In Kiew gab es weder eine Revolution noch einen
Putsch. Das erklärte am 8. April 2014 in Berlin der ukrainische
Soziologe Volodymyr Ishchenko. Er bezeichnete die Proteste auf dem
Kiewer Maidan-Platz und den Sturz des Präsidenten Wiktor Janukowitsch
als Volksaufstand. Der Soziologe vom Zentrum für Gesellschaftsanalyse
der Nationalen Universität Kiew hatte auf einer Veranstaltung des
Linkspartei-nahen Berliner Bildungsvereins „Helle Panke“ über „Die
extreme Rechte in der Ukraine“ gesprochen. Die Partei „Swoboda“ und den
„Rechten Sektor“ als faschistisch zu bezeichnen wäre übertrieben. Sie
seien zwar gefährliche antidemokratische und fremdenfeindliche Kräfte,
die gegen Minderheiten seien, aber keine Faschisten, meinte Ishchenko.
Das obwohl er beschrieb, wie sich diese und andere rechtsextreme
Organisationen offen mit faschistischer Symbolik präsentieren und nicht
nur auf ukrainische Nationalisten wie Stepan Bandera beziehen, sondern
ebenso auf die Ideologien des italienischen und des deutschen
Faschismus.
Im Interview mit der Hamburger Zeitschrift Konkret (Heft 4/2014) hatte Ishchenko den „Rechten Sektor“ als „Koalition verschiedener faschistischer Organisationen“ bezeichnet. Diese sei „noch radikaler als Swoboda“ und nicht nur verantwortlich für die ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen in Kiew am 1. Dezember 2013. Sie hätten ab Januar 2014 eine „wichtige Rolle in den blutigen Kämpfen mit der Polizei“ gespielt und würden heute von vielen als „Volkshelden“ angesehen. Die extrem rechten Gruppen hätten auf dem Maidan-Platz zwar nicht die Mehrheit der Protestierenden gestellt, so der Soziologe in dem Interview. Sie seien aber „politisch am einflussreichsten“ gewesen. „Die Parolen der Rechten eroberten den Mainstream, und ihre Gesänge schallten über den Majdan: ‚Ruhm der Ukraine!‘, ‚Ruhm unseren Helden!‘ oder ‚Ukraine über alles!‘, die Adaption der bekannten deutschen Nazi-Parole.“
Das Interview mit Ishchenko gehört zu einer Reihe von Beiträgen in der aktuellen Konkret-Ausgabe, die unter dem Titel „Krims Märchen: Hilfe, die Russen kommen!“ den Ereignissen in der Ukraine und ihren Folgen gewidmet ist. „Warum dieser Haß auf Rußland? Und warum der besondere Haß auf Putin?“ Das fragt der Herausgeber der Zeitschrift Hermann L. Gremliza in seiner Kolumne angesichts zahlreicher Äußerungen deutscher Politiker. Diese müssten doch eigentlich Jelzin und Gorbatschow dankbar sein, dass sie „die Sowjetunion ins Vereinsregister des Kapitals eintragen ließen“. Seine Antwort: „Der Haß auf den Roten Oktober war nur eine Variante des Hasses auf jenen slawischen Untermenschen, den Anfang März eine Karikatur im stinkkleinbürgerlichen ‚Hamburger Abendblatt‘ zeigt: Auf die Frage: ‚Was haben Sie der Weltöffentlichkeit mitzuteilen?‘ antwortet ein ungewaschener, unrasierter Steinzeitmensch Putin, Krallen an den Füßen, Keule über der Schulter, einen Knochen in der Nase, die Julia Timoschenko an ihrem blonden Zopf hinter sich herziehend: ‚UGA-UGA, AGA-AGA!‘“
Jörg Kronauer stellt in Konkret fest, das Deutschland wieder bereit ist, „ein Bündnis mit Faschisten einzugehen“. „Rund 30 Prozent der ‚freiheitlichen Massenbewegung‘ auf dem Majdan seien Mitglieder oder Anhänger der Partei Swoboda und anderer faschistischer Organisationen gewesen, berichteten Aktivisten einem Blogger in Kiew.