• Suche nach Friedenslösung
"Acht Stunden lang saßen die Diplomaten aus Deutschland, der Ukraine, Russland und Frankreich in Berlin zusammen. Als sie in der Nacht zu Dienstag auseinandergingen, erklärte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, auf Twitter, die Verhandlungen seien schwierig gewesen, aber es gebe „einige konkrete Ergebnisse“. Am Dienstagabend trafen sich die Diplomaten in Minsk wieder und verhandelten weiter.
Die Ergebnisse dieser Gespräche sollen die Grundlage für den Friedensgipfel in Minsk an diesem Mittwoch bilden. Im Ukraine-Konflikt gilt es schon fast als kleiner Erfolg, dass dieser Gipfel überhaupt stattfinden kann.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warb in Telefonaten mit seinem ukrainischen Amtskollegen Pawlo Klimkin und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag für Kompromissbereitschaft. Es gebe noch „offene schwierige Fragen“, hieß es im Auswärtigen Amt.
Weitgehend abgeschottet von der Öffentlichkeit kam bereits am Dienstag in Minsk die Kontaktgruppe zusammen, in der die Ukraine, die im Osten des Landes kämpfenden Separatisten und Russland vertreten sind. Erste Berichte, wonach die Kontaktgruppe sich am Dienstagabend auf eine Waffenruhe geeinigt hatte, bestätigten sich vorerst nicht.
Nur in dieser Kontaktgruppe sitzen auch die Separatisten mit am Tisch. Ohne ihre Zustimmung würde ein Friedensplan rasch wertlos werden. Die Gespräche der Kontaktgruppe werden von der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleitet. ..." (Der Tagesspiegel online, 11.2.15)
"... Von russischer Seite sind die Erwartungen an das Gipfeltreffen in Minsk weitaus geringer: Medien zufolge wird wohl kein neues Abkommen unterzeichnet. Wie die Nachrichtenagentur RIA am Dienstag unter Berufung auf einen Diplomaten meldete, gibt es keine entsprechenden Pläne für das Treffen in der weißrussischen Hauptstadt. "Wir sollten wahrscheinlich eine gemeinsame Erklärung erwarten."
Wenn der Krisengipfel scheitert, muss sich Russland auf weitere Sanktionen gefasst machen. Wirtschaftlich wirkt sich der Ukraine-Konflikt ohnehin negativ auf das Land aus. Das betonte auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in einem Gespräch mit dem Bonner Generalanzeiger. Bisher habe die Führung in Moskau ihren Versprechen keine Taten folgen lassen, sagte sie.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius nannte als Prinzipien, die bei den Gesprächen in Minsk verteidigt werden müssten: einen sofortigen Waffenstillstand, einen raschen Rückzug schwerer Waffen, eine effiziente Kontrolle der Grenze zwischen der Ukraine und Russland, den Respekt der Souveränität der Ukraine sowie einen besonderen Status für die Bevölkerung in der ostukrainischen Region Donbass, wobei "so nah wie möglich" an dem bereits vereinbarten Abkommen von Minsk vom September vergangenen Jahres geblieben werden solle.
Die Ukraine besteht auf der Respektierung einer Frontlinie, die im September festgelegt wurde. Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben in der Zwischenzeit aber rund 500 Quadratkilometer zusätzlich besetzt. US-Präsident Barack Obama unterstützt die Ukraine in ihrer Forderung, wie er bei einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko bestätigte. Er versicherte zudem, dass die USA dem krisengeschüttelten Land weiterhin mit Finanzhilfen zur Seite stünden. Gleichzeitig lobte Obama die deutsch-französische Friedensinitiative. ..." (Süddeutsche.de, 10.2.15)
• Moskau enttäuscht vom Westen
"... »Mit allen Kräften bemüht sich Russland darum, der Ukraine zu helfen, diese fürchterliche Krise beizulegen«, versicherte mit Blick auf den Minsker Gipfel Russlands Präsidentensprecher Dmitri Peskow. Sein Land sei »an der Beilegung dieser Krise tatsächlich interessiert«. Pläne, die auf Verschärfung von Sanktionsdruck, Isolation und Waffenlieferungen gerichtet seien, wären hingegen »auf eine Destabilisierung der Lage in der Ukraine gerichtet«. Die Position des Westens gegenüber Russland nannte er enttäuschend.
Das dürfte er auch für manche deutsche Politiker gelten lassen, namentlich sicher Grünen-Parteichef Cem Özdemir. Der erklärte zwar, dass es im Konflikt mit der Atommacht Russland keine militärische Lösung geben könne, forderte aber wenigstens schärfere Sanktionen. Man müsse Präsident Putin zeigen, dass es Europa ernst meine. Im Falle einer weiteren Eskalation solle russischen Banken der Zugang zum internationalen Zahlungssystem SWIFT versperrt werden.
