben. Doch Kuleba konnte im Fernsehsender 5. Kanal, der Präsident Petro Poroschenko gehört, frohlocken: Die von Kiew verhängte Finanzblockade der international nicht anerkannten »Volksrepubliken« Donezk und Lugansk sei »außenpolitisch außerordentlich effizient« gewesen. Außenpolitisch deshalb, weil sie die Last des Unterhalts der verbliebenen ca. 3,5 Millionen Bewohner der Volksrepubliken auf Russland abgewälzt habe. Und das könne und wolle sich dies langfristig nicht leisten.
Ein wesentlicher Anlass für Freude in Kiew ist, dass es dank der Blockade gelungen ist, die Auszahlung von sozialen Transferleistungen an die Bevölkerung des Aufstandsgebiets wesentlich zu reduzieren. In erster Linie betrifft dies etwa 1,2 Millionen Rentner. Sie können ihre Pensionen nur erhalten, wenn sie sie im von Kiew kontrollierten Teil des Landes beantragen und persönlich abholen. Dazu müssen sie entweder den Flüchtlingsstatus beantragen oder einen Wohnsitz dort anmelden. Kiew will auf jeden Fall verhindern, dass mit den persönlich abgeholten Renten auch Kaufkraft ins Aufstandsgebiet zurückkehrt. In der Praxis lassen sich diese Bestimmungen jedoch offenbar umgehen. In Kleinanzeigen bieten Bewohner von Städten im von Kiew kontrollierten Mariupol und anderswo an, Rentnern aus dem Donbass einen Meldezettel auszustellen - was freilich kostet, beispielsweise die Übernahme der gerade im Zuge der »Reformen« um 50 Prozent gestiegenen Nebenkosten für die Wohnungen der »Vermieter«.
Die Volkswirtschaft im Aufstandsgebiet leidet derweil unter Bargeldmangel. ...
Kurzfristig übernimmt offenbar Russland einen Großteil der laufenden Ausgaben. Ein Sprecher der Stadtverwaltung Donezk nannte vor einiger Zeit die Zahl von 80 Prozent, die aus Moskau zugeschossen werde. Denn der industrielle Reichtum des Donbass, seine Kohle, ist derzeit unverkäuflich. Rund zwei Millionen Tonnen des schwarzen Rohstoffs liegen auf Halde. Anfang der Woche wandten sich deshalb die Führungen beider »Volksrepubliken« mit einem Solidaritätsappell an Russland. ...
In dieser Situation will die liberale Moskauer Zeitung Nowaja Gaseta erfahren haben, dass Russland sich vom Projekt »Noworossija« - dahinter verbirgt sich die Unterstützung des antiukrainischen Aufstands im Donbass - verabschiedet habe. Vielmehr strebe Russland jetzt wieder an, die Aufstandsgebiete unter Voraussetzung einer noch auszuhandelnden regionalen Autonomie wieder unter ukrainische Oberhoheit »zurückzuschieben«. Die Zeitung beruft sich auf mehrere Quellen sowohl im Kreml als auch in der Führung der Volksrepublik Donezk." (junge Welt, 12.12.14, S.7)
→ hier geht's zu Folge 104
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
"Am Dienstag führte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Alexander Turtschinow (50) als neuen Sekretär des Sicherheitsrates in Kiew ins Amt ein. Das Gremium koordiniert die militärischen Aktivitäten des Landes, also auch das Abschlachten der eigenen Bevölkerung in der Ostukraine im Rahmen der »Antiterroristischen Operation«. Formal wird der Rat von Poroschenko geleitet, was Turtschinow nicht weiter interessieren dürfte. Ihm war stets egal, wer sich unter ihm Präsident oder Ministerpräsident nannte. Er arbeitete in den 1980ern im kommunistischen Jugendverband Komsomol und in den 90ern bei der »Privatisierung«, also Ausraubung seiner Heimatregion Dnjepropetrowsk, war Präsidentenberater und gründete gemeinsam mit dem späteren Regierungschef Pawlo Lazarenko eine Partei. Als der 2006 in den USA wegen Korruption zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, war Turtschinow gerade Chef des ukrainischen Geheimdienstes gewesen und hatte Staatsanwälte auf den Fersen, die von ihm wissen wollten, warum er Dossiers über seine politische Alliierte Julia Timoschenko und deren Verbindung zum organisierten Verbrechen verschwinden ließ. ...