“ Der Journalist, der für das Online-Magazin German Foreign Policy arbeitet, verweist auf die „Eskalationsstrategie, auf die der Westen und seine Kiewer Statthalter setzten“. Ohne diese wäre der gewählte ukrainische Präsident nicht gestürzt worden. „Nachdem ‚zwei Monate Straßenproteste“ nicht zum Erfolg geführt hätten, sei die Gewalt systematisch gesteigert worden“, zitiert Kronauer des US-Onlinemagazin Daily Beast. Seit dem Sturz Janukowitschs am 22. Februar 2014 wollten nun westliche Politik und Medien die internationale „Friedenspflicht“ im Fall der Ukraine diktieren, die sie selbst in anderen Fällen von Jugoslawien bis Sudan ignorierten. Der Streit um Kiew habe mit dem Kampf um die Krim „endgültig die Ebene eines internationalen Großkonflikts erreicht“. Bei diesem komme den ukrainischen Oligarchen nur eine Hilfsfunktion zu, so der Autor, die aber bereitwillig übernommen werde, „um sich ihre Pfründe zu sichern“. Das bisherige Ergebnis: „Erstens ist aus einem von Oligarchen kontrollierten Land ein von Oligarchen kontrolliertes Land geworden, in dem nun auch faschistische Banden marodieren. Zweitens steht das Land vor dem Zerfall und am Rande des Krieges. Wenn das kein Fortschritt ist.“
In dem Konkret-Heft erinnert Erich Später außerdem daran, dass die Bundesrepublik dem ukrainischen Nationalistenführer und Nazikollaborateur Bandera von Beginn an Asyl und politische Unterstützung gewährte. In den letzten Jahren, vor allem in der Westukraine und unter Wiktor Justschenko als Präsident wurden Nationalisten wie Bandera, die für Massaker an Juden und polnischen Zivilisten verantwortlich waren, zu Nationalhelden erklärt. Daran erinnert der Historiker Andreas Kappeler in der aktuellen Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik (Heft 4’14). Er beschreibt die Ukraine als „zerrissenes Land“ sowie den Kampf um ihr historisches Erbe, ausgehend von der Kiewer Rus‘ bis hin zur Sowjetunion und die Zeit danach. Die auch auf dem Maidan-Platz zu hörende Parole von der Rückkehr nach Europa sei problematisch, meint Kappeler, „denn die Ukraine war schon immer in Europa“. Nach 1991 versuche das nun unabhängige und neugegründete Land, sich dem übrigen Europa und der westlichen „Wertegemeinschaft“ anzunähern. Doch die gegenwärtige politische Eskalation stelle das in Frage „und macht deutlich, dass die Ukraine noch immer ein umstrittenes Grenzland zwischen Russland und Mitteleuropa ist“, stellt der Historiker fest.
Dazu hat der vielfache Wortbruch des Westens gegenüber Russland beigetragen, macht der Politologe Reinhard Mutz in der Zeitschrift klar. Das gelte auch für die sogenannte Krimkrise. Mutz behauptet zwar, ausgerechnet die russische Führung müsse sich „vorwerfen lassen, geltendes recht missachtet und den Versuch einer politischen Problemlösung von Beginn an ausgeschlagen zu haben“. Das sei nicht zu entschuldigen, aber zu erklären. Darauf komme es an, wenn es um eine friedliche Streitbeilegung gehe, „auch auf die Gefahr hin, dafür als ‚Russlandversteher‘ denunziert zu werden“. Die Präsidenten Jelzin, Putin und Medwedew hätten wiederholt auf „das Unbehagen über die Missachtung russischer Anliegen bei der Umgestaltung der europäischen Sicherheitsordnung nach 1989“ hingewiesen, so Mutz. Doch das sei ignoriert worden, bis 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz Putin das deutlich kritisierte und eine andere Politik des Westens einforderte. Das überschreite „nicht den Rahmen legitimer Sicherheitsbelange, die jedes Land, zumal die westlichen, wie selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen und die speziell für Russland von existenzieller Bedeutung sind.“
Der Autor erinnert daran, dass der „Moskauer Staat“ nach 1991 „von der Sowjetunion zur Russischen Föderation schrumpfte“ und dabei „den Zerfallsprozess des eigenen Imperiums bemerkenswert umsichtig gemeistert“ habe. Der damalige sowjetische Verzicht „sowohl auf bremsenden Druck als auch auf eine bewaffnete Intervention“ habe zudem die Veränderungen in Osteuropa seit 1989 ermöglicht, bis hin zur Auflösung der Organisation des „Warschauer Vertrages“. Doch der Westen habe darauf nur reagiert, in dem er das Bild von der feindlichen Supermacht in Moskau konservierte und versuchte, „die asymetrische Machtverteilung des geschichtlichen Augenblicks auf Dauer festzuschreiben“. Mutz kritisiert, dass Russland „nie einen gleichwertigen Platz im Gefüge europäischer Sicherheit“ erhielt, obwohl der Westen das Gegenteil immer wieder beteuerte. Moskau habe nicht einmal die Zusage bekommen, dass die NATO die ehemalige sowjetische Westgrenze nicht überschreite. Die NATO-Russland-Akte von 1997 sei da nur ein Trostpflaster ohne rechtliche Bindung gewesen. Für den Autor ist klar: „Ohne eine Berücksichtigung der russischen Erfahrungen speziell der letzten 25 Jahre wird eine Lösung der dramatischen Krise um die Ukraine nicht gelingen.“
