Von Tilo Gräser
Als Binsenweisheit
gilt: Wer mehr hat, bekommt mehr. Das gilt auch für den Zusammenhang zwischen
Einkommen und Lebenserwartung sowie Rente, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Danach wächst infolge der Einkommensunterschiede die soziale Ungleichheit im
Alter überproportional. Die Studie bestätigt ähnliche Untersuchungen und
verweist auf Alternativen.
Höheres Einkommen sorgt für längeres Leben – diese
Erkenntnis bestätigt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Doch danach lebt nicht nur länger, wer mehr
verdient, sondern bekommt auch überproportional mehr Rente im Verhältnis zu den
geleisteten Beiträgen. Laut der am Mittwoch veröffentlichten Studie
nimmt die Ungleichheit in den letzten Jahren zu. Die DIW-Forscher sprechen sich
dafür aus, die Rentenansprüche von Geringverdienern aufzuwerten.
„Wer in seinem Leben ein niedriges Erwerbseinkommen
erwirtschaftet hat, ist nicht nur einem erhöhten Altersarmutsrisiko ausgesetzt,
sondern lebt auch noch kürzer als Besserverdienende“, gab das DIW die
Studienergebnisse wieder. Menschen aus den unteren Lohngruppen würden
überproportional weniger Rentenzahlungen im Verhältnis zu den eingezahlten
Beiträgen erhalten. „Und der Abstand bei den Lebenserwartungen zu den
Besserverdienenden nimmt auch noch zu.“
Abstand wächst
Die DIW-Forscher Peter Haan, Daniel Kemptner und Holger
Lüthen haben für die Studie Daten der Deutschen Rentenversicherung ausgewertet,
wie das Institut mitteilt. Die Lebenserwartung der Geburtsjahrgänge zwischen
1926 und 1949, also der heutigen Rentenbezieher, im Verhältnis zum
Lebenslohneinkommen seien untersucht worden. Allerdings haben sie sich den
Angaben nach nur auf die Angaben westdeutsche Männer konzentriert, die am
ehesten durchgängige Erwerbsbiographien aufweisen.
„Es zeigt sich nicht
nur, dass die Lebenserwartung mit höheren Lebenslohneinkommen steigt. Auffällig
ist auch, dass der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen dem obersten und
dem untersten Lebenslohndezil [Dezil bedeutet ein Zehntel in einer Tabelle –
Anm. d. Red.] im Zeitverlauf zunimmt. Lag er für die ältesten Geburtsjahrgänge
noch bei vier Jahren, erhöht er sich für die Jahrgänge 1947 bis 1949 auf sieben
Jahre.“
Die Forscher rechnen damit, dass sich diese Entwicklung
künftig auch bei Frauen zeigen wird. „Bei der Lebenserwartung ab Geburt beträgt
die Differenz zwischen der niedrigsten und höchsten Einkommensgruppe für Frauen
4,4 Jahre und für Männer 8,6 Jahre“, stellte das Robert-Koch-Institut im März
dieses Jahres in einer ähnlichen
Untersuchung für die gesamte Bundesrepublik fest.
Schock im Osten
Die größeren Einbrüche nach der Wiedervereinigung seien in
Ostdeutschland zu finden, hatte das Max-Planck-Institut für demografische
Forschung in Rostock im April dieses Jahres mitgeteilt.
Im Osten habe sich die sozioökonomische Zusammensetzung der Bevölkerung im
Rentenalter stark verändert: „Der Anteil jener Männer, die in die unterste
Einkommensgruppe fallen, hat sich von 2005 bis 2016 beinahe verdoppelt.“
Die DIW-Forscher stellten dazu am Mittwoch fest: „Menschen mit niedrigem Lebenslohneinkommen beziehen also nicht nur weniger, sondern auch kürzer Rente, was dem Äquivalenzprinzip der Gesetzlichen Rentenversicherung widerspricht. Und diese Ungleichheit steigt.“ Die Idee dieses Prinzips sei eigentlich, dass jeder relativ zu seinen eingezahlten Beiträgen gleich viel aus der Rentenversicherung ausbezahlt bekommt. Allerdings wird dabei laut DIW angenommen, dass die Lebenserwartung innerhalb eines Jahrgangs gleich ist und sich nicht nach Einkommen unterscheidet.
Grundrente könnte
helfen
Die realen Fakten widersprechen der Studie zufolge dem
Prinzip: Die Arbeitnehmer erhalten danach relativ zu ihren geleisteten
Beiträgen umso mehr Rentenzahlungen, je höher ihr Lebenseinkommen war. „Dies
hat insofern eine Verteilungswirkung, als die Lebenseinkommen nun insgesamt,
einschließlich des Renteneinkommens, ungleicher werden“, so Studienautor Daniel
Kemptner.
Grundsätzlich könne mit der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) nicht allein Armut verhindert werden. Dabei handele es sich um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, so das DIW. Die Löhne in Deutschland müssen kräftig steigen, forderten kürzlich die Ökonomen Hartmut Elsenhans und Hannes Warnecke-Berger. Damit kann aus ihrer Sicht auch die zunehmende soziale Ungleichheit bekämpft werden.
zuerst erschienen bei Sputniknews.com
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