Er vertrat Timoschenko im Parlament, setzte sich dort nach dem Putsch der Maidan-Führer am 22. Februar auf den Stuhl des Präsidenten und nannte es einen »historischen Moment«, als er den Kommunisten den Fraktionsstatus absprechen und zusehen konnte, wie sie von »Swoboda«-Faschisten im Plenarsaal zusammengeschlagen wurden. Sein Amtsvorgänger im Sicherheitsrat, Andri Parubi, war ein Nazi alter Schule und wahrscheinlich Urheber des Massakers in Odessa vom 2. Mai. ..." (junge Welt, 17.12.14, S. 8)
• EU kündigt neue Sanktionen gegen Russland an
"Im
Ukraine-Konflikt will Europa bis zum EU-Gipfel am Donnerstag neue
Sanktionen gegen die von Russland annektierte Halbinsel Krim
beschließen. Betroffen seien Investitionen in den Bereichen Energie, Öl-
und Gasförderung, Transport, Verkehr und Telekommunikation, teilten
Diplomaten am Dienstag in Brüssel mit. Auch Tourismusdienstleistungen
gehörten dazu.
Darunter falle ein Verbot für Kreuzfahrtschiffe, in Häfen der Krim vor Anker zu gehen, hieß es weiter. Der Beschluss wird bis Donnerstagmittag erwartet, der Gipfel beginnt wenige Stunden später.
Die neuen Sanktionen zeigten, "dass Europa an seiner Politik festhält, die illegale Annexion der Krim durch Russland nicht anzuerkennen", sagte ein europäischer Diplomat. "Wir haben das Problem der Krim nicht vergessen, auch wenn wir uns derzeit vor allem zur Ostukraine äußern." Russland hatte die Krim im März annektiert. Die ukrainische Regierung und der Westen werfen Russland vor, auch die Separatisten in der Ostukraine mit Soldaten und Waffen zu unterstützen. ..." (Wiener Zeitung online, 16.12.14)
Darunter falle ein Verbot für Kreuzfahrtschiffe, in Häfen der Krim vor Anker zu gehen, hieß es weiter. Der Beschluss wird bis Donnerstagmittag erwartet, der Gipfel beginnt wenige Stunden später.
Die neuen Sanktionen zeigten, "dass Europa an seiner Politik festhält, die illegale Annexion der Krim durch Russland nicht anzuerkennen", sagte ein europäischer Diplomat. "Wir haben das Problem der Krim nicht vergessen, auch wenn wir uns derzeit vor allem zur Ostukraine äußern." Russland hatte die Krim im März annektiert. Die ukrainische Regierung und der Westen werfen Russland vor, auch die Separatisten in der Ostukraine mit Soldaten und Waffen zu unterstützen. ..." (Wiener Zeitung online, 16.12.14)
"Der amerikanische Präsident, Barack Obama, wird voraussichtlich noch in dieser Woche seine Unterschrift unter neue Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise setzen. Obama habe zwar Bedenken, weil sich die Vereinigten Staaten in diesem Fall nicht mit Verbündeten über neue Strafmaßnahmen abgestimmt hätten, sagte sein Sprecher Josh Earnest am Dienstag. Das Gesetz verschaffe ihm aber Spielraum für neue Sanktionen.
Außenminister John Kerry erklärte in London, Russland habe in den vergangenen Tagen konstruktive Schritte zur Entspannung der Lage in der Ukraine unternommen.
Die neuen Sanktionen sollen russische Rüstungsunternehmen und ausländische Investoren in der russischen Ölindustrie treffen. Vor allem westliche Länder werfen Russland vor, Soldaten und Waffen für die Rebellen über die Grenze zu schicken und so den Konflikt in der Ukraine anzuheizen. Die Regierung in Moskau weist dies zurück. ...
Mit seiner Unterschrift unter das Gesetz kann Obama zudem den Weg frei machen für die Lieferung von sogenannter „tödlicher Militärausrüstung“ an das ukrainische Militär. Bislang genehmigte Obama lediglich die Lieferung nicht-tödlicher Militärhilfe an die Ukraine." (FAZ online, 16.12.14)
• Kiew: Ukraine ist "korruptestes Land"
"Die ukrainische Regierung hat eingeräumt, dass die Korruption eine der Hauptursachen für die wirtschaftlichen Probleme des Landes ist. „Die Ukraine ist das korrupteste Land in Europa“, sagte Wirtschafts- und Handelsminister Aivaras Abromavicius der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag in Brüssel.
