Da wird also in der Ukraine ein neuer Präsident gewählt, "mitten in Blut, Krieg und Repressionen". Zahlreichen Berichten zufolge
ist der Schokoladen-Oligarch Petro Poroschenko der Favorit für das Amt.
Die Neuwahl war noch mit dem gestürzten demokratisch gewählten
Präsidenten Wiktor Janukowitsch vereinbart worden, in Folge der Maidan-Proteste in Kiew.
Dass er nachgab, wurde Janukowitsch vergolten, in dem er einen Tag
später gestürzt wurde. Die drei Außenminister aus der EU, Frank-Walter
Steinmeier, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski, die ihn überredet
hatten, dankten ihm das, in dem sie kein Wort des Protestes äußerten,
dass der rechtmäßige Präsident abgesetzt wurde.
Das gehört zur Vorgeschichte der Wahl in der Ukraine, auf die viele gespannt schauen und die von manchen nicht ganz realitätsgerecht als Chance gesehen wird, den Konflikt zu lösen. Nun wird wahrscheinlich ein richtiger Oligarch in die Präsidentenresidenz in Kiew einziehen. Janukowitsch war kein richtiger Oligarch, gab sich aber alle Mühe, einer zu werden. Schafft es Poroschenko, wird er natürlich nicht wie sein gestürzter Vorgänger der Prunksucht verfallen, weil: so ein richtiger Oligarch versteckt ja seinen Reichtum.
Zur Vorgeschichte gehört auch, dass der Protest auf dem Kiewer Maidan-Platz sich nicht nur gegen Janukowitschs Nein zum EU-Assoziierungsabkommen richtete. Es sollte auch gegen die Oligarchen-Herrschaft in der Ukraine gehen. Aber das kann durchaus als „Schnee von gestern“ gesehen werden: Die Oligarchen haben ihre Macht gesichert, in dem sie rechtzeitig auf EU-Kurs gegangen sind und auch die Maidanisten unterstützten. „Die Revolution in der Ukraine ist eher ein Oligarchenwechsel“, war in der April-Ausgabe von Le Monde diplomatique zu lesen. Mit der seit 2004 jährlich stattfindenden Konferenz "Yalta European Strategy" (YES), organisiert von dem Oligarchen Victor Pinchuk, der die Ukraine in die EU führen will, war der Kurs längst vorgezeichnet. Dafür sind sie von jenen, die für sie und die westlichen Auftraggeber den Staatsstreich erledigten, entsprechend belohnt worden: „Dem Gebiet Dnipropetrowsk wurde Igor Kolomoiski an die Spitze gestellt. Der zypriotische Staatsbürger Konstantin Grigorischin, dessen Vermögen auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt wird, bekam die Gelegenheit, das Gebiet Sumy zu leiten – allerdings lässt er sich Zeit damit, von der sonnigen Insel dorthin zu kommen. Der neugebackene Ukrainer Wadim Nowinski, der vor ein paar Jahren die russische Staatsbürgerschaft abgelegt hatte, sollte auf Erlass des „Präsident“ genannten Turtschinow die Krim regieren.“ (Stimme Russlands, 18. Mai 2014) Die „Gas-Prinzessin“, Liebling des Westens und Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko gehört natürlich zu dem illustren Klub.
Selbst bei Spiegel online haben sie entdeckt: „Wer gestern noch ein zwielichtiger Oligarch gewesen ist, der Parlamentarier und Minister nach Belieben bestach, tritt heute für die Unabhängigkeit der Ukraine ein.“ Erstaunliches wurde in Hamburg entdeckt: „Wenig deutet darauf hin, dass sich an den Machtverhältnissen in der Ukraine schnell etwas ändern wird. Die Oligarchen entdecken ja nicht die Demokraten in sich. Sie lieben die Ordnung ihrer Wahl, in deren Windschatten sie ihre Geschäfte abwickeln können.“ Dass es mit der ukrainischen Unabhängigkeit nicht weit her ist angesichts der Bedingungen, die EU, Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) für die versprochene „Hilfe“ stellen, ist längst klar, wenn auch vielleicht nicht in Hamburg. Die Oligarchen wollen bloß dabei sein, wenn die Geschäftsgrundlagen geändert werden. Und irgendwelche Forderungen vom Maidan-Platz haben sie nicht interessiert, als dort gegen ihren Konkurrenten Janukowitsch protestiert wurde, und interessieren sie auch jetzt nicht.
