Die aktuelle
Debatte um Zuwanderung will der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen
für Integration und Migration (SVR) mit Fakten versachlichen. Dazu hat
er die wichtigsten Informationen und Zahlen zu Zuwanderung in
Deutschland in einem Faktenpapier zusammengestellt. „Deutschland ist
seit langem ein Einwanderungsland“, heißt es darin.
Jede beziehungsweise jeder Vierte der rund 81,6 Millionen in der Bundesrepublik lebenden Menschen hat „eine eigene oder über mindestens ein Elternteil mitgebrachte Zuwanderungsgeschichte“. Das stellt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in einem aktuellen Faktenüberblick fest. „Deutschland ist ein Einwanderungsland“ heißt es in dem am Donnerstag vom SVR veröffentlichten Material.
„Dies ist kein neuer Trend, sondern zeigt sich in der Statistik schon seit 1957 (mit nur wenigen Ausnahmejahren)“, so die Experten des SVR. Sie haben ihren Faktenüberblick zur Einwanderung in Deutschland aktualisiert und dafür verschieden statistische Quellen ausgewertet. Danach besitzen rund die Hälfte der 20,8 Millionen Personen mit Migrationshintergrund die deutsche Staatsangehörigkeit.
Menschen aus der Türkei stellen den Angaben zufolge mit 2,8 Millionen die größte Gruppe der hier Lebenden mit Migrationshintergrund. Darauf folgen Polen mit 2,3 Millionen sowie Menschen aus Russland mit 1,4 Millionen. Laut SVR hat ein Drittel aller Personen mit Migrationshintergrund Wurzeln in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU). Ein weiteres knappes Drittel komme aus einem europäischen Land, das nicht Mitglied der EU ist.
Wenig Zuwanderung nach Ostdeutschland
Diese Menschen sind in den Bundesländern unterschiedlich verteilt. In Bremen machen sie der Statistik zufolge den im Vergleich höchsten Anteil aus, mit 35,1 Prozent. Es folgen Hamburg mit 33,3 Prozent und Berlin mit 31,6 Prozent sowie die westlichen Flächenländer mit jeweils weit über 20 Prozent. Für die ostdeutschen Bundesländer wird nur ein Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Höhe von jeweils 7 bis 8 Prozent verzeichnet.
Der SVR verwiest darauf, dass diese Menschen „mit durchschnittlich 35,5 Jahren deutlich jünger als Menschen ohne Migrationshintergrund (durchschnittlich 47,4 Jahre)“ sind. Unter Kindern und Jugendlichen hätten besonders viele eine Zuwanderungsgeschichte (39,7 Prozent der unter 16-Jährigen).
Der Faktenüberblick geht auch auf die Frage ein, wie viele Muslime hierzulande leben. Eine genaue Angabe sei nicht möglich, da die islamische Religionszugehörigkeit im Gegensatz zur christlichen nicht zentral erfasst werde. Die SVR-Experten stützen sich deshalb auf eine Hochrechnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Stand 31.12.2015.
Überschätzte Zahlen der Muslime
„Danach lebten zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland, was einem Bevölkerungsanteil von 5,4 bis 5,7 Prozent entsprach.“ Im Vergleich dazu seien 2016 rund 23,6 Millionen Katholikinnen und Katholiken und 21,9 Millionen Protestantinnen und Protestanten in Deutschland registriert worden. Umfragen hätten gezeigt, dass die Mehrheit der befragten Bundesbürger die Zahl der Muslime mit bis zu 10 Millionen deutlich zu hoch schätzte.
Bei der Zuwanderung wird laut SVR zwischen Bürgern anderer EU-Staaten und Angehörigen aller anderen Staaten der Welt unterschieden. Erstere „machten 2018 rund 57 Prozent aller ausländischen neu Zugewanderten aus. Mit Ausnahme der Jahre des erhöhten Flüchtlingszuzugs stellten EU-Bürgerinnen und -Bürger stets mehr als die Hälfte aller Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer.“
Dem Statistischen Bundesamt zufolge seien 2018 1,59 Millionen Menschen in die Bundesrepublik gezogen, während fast 1,19 Millionen das Land verlassen hätten. Dieser positive Wanderungsüberschuss (bei ausländischen Staatsangehörigen immerhin 460.000) zeige, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist, so die SVR-Experten. Der Überschuss sei nach 2015 wieder deutlich zurückgegangen.