Im Interview mit der Hamburger Zeitschrift Konkret (Heft 4/2014) hatte Ishchenko den „Rechten Sektor“ als „Koalition verschiedener faschistischer Organisationen“ bezeichnet. Diese sei „noch radikaler als Swoboda“ und nicht nur verantwortlich für die ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen in Kiew am 1. Dezember 2013. Sie hätten ab Januar 2014 eine „wichtige Rolle in den blutigen Kämpfen mit der Polizei“ gespielt und würden heute von vielen als „Volkshelden“ angesehen. Die extrem rechten Gruppen hätten auf dem Maidan-Platz zwar nicht die Mehrheit der Protestierenden gestellt, so der Soziologe in dem Interview. Sie seien aber „politisch am einflussreichsten“ gewesen. „Die Parolen der Rechten eroberten den Mainstream, und ihre Gesänge schallten über den Majdan: ‚Ruhm der Ukraine!‘, ‚Ruhm unseren Helden!‘ oder ‚Ukraine über alles!‘, die Adaption der bekannten deutschen Nazi-Parole.“
Das Interview mit Ishchenko gehört zu einer Reihe von Beiträgen in der aktuellen Konkret-Ausgabe, die unter dem Titel „Krims Märchen: Hilfe, die Russen kommen!“ den Ereignissen in der Ukraine und ihren Folgen gewidmet ist. „Warum dieser Haß auf Rußland? Und warum der besondere Haß auf Putin?“ Das fragt der Herausgeber der Zeitschrift Hermann L. Gremliza in seiner Kolumne angesichts zahlreicher Äußerungen deutscher Politiker. Diese müssten doch eigentlich Jelzin und Gorbatschow dankbar sein, dass sie „die Sowjetunion ins Vereinsregister des Kapitals eintragen ließen“. Seine Antwort: „Der Haß auf den Roten Oktober war nur eine Variante des Hasses auf jenen slawischen Untermenschen, den Anfang März eine Karikatur im stinkkleinbürgerlichen ‚Hamburger Abendblatt‘ zeigt: Auf die Frage: ‚Was haben Sie der Weltöffentlichkeit mitzuteilen?‘ antwortet ein ungewaschener, unrasierter Steinzeitmensch Putin, Krallen an den Füßen, Keule über der Schulter, einen Knochen in der Nase, die Julia Timoschenko an ihrem blonden Zopf hinter sich herziehend: ‚UGA-UGA, AGA-AGA!‘“
Jörg Kronauer stellt in Konkret fest, das Deutschland wieder bereit ist, „ein Bündnis mit Faschisten einzugehen“. „Rund 30 Prozent der ‚freiheitlichen Massenbewegung‘ auf dem Majdan seien Mitglieder oder Anhänger der Partei Swoboda und anderer faschistischer Organisationen gewesen, berichteten Aktivisten einem Blogger in Kiew.“ Der Journalist, der für das Online-Magazin German Foreign Policy arbeitet, verweist auf die „Eskalationsstrategie, auf die der Westen und seine Kiewer Statthalter setzten“. Ohne diese wäre der gewählte ukrainische Präsident nicht gestürzt worden. „Nachdem ‚zwei Monate Straßenproteste“ nicht zum Erfolg geführt hätten, sei die Gewalt systematisch gesteigert worden“, zitiert Kronauer des US-Onlinemagazin Daily Beast. Seit dem Sturz Janukowitschs am 22. Februar 2014 wollten nun westliche Politik und Medien die internationale „Friedenspflicht“ im Fall der Ukraine diktieren, die sie selbst in anderen Fällen von Jugoslawien bis Sudan ignorierten. Der Streit um Kiew habe mit dem Kampf um die Krim „endgültig die Ebene eines internationalen Großkonflikts erreicht“. Bei diesem komme den ukrainischen Oligarchen nur eine Hilfsfunktion zu, so der Autor, die aber bereitwillig übernommen werde, „um sich ihre Pfründe zu sichern“. Das bisherige Ergebnis: „Erstens ist aus einem von Oligarchen kontrollierten Land ein von Oligarchen kontrolliertes Land geworden, in dem nun auch faschistische Banden marodieren. Zweitens steht das Land vor dem Zerfall und am Rande des Krieges. Wenn das kein Fortschritt ist.“