Das zeigt auch ein Blick auf einige Äußerungen des Favoriten für die Wahl, Poroschenko: Der kündigte laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform am 22. Mai 2014 in Lviv an, als Präsident zuerst das Parlament, die ukrainische Werchowna Rada, aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen. Denn das jetzige Parlament sei nicht auf die neue „Nationalidee“ – die Europäische Integration – ausgerichtet. Das möchte der Schokoladen-Oligarch gern ändern. Kann sich noch jemand daran erinnern, dass Janukowitsch „diktatorische Vollmachten“ vorgeworfen wurden, nicht nur von den Maidanisten, sondern auch von der EU und den USA? Aber auch, dass er die von der ihn unterstützenden Parlamentsmehrheit im Januar beschlossene Verschärfung der Versammlungs- und Pressefreiheit zurücknahm, nutzte ihm nichts. Beim möglichen Schokoladen-Präsidenten wird ähnliches Verhalten natürlich toleriert werden, denn dann wird es heißen: Zuerst braucht die Ukraine nun Stabilität.
Ich bin gespannt auf die Reaktionen in und außerhalb der Ukraine, wenn Poroschenko gewählt wird und seine Ankündigungen umsetzt. Darf der dann alles, weil er auch demokratisch gewählt wurde? Zu Poroschenkos Plänen gehört laut Ukrinform auch, die Grenze nach Russland zu sperren und die „Antiterror-Operation“ in der Ostukraine fortzusetzen. Übrigens: Als die ukrainischen Sicherheitskräfte am 19. Februar 2014 nach rund drei Monaten gewalttätiger Proteste einen „Anti-Terror-Einsatz“ ankündigten, drohte US-Präsident Barack Obama mit „Konsequenzen“. Aber auch das war schon drei Tage später „Schnee von gestern“. Nachdem Sturz wurde Janukowitsch u.a. anhand angeblich aufgefundener Geheimdokumente vorgeworfen, dass er„die Proteste im Zentrum von Kiew mit 2500 zusätzlichen Soldaten in einer ‚anti-terroristischen‘ Operation“ beenden wollte, so die Süddeutsche online am 26. Februar 2014. Bei Spiegel online und anderen wurden gleich „22.000 Polizisten“ daraus. Laut Süddeutscher hatte Janukowitschs Stabschef „außerdem eine Anweisung unterschrieben, drei Armee-Einheiten aus der Südostukraine nach Kiew zu schicken, um Militäreinrichtungen zu schützen“. „Beides wurde nicht umgesetzt“, stellte die Zeitung fest, „doch sie illustrieren, dass einige Regime-Vertreter bis zuletzt auf Gewalt setzten - und dass eine Eskalation stets möglich war.“ Aber wie schon erwähnt: Alles „Schnee von gestern“. Demnächst lässt ein demokratisch gewählter Präsident, der keinen Gegenkandidaten aus dem Osten und Süden der Ukraine fürchten muss, weiter gegen „prorussische Separatisten“ kämpfen, unterstützt von EU und USA, für Demokratie Freiheit und Menschenrechte – und gegen das imerpialistische Russland. "Immer, wenn Petro Poroschenko spürt, dass er den Faden zum Publikum verliert, seine Zuhörer nicht mehr bei der Sache sind, holt er tief Luft und ruft diese zwei Worte ins Mikrofon: Slawa Ukraini, Ruhm der Ukraine!" Das berichtete Der Tagesspiegel online am 23. Mai 2014. "Dann sind sie wieder da, da unten vor der Bühne, brüllen begeistert zurück: Herojam Slawa, Ruhm den Helden!" Das kann ja auch bei Zweifeln daran, worum es in der Ukraine tatsächlich geht, so angewandt werden. Nicht dass jemand vergisst, womit das alles begann und wofür und für wen das alles gut war und ist. Nicht, dass der "Schnee von gestern" wieder aufgewühlt wird, noch irgendwo kühl gelagert ...