Die Regierung in Kiew wolle das Problem nun aber entschlossen mit Hilfe der EU und anderer internationaler Partner angehen. Der Kampf gegen die Korruption ist eine Hauptforderung internationaler Geldgeber für eine weitere finanzielle Unterstützung des Landes.
Sein eigenes Ministerium sei ein bürokratisches „Monster“ mit 1300 Beschäftigten, das von Grund auf reformiert, wenn nicht sogar einfach geschlossen werden müsse, sagte Abromavicius, der aus Litauen stammt. Die Bürokratie im Land sei allgegenwärtig und schaffe unendliche Möglichkeiten für Beamte, das System zu missbrauchen und Unternehmergeist zu ersticken.
Obwohl die Veränderungen steigende Arbeitslosigkeit bedeuteten, glaubten viele Ukrainer, dass radikale Reformen ihre „letzte Chance“ seien, sagte der Wirtschaftsminister. „Wenn es keine Reformen gibt, um unsere Wirtschaft zu stärken, steht unsere Souveränität auf dem Spiel.“ ..." (Handelsblatt online, 16.12.14)
• EU setzt Finanzspritze für Ukraine aus - Russland kündigt Zusammenarbeit auf
"Angesichts
ausbleibender Reformen in der Ukraine hält sich die Europäische Union
vorerst mit konkreten Zusagen für neue Finanzhilfen zurück. Lediglich
die Organisation der bereits vor längerem vorgeschlagenen Geberkonferenz
stellte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn nach einem Treffen mit
dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk am Montagabend in
Aussicht.
Der Westen hatte zuletzt ein schnelleres Reformtempo in dem Land urgiert. Wenn die Regierung in Kiew die Reformen vorantreibe, könne es sehr früh im nächsten Jahr einen Termin für die Konferenz geben, sagte Hahn am Montagabend in Brüssel. "Wir würden sicherlich gerne ein paar erste Ergebnisse sehen." Jazenjuk bekräftigte, seine Regierung sei auf einem guten Weg. Sein Land benötige aber eigentlich sofort Hilfe.
Diplomaten sprachen von einem möglichen Finanzbedarf in Höhe von weiteren 15 Milliarden US-Dollar (12,07 Mrd. Euro). Die EU hat der Ukraine bisher Hilfen in Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden Euro versprochen. Ein Großteil des Geldes ist bereits überwiesen. Zudem gibt es unter anderem ein IWF-Programm über rund 17 Milliarden Dollar.
Zudem kündigte der russische Regierungschef Dmitri Medwedew in einem Zeitungsbeitrag das über Jahrhunderte gewachsene "familiäre Verhältnis" zur Ukraine auf. "Wir werden die Wirtschaft der Ukraine nicht mehr stützen. Das ist unvorteilhaft für uns. Und ehrlich gesagt, haben wir es satt", schrieb er. Wenn die Ukraine europäisch sein wolle, müsse sie lernen, Rechnungen wie im Westen zu bezahlen. ..." (Wiener Zeitung online, 16.12.14)
Der Westen hatte zuletzt ein schnelleres Reformtempo in dem Land urgiert. Wenn die Regierung in Kiew die Reformen vorantreibe, könne es sehr früh im nächsten Jahr einen Termin für die Konferenz geben, sagte Hahn am Montagabend in Brüssel. "Wir würden sicherlich gerne ein paar erste Ergebnisse sehen." Jazenjuk bekräftigte, seine Regierung sei auf einem guten Weg. Sein Land benötige aber eigentlich sofort Hilfe.
Diplomaten sprachen von einem möglichen Finanzbedarf in Höhe von weiteren 15 Milliarden US-Dollar (12,07 Mrd. Euro). Die EU hat der Ukraine bisher Hilfen in Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden Euro versprochen. Ein Großteil des Geldes ist bereits überwiesen. Zudem gibt es unter anderem ein IWF-Programm über rund 17 Milliarden Dollar.
