Bitte beachten:

Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Montag, 29. April 2013

Islamisten als letzte Hoffnung?

Die TV-Dokumentation von Kurt Pelda und Birgit Virnich "'Vergießt keine Tränen mehr' – Wie Anwar in Syrien radikal wurde", die der WDR am heutigen 29. April 2013 zeigt, kann und will ich nicht ignorieren, deshalb sei auf sie hingewiesen.

Jedes einzelne Schicksal des Krieges in und gegen Syrien ist interessant, beachtenswert und auch bedrückend. Die einzelnen Entscheidungen, die die Menschen für sich treffen, wie sie mit dem Erlebten umgehen, kann und will ich nicht bewerten. Auch nicht die Illusionen, die Syrer wie der Protagonist der Doku in die "Revolution" gesetzt haben, mit der alles besser werden sollte, und die ersetzt wurde durch die Hoffnung auf den "Gottesstaat". Wenn Menschen das als letzten Ausweg sehen, muss gefragt werden, wie es dazu kommt. Ob ihre Hoffnungen damit erfüllt werden, wage ich aber zu bezweifeln angesichts anderer Beispiele in den letzten Jahrzehnten.

Ich hoffe nur darauf, dass die Doku über den Wandel des jungen Anwar nicht exemplarisch sein soll, für das, was in Syrien geschieht. Ich hoffe, dass damit nicht gezeigt werden soll, dass den Menschen keine andere Wahl bleibt als die Islamisten zu unterstützen. Interessant finde ich, dass der verantwortliche Redakteur der "die story"-Reihe des WDR, in welcher die Doku läuft, Jo Angerer ist. Der Filmemacher hatte vor zwölf Jahren die viel beachtete und auch von den Kriegsbefüwortern heftig angegriffene Reportage "Es begann mit einer Lüge" über den Kosovo-Krieg der NATO gedreht.

Wurde Angerer in den letzten Jahren zum Kriegsbefürworter? Spiegel online zitiert in der Ankündigung zu der heutigen Doku, wie der Neu-Islamist Anwar in dem Beitrag seinen Wandel begründet: "Der Hauptgrund dafür, dass wir uns den Islamisten angeschlossen haben, ist die Tatsache, dass die Revolution zu lange dauerte und die Welt uns im Stich gelassen hat." Als Einzelmeinung ist das interessant, bleibt die Hoffnung, dass das nicht Meinung von Angerer und den anderen bei "die story" wurde und sie die heutige Doku nicht als Gegenstück zur ARD-Reportage "Die Syrien-Falle" von Hupert Seipel vom 13. Februar 2013 verstehen. In dieser wurde nicht nur eine Seite gezeigt und auch die westliche Politik kritisch hinterfragt. Das geschieht recht selten im Vergleich zu Reportagen aus Syrien, in denen zumeist "Rebellen" begleitet werden, wie auch heute abend wieder. Und führte zu einem wutschäumenden Verriss schon vor der Sendung unter anderem bei den medialen Kriegsbefürwortern von Spiegel online wegen angeblicher Fehler. Die heutige Doku wird hingegen wohlwollend angekündigt: "Alle Menschen wirken auf ihre Art sympathisch. Die gefangenen Soldaten der Regierung haben, mit Handschellen an Schulbänke gefesselt, die gleiche ratlose Angst in den Augen wie die Rebellen, wenn Bomben fallen. Gut und Böse sind nicht mehr sauber zu trennen." Und alles nur, weil die Welt die Syrer im Stich gelassen hat ...

Meine Hoffnung ist, dass in den öffentlich-rechtlichen Sendern neben Beiträgen über das Schicksal von Menschen in Syrien wie den heute zu sehenden, immer wieder auch darüber informiert wird, welchen Beitrag "die Welt", vor allem die westliche und die mit ihr verbündete arabische, geleistet hat, dass es überhaupt zu diesem Krieg gekommen ist mit all seinen Folgen. Selbst bei Spiegel online ist schon mindestens seit einem Jahr bekannt, "Wie der Westen in Syrien heimlich Krieg führt", abgesehen von den in solchen Beiträgen enthaltenen und ständig wiederholten Lügen wie der, dass die syrische Armee mit der dazugehörigen Luftwaffe gegen die Bevölkerung Krieg führt. Tatsächlich wird sie gegen die bewaffneten "Rebellen" eingesetzt, die in Städte wie Aleppo einmarschierten und so zivile und schutzlose Orte zum Schlachtfeld machten, ohne Rücksicht auf die Menschen. Das geschah erst spät und nicht sofort mit den Unruhen im März 2011. Aber das sind Details, die wahrscheinlich als unwichtig gelten angesichts solcher beindruckender und bedrückender Schicksale wie die des Neu-Islamisten Anwar. Er gehört zu den Menschen, die unter dem von außen angeheizten und geförderten Krieg leiden und anscheinend die Opfer bringen müssen, mit deren Blut der "Gottesstaat" in Syrien errichtet werden soll. In ihrer Verzweiflung helfen sie noch dabei ...

Mir bleibt die Hoffnung, dass der WDR heute abend keinen weiteren Beitrag zur Kriegspropaganda leistet.

Freitag, 26. April 2013

Heimatschutz und Aufstandsfeuerwehr

In der Bundesrepublik werden seit einiger Zeit Kompanien der "Regionalen Sicherungs- und Unter­stützungs­kräfte" (RSUKr) aufgestellt.
Relativ unbeachtet von den Mainstream-Medien stellt die Bundeswehr seit Monaten Kompanien auf, die durchaus als "Heimatschutz"-Einheiten zu bezeichnen sind. Neues Deutschland berichtete am 22. April 2013 unter der Überschrift ""Element der Aufstandsbekämpfung" von der ersten aufgestellten Kompanie in Niedersachsen. Das war am gleichen Tag auch Thema für die junge Welt, dort unter der Überschrift "Wie bei der Feuerwehr". Beide Beiträge sind auf der Website der AG Friedensforschung nachlesbar. Die Einheiten sollen die Aufgabe der Landesverteidigung übernehmen, nachdem die Bundeswehr zur Berufsarmee für weltweite Kriegseinsätze gemacht wurde.
Im ND-Beitrag ist u.a. zu lesen: "Die neuen Heimatschutzkompanien sollen im Falle eines Krieges, bei Terrorangriffen oder bei einem 'Inneren Notstand' militärische Anlagen bewachen. Außerdem können sie in Ausnahmefällen die aktiven Soldaten unterstützen. Das beinhaltet beispielsweise Maßnahmen wie die 'Überwachung und Gewährleistung der Sicherheit des deutschen Luft- und Seeraums'. Möglich ist auch ein Einsatz der RSUKr-Einheiten im Rahmen der Amtshilfe zur Unterstützung der Polizei beim 'Schutz ziviler Objekte', 'zum Schutz kritischer Infrastruktur' und bei der 'Bekämpfung organisierter und militärischer bewaffneter Aufständischer' oder 'widerstrebender' Bevölkerungsteile.
... 'Hier haben wir bereits ein Element der militärischen Aufstandsbekämpfung als Unterstützungshilfe für die Polizei', sagt etwa der Publizist, Rechtsanwalt und Buchautor Rolf Gössner. ..."
Bis auf die beiden Zeitungen und einige regionale Medien sind sonst kaum Beiträge zum neuen deutschen Heimatschutz zu finden. Dafür gibt es Blogs von einigen Reservisten, die in den Einheiten dienen und denen das zu gefallen scheint. Einer schreibt aus dem geschützten Saarland und einer anscheinend aus dem geschützten Rheinland-Pfalz. Darin ist neben vielen offiziellen Informationen über die Truppen auch manches über die Denkweise und die Sichten der dort dienenden Uniformträger zu finden:
"... Ein Soldat zu sein,
ist die Seele des Mannes,
der tief in dir vergraben ist.

...
Ein Soldat ist immer Soldat.
Auch wenn er schläft!

..."
Verantwortlich für die Heimatschutzeinheiten ist die Streitkräftebasis (SKB) der Bundeswehr. Die Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI) in Tübingen hat 2011 die neue Konzeption der Reserve als Teil der strategischen Militarisierung der Gesellschaft analysiert.

Donnerstag, 25. April 2013

Fortgesetzte Suche nach Grund für Intervention in Syrien

Die Suche des Westens nach einem Anlass, in Syrien direkt intervenieren zu können und das dazugehörige Chemiewaffentheater gehen weiter.

Am 23. April 2013 wurde berichtet: „US-Außenminister John Kerry hat israelische Berichte über den Einsatz von Giftgas durch das syrische Regime angezweifelt.“ Einen Tag später erklärte die US-Regierung, sie sei „nicht zu dem Schluss gekommen“, dass C-Waffen von der syrischen Armee eingesetzt wurden.

Nun behauptet sie das Gegenteil. Oder fast das Gegenteil, um genau zu sein: Denn US-Kriegsminister Chuck Hagel erklärte am 25. April 2013 in Abu Dhabi, es gebe „Hinweise darauf, dass das Regime in Damaskus genau das gemacht haben könnte“. So wurde er von der Süddeutschen Zeitung online am selbenTag wiedergegeben, mit dem Zusatz: "im kleinen Maßstab". In der Washington Post wird das so beschrieben: „…the Syrian government has likely used chemical weapons on a small scale against rebel forces …” In der Überschrift heißt es, die US-Geheimdienste „glauben“, die syrische Armee habe Chemiewaffen eingesetzt. Von Beweisen ist da immer noch nicht die Rede.

„Für einen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien haben die USA weiterhin keine Beweise“, war am 20. März 2013 noch zu lesen. Das Luxemburger Tageblatt zitierte dabei den amerikanischen Botschafter in Syrien, Robert Ford, der das vor einem Monat vor dem außenpolitischen Ausschuss des US- Repräsentantenhauses gesagt haben soll. Am 22. März 2013 wurde gemeldet: „Das US-Militär verfügt über Angaben, dass die syrischen Regierungskräfte entgegen der Behauptung der bewaffneten Opposition keine Chemiewaffen eingesetzt haben, meldet der TV-Sender CNN unter Berufung auf eine anonyme Quelle.“

Inzwischen gilt das anscheinend nicht mehr bei der Suche nach einem Grund, endlich zu intervenieren. Das scheint den westlichen Regierungen und ihren Verbündeten notwendig zu sein, weil die „Rebellen“ ihren Auftrag, Syrien Präsident Bashar al-Assad zu stürzen, noch nicht erfüllt haben. An dieser Suche beteiligt sich inzwischen die israelische Armee, bzw. einige ihrer Führungskader: "Unserem Verständnis nach hat das Regime bei mehreren Vorfällen tödliche chemische Waffen verwendet - höchstwahrscheinlich Sarin-Gas." Das sagte der israelische Brigadegeneral Itai Brun u.a. laut dem österreichischen Standard vom 23. April 2013. Wie können die USA da weiter das Gegenteil behaupten, auch wenn US-Außenminister erstmal den israelischen Behauptungen widersprach? Das machen auch andere, so der Chemiewaffenexperte Ralf Trapp, der in einem Interview im Standard vom 24. April 2013, feststellte, dass der Einsatz solcher Waffen in Syrien militärisch sinnlos sei. „Wir reden hier über einen Bürgerkrieg. Und da hätte jeder Einsatz von toxischen Stoffen, Chemikalien und ähnlichen Waffen aus meiner Sicht überhaupt keinen Sinn, weil man nur massiv die Zivilbevölkerung schädigt. Der militärische Zweck ist dagegen sehr zweifelhaft.“

Solche Zweifel werden aber von jenen, die über eine Intervention nachdenken, mit Sicherheit überhört, wie jeglicher weitere Widerpruch zu den Behauptungen. Denn die syrische Armee muss Chemiewaffen eingesetzt und die von US-Präsident Barack Obama beschriebene „Rote Linie“ überschritten haben. Das darf gar nicht anders sein. Die damit zu begründende direkte Einmischung wird schon lange vorbereitet. Es sind bloß noch "weitere Belege nötig seien, bevor Barack Obama handeln würde", so die Süddeutsche online am 25. April 2013. Und wer kann dann schon Nein sagen zu einer Intervention in Syrien, die doch nur dazu da sein wird, den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu verhindern sowie die Zivilbevölkerung und die Nachbarländer, vor allem Israel, zu schützen. Diese Begründungen für einen Krieg gab es vor zehn Jahren schon einmal …

Der Beitrag wurde aktualisiert, da der zitierte Text der Süddeutschen online inzwischen redaktionell verändert wurde – HS, 26.4.13 - 09.19 Uhr 
Bei ZEIT online ist noch ein Hinweis auf die von mir zitierte Äußerung von US-Kriegsminister Chuck Hagel vom 25.4.13 zu finden. – HS, 26.4.13 - 9.30 Uhr

Nachtrag vom 26. April 2013:
Der frühere Biowaffen-Kontrolleur und jetzige Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken warnt in einer Pressemitteilung vor der "Chemiewaffenpropaganda": ""Die Berichte über angebliche Chemiewaffenfunde in Syrien sind mit Vorsicht zu genießen. Die Beweislage ist ganz, ganz dünn. Es gibt keinen einzigen konkreten Hinweis darauf, dass das Assad-Regime Chemiewaffen eingesetzt hat. Die vorliegenden Fakten sind zudem sehr missbrauchsanfällig. Die Gefahr ist groß, dass hier ein Kriegsgrund konstruiert wird, von wem auch immer." 