PS: Der Blogger Mopperkopp hat auf freitag.de in der Reihe "Machtergreifung" zahlreiche Informationen und Fakten zur Entwicklung in und um die Ukraine zusammengetragen
aktualisiert: 15.5.14; 12:09 Uhr
Das gehört zur Vorgeschichte der Wahl in der Ukraine, auf die viele gespannt schauen und die von manchen nicht ganz realitätsgerecht als Chance gesehen wird, den Konflikt zu lösen. Nun wird wahrscheinlich ein richtiger Oligarch in die Präsidentenresidenz in Kiew einziehen. Janukowitsch war kein richtiger Oligarch, gab sich aber alle Mühe, einer zu werden. Schafft es Poroschenko, wird er natürlich nicht wie sein gestürzter Vorgänger der Prunksucht verfallen, weil: so ein richtiger Oligarch versteckt ja seinen Reichtum.
Zur Vorgeschichte gehört auch, dass der Protest auf dem Kiewer Maidan-Platz sich nicht nur gegen Janukowitschs Nein zum EU-Assoziierungsabkommen richtete. Es sollte auch gegen die Oligarchen-Herrschaft in der Ukraine gehen. Aber das kann durchaus als „Schnee von gestern“ gesehen werden: Die Oligarchen haben ihre Macht gesichert, in dem sie rechtzeitig auf EU-Kurs gegangen sind und auch die Maidanisten unterstützten. „Die Revolution in der Ukraine ist eher ein Oligarchenwechsel“, war in der April-Ausgabe von Le Monde diplomatique zu lesen. Mit der seit 2004 jährlich stattfindenden Konferenz "Yalta European Strategy" (YES), organisiert von dem Oligarchen Victor Pinchuk, der die Ukraine in die EU führen will, war der Kurs längst vorgezeichnet. Dafür sind sie von jenen, die für sie und die westlichen Auftraggeber den Staatsstreich erledigten, entsprechend belohnt worden: „Dem Gebiet Dnipropetrowsk wurde Igor Kolomoiski an die Spitze gestellt. Der zypriotische Staatsbürger Konstantin Grigorischin, dessen Vermögen auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt wird, bekam die Gelegenheit, das Gebiet Sumy zu leiten – allerdings lässt er sich Zeit damit, von der sonnigen Insel dorthin zu kommen. Der neugebackene Ukrainer Wadim Nowinski, der vor ein paar Jahren die russische Staatsbürgerschaft abgelegt hatte, sollte auf Erlass des „Präsident“ genannten Turtschinow die Krim regieren.“ (Stimme Russlands, 18. Mai 2014) Die „Gas-Prinzessin“, Liebling des Westens und Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko gehört natürlich zu dem illustren Klub.
Selbst bei Spiegel online haben sie entdeckt: „Wer gestern noch ein zwielichtiger Oligarch gewesen ist, der Parlamentarier und Minister nach Belieben bestach, tritt heute für die Unabhängigkeit der Ukraine ein.“ Erstaunliches wurde in Hamburg entdeckt: „Wenig deutet darauf hin, dass sich an den Machtverhältnissen in der Ukraine schnell etwas ändern wird. Die Oligarchen entdecken ja nicht die Demokraten in sich. Sie lieben die Ordnung ihrer Wahl, in deren Windschatten sie ihre Geschäfte abwickeln können.“ Dass es mit der ukrainischen Unabhängigkeit nicht weit her ist angesichts der Bedingungen, die EU, Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) für die versprochene „Hilfe“ stellen, ist längst klar, wenn auch vielleicht nicht in Hamburg. Die Oligarchen wollen bloß dabei sein, wenn die Geschäftsgrundlagen geändert werden. Und irgendwelche Forderungen vom Maidan-Platz haben sie nicht interessiert, als dort gegen ihren Konkurrenten Janukowitsch protestiert wurde, und interessieren sie auch jetzt nicht.