EU-Bürger stellen größte Gruppe
Fünf der zehn wichtigsten Herkunftsländer der neu Zugewanderten sind EU-Staaten, heißt es in dem Überblick. „Gemäß Wanderungsstatistik war Rumänien im Jahr 2018 (wie auch in den beiden Vorjahren) das Land mit den meisten Zuzügen: Über 250.000 Rumäninnen und Rumänen sind nach Deutschland zugezogen.“ Diese Gruppe liege auch beim Wanderungsplus mit über 68.000 Personen vorn, gefolgt von Syrien mit gut 34.000 Personen.
Die Suche nach Arbeit ziehe viele Menschen nach Deutschland, so der SVR im Faktenüberblick über die Motive der Zugewanderten. Diese würden aber bei Bürgern anderer EU-Staaten nicht zentral erfasst. Das erfolge bei jenen aus allen anderen Staaten, sogenannten Drittstaaten. EU-Ausländer würden den verfügbaren Angaben nach vor allem aus familiären Gründen und auf Arbeitssuche zuwandern.
Verschiedene Motive für Zuwanderung
Die größte Gruppe der Nicht-EU-Ausländer sei 2018 nach Deutschland gekommen, um Asyl zu beantragen. Diese rund 130.000 Menschen seien vor allem aus Syrien, dem Irak und dem Iran eingewandert. Ihre Zahl habe im Vergleich zu den Vorjahren abgenommen. Etwas über ein Drittel der Antragssteller habe einen Schutzstatus zugesprochen bekommen, der einen befristeten Aufenthalt erlaubt.
Auf Platz 2 der Zuwanderungsgründe liegt den Angaben zufolge die Familienzusammenführung (etwa 97.000 Menschen). Die Suche nach Arbeit folgt auf Platz 3 (fast 61.000 Menschen). Etwa 58.000 Menschen aus Nicht-EU-Staaten kämen, um hierzulande eine Ausbildung aufzunehmen.
Der SVR-Faktenüberblick macht auch Angaben zu Beschäftigung und Qualifikation der Zuwandernden. Unter diesen habe bis 2014 der Anteil der Hochgebildeten mit einem akademischen Abschluss bei 37 Prozent gelegen. Das sei deutlich höher als der entsprechende Anteil in der deutschen Bevölkerung (21 Prozent) gewesen. Bei denen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung habe das Verhältnis aber bei 27 zu 68 Prozent gelegen, bei jenen ohne Ausbildung bei 33 zu 9 Prozent.
Hürden für die Aufnahme von Arbeit
Unter den zwischen 2013 bis Anfang 2016 in die Bundesrepublik Geflüchteten seien aber nur 11 Prozent mit einem Abschluss einer Hochschule oder höher gewesen. Nur 5 Prozent hätten eine Berufsausbildung angegeben. Die Unterschiede zur Gesamtbevölkerung in Deutschland sind laut SVR dadurch verursacht, dass in den Herkunftsländern kein vergleichbares Ausbildungssystem existiert und viele Berufe ohne formale Ausbildung ausgeübt werden.
Zugewanderte der ersten Generation waren den Angaben nach 2018 seltener erwerbstätig als Menschen ohne Migrationshintergrund. Ursache sei, dass in den letzten Jahren viele Asylsuchende eingereist sind, die zunächst eine geringere Erwerbstätigenquote aufweisen. Sie dürfen frühestens erst nach 3 Monaten ihres Aufenthaltes eine offizielle Arbeit aufnehmen, und dann auch nicht in jedem Fall. Für Menschen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ gilt seit dem 24. Oktober 2015 gar ein Arbeitsverbot.
Unter den bereits länger hier lebenden Zugewanderten sowie unter Menschen der zweiten Generation, die in Deutschland geboren sind, ist laut SVR die Erwerbsbeteiligung im Vergleich höher. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen sei jeweils niedriger, aber in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Dem Faktenüberblick nach bleiben aber Menschen mit Migrationshintergrund in gehobenen Berufsstellungen unterrepräsentiert.
Der Sachverständigenrat ist eine Initiative der Stiftung Mercator, VolkswagenStiftung, Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband und Vodafone Stiftung Deutschland.
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