Zudem kündigte der russische Regierungschef Dmitri Medwedew in einem Zeitungsbeitrag das über Jahrhunderte gewachsene "familiäre Verhältnis" zur Ukraine auf. "Wir werden die Wirtschaft der Ukraine nicht mehr stützen. Das ist unvorteilhaft für uns. Und ehrlich gesagt, haben wir es satt", schrieb er. Wenn die Ukraine europäisch sein wolle, müsse sie lernen, Rechnungen wie im Westen zu bezahlen. ..." (Wiener Zeitung online, 16.12.14)
Der ehemalige US-Kongress-Abgeordnete Dennis Kucinich macht in einem am 16.12.14 im Online-Magazin Common Dreams veröffentlichten Beitrag darauf aufmerksam, dass am 11.12.14 im US-Kongress ein antirussisches Sanktionsgesetz (H.R. 5859) einstimmig verabschiedet wurde – nachdem nur drei anwesende Abgeordnete sich mit dem Gesetzestext beschäftigten. Diese zweite antirussische Parlamentsentscheidung innerhalb einer Woche verschlechtere das Verhältnis zu Russland weiter und gebe den Kriegsgewinnlern in den USA mehr Macht.
Kucinich verweist auf seine eigene Erfahrung, dass die US-Kongress-Mitglieder nur selten die ihnen vorliegenden Gesetzentwürfe lesen. Das verabschiedete Gesetz, das nun auf dem Tisch von US-Präsident Barack Obama liegt, enthalte Sanktionen gegen Russland und weitere Unterstützung für die Ukraine:
1. Sanktionen der russischen Energiebranche, einschließlich Rosoboronexport und Gazprom
2. Sanktionen der russischen Rüstungsindustrie, in Bezug auf Waffenlieferungen an Syrien
3. Grundzüge der Sanktionen gegen russische Banken und Investitionen Russen
4. Bestimmungen für die Privatisierung der ukrainischen Infrastruktur, Strom, Öl, Gas und erneuerbaren Energien, mit der Hilfe von Weltbank und USAID
5. Fünfzig Millionen Dollar um die Unternehmensübernahme der Öl- und Gasindustrie der Ukraine zu unterstützen
6. Dreihundertfünfzig Millionen Dollar für Militärhilfe für die Ukraine, einschließlich Panzer, Anti-Panzer, optisch, und Anleitung und Regeltechnik, sowie Drohnen
7. Dreißig Millionen Dollar für eine intensive Radio-, Fernsehen- und Internet-Propaganda-Kampagne in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion
8. Zwanzig Millionen Dollar für "demokratische Organisation" in der Ukraine
9. Sechzig Millionen Dollar, ausgegeben durch Gruppen wie die National Endowment for Democracy (NED), zur "Demokratieförderung" in Russland10. Erklärung, dass Russland den INF-Vertrag verstoßen hat, und damit eine nukleare "Bedrohung für die Vereinigten Staaten" darstellt und zur "Rechenschaft zu ziehen"ist
11. Rückzug der USA aus dem INF-Vertrag aus dem Jahr 1988
12. Forderung an Russland, bodengestützte Marschflugkörper oder Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 km zu vernichten
Kucinich macht zugleich darauf aufmerksam, dass das ukrainische Parlament ebenfalls am 11.12.14 den neuen Militärhaushalt und ein Reformprogramm für die Armee bis 2020 beschloss. Diese Programm habe das Ziel, die Ukraine zu einem "Militärstaat" zu machen, wie Dmytro Shimkiv, Vizechef der Kiewer Präsidialadministration am 29.9.14 bereits erklärt hatte.
"Unter dem Deckmantel der Demokratisierung beraubte der Westen die Ukraine ihrer Souveränität mit einem von den USA unterstützten Putsch, benutzt sie als Vorlage, um die NATO an die russische Grenze zu bringen und entfacht den Kalten Krieg, komplettiert mit einem weiteren nuklearen Showdown.
Die Menschen in der Ukraine werden weniger frei sein, während ihr Land zu einem "Militärstaat" wird und in die Knie geht vor den internationalen Banken, angesichts struktureller Anpassungen, der Privatisierung der öffentlichen Güter, des Niedergangs der soziale Dienste, höherer Preise und eines noch stärkeren Rückgangs ihres Lebensstandards." Dem Westen gehe es nicht um die Ukraine und deren Bevölkerung, sondern nur darum, sie in seinem gepolitischen Spiel als strategischen Vorteil gegen Russland zu nutzen, so Kucinich.