Zur Erinnerung ein paar Nachrichten zum Thema, die dabei nicht in Vergessenheit geraten sollten:
Am 2. März 2011 war bei Spiegel online zu lesen, dass britische Spezialeinheiten libysche Chemiewaffen sichern sollten. Großbritannien beteiligt sich derzeit aktiv am Wettbewerb, den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien nachzuweisen.

Am 10. Juni 2012 meldete RIA Novosti, dass laut einem Bericht der iranischen Nachrichtenagentur Fars "Rebellen" in den Besitz von C-Waffen gekommen seien, die aus Libyen stammen. "Laut dem Bericht trainieren die Terroristen derzeit den C-Waffen-Einsatz auf dem Territorium der Türkei. Ziel der Terroristen bestehe in einer Gasattacke gegen zivile Einwohner, wonach dieses Verbrechen der syrischen Armee in die Schuhe geschoben werden soll." Anmerkung: Es gilt längst als erwiesen, dass Waffen aus "befreiten" Libyen nach Syrien geschmuggelt wurden und werden. Da Libyen große Nervengasbestände hatte, könnte durchaus auch einiges davon mit geliefert worden sein. Zudem wurde 2011 gemeldet, die USA hätten die libyschen Giftgasbestände unter Kontrolle.

Am 24. Juli 2012 war in der Online-Ausgabe des Schweizer Tages-Anzeigers zu lesen: "Dass das syrische Regime Chemiewaffen einsetzen könnte, hält der Sicherheitspolitik-Experte Markus Kaim für unwahrscheinlich." Kaim arbeitet bei der bundesdeutschen regierungsfinanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die ja auch schon Pläne für die angestrebte Zeit nach Assad erarbeitet hat. In dem Interview sagt er u.a.: "Man muss sich in Erinnerung rufen, dass die Chemiewaffen, die Syrien erworben hat, für den Einsatz in einem zwischenstaatlichen Konflikt gedacht sind. Für den Einsatz gegen einen Aggressor von aussen, in syrischer Lesart Israel. Die syrischen Chemiewaffen sind ja eine Reaktion auf das israelische Nuklearwaffenprogramm."

• Der private Nachrichtendienst Stratfor stellte am 24. Juli 2012 fest, dass es unwahrscheinlich sei, dass die syrische Armee chemische Waffen einsetzt. Präsident Assad sei klar, dass ein solcher Einsatz "zweifellos" zu einer ausländischen Intervention einlade. (Text nicht online frei zugänglich, Originalzitat: "Ultimately, the regime is unlikely to deploy its chemical weapons; al Assad understands that using such weapons undoubtedly would invite foreign intervention.")

Der Blogger Tony Cartalucci gab am 27. Juli 2012 Informationen wieder, nach denen die "Rebellen" mit Gasmasken ausgerüstet werden. Auch er schreibt, dass libysche Chemiewaffen über die Türkei nach Syrien gebracht worden, um eine sogenannte Fals Flag-Aktion vorzubereiten, bei der angeblich die syrische Armee Giftgas eingesetzt habe. 

Sonntag, 21. April 2013

USA bereiten Intervention gegen Syrien vor

Die Vorbereitungen der US-Armee für eine Intervention in Syrien werden ausgeweitet, berichten US-Medien. Jordanischer Ex-General spricht von einer Provokation für Syrien.

Die USA sind einen Schritt in Richtung einer möglichen Militärintervention in Syrien gegangen, meldete die Los Angeles Times am 17. April 2013. Dem Bericht zufolge werden 200 US-Soldaten nach Jordanien geschickt - als Vorhut einer möglichen Interventionsstreitmacht  von 20.000 Soldaten oder mehr. Diese soll eingesetzt werden, wenn die Obama-Regierung beschließt, in Syrien zu intervenieren, um chemische Waffen-Arsenale zu sichern oder um zu verhindern, dass der Krieg in Syrien auf Nachbarländer übergreift. Das berichtete ebenfalls die Washington Post am selben Tag, gestützt auf eine Meldung der Nachrichtenagentur AP. Es zeigt unter anderem, dass die möglichen Interventionsgründe inzwischen variiert werden. Interessanterweise brachte auch Spiegel online am 18. April 2013 die Meldung über die 200 US-Soldaten, aber nicht deren Aufgabe als Vorhut für eine eventuelle Intervention. Dafür wurde die offizielle Begründung wiedergegeben: „Die Armee-Spezialisten sollen die Gewalt in der Grenzregion eindämmen, indem sie jordanischen Streitkräfte darin ausbilden, mögliche Übergriffe aus Syrien abzuwehren.“

Die eingesetzten Einheiten der 1. US-Panzerdivision sollen der Los Angeles Times zufolge ein „kleines Hauptquartier“ an der Grenze zu Syrien aufbauen, beim Verteilen von Hilfsgütern helfen und militärische Operationen vorbereiten, falls die mögliche Interventionsstreitmacht von US-Präsident Barack Obama befohlen wird. Der Einsatz sei vom US-Verteidigungsministerium erstmals als Vorbereitung für eine mögliche direkte militärische Einmischung bezeichnet worden. Obama und US-Kriegsminister Chuck Hagel seien zwar sehr „vorsichtig“, was einen solchen Fall angehe. Aber US-Regierungsvertreter haben laut der Zeitung die beschleunigten Vorbereitungen damit begründet, dass der Krieg in Syrien sich nur wenig „abschwäche“ und eine „politische Lösung“ für den Sturz von Syriens Präsident Bashar al-Assad zunehmend unwahrscheinlicher erscheine.  Die „Rebellen“ würden keine zusammenhängenden Gebiete kontrollieren, hatte Assad in einem TV-Interview am 18. April 2013 erklärt, berichtete RIA Novosti. Somit kann die US-Kriegsvorbereitung als Reaktion darauf gewertet werden, dass die syrische Armee die Oberhand behält und der Westen sein Ziel eines Regimewechsels mit Hilfe der bewaffneten „Rebellen“ in Syrien bisher nicht erreicht hat. "Das Ziel ist nicht erreicht, natürlich", gestand Hagel laut Los Angeles Times am 17. April 2013 vor einem Senats-Ausschuss ein. "Deshalb schauen wir weiter nach anderen Optionen und andere Möglichkeiten, dies zu tun."

Jordanien wird von der US-Zeitung als „einer der engsten Verbündeten Washingtons in der Region“ bezeichnet. Das Land ließ aber bisher keine US-Basen und keine größere US-Militärpräsenz zu, aus Angst vor Widerstand aus der Bevölkerung. Die jordanische Unterstützung für die US-Special Forces beim Überfall auf den Irak 2003 sei ein streng gehütetes Geheimnis gewesen. In Folge des anwachsenden Flüchtlingsstromes aus Syrien sei aber nun das erste US-Kontingent akzeptiert worden, ebenso die mögliche Interventionsstreitmacht, die von Jordanien aus operieren soll. Zu diesen könnten laut dem Zeitungsbericht nicht nur konventionelle militärische Einheiten gehören, sondern auch Spezialeinheiten, um die mutmaßlichen Chemiewaffen in Syrien zu sichern,  sowie Luftabwehreinheiten, angeblich, um den jordanischen Luftraum zu schützen.

Offiziell behauptet das jordanische Königshaus, es sei wie bisher gegen eine Einmischung in Syrien, berichtete das Onlinemagazin Middle East Monitor am 19. April 2013. Regierungssprecher Mohammad Momani habe eine umfassende politische Lösung für den syrischen Konflikt gefordert, um den Kreislauf der Gewalt zu stoppen und das Blutvergießen zu beenden. Der syrische Präsident Assad hatte zuvor in dem erwähnten TV-Interview Jordanien davor gewarnt, weiterhin zuzulassen, dass „Rebellen“ über die Grenze nach Syrien eindringen. Die jordanische Politiker  sollten sich "bewusst werden, was los ist", weil „das Feuer nicht an den Grenzen unseres Landes halt macht“ und auch die Nachbarländer erreichen könne. Ein syrischer Gesandter sei nach Amman, der jordanischen Hauptstadt, geschickt worden, um die Situation um die Waffenlieferungen aus Jordanien an „Rebellen“ in Syrien zu klären.

Der Middle East Monitor zitiert den jordanischen Generalmajor a.D. Mamoun Abu Nawar, dem zufolge die tatsächliche Politik seines Landes entgegen der Beteuerungen auf den Druck von außen reagiere. Der jordanische Geheimdienst habe sich laut der libanesischen Zeitung As Safir vom 12. April 2013 bei seinen syrischen Amtskollegen dafür entschuldigt, den Schmuggel von Waffen und Kämpfern über die Grenze in die Region Deraa nicht verhindern zu können. Das berichtete Neues Deutschland am 17. April 2013. Jordanien stehe unter massivem Druck der USA, diese Grenzverletzung zuzulassen. Ex-General Abu Nawar warnt, die Interventionsvorbereitungen würden Assad zu Präventivschlägen und „höchstwahrscheinlich“ auch dem Einsatz der Chemiewaffen provozieren können. Das wäre dann der seit langem von den USA und ihren Verbündeten herbeigeredete Grund, direkt in Syrien einzugreifen.

Laut Middle East Monitor bestätigten jordanische Quellen, dass die US-Soldaten, deren Zahl auf bis 500 steige, die Geographie der Region studieren und mit „Radargeräten“ die Bewegungen der syrischen Armee und der „Rebellen“ beobachten sollen.  Dabei gehe es auch darum, mögliche Standorte für Patriot-Raketen der USA zu finden, angeblich um einen möglichen syrischen Raketenangriff auf Jordanien abzuwehren.  Das Land habe Washington während des jüngsten Besuchs von Obama darum gebeten. Zwei Raketen-Batterien aus Katar und Kuwait sollen noch im April nach Jordanien verlegt werden.

Aus Russland kam deutliche Kritik an der Verlegung der US-Truppen. „Diese Schritte werden die Krise in Syrien verschärfen, die bereits Dimensionen einer regionalen Katastrophe annimmt“, sagte der Sprecher des russischen Außenministeriums Alexander Lukaschewitsch laut RIA Novosti vom 19. April 2013. Die Interventionsvorbereitungen widersprächen „den Positionen, die bereits von wichtigsten äußeren Akteuren bei der Syrien-Regelung im vergangenen Jahr in Genf abgestimmt wurden“. Russland fordert von seinen „westlichen und regionalen Partnern“, „von diesen gefährlichen Praktiken Abstand zu nehmen und zur Umsetzung der politischen Verpflichtungen überzugehen, die wir alle in Bezug auf die Syrien-Krise übernommen haben.“

Die USA und ihre westlichen und arabischen Verbündeten lassen sich von den russischen Warnungen nicht beeindrucken. Erst recht nicht von Assad, der laut RIA Novosti dem Westen die Absicht zur Kolonialisierung seines Landes vorwirft. So verkündet US-Außenminister John Kerry, dass die USA insgesamt eine Milliarde Dollar sammeln wollen, um „die Opposition“ zu unterstützen. Die USA würden ihre Finanzhilfen auf 250 Millionen Dollar verdoppeln, kündigte Kerry laut Spiegel online vom 21. April 2013 auf dem Treffen der selbsternannten "Freunde des syrischen Volkes" in Istanbul an. Obama habe ihn angewiesen, "unsere Anstrengungen zu verstärken", so Kerry bei einer Pressekonferenz. Es sei ein kritischer Punkt erreicht, der Konflikt drohe inzwischen auf die Nachbarstaaten überzugreifen, "das Blutvergießen muss aufhören".

Kerry und die anderen "Freunde des syrischen Volkes" wollen dieses aber weiter bluten lassen, bis sie ihr Ziel erreicht haben, und erklärten laut dem österreichischen Standard vom 21. April 2013, weiter am Prinzip einer politischen Übergangslösung und ohne Beteiligung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und dessen enger Vertrauten festhalten zu wollen. Verweigere sich Damaskus dem weiterhin, "würden andere Ankündigungen zur Unterstützung der  Nationalen Koalition notwendig sein", erklärte Kerry dem Bericht zufolge – und zwar "innerhalb der nächsten Tage". "Dies ließ sich als indirekte Drohung mit der Waffenhilfe für die Assad-Gegner verstehen", so der Standard.

Die Bundesregierung mischt laut Spiegel online bei alldem weiter aktiv mit: Bundesaußenminister Guido Westerwelle kündigte an, die Zusammenarbeit mit der vom Westen zusammengezimmerten „Nationalen Koalition“ ausbauen zu wollen, weil diese sich von den Islamisten distanziert habe. Ein deutsches Kontaktbüro an der türkisch-syrischen Grenze solle die Wiederherstellung der Infrastruktur in den von Rebellen kontrollierten Gebieten Syriens unterstützen, heißt es in dem Bericht. Das Büro werde sich mit der medizinischen Versorgung befassen und auch mit dem Wiederaufbau von Wasser- und Stromleitungen sowie der Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung. Auch die Lieferung kugelsicherer Westen an die Rebellen zog Westerwelle in Betracht.

Die EU hat sich unlängst auf die teilweise Abschaffung des Embargos, das den Ölimport aus Syrien betrifft, geeinigt, erinnert die russische Zeitung Nesawissimaja Gaseta laut RIA Novosti. „Auf diese Weise wollen die Europäer die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Basis in den von Oppositionellen kontrollierten Gebieten fördern“, heißt es in dem Bericht. Syrien habe vor dem Krieg zwar weniger als ein Prozent Anteil an der weltweiten Ölförderung gehabt, „aber das Öl war der wichtigste Exportartikel für Damaskus.“ Nach dem europäischen Embargo sei der syrische Ölexport von 7,2 Milliarden auf 185 Millionen Dollar geschrumpft. „Jetzt wurde vereinbart, dass die Länder, die syrisches Öl importieren wollen, direkt mit den Oppositionellen verhandeln werden.“

aktualisiert: 22.4.13, 8.51 Uhr

Freitag, 19. April 2013

Ein Blick auf das nordkoreanische "Schreckgespenst"

Was sich hinter dem nordkoreanischen "Schreckgespenst" verbirgt, davon ist nur wenig bekannt. Ein interessanter Beitrag dazu gewährt einen der seltenen Blicke darauf.
Dirk Reber, der für die Welthungerhilfe arbeitet und schon mehrmals in Nordkorea war, versucht in einem Beitrag für die NachDenkSeiten vom 18. April 2013 die schiefe Perspektive auf das Land etwas gerade zu rücken. Und weil das nicht nur interessant ist, sondern auch ein paar Klischees korrigieren helfen könnte, gebe ich den Beitrag auszugsweise wieder:
"Die Welthungerhilfe arbeitet als eine der wenigen europäischen Hilfsorganisationen seit über 15 Jahren in Nordkorea: Wir leben vor Ort und haben Kontakt zu den Menschen. Seit dem Beginn unserer Arbeit im Jahre 1997 haben wir in Nordkorea sehr viele Einblicke bekommen und zahlreiche Veränderungen wahrgenommen. Wir sind auch gegenwärtig vor Ort, wurden nicht aufgefordert das Land zu verlassen, haben tagtäglich Kontakt zu unseren Mitarbeitern in Pyongyang, haben unsere Projektaktivitäten nicht eingestellt und sehen auch keinerlei Belege oder Anzeichen einer gegenwärtigen oder aufkommenden Hungersnot."
Nahrungsmittel wichtiger als politische Ideologie, stellt Reber fest. Er macht darauf aufmerksam, dass in Folge der naturräumlichen Bedingungen nur ca. 20 Prozent der Fläche Nordkoreas landwirtschaftlich genutzt werden können. Hinzu kämen sehr schwieirige klimatische Bedingungen für die Landwirtschaft, mit eiskalten Wintern von Dezember bis Februar und starkem Monsumregen von Juli bis September. Ein wichtiger Faktor sei "eine mangelnde staatliche Leistungsfähigkeit". Es fehle an Dünger, modernen Maschinen und Ersatzteilen, sowie an Treibstoff und Strom. "Dennoch ist die Hungersnot der 90er Jahre schon seit vielen Jahren überwunden und die Nothilfe ist inzwischen von Selbsthilfeprojekten abgelöst worden." ...
Die Ernährungssicherung konnte in den Projektregionen stabilisiert werden, so Reber in dem Beitrag. Es fehle aber weiterhin in Nordkorea eine flächendenkende Versorgung mit hochwertigen Nahrungsmitteln wie reichhaltiges Gemüse und Obst, Fisch und Fleisch. Das habe zur Folge, dass vor allem Kleinkinder von einer chronischen Fehlernährung betroffen seien. Gegenwärtig sei besonders spürbar, wie unsicher die Grundversorgung ist. "Ende April ist der Beginn der Mangelperiode, weil die Vorräte der letzten Ernte aufgebraucht sind und die nächste Ernte erst ab Oktober zur Verfügung steht. Die Menschen in Nordkorea haben daher momentan andere Sorgen als den bestehenden Konflikt oder militärische Mobilmachung: die Beschaffung von Nahrungsmitteln für die Sicherung der Existenz der eigenen Familie."
Laut Reber gibt es Veränderungen in dem asiatischen Land, dem Stillstand, Isolation und sogar die Bedrohung des Weltfriedens vorgeworfen werden. Doch diese Veränderungen "geschehen langsam und im Kleinen" und würden in den großen Schlagzeilen untergehen. Das Wirtschaftssystem Nordkoreas, basierend auf der Staatsphilosophie „Juche“, sei planwirtschaftlich ausgerichtet und wird im Allgemeinen verantwortlich gemacht für die chronischen Mängel in allen Lebensbereichen. Es würden zwar größere Reformen bisher ausbleiben, so der Autor, um durch ein modernisiertes Wirtschaftssystem auch die Versorgung der Bevölkerung verbessern zu können. "Im Sommer 2002 wurden erste wirtschaftliche Reformen durchgeführt, die ländlichen Genossenschaften stellen seitdem ihre Betriebspläne mit mehr Eigenverantwortung auf, d.h. sie können freier entscheiden, was sie anbauen, und den Überschuss selbst vermarkten." Verbunden mit dem Engagement der internationalen Gemeinschaft seien die Wirkungen der Reformen seit einigen Jahren deutlich spürbar, die Ernährungssituation der ländlichen Bevölkerung habe sich erheblich verbessert. 
"Annäherung und Vertrauensbildung", das ist für Reber der Schlüssel. Den Hilfsorganisationen werde vorgeworfen, ihre Arbeit diene nicht allein den Menschen, sondern gezwungenermaßen auch dem Systemerhalt. "Trotz chronischer Notlage in sämtlichen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens haben wir es in Nordkorea mit willensstarken und intakten staatlichen Strukturen zu tun. Vieles verläuft sehr bürokratisch, nicht zuletzt durch die restriktive Kommunikationspolitik." Die Arbeit und die Anwesenheit der Hilfsorganisationen sei nicht ohne Folgen geblieben. "Seit über fünfzehn Jahren arbeiten Nordkoreaner und Ausländer zusammen, bauen gegenseitige Vorurteile ab. Nordkoreaner haben erkannt, dass Ausländer nicht amerikanische Spione sind, und Ausländer haben erkannt, dass Nordkoreaner nicht alle im Stechschritt marschierende Roboter sind. Statt Zuteilung und Verordnung erleben wir gemeinsames Planen und Durchführen. ... Organisationen wie die Welthungerhilfe sind eines der wenigen Fenster, das die Nordkoreaner zur Außenwelt haben. Neben Studienreisen und Langzeitpraktika sehen sie durch die Zusammenarbeit wie „Zivilgesellschaft“ funktioniert. Dadurch wurde etwas geschaffen, was in der ganzen Bandbreite des Nordkorea-Konfliktes untergeht: gegenseitiges Vertrauen."

Hier geht's zum vollständigen Beitrag "Der Nordkorea-Konflikt aus Sicht der Welthungerhilfe: Es geht um die Menschen" auf den NachDenkSeiten

Mittwoch, 17. April 2013

Vom Nutzen des nordkoreanischen Schreckgespenstes

Die Situation auf der koreanischen Halbinsel kann noch nicht als entspannt gelten - und die Rüstungskonzerne freuen sich.

Eine Antwort auf die Frage, wem das nordkoreanische Schreckgespenst nutzt: "Südkorea rüstet mit US-Kampfhubschraubern auf", meldet Spiegel online am 17.4.13. "Im Konflikt mit dem kommunistischen Norden setzt Südkorea auf massive Aufrüstung: Das Land kündigt den Kauf von Kampfhubschraubern des US-Konzerns Boeing im Wert von 1,6 Milliarden Dollar an - angeblich geht es um 36 Maschinen."

So wird mindestens eines von Boeings Problemen gelöst: "Durch das Auslaufen vieler Rüstungsprogramme und dem Mangel an neuen Aufträgen steht der Boeing-Standort in Wichita vor der Schließung", meldete u.a. das Handelsblatt am 4. Januar 2012. Der Konzern hat noch mehr Probleme, so mit seinem neuen Modell "Dreamliner" und mit seinem Verkaufshit "Boeing 737". Da kommen doch die verbalen Drohungen von Kim Jong Un und von ihm abgelehnte Dialogangebote gerade zur rechten Zeit. Damit dem jungen Kim die Drohungen nicht so schnell ausgehen, wird auch das gegenwärtige Manöver von USA und Südkorea an der Grenze auf der Halbinsel fortgesetzt.

Es dürfte nur ein Beispiel sein: "Korea-Krise beflügelt Wettrüsten in Asien", stellte u.a. die russiche Zeitung Nesawissimaja Gaseta laut RIA Novosti vom 15. April 2013 fest.

Chemiewaffen, Muslimbrüder und Al Jazeera

Ein neues Nachrichtenmosaik zum Krieg gegen und in Syrien

• Die nächste Chemiewaffenmeldung: "In Syrien sind nach Angaben der Opposition bei einem Giftgasangriff von Regierungstruppen drei Menschen getötet worden." Das war in der Onlineausgabe der Neuen Zürcher Zeitung am 13. April 2013 zu lesen. Ein Militärhelikopter habe am Samstag zwei Gasbomben über Aleppo abgeworfen, wird eine Reuters-Meldung wiedergegeben. "Die syrische Opposition verbreitete am Samstag Fotos, die Überreste der Bomben zeigen sollen, sowie Aufnahmen der Leichen von einer Frau und zwei Kindern. Die Bomben sollen in einem von Rebellen kontrollierten Vorort Aleppos eingeschlagen sein." Im Text wird zwar darauf hingewiesen, daß solche Nachrichten "nicht unabhängig überprüft werden", aber die Zeitung erweckt in der Überschrift den Eindruck von erwiesenen Fakten: "Tote bei Gasangriff in Syrien".

• Der britische Außenminister William Hague macht Druck, den "Rebellen" in Syrien Waffen zu liefern und begründet das erneut mit dem angeblichen Einsatz von Chemiewaffen. Großbritannien und Frankreich wollen in der Lage sein, "dringend Maßnahmen" im Fall "zukünftiger Gräueltaten" ergreifen zu können, so die britische Daily Mail am 16. April 2013 über Hagues Absicht.

• Aleppo wurde zwar nicht ein zweites Benghasi, wie von den "Rebellen" beabsichtigt, aber sie konnten die Stadt belagern, einen Teil besetzen und so zum Schlachtfeld machen. Der syrischen Armee gelang es nun Berichten vom 15. April 2013 zufolge, die Blockade durch die "Rebellen" zu durchbrechen.

• Syriens Präsident Bashar al-Assad habe einen Erlass über eine Generalamnestie herausgegeben, berichtet RIA Novosti am 16. April 2013 und beruft sich auf offizielle syrische Quellen. "Unter die Amnestie fallen die Täter, die Verbrechen bis zum heutigen Tag, den 16. April 2013, begangen haben. Die Amnestie gehört zum Plan für die politische Regelung der Krise, den Assad zuvor vorgeschlagen hatte.
Unter den sonstigen Artikeln, die die Änderung der Strafe und die Freilassung betreffen, wird in dem Erlass betont, dass 'Menschen mit Waffen in der Hand', die sich innerhalb von 30 Tagen nach der Herausgabe des Erlasses den Behörden ergeben, von der Verantwortung vollständig befreit werden. Die Deserteure, die in den Reihen der bewaffneten Opposition kämpfen, werden vollständig von der Verantwortung befreit."

• "Die syrische Rebellengruppe Jabhat al-Nusra hat der radikal-islamischen Organisation Al-Kaida Gefolgschaft geschworen", gibt der österreichische Standard am 10. April 2013 eine Reuters-Meldung wieder. Die islamistische Terrorgruppe sei aber inzwischen eine neben anderen, heißt es in einer Analyse der Zeitung vom 10. April 2013. Es gebe inzwischen einen "Wettbewerb der Dschihadisten in Syrien". Rebellengruppen ohne religiöse Identität seien nach und nach von den Dschihadisten geschluckt worden. Die Autorin Gudrun Harrer meint: "Wenn nun von außen die Unterstützung für die FSA angekurbelt wird, dann ist nicht nur der Sturz Assads das Ziel. Als Nächstes wird man die Syrer vor den Dschihadisten retten müssen."

• Die der Linkspartei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung bot am 13. April 2013 in Düsseldorf auf einer Konferenz auch extremistischen Muslimbrüdern aus Syrien ein Podium für die Forderung nach Waffen für den Regimewechsel. Das berichtete die junge Welt zwei Tage später: "Für eine 'Demokratie wie die hier' sprach sich der Vertreter der Muslimbruderschaft, Samir Abulaban, in Düsseldorf aus. Ein 'Waffenstillstand' funktioniere allerdings 'mit dem System nur, indem die internationale Gemeinschaft Munition, Waffen an die Rebellen liefert'. Die internationale Gemeinschaft wolle wissen, wem sie Kriegsgerät überläßt, darum sei eine militärische Struktur der 'Freien Syrischen Armee' geschaffen worden. Die Spitze der Militärführung entscheide über Angriffe und verteile Waffen und Munition an die Kampfgruppen." Interessant ist dabei auch der Hinweis, dass die FSA anscheinend doch nicht von Deserteuren der syrischen Armee gegründet wurde, wie allgemein behauptet wird.

• US-Präsident Barack Obama hat zehn Millionen Dollar für die "Freie Syrische Armee" (FSA) freigegeben, berichtet u.a. der Schweizer Tages-Anzeiger am 12. April 2013. Das Geld sei für den Obersten Militärrat der FSA bestimmt. "Insbesondere wolle die US-Regierung die Aufständischen mit medizinischen Hilfsmitteln und mit Nahrungsmittelrationen unterstützen." Die Gruppen, die vom Westen und dessen Mainstream-Medien als "die syrische Opposition" bezeichnet werden, hätten bereits 117 Millionen Dollar aus Washington erhalten. "Darüber hinaus seien 385 Millionen Dollar für humanitäre Hilfe zugunsten der syrischen Flüchtlinge im In- und Ausland ausgegeben worden." Laut dem Bericht lehnt Washington es ab, die "Rebellen" mit Waffen zu beliefern.

• In einem interessanten Beitrag vom 12. April 2013 analysiert Kurt Gritsch in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Hintergrund die Rolle des TV-Senders Al Jazeera im syrischen Konflikt. "Der Sender macht sich die Forderung der Freien Syrischen Armee (FSA) nach völligem Machtverzicht des Präsidenten zu eigen. Die Position der mit zunehmender Eskalation immer mehr verstummenden demokratischen Opposition, also all jener, die vor allem zu Beginn der Proteste friedlich für Veränderungen eingetreten waren, findet kaum mehr Berücksichtigung." Der Autor weist auch auf die enge Verbindung mit dem Herrscherhaus Katars hin. "Nach dem Bruch zwischen den Regimes in Doha und Damaskus avancierte die Syrische Revolution, zuvor von Al Jazeera nahezu ignoriert, plötzlich nämlich zu einem Hauptthema. In ihrer Opferzentriertheit und der Forderung nach einer internationalen Militärintervention in Syrien weist jene Berichterstattung, die nun seit Mai 2011 verbreitet wird, Ähnlichkeiten zu großen deutschen Massenmedien, etwa der ARD oder dem ZDF, aber auch zu Printmedien wie FAZ und vor allem Zeit auf. Auch wenn die Gründe für ein gewaltsames Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg für die Finanziers von Al Jazeera andere sein mögen als für die Chefredaktionen der deutschen öffentlich-rechtlichen wie privaten Medien – seriöser Journalismus hat es in der Syrien-Berichterstattung seit Beginn der Unruhen überall schwer."

aktualisiert am 17.4.2013, 10.44 Uhr

Sonntag, 14. April 2013

Wird gegen Syrien eine Kriegslüge wiederholt?

Nun soll es Beweise für den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien geben, ausgerechnet aus Großbritannien. "Britische Militärexperten haben einem Zeitungsbericht zufolge forensische Beweise dafür, dass in Syrien chemische Waffen eingesetzt wurden", meldet u.a. die Onlineausgabe des österreichischen Standard vom 13. April 2013 und beruft sich auf die Times. Danach wurde eine Bodenprobe, die aus der Nähe von Damaskus stammen soll, heimlich nach Großbritannien gebracht und dort im Zentrum für chemische und biologische Waffen des Ministeriums untersucht. Dabei seien Beweise für den Einsatz "von einer Art von Chemiewaffen" entdeckt worden, so die Zeitung. Es sei aber "unmöglich zu sagen", wer die Waffen eingesetzt haben könnte, die syrische Armee oder die "Rebellen". Das britische Außenministerium erklärte schon mal vorsorglich, sollte sich die Nachricht bewahrheiten, wäre es ein "schreckliches Verbrechen".
Dem Bericht zufolge hatten UN-Diplomaten am Donnerstag erklärt, westliche Staaten hätten "harte Beweise" dafür, dass mindestens einmal chemische Waffen in Syrien eingesetzt worden seien. Auch die Jerusalem Post berichtete darüber am 12. April 2013.
Zur Erinnerung: Großbritannien und Frankreich begründen ihren Plan, die "Rebellen" in Syrien mit Waffen beliefern zu wollen, "unter anderem mit dem Argument, dass das Assad-Regime zunehmend bereit sei, Chemiewaffen einzusetzen", wie u.a. die FAZ am 22. März 2013 meldete. Der britische Außenminister William Hagua hatte zuvor schon angekündigt: "Wir wollen auch Geräte liefern, mit denen die Rebellen, falls nötig, nachweisen können, dass das Regime Chemiewaffen einsetzt." (Quelle)
Das erinnert insgesamt wiederum an die britischen Lügen, die halfen, den Krieg gegen den Irak vor zehn Jahren zu begründen. Der damalige britische Premier Tony Blair verkündete: "Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass wir den Beweis für Saddam Hussein Husseins Massenvernichtungswaffen finden werden.“ (Quelle) Er stützte sich auf ein Geheimdienstdossier, das behauptete, der Irak sei fähig, einen Teil seiner biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen innerhalb von 45 Minuten einzusetzen. George W. Bush stütze seine Kriegslügen wiederum auch auf die britischen "Erkenntnisse". Der Krieg wurde geführt, die Lügen widerlegt, doch Tony Blair würde wieder so lügen und entscheiden, auch ohne die angeblichen Massenvernichtungswaffen: ""Ich hätte es dann immer noch für richtig gehalten, ihn zu entfernen, Saddam Hussein zu stürzen. Natürlich hätte man dann andere Argumente vorbringen müssen über die Art der Bedrohung." (Quelle)
Angesichts der neuen Chemiewaffen-Meldungen fragt u.a. schon die Welt : "Hat Assad jetzt Obamas 'rote Linie' überschritten?" Der Einsatz solcher Waffen wurde mehrfach vom Westen und Israel als Anlass für eine mögliche Intervention beschrieben. Wird nun in Syrien wieder so gelogen wie einst für den Irak-Krieg, damit der Westen und seine arabischen Verbündeten sowie die von ihnen unterstützten und ausgerüsteten und von den Medien fälschlicherweise als "Rebellen" bezeichneten Terroristen endlich ans Ziel kommen? Das haben sie nach zwei Jahren immer noch nicht erreicht: Der Sturz des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und die Unterordnung und Aufteilung Syriens. Dafür sind sie zu allem bereit, was sie bisher schon bewiesen. Das haben sie auch vor zehn Jahren beim Irak-Krieg bewiesen. Auch deshalb sind die Zweifel an ihren heutigen Behauptungen und "Geheimdiensterkenntnissen" vorhanden und angebracht.

Freitag, 12. April 2013

Kriegstreiber droht Möchtegern-Feldherr

US-Präsident Barack Obama droht Nordkorea. US-Geheimdienst warnt vor Atomraketen. Ex-US-Präsident Carter betont Friedenswillen Nordkoreas.
Neben Obamas Warnung,  er werde bei aller Suche nach einer diplomatischen Lösung des Konfliktes "'alle nötigen Schritte' unternehmen, um die USA und ihre Verbündeten zu schützen", gibt u.a. Spiegel online Folgendes wieder: "Der amerikanische Militärgeheimdienst Defence Intelligence Agengy (DIA) kommt mittlerweile zu der Einschätzung, dass Nordkorea möglicherweise Raketen mit Atomsprengköpfen bestücken könnte. Ein entsprechender Bericht ging am Donnerstag US-Regierungskreisen und Kongressmitgliedern zu. Allerdings sei davon auszugehen, dass Nordkorea solche Raketen noch nicht zielgerichtet einsetzen könne. Laut 'New York Times' ist unklar, ob andere US-Geheimdienste diese Einschätzung teilen. Vor Beginn des Irak-Krieges sei es die DIA gewesen, die am nachdrücklichsten darauf beharrte, dass Diktator Saddam Hussein Nuklearwaffen besitze."
Die Originalmeldung der New York Times ist hier zu finden. Immerhin wird auf die Rolle des militärischen US-Geheimdienstes bei der Vorbereitung des vor zehn Jahren begonnen Krieges gegen den Irak hingewiesen. Das zeigt, wie vertrauenswürdig dessen Meldungen sind. Das Problem ist bloß, es gab damals auch genügend Personen in der US-Administration, die mit diesen gezielten Falschmeldungen den Krieg begründeten und begannen. Der Rest ist bekannt, samt der Folgen für den Irak bis heute.
Interessant finde ich in dem Zusammenhang mit dem sich anscheinend zuspitzenden Drohtheater, was Ex-US-Präsident James Carter zu dem Konflikt sagt laut Onlineausgabe der Tiroler Tageszeitung vom 11. April 2013: "Carter verschaffte 1994 Kim Il-sung einen unverhofften Propagandasieg, indem er ihn öffentlich umarmte und die eigene Regierung kritisierte. Er verhinderte eine militärische Eskalation quasi im Alleingang und in letzter Minute. Heute erklärt Carter: 'Mehr als irgendetwas anderes, wollen sie (Nordkorea) einen Friedensvertrag mit den Vereinigten Staaten.'" Carter sagte das in der "Daily Show" vom James Stewart am 9. April 2013. Der Ex-Präsident erinnerte auch daran, dass die USA nie einen Friedensvertrag mit Nordkorea abgeschlossen haben. Wer hört darauf?
In dem Zusammenhang sei nochmal daran erinnert, was vor zehn Jahren auch gemeldet wurde: "Laut der Zeitschrift 'US News and World Report' haben Pentagon-Experten im Auftrag von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld einen Plan entwickelt, Nordkorea so weit zu provozieren, dass es seine knappen Ressourcen aufbrauchen muss und letztendlich kollabiert. Dieser „Plan 5030“ ist nicht einmal von Rumsfeld abgesegnet, doch wurde er offenbar gezielt lanciert, um den Druck auf Pjöngjang zu erhöhen. Unter anderem sieht er überraschende Militärübungen vor, die Nordkorea in einen permanenten Alarmzustand versetzen würden." (Handelsblatt, 16.7.2003)
Zum erwähnten "Operationsplan 5030" gibt es nähere Informationen hier und hier.
Der Plan von 2003 wurde anscheinend überarbeitet, wie ein Beitrag vom Wall Street Journal vom 3. April 2013 zeigt.
"How Obama is Creating a Crisis on the Korean Peninsula - What’s Annoying the North Koreans?" fragte Gregory Elich bei Counterpunch am 9. April 2013.

Donnerstag, 11. April 2013

Kriegsminister totgeklatscht

An der Berliner Humboldt-Universität haben Studenten am 10. April 2013 eine Rede von Thomas de Maizière verhindert, u.a. durch ganz viel Beifall und Lobgesänge.

Ja, ich habe mich gefreut, als ich davon las und hörte: "Reden und Diskutieren wollte Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Mittwochabend an der Humboldt-Univeristät - doch dazu kam es nicht. Stattdessen gab es Spott, Protest und einen aufgebrachten Universitäts-Präsidenten." (Tagesspiegel online, 11. April 2013)

Nicht mal die Regierungsbodyguards konnten verhindern, dass Studenten auf die Bühne kamen und sich tot stellten. Dabei wollte der Kriegsminister doch nur über "Armee der Einheit - Der Beitrag der Bundeswehr zum gesellschaftlichen Zusammenhalt" reden und diskutieren. Er wollte doch nur "die Bundeswehr auch bei jungen Leuten in ein besseres Licht rücken". Aber das wollten die Studenten nicht, da ihnen anscheinend bewußt ist, dass de Maizière nichts weiter wollte, als Krieg schön reden: "... zu Beginn applaudieren die cirka 300 anwesenden Studenten laut, als er das Audimax der Universität betritt. Aber etwas stimmt nicht. Irgendwie wirkt die Begeisterung nicht authentisch. Sie ist einfach zu groß für einen Verteidigungsminister, der vor Berliner Studenten über das Militär reden will.

Schnell ist klar, der Jubel wird nicht mehr abebben. Die Studenten feiern den Minister nicht, sie verhöhnen ihn. "Thomas, wir lieben dich!", singt fast der ganze Saal im Chor und: "Wir wollen den Thomas sehen!" Und dann wird aus lustiger Häme gegen einen Würdenträger knallharter politischer Protest. ..." (Spiegel online, 11. April 2013) So knallhart kann es zugehen, wenn das Töten und das Sichtötenlassen für fremde Interessen in ein "besseres Licht" gerückt werden soll. Dafür wird ein Kriegstreiber auch schon einmal "niedergebrüllt", wie die Mainstream-Medien den kreativen Protest umschreiben. Dazu gehört auch die taz, aber die nennt de Maizière immerhin wahrheitsgemäß schon in der Überschrift "Kriegsminister". Bravo, geht doch. Die Ehre gebührt vor allem den Studenten, die gezeigt haben, dass Protest gegen Kriegspolitik und -propaganda noch nicht der Vergangenheit angehört.

In dem Zusammenhang sei noch mal erinnert, was der Kriegsminister so sagt, wenn er frei und ungestört reden darf.

Nachtrag vom 14.4.13:
Worum es einem Kriegsminister wie Thomas de Maizière geht, hat einer seiner Vorgänger, Volker Rühe, 1992 in einem Spiegel-Interview offen bei der Frage nach möglichen Kampfeinsätzen der Bundeswehr beschrieben:
"SPIEGEL: Da unterstützt Sie nur eine Minderheit der Bürger.
RÜHE: Ja, bis jetzt. Wir haben aber schon eine Zweidrittelmehrheit für die Blauhelm-Einsätze. Ich verstehe es völlig, daß es für Kampfeinsätze noch Vorbehalte gibt.
SPIEGEL: Die Bürger sollen sich eines Tages mit Kampfeinsätzen der Bundeswehr abfinden?
RÜHE: Ich glaube, daß man in die Verantwortung hineinwachsen muß. Übrigens strebt niemand Kampfeinsätze an. ..."
Später kam noch Folgendes:
"SPIEGEL: Ihre Partei will Kampfeinsätze der Deutschen auch unter dem Dach anderer Institutionen als der Uno. Die SPD mag über Blauhelm-Einsätze mit Uno-Mandat nicht hinausgehen. Wo liegt der Ausweg aus diesem Dilemma?
RÜHE: Der ist schwierig. Aber die Debatte muß geführt werden. Sie kann nicht in einer Blockade enden.
SPIEGEL: Unter "Blockade" verstehen Sie eine Beschränkung auf Blauhelm-Einsätze?
RÜHE: Unter Blockade verstehe ich, daß gar nichts passiert. Aber es wäre verfassungspolitisch nicht in Ordnung, wenn wir das Grundgesetz ändern und dann nur noch Blauhelm-Einsätze möglich wären. ..."
Und Rühe weiter:
"Wenn in einer schwierigen internationalen Lage das Leben der Soldaten aufs Spiel gesetzt wird, brauchen sie nicht nur ausreichenden Sold. Sie müssen das Gefühl haben, diesen Einsatz für Deutschland zu vollziehen. Und von daher ist es geboten, bei solchen Einsätzen einen größeren Konsens zu suchen. ..."
Damals beschrieb das Rühe noch als Ziel. Als ich es damals las, war mir klar, wohin die "Reise" gehen soll und was Rühe da offen zugibt, ohne es so eindeutig zu sagen. Die Kriegstreiber und -propagandisten sind inzwischen, 20 Jahre später, weit gekommen, auch was die geselslchaftliche Atmosphäre angeht. Auch die SPD hat sich da "verdient" gemacht, samt der Bündnisgrünen. Aber es reicht ihnen noch nicht und noch immer ist ihnen, wichtig, dass möglichst viele ihr Tun richtig finden und unterstützen. Auch dafür hält Rühes Nachfolger Kriegsminister de Maizière solche Vorträge, wie den in der Humboldt-Uni geplanten, und andere. Könnte ja sein, dass sich jene verweigern, die als Kanonenfutter gebraucht werden, zumindest in solchen Zahlen, die Kriegseinsätze schon personell unmöglich machten ... was aber nicht geschehen darf, selbst wenn Drohnen als Ersatz angeschafft werden.

Dienstag, 9. April 2013

Syrien: Marionetten, Aasgeier und kein Ende in Sicht

Eine Ende des Krieges in und gegen Syrien ist nicht absehbar. Auch das Leid der Syrer bewegt den Westen nicht, mehr für eine friedliche Lösung zu tun.
Im Folgenden ein weiteres Nachrichten-Mosaik zur Lage in und um Syrien:

• Die vom Westen zusammengezimmerte „Nationale Koalition“ befindet sich im Stillstand, nachdem sie den syrischen Sitz in der Arabischen Liga bekam, schreibt die libanesische Zeitung As-Safir am 5. April 2013. Die USA, Katar und Saudi-Arabien seien sich nicht einig über die personelle Besetzung der geplanten „Übergangsregierung“. Die Saudis wollten den großen Einfluss Katars zurückzudrängen. Letzteres würde mit der mit ihm verbündeten Muslimbruderschaft versuchen, die Koalition zu kontrollieren und zu bestimmen. Ein Oppositioneller habe beklagt, aus der „Revolution“ sei ein Kampf um die Macht geworden. Lakhdar Brahimi, der Sondergesandte von UN und Arabischer Liga, habe gewarnt, dass die vorgesehene Übergabe des syrischen Sitzes bei der Organisation der Islamischen Konferenz an die „Nationale Koalition“ eine politische Lösung scheitern lasse. Jeder weitere Schritt in Richtung der Anerkennung der syrischen Opposition stärke die unnachgiebigen Kräfte in der syrischen Führung, welche die überlegene militärische Macht der Armee einer politischen Lösung vorziehen.

• Lutz Herden erinnert in einem Beitrag in Ossietzky 7/2013 vom 23. März 2013 an den Background führender exilsyrischer Oppositioneller: „Die Nationalkoalition durchziehen weiterhin die Netzwerke unversöhnlicher Exil-Syrer, die als Lobbyisten in Washington, London und Paris tun, was sie können, um die nötige Interventionsstimmung für einen Regimewechsel in Syrien zu erzeugen.“ Diese Protagonisten bilden laut Herden das ideologische Rückgrat der Nationalkoalition und seien die beste Gewähr dafür, „daß Verhandlungslösungen solange hintertrieben werden, bis in Syrien die militärische Entscheidung gefallen ist.“

• Am 8. April 2013  trafen sich nach einem Bericht der jungen Welt erneut die westlichen und arabischen Aasgeier, die es kaum erwarten können, dass die von ihnen bezahlten, ausgerüsteten und trainierten Hyänen die syrische Beute reißen und sie diese unter sich aufteilen können. Zur Tarnung nennen sie sich „Arbeitsgruppe Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung« der selbst ernannten „Freunde  des syrischen Volkes“. Das Gremium wird geleitet von der Bundesrepublik und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Der Zeitungsbericht informiert auch über die zweilichtige Rolle sogenannter Nichtregierungsorganisationen, die unter dem Etikett „humanitäre Hilfe“ das souveräne Syrien illegal betreten und die „Rebellen“ unterstützen. „Wie eng Hilfe und Krieg verknüpft sind, beschrieb ein französischer Arzt der Organisation ‚Ärzte ohne Grenzen‘ dem britischen Guardian Anfang 2012. Damals wurde Jacques Bérès aus dem Libanon mit einem Transport der Aufständischen nach Baba Amr gebracht, einem heftig umkämpften Vorort der Stadt Homs. Mit ihm und seiner medizinischen Ausrüstung waren in dem Fahrzeug auch zwei Dutzend Raketenwerfer verstaut, sagte der Arzt und räumte ein, daß es für Hilfspersonal verboten ist, mit Waffen zu reisen. Bei einem späteren Einsatz in Aleppo (September 2012) sagte Bérès, die Hälfte der Kämpfer, die er versorgen würde, seien ausländische Gotteskrieger.“

• Ein Viertel der Syrer soll nach UNO-Schätzungen inzwischen vor den Kampfhandlungen flüchten, vor allem innerhalb des Landes, berichtet u.a. der Schweizer Tages-Anzeiger am 4. April 2013. Doch während der Westen seine Einmischung unter anderem damit begründet, den Syrern helfen zu wollen, dienen die Opfer des Krieges nur als Propagandamunition für den verdeckten und offenen Krieg gegen Syrien und dessen Präsident Bashar al-Assad. Dass die leidtragende Bevölkerung wenig interessiert, darauf macht SWR-Reporter Martin Durm in einer TV-Talkshow am 7. April 2013 aufmerksam. Durm war mit dem TV-Reporter Jörg Armbruster in Syrien unterwegs, der in Aleppo angeschossen und schwer verletzt wurde. Der Westen lasse die unter dem Krieg in Syrien leidende Zivilbevölkerung „jämmerlich im Stich“, kritisierte der Journalist. Er erwähnte nicht, dass sich die von ihm kritisierten um so mehr um die „Rebellen“ kümmern. „Es fehlen Schmerzmittel, es fehlen Antibiotika, es fehlt ganz normales Verbandsmaterial, um Leid zu lindern.“ Humanitäre Hilfe komme aus Saudi-Arabien und werde von den radikalen islamischen Milizen verteilt. Das sind die Selbenen, die für das Leid der Bevölkerung verantwortlich sind, der verständlicherweise dann egal ist, wer ihnen hilft.

• Syriens Präsident Bashar al-Assad warnt in einem Interview mit türkischen Medien vor den Folgen eines Regimewechsels durch den Krieg. Das berichtet u.a. der österreichische Standard am 6. April 2013. Die Folge einer solchen Machtübernahme durch "Terroristen" wäre ein "Domino-Effekt", der die gesamte Region "für viele Jahre, sogar Jahrzehnte" destabilisieren würde, so Assad, der schon 2011 vor einer Afghanisierung Syriens warnte.

• Der iranische Diplomat Seyed Hossein Mousavian, Gastwissenschaftler an der Princeton University, warnt in einem Beitrag für das Online-Magazin Al-Monitor am 7. April 2013 vor den Folgen eines Zerfalls Syriens. Zugleich verweist er auf eine paradoxe Situation: Die Vertreter des Westens seien für "säkulare" Systeme, wundert sich der Diplomat, seien aber gegen die säkulare Regierung von Bashar al-Assad und würden die von radikalen Islamisten und Terrorgruppen geführte bewaffnete Opposition unterstützen. Auf der anderen Seite unterstütze der Iran, dem der Westen oft vorwerfe, islamischen Fundamentalismus und Extremismus zu fördern, die säkulare Regierung Syriens. Mousavian meint, dass Demokratie in einem Syrien nach dem Sturz Assads nur schlechte Chancen habe. Die Folge wäre eher ein sektiererischer Krieg, ein Konflikt Schiiten gegen Sunniten absteigen, der auch die Nachbarländer Libanon, Jordanien, Irak, Saudi-Arabien, Bahrain und sogar die Türkei bedrohe – „mit unvorhersehbaren Folgen“. Die islamistischen Terrorgruppen, die Al Qaida zugerechnet werden, würde die Lage und die so entstandene "goldene Gelegenheit" nutzen für den Versuch, das Land von allen Nicht-Sunniten reinigen. Der Sturz Assads sei nicht mehr das primäre Problem. Um einen Zerfall des Landes, der keinem der an dem Konflikt beteiligten Kräfte nutze, zu verhindern, schlägt der Diplomat eine neue Initiative vor: Mit Waffenstillstand, humanitärer Hilfe, von der UN überwachte Wahlen, ein Verfassungsreferendum sowie „übergreifende Grundsätze für die Freiheit des Gewissens, des Glaubens und der religiösen Praxis“.

• Das UN-Generalsekretariat nehme eine unkonstruktive und widersprüchliche Position bei der Untersuchung des Einsatzes von chemischen Waffen in Syrien ein, kritisiert das russische Außenministerium laut der Nachrichtenagentur ITAR-TASS am 6. April 2013. Die UN beuge sich „dem Druck bestimmter Staaten“ und lasse die Untersuchung von konkreten Informationen über einen möglichen Einsatz von chemischen Waffen in Syrien am 19. März scheitern. Das russische Außenministerium fordert von der UN-Führung eine faire und objektive Position und nicht, dass eine Seite bevorzugt werde. Schon am 4. April 2013 hatte das Außenministerium die Versuche, das Uno-Mandat zu Ermittlung der Umstände des Chemiewaffen-Einsatzes in Syrien zu erweitern, als kontraproduktiv bezeichnet, wie RIA Novosti meldete. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon habe „unter dem Einfluss etlicher westlicher Mitglieder des Sicherheitsrates eine ungerechtfertigte Erweiterung des Mandats der einzusetzenden Expertengruppe beschlossen und sie beauftragt, alle Fälle von einer angeblichen Anwendung von chemischen Waffen in Syrien zu prüfen“. Angesichts dieser Nachrichten überrascht es nicht, dass Syrien die Einreise der ersten Chemiewaffeninspektoren verweigert, wie am 8. April 2013 gemeldet wird.
Die syrische Sicht auf das Problem mit den UN-Inspektoren ist hier nachlesbar.

• Am 5. April fordert Russlands Präsident Wladimir Putin, die Waffenlieferungen an die syrische Opposition unverzüglich zu stoppen und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen, berichtet RIA Novosti. Welche Chancen das hat, zeigt eine Meldung von RIA Novosti vom 4. April 2013: „Der Westen will in den südlichen Grenzregionen Syriens zwei Pufferzonen einrichten, schreibt die Zeitung ‚Nesawissimaja Gaseta‘ am Donnerstag. Für die Sicherheit sollen nach US-Medienberichten 3000 Soldaten der Freien Syrischen Armee sorgen, die von den USA und Jordanien im Schnellverfahren ausgebildet werden. Die Verbündeten rechnen damit, den Flüchtlingsstrom und das Einsickern von Islamisten stoppen zu können.
Die Ausbildung der syrischen Soldaten soll jetzt statt Ende Juni bereits Ende April abgeschlossen werden. Nach den Erfolgen der Aufständischen an der syrisch-jordanischen Grenze wurde beschlossen, Pufferzonen in den Grenzgebieten einzurichten. Nach Angaben der ‚Washington Post‘ soll die erste Pufferzone bereits im Mai in einem dünnbesiedelten und ruhigen Gebiet im Südwesten an der Grenze zu Jordanien und dem Irak entstehen. In zwei Monaten soll eine Pufferzone in der syrischen Provinz Daraa entstehen. Mit Flugverbotszonen sollten die Aufständischen jedoch nicht rechnen.“

• Nach Angaben des syrischen Ölministers Suleiman al-Abbas stehen mindestens neun Ölquellen im Ostsyrien in Brand in Folge der Kämpfe und des Rückzuges staatlicher Kräfte. Weitere Quellen in der Region seien geplündert und ihr Öl auf dem türkischen Markt verkauft worden, so der Minister laut der Zeitung As-Safir vom 4. April 2013. Der Raub syrischer Güter habe begonnen mit demontierten Fabriken,  die entweder vollständig oder in Einzelteilen verkauft worden. Ebenso seien Getreidedepots der syrischen strategischen Reserve geplündert und das Getreide verkauft worden, außerdem auch Baumwollkulturen. Abbas sagte dem Bericht zufolge, dass in normalen Zeiten ein brennendes Ölfeld als „nationale Katastrophe“ galt. „Was sollen wir dann bei neun brennenden Feldern sagen?“ Es sei nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine ökologische Katastrophe. Medienberichte deuten laut As-Safir darauf hin, dass das gestohlene Öl für ein Zehntel des internationalen Marktwertes von Schmugglern und türkischen Händler, die mit den Bewohnern der Region und bewaffneten Gruppen zusammenarbeiten, verkauft wurde.

Montag, 8. April 2013

Die Elite blickt auf die Demokratie herab

Gesellschaft: Seit langem wird in politischen und philosophischen Kreisen diskutiert, ob "weniger Demokratie wagen" vielleicht besser wäre. Diese Debatte hält an.

"Ich glaube nicht länger daran, dass Demokratie in der Form 'Eine Person - eine Stimme' der beste Weg ist, um ein politisches System zu organisieren." So wird der Philosoph Daniel A. Bell von Spiegel online am heutigen 8. April 2013 zitiert. Er ist Kanadier und lehrt an einer chinesischen Eliteuniversität. Als "confucian philosopher and scholar" beschreibt er sich selbst auf seiner Homepage.

Ich halte das für bedenkenswert, da es nicht die Meinung eines von asiatischer Philosophie faszinierten Einzelnen ist. Bei Spiegel online ist dazu zu erfahren: "Seine Rolle als bekennender Anti-Demokrat würde Bell in Deutschland vermutlich eine Passage im Jahresbericht des Verfassungsschutzes bescheren. Im Rest der Welt hat ihn sein Standpunkt zum intellektuellen Popstar gemacht, mit Kolumnen in der 'Financial Times', im 'Guardian', der 'Huffington Post'. Auch an diesem Freitagnachmittag darf Bell seine Thesen vor einem illustren Publikum ausbreiten: Bei der Jahrestagung des Instituts für Neues Ökonomisches Denken, eines illustren Think-Tanks, finanziert von der Hedgefonds-Legende George Soros. An der Konferenz nehmen zahlreiche Wirtschafts-Nobelpreisträger teil, dazu Historiker, Soziologen und Politikwissenschaftler aus Oxford, Princeton, Berkeley. Die Elite der westlichen Welt in Sachen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften." Auf seiner Homepage verweist Bell darauf, das er auch beim World Economic Forum in Davos schon dabei war. Er ist also gefragt und die Eliten oder jene, die dazu gezählt werden, hören ihm zu. Und das dürften sie gern tun, sagt Bell doch laut Spiegel online etwas, was sie gern hören: "'Denkbar wären mehr Stimmen für Menschen mit besserer Erziehung.' Die Begriffe Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit erwähnt Bell kein einziges Mal."

Das erinnert mich an einen anderen "Vordenker": Fareed Zakaria schlug vor zehn Jahren schon vor, weniger Demokratie zu wagen. "Liberalisierung, so Zakarias These, geht vor Demokratisierung", war dazu in der Neuen Zürcher Zeitung zu lesen. "Im Namen der langfristig zu verwirklichenden «Ordnung der Freiheit» scheint er zumindest einigen Diktatoren eine Art Freibrief auszustellen. Besonders Lee Kwan Yew, der frühere Premierminister von Singapur, hat es ihm angetan - und sogar für Augusto Pinochet findet Zakaria ein gutes Wort." Zakaria habe ebenfalls an China und dessen Machtsystem Gefallen gefunden, heißt es. "Und er bedauert den Verlust einer politischen Kultur, in der die Eliten der amerikanischen Ostküste hinter verschlossenen Türen weitsichtig die Geschicke des Landes oder gar der Welt lenkten." Das wird mit einer der Gründe gewesen sein, warum Zakarias Thesen zwar oft kritisiert wurden, ihm aber die Vertreter der Eliten gern zuhörten.

Mögen die Vertreter solcher "Weniger Demokratie wagen"-Thesen wechseln, die These bleibt und findet anscheinend gerade angesichts der derzeitigen Krise weiter Zuspruch. Das Handeln der Regierenden und Herrschenden der führenden westlichen Staaten, die Zakaria und Bell und anderen ihresgleichen gern zuhören und zustimmen, hat längst herzlich bzw. bedauerlich wenig mit Demokratie zu tun, worauf u.a. Colin Crouch mit seiner These von der Postdemokratie aufmerksam gemacht hat.

Dass die Herrschenden sich mit Auswegen aus der von ihren politischen und medialen Lakaien propagierten Demokratie beschäftigen, um ihre Herrschaft weiter zu sichern, ist an sich, ganz nüchtern betrachtet verständlich. Gehört doch zu den Folgen der von ihnen verursachten Krise die wachsende Empörung der Beherrschten: "Laut einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat die Wirtschafts- und Währungskrise die Gefahr für soziale Unruhen in den Mittelmeerstaaten Zypern, Griechenland, Spanien und Italien erhöht." Das wird am heutigen 8. April 2013 gemeldet. Die UN-Organisation ILO "fordert ein Umsteuern hin zu einer beschäftigungsorientierten Politik in der EU, um die dramatische Beschäftigungskrise mit mehr als 26 Millionen Arbeitslosen in der Region zu bekämpfen." Inzwischen gebe es in der EU zehn Millionen mehr Arbeitslose als vor Ausbruch der Krise. "Besonders stark betroffen sind junge und gering qualifizierte Arbeitnehmer", stellt die Organisation fest. "Zudem wird Langzeitarbeitslosigkeit in weiten Teilen der Region zu einem strukturellen Problem. In 19 EU-Staaten sind mehr als 40 Prozent der Arbeitslosen schon seit mehr als einem Jahr ohne Job." Eine Folge der Verschlechterung der arbeitsmarktpolitischen Lage sei, "dass das Risiko sozialer Unruhen nun zwölf Prozentpunkte höher ist als vor Ausbruch der Krise". Zur Erinnerung: Hohe Jugendarbeitslosigkeit und andere soziale probleme gehörten zu den Ursachen für die Unruhen in Nordafrika und Arabien. Nur in der Bundesrepublik, Belgien und Finnland hahat laut ILO das Potenzial für Unruhen abgenommen.

Die herrschenden Eliten auch in Europa haben also so manchen Grund, darüber nachzudenken, wie sie auch ohne Demokratie ihre Herrschaft sichern können. Aber uns geht das ja nichts an, die zuerst betroffenen Länder sind ja weit weg und die Bundesrepublik profitiert immer noch davon, dass die anderen ärmer werden.

Sonntag, 7. April 2013

Blicke hinter das "nordkoreanische Schreckgespenst"

Im Folgenden ein Nachtrag zu meinem Text "Das nützliche nordkoreanische Schreckgespenst" vom 6. April 2013.

Was machen eigentlich die US-Soldaten in Südkorea, die ja gewissermaßen am direktesten bedroht werden, wenn die nordkoreanischen Ankündigungen ernst gemeint sind? "Doch von erhöhter Alarmbereitschaft ist in Seoul noch nichts zu spüren: Die Soldaten strotzen vor Selbstbewusstsein. " Das ist zumindest bei Spiegel online zu lesen. Wenn das so stimmt, zeigt das, was da für ein Theater gespielt wird, von beiden Seiten, Und die Mainstream-Medien machen fleißig mit. Spiegel online bringt zwar eine solche Meldung wie die zitierte auch, kündigt aber den Inhalt der neuen gedruckten Ausgabe u.a. damit an: "Nordkorea - der nächste Irre mit der Bombe". Das Schreckgespenst ist einfach zu nützlich. Perfiderweise trägt zu diesem auch die schlechte Versorgungslage in Nordkorea bei, samt aller dramatischen Folgen. Aber selbst dafür ist nicht einfach eine böse oder verrückte Führung verantwortlich, sondern selbst das hat verschieden Ursachen, die auf keinen Fall mit Spionageinseln und B2-Tarnkappenbombern und jährlich zwei Militärmanövern aus der Welt geschafft werden. Was wäre, wenn allein das Geld, das für die US-amerikanisch-südkoreanische Drohkulisse gebraucht wird, nicht dafür, sondern als Hilfe für Nordkorea ausgegeben wird? Damit ließe sich bloß nicht so viel verdienen ...

Die Ursachen der wirtschaftlichen und sozialen Probleme Nordkoreas sind etwas vielschichtiger als dass der Hinweis auf den vermeintlich verrückten Diktator samt Vorfahren zur Erklärung ausreicht. Ich will nur auf wenige hinweisen, soweit mir das möglich ist: Da ist zu allerst der Koreakrieg und die Teilung des Landes samt aller weiteren Folgen auch für die wirtschaftliche Struktur. Es geht weiter mit den natürlichen Verhältnissen: Das Land ist "größtenteils gebirgig und verfügt trotz Ressourcenreichtums an Mineralien über vergleichsweise geringe landwirtschaftliche Nutzflächen. Eine intensiv betriebene Agrarwirtschaft führt dann zwangsläufig zur Übersäuerung der Böden." Darauf hat z.B. der Wissenschaftler Rainer Werning 1998 in einem Text über "Nordkoreas unerwartete Kontinuität" aufmerksam gemacht. Das gehört unbedingt zu den Ursachen für die Versorgungsprobleme des Landes und die daraus entstandenen Hungersnöte. Diese sind auch Folgen verheerender Naturkatastrophen, die z.B. in den späten 90ern den Löwenanteil der Ernten vernichteten, was für eine Landwirtschaft mit begrenzten Ressourcen. umso katastrophaler ist.

Sicher trägt auch das seit Gründung der Volksrepublik gültige Prinzip „Die Armee zuerst!“ zu den wirtschaftlichen Problemen und ihren Folgen bei. Dieses Prinzip hat eben etwas mit der Geschichte zu tun, auch der Rolle der USA im Koreakrieg. Dafür werden den Informationen zufolge 30 Prozent des nordkoreanischen Bruttoinlandsproduktes ausgegeben. „Dieser extrem hohe Anteil für Militärausgaben machte innovative Impulse in der Wirtschaft zunichte“, so Wernig. In absoluten Beträgen ist das aber etwa nur ein Drittel dessen, was Südkorea für sein Militär ausgibt (Quelle). Hier macht eben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit den Unterschied. Die scheint der nordkoreanischen Führung durchaus bewusst zu sein: „Bereits im Januar 1984 war in einem Beschluß der Obersten Volksversammlung gefordert worden, die wirtschaftliche Kooperation, den technischen Austausch und Handel mit dem Westen zu erweitern.“ Daran erinnerte Wernig 1998 und wies auf weitere Schritte in diese Richtung hin. Dieser, wenn auch anscheinend nur zaghafte Kurs scheint fortgesetzt zu werden, worauf hindeutet, dass der als „Reformer“ geltende Pak Pong Ju erneut Ministerpräsident wurde. Diese vorsichtigen Schritte bis hin zu den schon Anfang der 90er Jahre eingerichteten Sonderwirtschaftszonen haben aber nicht geholfen, die wirtschaftliche Lage Nordkoreas grundlegend zu verbessern. Das scheint dem jungen Kim auch klar zu sein, wenn die Meldungen stimmen, dass selbst deutsche Experten der nordkoreanischen Führungen bei einem „Masterplan“ helfen, das Land für ausländisches Kapital und Investoren zu öffnen. Ob das gelingen kann, ist eine Frage, die aus meiner Sicht offen ist. Denn bisher wird „Nordkorea auch durch eine äußerst rigide Wirtschaftsblockade der USA und seiner Verbündeten daran gehindert, seine Situation zu verbessern“. (Quelle)

Wer völlig zu Recht den Hunger in Nordkorea beklagt und über die Folgen erschrocken ist, sollte von den westlichen Sanktionen nicht schweigen. Auf diesen, wenn auch nicht allein verantwortlichen Zusammenhang muss aufmerksam gemacht werden. Und angesichts der westlichen Empörung über die Zustände in Nordkorea muss daran erinnert werden, dass das Wirtschaftsembargo vor dem zweiten Krieg der USA gegen den Irak über einer Millionen Irakern – unter ihnen ca. 500.000 Kinder – das Leben kostete, was die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright so kommentierte: "Ich glaube, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis – wir glauben, es ist den Preis wert." Ich kann nur hoffen, dass der Westen seine Wirtschaftsblockade gegen Nordkorea mit dem Ziel des Regimewechsels aufgibt. Dazu müsste das Land auch von der Liste der „Schurkenstaaten“ gestrichen werden … Doch damit das geschieht, dürfte das „nordkoreanische Schreckgespenst“ nicht mehr nützlich sein. Dafür müssten auch die Interessen der Menschen in Nordkorea wichtiger sein als die geostrategischen Interessen der USA und ihrer Verbündeten. Es müssten mehrere Blockaden aufgebrochen werden, aber nicht nur auf einer Seite, damit nicht nur der Frieden in Asien sicherer wird, sondern auch den Menschen in Nordkorea bessere Lebensbedingungen ermöglicht werden. Die Hungernden dürfen kein Grund sein, die Drohspirale immer weiter zu drehen.

Ein Umdenken der US-Regierung fordert u.a. der Asien-Experte Werner Pfennig in einem Interview mit der Landeszeitung Lüneburg: "Die USA müssen dem Regime in Pjöngjang doch nicht ihre militärische Überlegenheit beweisen. Diese Geste richtet sich meiner Ansicht auch nicht ausschließlich an die Adresse Nordkoreas, sondern damit soll auch der Volksrepublik China demonstriert werden, wie schnell die US-Armee vor Ort sein kann. Die geplante große, seegestützte Abhöranlage wird auch nicht nur nach Nordkorea "hineinhorchen", sondern ebenfalls Richtung China." Manchmal ist sogar bei Spiegel online zu lesen, dass es auch anders ginge: "Ein US-Forscher rät zum radikalen Strategiewechsel in der Krisendiplomatie. ... Sein Vorschlag lautet: Washington muss seine bisherige Strategie über Bord werfen und einen 'strategischen Dialog' mit Pjöngjang beginnen. Am Ende sollte ein 'Sicherheitsvertrag' für die ganze Region stehen. ..." Aber das würde ein anderes Denken voraussetzen. In dem Text vom Januar 2013 ist aber auch eines der Hauptprobleme des Konfliktes beschrieben: "Die Amerikaner, und auch die Bundesrepublik, arbeiteten auf einen Regimewechsel hin. Sie gingen davon aus, dass der Clan der Kims eines Tages zusammenbrechen wird. Dazu, meinten Washingtons Diplomaten, tragen Sanktionen bei. Ihr Hintergedanke: Mit einer neuen Führung dürfte es sich leichter leben und über die atomare Abrüstung verhandeln lassen."

Ich finde auch passend, was die arabische Künstlerin Etel Adnan im Interview mit Lettre International (Heft 99) zwar zum Irak sagte, aber sie beschreibt ein Prinzip, dass auch auf Nordkorea zutreffen dürfte: "Saddam wurde auch deshalb zum Diktator, weil er sich bedroht fühlte. Die westlichen Mächte bedrohten jene Regierenden, die nicht kooperierten, so daß sie sich im Belagerungszustand wähnten bis zu Paranoia." Ob mir das gefällt oder nicht, der Westen ist auch in dem Konflikt mit Nordkorea der Stärkere, aber er verhält sich überhaupt nicht wie der Klügere, der nachgeben könnte oder sollte, wie es in einer alten Weisheit heißt. Die Lage der Bevölkerung, die Meldungen über Hungersnöte, das wäre doch noch mehr ein Grund, dass der Stärkere als Klügerer nachgibt und dafür sorgt, dass Nordkorea in die Lage versetzt wird, seine Situation, die nicht einfach ist, zu verbessern. Bis dahin bleibt es bei dem, was in einem 2007 erschienen Buch festgestellt wurde: Nordkorea "«besitzt nur seine Nuklearanlagen als Faustpfand. Sind sie erst einmal abgerüstet, sind kaum noch Ins­trumente vorhanden, um Gegenleis­tungen einzufordern.» Von daher will das Regime, das auch im Hinblick auf den US-Krieg gegen den Irak mit der Bombe drohte, «schon vorher die Gegenleistungen geregelt wissen und auf seine Nuklearprogramme erst so spät wie möglich verzichten». Das ist durchschaubar und mindestens ebenso rational wie die Politik der USA, die zuerst die Abrüstung durchsetzen wollen, «um so die Kosten der Gegenleistungen zu drücken»." (Quelle)

Und natürlich ist das martialisch gemeinte, aber eher hilflos wirkende Auftreten Kim Jong Uns samt seiner Drohungen, die selbst die Adressaten nicht ernst nehmen, wahrscheinlich auch oder besonders nach innen gerichtet, um von inneren Problemen abzulenken. Aber selbst mit dieser Masche bzw. Methode unterscheidet sich der junge Kim nicht von westlichen Politikern und erst Recht nicht von US-Präsidenten. Insofern ist er eben mindestens nicht verrückter als diese.

Es sei noch einmal betont: Das sowie der Ausgangstext ist ein Versuch, aufzuzeigen, was hinter den Kulissen des aktuellen Schauspiels um das "nordkoreanische Schreckgespenst" zu sehen ist, soweit ein solcher Blick auf die Hintergründe möglich ist. Ich erhebe nicht den Anspruch, das allumfassend und abschließend tun zu können. Ich kann und will bloß auch in diesem Fall der Mainstream-Medien-Propaganda mit meinen begrenzten Mitteln etwas entgegensetzen.

Nachtrag vom 8. April 2013:
Dank der NachDenkSeiten bin ich auf ein Interview von Spiegel online vom 2.4.13 mit Rüdiger Frank, Vorstand des Instituts für Ostasienwissenschaften an der Universität Wien, gestoßen, das sehr interessant und passend ist.
Hie rein paar Aussagen des Wissenschaftlers daraus: Auf die Frage, ob Kim Jong Un berechenbar ist, sagt Frank: "Ich sehe überhaupt keinen Grund, ihm die Rationalität abzusprechen. Zumindest hat er sich bislang noch nicht besonders irrational verhalten - er hat möglicherweise einige Fehler gemacht, aber er verfolgt offenbar ein klares Ziel: Es geht ihm um die Verbesserung des Lebensstandards der nordkoreanischen Bevölkerung."
"... eine langfristige Kriegsplanung ist jedenfalls nicht zu erkennen."
"Das Land weiß, dass es konventionell einer Militärmacht wie den USA nichts entgegenzusetzen hätte. Pjöngjang ist deshalb davon überzeugt, Atomwaffen als Sicherheitsgarantie zu benötigen. Diese Idee wird bereits seit den fünfziger Jahren verfolgt. Der Rest der Welt sollte sich also an ein nukleares Nordkorea gewöhnen."
"Es geht um das strategische Spiel zwischen China und den USA um die Vorherrschaft in der Region. China will in Nordkorea keine Situation schaffen, die zu einer Konfrontation der beiden Großmächte führen würde."
Zum vermeintlichen Widerspruch zwischen Atomprogramm und einem "Reformer" als Ministerpräsident: "Zum einen geht es darum, nach innen Stärke zu demonstrieren. Kim Jong Un ist neu in seinem Amt, er hat einige Personalrochaden vorgenommen, das hat für Unruhe in Nordkorea gesorgt. Er muss jetzt also demonstrieren, dass er die Kontrolle über das Land hat. Gleichzeitig will er auch dem Ausland Stärke demonstrieren und deutlich machen, dass Pjöngjang nur dann dialogbereit ist, wenn dies auf Augenhöhe geschieht."
Nebenbemerkung: Ja, auch bei Spiegel online ist nicht alles schlecht oder Mainstream-Propaganda.

Samstag, 6. April 2013

Das nützliche nordkoreanische Schreckgespenst

Der aktuelle Konflikt in Korea ist für die USA ein passender Anlass, ihre strategische Neuorientierung auf Asien umzusetzen und ihre Position im Pazifik zu sichern.

In dem Zusammenhang mit dem derzeitigen Konflikt um Nordkorea sei auf etwas hingewiesen, das andeutet, was für ein Schauspiel mit mehreren Akteuren derzeit abgeliefert wird: "Die nordkoreanischen Spitzenvertreter sind auf Verteidigung und Abschreckung konzentriert. Die Geheimdienstgemeinschaft ist der Auffassung, dass Pjöngjang seine atomaren Möglichkeiten als ein Mittel zur Erhöhung des internationalen Ansehens und für die Gewaltdiplomatie betrachtet. Wir kennen nicht den Inhalt der atomaren Doktrin Nordkoreas, bewerten jedoch die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes von Kernwaffen gegen die Kräfte der USA und deren Verbündeten als niedrig.“ Das hat James Clapper, Direktor der obersten US-Geheimdienstbehörde, laut RIA Novosti am 12. März 2013 vor einem US-Senatsausschuss gesagt. Die Atomprogramme des Iran und Nordkoreas seien unzureichend entwickelt und in erster Linie auf die Erhöhung des Ansehens dieser Länder und die Verstärkung des regionalen Einflusses gerichtet, wird Clapper zitiert. Hier ist sein offizielles Statement als pdf-Datei lesbar.

Das passt zu der Einschätzung von Lutz Herden in einem Beitrag im Freitag, dass Nordkorea mit seinem Drohschauspiel versucht, eine bessere Verhandlunsposition zu bekommen. Andererseits kommt die Entwicklung der US-Regierung entgegen, denn so bekommt ihr Konzept des "Pazifischen Jahrhunderts" einen richtigen Schub, bei dem auch manches an Waffen nach Asien gebracht wird, was sonst schwer erklärbar wäre. Die Präsenz in der asiatisch-pazifischen Region werde ausgebaut, kündigte US-Präsident Barack Obama Anfang 2012 an. China bleibt im Visier ... Für mich steht die Frage, wem die nordkoreanischen Drohgebärden am meisten nutzen. Mit Blick auf die Geschichte des Konfliktes ist mir nicht ganz klar, wer da wen wann provoziert, um andere, weiterreichende Interessen durchzusetzen.

Die oben erwähnte US-Geheimdienstanalyse zeigt, dass es Gründe gibt, dass gelassener auf die nordkoreanischen Provokationen reagiert werden könnte. Dass das aber nicht geschieht, hat aus meiner Sicht eben damit zu tun, dass die Drohungen aus Pjöngjang als willkommener Anlass genutzt werden zu beweisen, wie richtig die neue strategische Ausrichtung der US-Regierung  auf Asien ist, bei der anderes bzw. mehr im Visier ist als nur Nordkorea.

Eine Bestätigung dafür habe ich im Magazin Counterpunch  in einem Beitrag des Bloggers Peter Lee („China Matters“) gefunden: Den USA sei klar, dass Nordkorea angesichts der negativen Beispiele des Irak (keine Atomwaffen) und Libyen, das sich den Abrüstungsforderungen beugte und doch mit einem von den USA geförderten Regimewechsel überzogen wurde, nicht auf sein Atomwaffen-Arsenal verzichten werde. Die USA könnten aber Nordkorea als Nuklearmacht u.a. deshalb nicht akzeptieren, weil das die nuklearen Ambitionen Südkoreas und Japans befördere. Das wiederum mache diese Länder unabhängiger von der „Schutzmacht“ USA und würde die strategische Orientierung der Obama-Administration auf Asien in Frage stellen. Deshalb müssten die USA auf die nordkoreanischen Provokationen mit mächtigem „Gebrüll und Posen“ reagieren.

Nordkorea versuche verzweifelt, die Isolation und die chinesische Umklammerung aufzubrechen sowie sich den USA anzunähern, wie es Burma gelang. Die USA seien sich dessen bewusst, wie Wikileaks-Dokumente zeigten. Selbst während des „Schauspiels“ um Nordkoreas Atomwaffen halte sie diplomatische Kontakte u.a. über die nordkoreanische UN-Vertretung. Allerdings sei das nordkoreanische Schreckgespenst nützlich, um die strategische Asien-Orientierung zu begründen. Japan und Südkorea würden außerdem versuchen, eine Annäherung zwischen den USA und Nordkorea zu verhindern.

Die USA bemühen sich, so Lee, Japan und Südkorea als zentrale Elemente bei der Eindämmung Chinas zu stützen. Nordkorea sehe wegen der strategischen Orientierung der USA auf China deshalb nur durch nukleare Drohungen, die aber nicht umgesetzt werden sollen, die Möglichkeit, seine regionale Rolle zu betonen. Lee meint: Erstens versuche Nordkorea den USA zu zeigen, dass China nicht in der Lage ist, Nordkorea zu beeinflussen. Deshalb müsse die US-Regierung direkt mit Pjöngjang verhandeln, um das Problem zu lösen. Zweitens begrüße Nordkorea wahrscheinlich die nuklearen Ambitionen in Südkorea und Japan, ausgelöst durch seine eigene Atomrüstung. Die Krise zwinge in der Folge die US-Regierung, sich Pjöngjang zu nähern, um weitere Atomwaffenmächte in Ostasien zu verhindern. Drittens nutze Nordkorea die Spannungen, um zu rechtfertigen, dass die Bestände an waffenfähigem spaltbarem Material erweitert sowie Sprengköpfe und Raketen weiter entwickelt werden, bevor die USA endlich zu Abrüstungsverhandlungen bereit sind.

Der theoretische Ausweg für die USA aus diesem Dilemma sei es, der VR China entgegenzukommen, damit diese Nordkorea aufgibt und einen Regimewechsel zulässt. Das geschehe aber nicht aufgrund der antichinesischen Haltung der Obama-Administration, der Fixierung auf das „Pazifische Jahrhundert“ und der nicht vorhandenen Bereitschaft, Japan und Süd-Korea zu verraten.

Die USA nutzen das nordkoreanische Verhalten, um mit dem militärischen Aufmarsch die eigene Unverzichtbarkeit für Ostasien zu bestätigen und zu sichern, stellt Lee fest. Das Nordkorea-Problem werde so nicht gelöst, aber die chinesische Feindschaft verschärft.

Nachtrag:
Zum Verständnis der aktuellen Entwicklung ist aus meiner Sicht eben auch ein Blick auf die Geschichte des Konfliktes in und um Korea wichtig und ebenso, wie erwähnt, auf die strategische Neuausrichtung der USA auf Asien. Sicher hat das Verhalten der nordkoreanischen Führung auch etwas mit Verzweiflung oder ähnlichem zu tun. Seit Jahrzehnten steht es einem Land und dessen Schutzmacht gegenüber, die mit regelmäßigen und zusätzlichen Manövern ihre militärische Überlegenheit präsentieren und damit drohen. Friedensangebote aus Pjöngjang werden nicht wirklich ernst genommen und nicht ernsthaft beantwortet, die Drohkulisse nicht abgebaut. Ein Freund erinnerte mich gestern, dass das erst wieder Anfang dieses Jahres so ablief: Kim Jong Un hatte zu Beginn 2013 die Verbesserung der Lebensbedingungen in Nordkorea zum obersten Ziel im neuen Jahr erklärt und zum Ende der Feindschaft zu Südkorea aufgerufen. 2013 werde ein Jahr "großer Schöpfungen und Veränderungen sein, die einen radikalen Umschwung bewirken", erklärte der nordkoreanische Staatschef auf einer Rede. Sicher hat das manchem in der alten Machtelite, die schon seinem Vater diente und nichts anderes kennenlernte als die Konfrontation mit den USA, nicht gefallen. Doch was passiert, statt mit ausgestreckter Hand auf Nordkorea zuzugehen? Kim Jong Uns Rede wird nicht nur als "leere Worte" abgetan, nein, Südkorea und die USA halten ein weiteres Mal ihr großes Manöver ab, das selbst von Spiegel online als Demonstration der Stärke gewertet wurde. So sieht keine Antwort auf Friedensangebote aus, die es wert wären, erstmal auf ihre Erntshaftigkeit geprüft zu werden. Was natürlich auch die Hardliner im nordkoreanischen Militär bestätigt, die dem Kim-Sohn sicher erklärt haben, dass er mit seinem neuen Kurs wahrscheinlich falsch liegt. Und so geht die ganze Drohspirale weiter, wird weiter an ihr gedreht. Nordkorea hat wie schon erwähnt beim Irak, Libyen, schon bei Jugoslawien und nun auch bei Syrien gesehen, wie der Westen mit Ländern umgeht, die er für schwach hält, und wird weiter mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln versuchen, stark zu erscheinen. Und die USA brauchen das nordkoreanische Schreckgespenst, weil es ihren weitergehenden Interessen und Zielen so nützlich ist. Deshalb werden sie ihre Macht und Fähigkeit, diese gefährlich Spirale zu stoppen, nicht wahrnehmen. Da ist ja auch noch der Militärisch-Industriellen Komplex der USA, der an all dem verdient. Das scheint mir sicher.
Was mir nicht sicher scheint ist, dass diese Drohspirale sich weiter endlos drehen lässt, ohne dass einer tatsächlich auf den roten Knopf drückt, ob konventionell oder nuklear, und wenn es nur ausversehen ist ... Vielleicht setzen die USA ja auch ein weiteres Mal auf einen Rüstungswettlauf, der Nordkorea am Ende erschöpft zusammen brechen und viel kostengünstiger übernehmen lässt. Die Einschätzung des obersten Schlapphutes der USA zeigt jedenfalls, dass in Washington die nordkoreanischen Fähigkeiten anders eingeschätzt werden als es in der medialen Reaktion auf die Propaganda aus Pjöngjang getan wird.

Ich hoffe, dass das Schreckgespenst sich nicht materialisiert oder materialisiert wird .... Aber warum halten wir jemand wie Kim Jong Un für so durchgeknallt, dass er vor lauter tatsächlicher oder eingeredeter Angst auf den roten Knopf drücken könnte, während die USA, die Nordkorea seit Jahrzehnten mit ihrer militärischen Überlegenheit bedrohen, von uns für so rational und vernünftig gehalten wird, dass wir glauben, dass sie ihre unzähligen Nuklearwaffen nie einsetzt, sondern immer nur damit droht, abgesehen von ausreichend verheerend wirkenden konventionellen Waffen? Ich hab immer wieder ein Problem, wenn ich lese, irgendein Staatschef eines vom Westen zum "Schurkenstaat" erklärten Landes sei so durchgeknallt ... Mag ja alles sein. Aber eine solche Erklärung macht es sich aus meiner Sicht zu einfach, ein etwas komplexeres Problem zu erklären. Das läuft nach dem billigen Muster "Schuld hat immer der andere". Das ist schon im normalen Leben falsch.

"Die US-Regierung sieht nach eigenen Angaben keine Anzeichen dafür, dass Nordkorea seine militärischen Drohungen gegen Südkorea und die USA tatsächlich in die Tat umsetzen will. Allerdings: Inmitten der wachsenden Spannungen entsandten die USA weitere hochmoderne Kampfjets nach Südkorea." (DeutschlandRadio, 2.4.13)

"Laut der Zeitschrift „US News and World Report" haben Pentagon-Experten im Auftrag von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld einen Plan entwickelt, Nordkorea so weit zu provozieren, dass es seine knappen Ressourcen aufbrauchen muss und letztendlich kollabiert. Dieser „Plan 5030“ ist nicht einmal von Rumsfeld abgesegnet, doch wurde er offenbar gezielt lanciert, um den Druck auf Pjöngjang zu erhöhen. Unter anderem sieht er überraschende Militärübungen vor, die Nordkorea in einen permanenten Alarmzustand versetzen würden." (Handelsblatt, 16.7.2003)

Zum erwähnten Operationsplan 5030 (OPLAN 5030) gibt es nähere Informationen hier und hier.

Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) Tübingen hat schon 2006 die "Eskalation mit Ansage" analysiert. Da klingt manches hochaktuell.

Ein Beitrag von Stephens Gowan auf www.informationclearinghouse.info vom 5. April 2013 zeigt, dass der "OPLAN 5030" von 2003 nicht ad acta gelegt, sondern anscheinend überarbeitet wurde und weiterhin gültig ist. Hier ist der Beitrag vom Wall Street Journal über den US-Plan zu finden, auf den sich Gowan bezieht.
Nachtrag vom 10.4.13 - drei interessante Texte zum Thema:
"How Obama is Creating a Crisis on the Korean Peninsula - What’s Annoying the North Koreans?" fragt Gregory Elich bei Counterpunch
"'We learned the lesson in Yugoslavia, Iraq, Afghanistan: be strong.' - What North Koreans Think" beschreibt Stansfield Smith bei Counterpunch
"The United States vs. North Korea" ist Thema von Christopher Brauchli bei Common Dreams