In dem Konkret-Heft erinnert Erich Später außerdem daran, dass die Bundesrepublik dem ukrainischen Nationalistenführer und Nazikollaborateur Bandera von Beginn an Asyl und politische Unterstützung gewährte. In den letzten Jahren, vor allem in der Westukraine und unter Wiktor Justschenko als Präsident wurden Nationalisten wie Bandera, die für Massaker an Juden und polnischen Zivilisten verantwortlich waren, zu Nationalhelden erklärt. Daran erinnert der Historiker Andreas Kappeler in der aktuellen Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik (Heft 4’14). Er beschreibt die Ukraine als „zerrissenes Land“ sowie den Kampf um ihr historisches Erbe, ausgehend von der Kiewer Rus‘ bis hin zur Sowjetunion und die Zeit danach. Die auch auf dem Maidan-Platz zu hörende Parole von der Rückkehr nach Europa sei problematisch, meint Kappeler, „denn die Ukraine war schon immer in Europa“. Nach 1991 versuche das nun unabhängige und neugegründete Land, sich dem übrigen Europa und der westlichen „Wertegemeinschaft“ anzunähern. Doch die gegenwärtige politische Eskalation stelle das in Frage „und macht deutlich, dass die Ukraine noch immer ein umstrittenes Grenzland zwischen Russland und Mitteleuropa ist“, stellt der Historiker fest.
Dazu hat der vielfache Wortbruch des Westens gegenüber Russland beigetragen, macht der Politologe Reinhard Mutz in der Zeitschrift klar. Das gelte auch für die sogenannte Krimkrise. Mutz behauptet zwar, ausgerechnet die russische Führung müsse sich „vorwerfen lassen, geltendes recht missachtet und den Versuch einer politischen Problemlösung von Beginn an ausgeschlagen zu haben“. Das sei nicht zu entschuldigen, aber zu erklären. Darauf komme es an, wenn es um eine friedliche Streitbeilegung gehe, „auch auf die Gefahr hin, dafür als ‚Russlandversteher‘ denunziert zu werden“. Die Präsidenten Jelzin, Putin und Medwedew hätten wiederholt auf „das Unbehagen über die Missachtung russischer Anliegen bei der Umgestaltung der europäischen Sicherheitsordnung nach 1989“ hingewiesen, so Mutz. Doch das sei ignoriert worden, bis 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz Putin das deutlich kritisierte und eine andere Politik des Westens einforderte. Das überschreite „nicht den Rahmen legitimer Sicherheitsbelange, die jedes Land, zumal die westlichen, wie selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen und die speziell für Russland von existenzieller Bedeutung sind.“
Der Autor erinnert daran, dass der „Moskauer Staat“ nach 1991 „von der Sowjetunion zur Russischen Föderation schrumpfte“ und dabei „den Zerfallsprozess des eigenen Imperiums bemerkenswert umsichtig gemeistert“ habe. Der damalige sowjetische Verzicht „sowohl auf bremsenden Druck als auch auf eine bewaffnete Intervention“ habe zudem die Veränderungen in Osteuropa seit 1989 ermöglicht, bis hin zur Auflösung der Organisation des „Warschauer Vertrages“. Doch der Westen habe darauf nur reagiert, in dem er das Bild von der feindlichen Supermacht in Moskau konservierte und versuchte, „die asymetrische Machtverteilung des geschichtlichen Augenblicks auf Dauer festzuschreiben“. Mutz kritisiert, dass Russland „nie einen gleichwertigen Platz im Gefüge europäischer Sicherheit“ erhielt, obwohl der Westen das Gegenteil immer wieder beteuerte. Moskau habe nicht einmal die Zusage bekommen, dass die NATO die ehemalige sowjetische Westgrenze nicht überschreite. Die NATO-Russland-Akte von 1997 sei da nur ein Trostpflaster ohne rechtliche Bindung gewesen. Für den Autor ist klar: „Ohne eine Berücksichtigung der russischen Erfahrungen speziell der letzten 25 Jahre wird eine Lösung der dramatischen Krise um die Ukraine nicht gelingen.“
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• Blätter für deutsche und internationale Politik
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