• Mehr als 4.600 Tote durch Krieg in der Ostukraine
"Bei
den Gefechten zwischen Regierungseinheiten und prorussischen
Separatisten in der Ostukraine sind den Vereinten Nationen zufolge seit
April mehr als 4.600 Menschen getötet worden. Zudem wurden in den
dortigen Unruheregionen Donezk und Luhansk insgesamt etwa 10.000
Soldaten, Aufständische und Zivilisten verletzt, wie die
UN-Nothilfeorganisation Ocha weiter berichtete.
In der Ostukraine gilt seit einer Woche eine - allerdings brüchige - Waffenruhe. Die prowestliche Führung in Kiew hatte im April eine "Anti-Terror-Offensive" gegen die Aufständischen gestartet. Seitdem seien mindestens 1,1 Millionen Menschen aus dem Krisengebiet geflüchtet, entweder ins Landesinnere der Ex-Sowjetrepublik oder in Nachbarstaaten - davon die meisten nach Russland, teilte Ocha mit.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko räumte am Sonntag ein, dass das Militär die Feuerpause auch zur Verstärkung seiner Stellungen nutze. "Nur eine starke Armee garantiert Frieden", sagte der Staatschef bei einem Treffen mit Offizieren in Kiew. Kritiker werfen Poroschenko vor, angesichts leerer Staatskassen zu sehr auf Rüstung und zu wenig auf eine Modernisierung der Behörden zu setzen. ..." (Wiener Zeitung online, 14.12.14)
In der Ostukraine gilt seit einer Woche eine - allerdings brüchige - Waffenruhe. Die prowestliche Führung in Kiew hatte im April eine "Anti-Terror-Offensive" gegen die Aufständischen gestartet. Seitdem seien mindestens 1,1 Millionen Menschen aus dem Krisengebiet geflüchtet, entweder ins Landesinnere der Ex-Sowjetrepublik oder in Nachbarstaaten - davon die meisten nach Russland, teilte Ocha mit.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko räumte am Sonntag ein, dass das Militär die Feuerpause auch zur Verstärkung seiner Stellungen nutze. "Nur eine starke Armee garantiert Frieden", sagte der Staatschef bei einem Treffen mit Offizieren in Kiew. Kritiker werfen Poroschenko vor, angesichts leerer Staatskassen zu sehr auf Rüstung und zu wenig auf eine Modernisierung der Behörden zu setzen. ..." (Wiener Zeitung online, 14.12.14)
"Vor 99 Jahren wurde der deutsche Thinktank »Freie Ukraine« gegründet
Von Daniel Bratanovic
Der Kriegsverlauf an der Ostfront im Laufe des Jahres 1915 ermutigte die Mittelmächte zu den kühnsten Hoffnungen. Der russische Bär wankte, drohte zu fallen, man wähnte sich seiner Zerlegung nahe. Bis zum September gelangen den österreichisch-ungarischen und den deutschen Truppen gegen russische Divisionen mehrere Durchbruchoperationen, die bedeutende Gebietsgewinne erbrachten. Ende Juni waren Lemberg, der größte Teil Galiziens und die Nordbukowina zurückerobert, im Sommer und Herbst gerieten Kongress-Polen, Teile des Baltikums und Weißrusslands in die Hände der deutschen Militärs - fast ein Viertel des europäischen Russlands. Doch trotz aller Erfolge wurde das Hauptziel, die Zerschlagung der russischen Armee und das Ausscheiden des Zarenreichs aus dem Krieg, nicht erreicht, und der Bewegungskrieg wandelte sich wieder zum Stellungskrieg.
Die territorialen Eroberungen und die gescheiterten Sondierungen für einen Separatfrieden mit St. Petersburg ließen in Deutschland diejenigen Stimmen laut werden, die eine schärfere antirussische Annexions- bzw. Randstaatenpolitik forderten. Auffällig an der Situation im Herbst 1915 war der Umstand, dass in Betreff der Kriegsziele im Osten nun eine gewisse Annäherung anfänglich divergierender Positionen erfolgte. Gleichwohl bestanden in der liberalen, den neuen Industrien zugeneigten Strömung und in der alldeutsch-annexionistischen Gruppierung, die eher die Interessen der Schwerindustrie vertrat, weiterhin unterschiedliche Vorstellungen über Methoden und Schritte, Russland als Machtfaktor auszuschalten.
Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg war zwar gegen die maßlose Eroberungssucht der Alldeutschen, plädierte aber nichts desto weniger für ein härteres Vorgehen. Am 11. August 1915 schrieb er dem Kaiser, dass durch »eine Zurückdrängung des Moskowiterreiches nach Osten unter Absplitterung seiner westlichen Landesteile« eine »Befreiung von diesem Alp im Osten« erreicht werden müsse. ...