Das zeigt auch ein Blick auf einige Äußerungen des Favoriten für die Wahl, Poroschenko: Der kündigte laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform am 22. Mai 2014 in Lviv an, als Präsident zuerst das Parlament, die ukrainische Werchowna Rada, aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen. Denn das jetzige Parlament sei nicht auf die neue „Nationalidee“ – die Europäische Integration – ausgerichtet. Das möchte der Schokoladen-Oligarch gern ändern. Kann sich noch jemand daran erinnern, dass Janukowitsch „diktatorische Vollmachten“ vorgeworfen wurden, nicht nur von den Maidanisten, sondern auch von der EU und den USA? Aber auch, dass er die von der ihn unterstützenden Parlamentsmehrheit im Januar beschlossene Verschärfung der Versammlungs- und Pressefreiheit zurücknahm, nutzte ihm nichts. Beim möglichen Schokoladen-Präsidenten wird ähnliches Verhalten natürlich toleriert werden, denn dann wird es heißen: Zuerst braucht die Ukraine nun Stabilität.
Ich bin gespannt auf die Reaktionen in und außerhalb der Ukraine, wenn Poroschenko gewählt wird und seine Ankündigungen umsetzt. Darf der dann alles, weil er auch demokratisch gewählt wurde? Zu Poroschenkos Plänen gehört laut Ukrinform auch, die Grenze nach Russland zu sperren und die „Antiterror-Operation“ in der Ostukraine fortzusetzen. Übrigens: Als die ukrainischen Sicherheitskräfte am 19. Februar 2014 nach rund drei Monaten gewalttätiger Proteste einen „Anti-Terror-Einsatz“ ankündigten, drohte US-Präsident Barack Obama mit „Konsequenzen“. Aber auch das war schon drei Tage später „Schnee von gestern“. Nachdem Sturz wurde Janukowitsch u.a. anhand angeblich aufgefundener Geheimdokumente vorgeworfen, dass er„die Proteste im Zentrum von Kiew mit 2500 zusätzlichen Soldaten in einer ‚anti-terroristischen‘ Operation“ beenden wollte, so die Süddeutsche online am 26. Februar 2014. Bei Spiegel online und anderen wurden gleich „22.000 Polizisten“ daraus. Laut Süddeutscher hatte Janukowitschs Stabschef „außerdem eine Anweisung unterschrieben, drei Armee-Einheiten aus der Südostukraine nach Kiew zu schicken, um Militäreinrichtungen zu schützen“. „Beides wurde nicht umgesetzt“, stellte die Zeitung fest, „doch sie illustrieren, dass einige Regime-Vertreter bis zuletzt auf Gewalt setzten - und dass eine Eskalation stets möglich war.“ Aber wie schon erwähnt: Alles „Schnee von gestern“. Demnächst lässt ein demokratisch gewählter Präsident, der keinen Gegenkandidaten aus dem Osten und Süden der Ukraine fürchten muss, weiter gegen „prorussische Separatisten“ kämpfen, unterstützt von EU und USA, für Demokratie Freiheit und Menschenrechte – und gegen das imerpialistische Russland. "Immer, wenn Petro Poroschenko spürt, dass er den Faden zum Publikum verliert, seine Zuhörer nicht mehr bei der Sache sind, holt er tief Luft und ruft diese zwei Worte ins Mikrofon: Slawa Ukraini, Ruhm der Ukraine!" Das berichtete Der Tagesspiegel online am 23. Mai 2014. "Dann sind sie wieder da, da unten vor der Bühne, brüllen begeistert zurück: Herojam Slawa, Ruhm den Helden!" Das kann ja auch bei Zweifeln daran, worum es in der Ukraine tatsächlich geht, so angewandt werden. Nicht dass jemand vergisst, womit das alles begann und wofür und für wen das alles gut war und ist. Nicht, dass der "Schnee von gestern" wieder aufgewühlt wird, noch irgendwo kühl gelagert ...
PS: Der Blogger Mopperkopp hat auf freitag.de in der Reihe "Machtergreifung" zahlreiche Informationen und Fakten zur Entwicklung in und um die Ukraine zusammengetragen
aktualisiert: 15.5.14; 12:09 Uhr
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen