Das Interview wurde am 16. und 17. Mai 2014 von BILD
veröffentlicht, jeweils auf Seite 2. Der Alt-Bundeskanzler setzte damit
einen Kontrapunkt zur Anti-Russland-Politik des Westens und zu den antirussischen und Anti-Putin-Kampagnen der westlichen Medien.
Schmidt kritisierte die EU-Bürokraten in Brüssel, weil diese sich auch zu sehr in die Weltpolitik einmischten, "obwohl die meisten Kommissare davon kaum etwas verstehen". Das jüngste Beispiel sei "der Versuch der EU-Kommission, die Ukraine anzugliedern. Und dann auch noch Georgien an sich zu ziehen. Zur Erinnerung: Georgien liegt außerhalb Europas. Das ist Größenwahnsinn, wir haben dort nichts verloren." Der Altkanzler forderte von den Beamten und Bürokraten der EU mehr außenpolitische Zurückhaltung: "Die verstehen davon zu wenig. Und sie stellen die Ukraine vor die scheinbare Wahl, sich zwischen West und Ost entscheiden zu müssen." Aus seiner Sicht haben die westlichen Politiker das Problem "wahrscheinlich" unterschätzt. "Ich setze mich seit Monaten dafür ein, dass alle beteiligten Staatsmänner und -frauen an einen Tisch kommen – auch die Russen, die Ukrainer, die Weißrussen." Ein Treffen nach dem Vorbild der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Helsinki 1975 sei notwendig.
Zur Kriegsgefahr meinte Schmidt: "Ich halte nichts davon, einen 3. Weltkrieg herbeizureden, erst recht nichts von Forderungen nach mehr Geld für Rüstung der Nato. Aber die Gefahr, dass sich die Situation verschärft wie im August 1914, wächst von Tag zu Tag." Er warnte vor den geforderten Sanktionen gegen Russland: "Diese Sanktionen bringen nichts und führen bloß zur Forderung nach noch schärferen Sanktionen. Und wenn die nicht wirken, verlangt jemand verstärkte Rüstung. Und dann landen wir am Ende beim Krieg mit Waffen." Die Bundesregierung solle zurückhaltend bleiben, um die Lage nicht zu verschärfen.
Aus Sicht von Schmidt basiert die Politik des Westens "auf einem großen Irrtum: dass es ein Volk der Ukrainer gäbe, eine nationale Identität." "In Wahrheit gibt es die Krim, die Ost- und die West-Ukraine." Der Westen scheine nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass die Krim erst durch Chrustschows "Geschenk" an die Ukraine ging, die West-Ukraine vorwiegend polnisch und römisch-katholisch geprägt sei und die überwiegend russisch-orthodoxe Ost-Ukraine auf dem Gebiet der Kiewer Rus, "dem einstigen Kerngebiet Russlands", liege.
Schmidt wunderte sich, dass westliche Politiker und Medien "zurzeit ganz anders schreiben, als die Deutschen denken". Diese seien "bei Weitem friedfertiger" als die Leitartikel der meinungsmachenden Leitmedien, "auch in meiner eigenen Zeitung, der 'ZEIT'". Der ehemalige Bundeskanzler fordert Zeit für die Ukraine und deren Menschen, "sich selbst zu ordnen". Das solle "im Gespräch mit Russland und den anderen Nachbarstaaten" geschehen, in einer neuen Runde "Genf II" mit allen Beteiligten.
Der ehemalige Bundeskanzler bezeichnete gegenüber BILD den russischen Präsidenten Wladimir Putin als "vorausschauenden Politiker, der zugleich ganz andere Probleme hat als die Krim oder die Ukraine". Er müsse neben den wirtschaftlichen Problemen Russlands einen Vielvölkerstaat zusammenhalten, in dem derzeit der Anteil der Muslime stark zunehme. "Aber Putins Sicht zur Ukraine zu berücksichtigen, ist notwendig." Schmidt meinte, die Ukraine-Krise ließe sich nicht schnell innerhalb dieses Jahres lösen. Er wandte sich gegen die antirussische Hysterie im Westen: "Ich traue Putin nicht zu, dass er Krieg will. Und Europa sollte alles daran setzen, Russland in dieser Haltung zu bestärken, statt, wie die Regierung in Kiew oder mancher im Umkreis von US-Präsident Obama, vom 3. Weltkrieg zu schwätzen."
Bei BILD-TV kann das Interview mit Helmut Schmidt als Video ausschnittsweise nachgesehen und -gehört werden.
Helmut Schmidt in Die Zeit 14/2014 vom 27.3.14: "Putins Vorgehen ist verständlich"
Helmut Schmidt am 20.5.08 in der Maischberger-Talkshow zum Thema "Humanitärer Krieg"
Schmidt kritisierte die EU-Bürokraten in Brüssel, weil diese sich auch zu sehr in die Weltpolitik einmischten, "obwohl die meisten Kommissare davon kaum etwas verstehen". Das jüngste Beispiel sei "der Versuch der EU-Kommission, die Ukraine anzugliedern. Und dann auch noch Georgien an sich zu ziehen. Zur Erinnerung: Georgien liegt außerhalb Europas. Das ist Größenwahnsinn, wir haben dort nichts verloren." Der Altkanzler forderte von den Beamten und Bürokraten der EU mehr außenpolitische Zurückhaltung: "Die verstehen davon zu wenig. Und sie stellen die Ukraine vor die scheinbare Wahl, sich zwischen West und Ost entscheiden zu müssen." Aus seiner Sicht haben die westlichen Politiker das Problem "wahrscheinlich" unterschätzt. "Ich setze mich seit Monaten dafür ein, dass alle beteiligten Staatsmänner und -frauen an einen Tisch kommen – auch die Russen, die Ukrainer, die Weißrussen." Ein Treffen nach dem Vorbild der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Helsinki 1975 sei notwendig.
Zur Kriegsgefahr meinte Schmidt: "Ich halte nichts davon, einen 3. Weltkrieg herbeizureden, erst recht nichts von Forderungen nach mehr Geld für Rüstung der Nato. Aber die Gefahr, dass sich die Situation verschärft wie im August 1914, wächst von Tag zu Tag." Er warnte vor den geforderten Sanktionen gegen Russland: "Diese Sanktionen bringen nichts und führen bloß zur Forderung nach noch schärferen Sanktionen. Und wenn die nicht wirken, verlangt jemand verstärkte Rüstung. Und dann landen wir am Ende beim Krieg mit Waffen." Die Bundesregierung solle zurückhaltend bleiben, um die Lage nicht zu verschärfen.
Aus Sicht von Schmidt basiert die Politik des Westens "auf einem großen Irrtum: dass es ein Volk der Ukrainer gäbe, eine nationale Identität." "In Wahrheit gibt es die Krim, die Ost- und die West-Ukraine." Der Westen scheine nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass die Krim erst durch Chrustschows "Geschenk" an die Ukraine ging, die West-Ukraine vorwiegend polnisch und römisch-katholisch geprägt sei und die überwiegend russisch-orthodoxe Ost-Ukraine auf dem Gebiet der Kiewer Rus, "dem einstigen Kerngebiet Russlands", liege.
Schmidt wunderte sich, dass westliche Politiker und Medien "zurzeit ganz anders schreiben, als die Deutschen denken". Diese seien "bei Weitem friedfertiger" als die Leitartikel der meinungsmachenden Leitmedien, "auch in meiner eigenen Zeitung, der 'ZEIT'". Der ehemalige Bundeskanzler fordert Zeit für die Ukraine und deren Menschen, "sich selbst zu ordnen". Das solle "im Gespräch mit Russland und den anderen Nachbarstaaten" geschehen, in einer neuen Runde "Genf II" mit allen Beteiligten.
Der ehemalige Bundeskanzler bezeichnete gegenüber BILD den russischen Präsidenten Wladimir Putin als "vorausschauenden Politiker, der zugleich ganz andere Probleme hat als die Krim oder die Ukraine". Er müsse neben den wirtschaftlichen Problemen Russlands einen Vielvölkerstaat zusammenhalten, in dem derzeit der Anteil der Muslime stark zunehme. "Aber Putins Sicht zur Ukraine zu berücksichtigen, ist notwendig." Schmidt meinte, die Ukraine-Krise ließe sich nicht schnell innerhalb dieses Jahres lösen. Er wandte sich gegen die antirussische Hysterie im Westen: "Ich traue Putin nicht zu, dass er Krieg will. Und Europa sollte alles daran setzen, Russland in dieser Haltung zu bestärken, statt, wie die Regierung in Kiew oder mancher im Umkreis von US-Präsident Obama, vom 3. Weltkrieg zu schwätzen."
Bei BILD-TV kann das Interview mit Helmut Schmidt als Video ausschnittsweise nachgesehen und -gehört werden.
Helmut Schmidt in Die Zeit 14/2014 vom 27.3.14: "Putins Vorgehen ist verständlich"
Helmut Schmidt am 20.5.08 in der Maischberger-Talkshow zum Thema "Humanitärer Krieg"
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