Auf Initiative des Kriegsministeriums entstand Ende 1915 der »Verband deutscher Förderer der ukrainischen Freiheitsbestrebungen >Freie Ukraine<«. Die offizielle Gründungsveranstaltung fand am 11. Dezember im Verhandlungssaal des Preußischen Abgeordnetenhauses statt. ...
An die Spitze setzten die »deutschen Förderer ukrainischer Freiheitsbestrebungen« den stellvertretenden Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes, den General der Kavallerie, Konstantin Freiherr von Gebsattel. ...
Aus einem Einladungstext von 1916 geht die nur dürftig kaschierte Interessenlage des deutschen Bank- und Industriekapitals hervor. Im Osten »lebt das 39-Millionen-Volk der Ukrainer, das sich (...) danach sehnt, völlig befreit und staatlich neu geformt, unser Bundesgenosse zu werden«. Dort seien »unübersehbare Naturschätze zu heben und dem Weltgebrauch zuzuführen«. Deutlicher wurde Schupp in einem Aufsatz in der Osteuropäischen Zukunft: »Erfüllt die Ukraine (...) alle Bedingungen, die für die Gründung und Lebensfähigkeit eines eigenen Staatswesens unerlässlich sind, so wird dafür gesorgt werden müssen, dass diese Entwicklung des Landes sich unseren Interessen entsprechend vollzieht.« ..." (junge Welt, 13.12.14, S.15)
• "Das NATO-Netzwerk schlägt zurück"
"Keine Woche ist der Appell von 60 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur unter dem Titel »Nicht in unserem Namen« auf dem deutschen Meinungsmarkt, da schlägt das NATO-Netzwerk zurück. Im Berliner Tagesspiegel verbitten sich 100 meist um eine Generation jüngere Osteuropaexperten das weichgespülte Gerede ehemaliger Kanzler, Sicherheitsberater und Bundespräsidenten über die Notwendigkeit, eine sich subjektlos aufschaukelnde Konfrontation in Europa zu entschärfen, und fordern klare Kante. »Es gibt in diesem Krieg einen eindeutigen Aggressor, und es gibt ein klar identifizierbares Opfer.« Wenig überraschend soll Russland der Böse, die Ukraine der Gute sein in diesem Konflikt, über dessen Entstehung die Initiatoren Erstaunliches mitzuteilen haben: »Wenn sich Moskau von der EU und/oder NATO bedroht fühlt, sollte es diesen Streit mit Brüssel austragen. Die Ukraine ist weder Mitglied dieser Organisationen, noch führt sie Beitrittsverhandlungen mit ihnen.« ...
In diesem Stil geht es in dem Gegenaufruf weiter. Wie oft hat denn Russland den Westen aufgefordert, über eine gemeinsame Sicherheitsregelung für ganz Europa zu verhandeln? Ist Putins Münchener Rede von 2007 schon wieder vergessen? Und sollte es den Unterzeichnern entgangen sein, dass Russland in dem Moment, wo es in Brüssel »seinen Streit« über die EU-Assoziation der Ukraine »austragen« wollte, von der EU zu hören bekommen hat, es solle sich gefälligst nicht in die bilateralen Verhandlungen zwischen Brüssel und Kiew einmischen? Das Präsens des als Argument gedachten Satzes »Die Ukraine ist weder Mitglied ... , noch führt sie Beitrittsverhandlungen ...« verrät die Art von Außenpolitik, die die Unterzeichner des Aufrufs Moskau gerade noch zugestehen wollen: abzuwarten, bis sie Mitglied ist, also die andere Seite Fakten geschaffen hat. Kapitulation als Voraussetzung des Dialogs. Die meisten Unterzeichner arbeiten in politischen Stiftungen und Medien, sind also von praktischer Verantwortung für die Folgen ihres Handelns frei. So wie die deutschen Professoren, die 1914 hurrapatriotische Appelle »an die Kulturwelt« herausgaben, als Scharfmacher an der Heimatfront.
Initiiert hat den Aufruf Andreas Umland. Der Mann hat ausweislich der Wikipedia-Seite über ihn einige Jahre mit einem NATO-Stipendium in den USA verbracht und an der erzkonservativen Katholischen Universität Eichstätt gelehrt. Derzeit doziert er, vom Deutschen Akademischen Austauschdienst finanziert, an der Kiewer Mohyla-Akademie, einer Hochburg des Nationalismus in der ukrainischen Wissenschaftslandschaft. Wegen mit seinem Status als Gastwissenschaftler nicht ganz vereinbarer Aktivitäten auf dem Euro-Maidan forderten Abgeordnete der »Partei der Regionen« im vergangenen Winter seine Ausweisung aus der Ukraine; dazu kam es nicht mehr." (Reinhard Lauterbach in junge Welt, 13.12.14)
Am 12.12.14 erinnerte Knut Mellenthin in der Tageszeitung junge Welt daran, dass in den 70er Jahren "hunderte Journalisten" für die CIA arbeiteten. Und er fragt: "Und heute nicht ein einziger?"
• Kiew erschwert das Leben der Menschen im Donbass
"Anfang dieser Woche hatte Dmytro Kuleba vom ukrainischen Außenministerium Anlass zur Freude. Das ist nicht selbstverständlich in einem Land, dem sein Ministerpräsident am Donnerstag die Hauptaufgabe gestellt hat, das kommende Jahr zu überleben. Doch Kuleba konnte im Fernsehsender 5. Kanal, der Präsident Petro Poroschenko gehört, frohlocken: Die von Kiew verhängte Finanzblockade der international nicht anerkannten »Volksrepubliken« Donezk und Lugansk sei »außenpolitisch außerordentlich effizient« gewesen. Außenpolitisch deshalb, weil sie die Last des Unterhalts der verbliebenen ca. 3,5 Millionen Bewohner der Volksrepubliken auf Russland abgewälzt habe. Und das könne und wolle sich dies langfristig nicht leisten.
Ein wesentlicher Anlass für Freude in Kiew ist, dass es dank der Blockade gelungen ist, die Auszahlung von sozialen Transferleistungen an die Bevölkerung des Aufstandsgebiets wesentlich zu reduzieren. In erster Linie betrifft dies etwa 1,2 Millionen Rentner. Sie können ihre Pensionen nur erhalten, wenn sie sie im von Kiew kontrollierten Teil des Landes beantragen und persönlich abholen. Dazu müssen sie entweder den Flüchtlingsstatus beantragen oder einen Wohnsitz dort anmelden. Kiew will auf jeden Fall verhindern, dass mit den persönlich abgeholten Renten auch Kaufkraft ins Aufstandsgebiet zurückkehrt. In der Praxis lassen sich diese Bestimmungen jedoch offenbar umgehen. In Kleinanzeigen bieten Bewohner von Städten im von Kiew kontrollierten Mariupol und anderswo an, Rentnern aus dem Donbass einen Meldezettel auszustellen - was freilich kostet, beispielsweise die Übernahme der gerade im Zuge der »Reformen« um 50 Prozent gestiegenen Nebenkosten für die Wohnungen der »Vermieter«.
Die Volkswirtschaft im Aufstandsgebiet leidet derweil unter Bargeldmangel. ...
Kurzfristig übernimmt offenbar Russland einen Großteil der laufenden Ausgaben. Ein Sprecher der Stadtverwaltung Donezk nannte vor einiger Zeit die Zahl von 80 Prozent, die aus Moskau zugeschossen werde. Denn der industrielle Reichtum des Donbass, seine Kohle, ist derzeit unverkäuflich. Rund zwei Millionen Tonnen des schwarzen Rohstoffs liegen auf Halde. Anfang der Woche wandten sich deshalb die Führungen beider »Volksrepubliken« mit einem Solidaritätsappell an Russland. ...
In dieser Situation will die liberale Moskauer Zeitung Nowaja Gaseta erfahren haben, dass Russland sich vom Projekt »Noworossija« - dahinter verbirgt sich die Unterstützung des antiukrainischen Aufstands im Donbass - verabschiedet habe. Vielmehr strebe Russland jetzt wieder an, die Aufstandsgebiete unter Voraussetzung einer noch auszuhandelnden regionalen Autonomie wieder unter ukrainische Oberhoheit »zurückzuschieben«. Die Zeitung beruft sich auf mehrere Quellen sowohl im Kreml als auch in der Führung der Volksrepublik Donezk." (junge Welt, 12.12.14, S.7)
→ hier geht's zu Folge 104
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
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