Seine Parteikollegin Marieluise Beck sprach sich sogar dafür aus, die Ukraine auch mit militärischer Ausrüstung zu unterstützen. Die ethische Frage, ob man einem klar Angegriffenen jede Aufrüstungshilfe grundsätzlich verweigern könne, beantworte sie »mit einem klaren Nein«, sagte sie der »Süddeutschen Zeitung«. Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin hingegen hatte schon Tage zuvor klargestellt, dass Waffenlieferungen »ein Spiel mit dem Feuer« seien. Die Wettrüstenlogik des Kalten Krieges gewinne damit wieder die Oberhand.
Ein Ansatz ganz im Sinne Wolfgang Gehrckes, Fraktionsvize der LINKEN im Bundestag: »Die NATO wie Russland müssen endlich begreifen, dass Sicherheit nicht durch Waffenlieferungen, Aufrüstung und die Verstärkung militärischer Präsenz herzustellen ist.«
»Es ist richtig, keine Waffen in die Ukraine zu liefern«, stellte auch der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, klar. »Dies würde den Konflikt eher verstärken und nicht zu einer Verbesserung der Lage führen. Ebenso richtig ist es, dass es vor der neuen Verhandlungsrunde in Minsk am Mittwoch keine neuen EU-Sanktionen gegen Russland geben sollte.« ..." (Neues Deutschland, 11.2.15, S. 5)
• Russische Medien loben Angela Merkel
"Eine »neue Führungsrolle« in der Ukraine-Krise wie die italienische Zeitung »Corriere della Sera« wollten die Moskauer Blätter am Dienstag Angela Merkel zwar nicht zuschreiben, aber die Bundeskanzlerin kommt nach ihrem Auftritt in Washington durchaus gut weg. US-Präsident Barack Obama habe sie nicht für Waffenlieferungen gewinnen können, lobt etwa die »Rossiskaja Gaseta« und zitierte ihre strikte Ablehnung einer militärischen Lösung. Wie die Tageszeitung »Kommersant« schreibt, gönnten sich die USA dank ihr bis zum Ende des Minsker Gipfels erst einmal eine Pause bei der Androhung neuer Strafmaßnahmen. Und die »Nowyje Iswestija« betonten, dass die Obama-Regierung mit Blick auf die Verhandlungen sogar eine Milderung der Russland-Sanktionen nicht ausgeschlossen habe.
Merkel hat nach dem Treffen mit Obama in der Nacht zum Dienstag bei einem Gespräch mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper in Ottawa ihre Hoffnung bekräftigt, »dass wir den Konflikt diplomatisch lösen können«, und erneut jede Waffenhilfe für Kiew abgelehnt. Beim US-Präsidenten hieß es auf der betont freundschaftlichen gemeinsamen Pressekonferenz am Montag zwar auch: »Angela und ich haben beide unterstrichen, dass die Aussichten für eine militärische Lösung des Problems immer gering waren.« Doch will er wie Harper »alle Optionen« abwägen. Der kanadische Regierungschef weist dabei alle Schuld an der Eskalation Moskau zu (»Die Situation in der Ukraine ist gefährlich durch die anhaltende Aggression Russlands«) und kann »die illegale Okkupation ukrainischen Territoriums nicht akzeptieren«. ..." (Neues Deutschland, 11.2.15)
• Geringe Chancen für Minsker Gipfel
"... Angela Merkel und François Hollande haben mit ihrer Moskaureise am letzten Freitag versucht, jene politische Initiative zurückzugewinnen, die ihnen zu entgleiten drohte, als die USA begannen, öffentlich über Waffenlieferungen an die Ukraine nachzudenken. Wer am Sonntag bei »Günter Jauch« gesehen hat, wie ein hyperventilierender Europa-Parlamentschef Martin Schulz rhetorisch den diplomatischen Ansatz der EU den US-Plänen gegenüberstellte, ahnt, dass die Euro-Imperialisten offenbar wirklich fürchten, von ihrem großen Bruder ausgebootet zu werden. ...
Hollandes und Merkels Schwäche ist, dass sie das Druckpotential ihrer Verhandlungsmission nicht aus eigener Kraft kontrollieren. Denn dass die EU-Sanktionen Russland zwar schädigen, aber nicht zum Einlenken zwingen, pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Hollande und Merkel fürchten die US-Aufrüstungsdrohungen, vor deren Hintergrund sich Wladimir Putin als das kleinere Übel darstellt, und sie profitieren gleichzeitig von ihnen. Ihr Problem ist, dass sie keinen Einfluss auf die Reaktion der USA haben. Falls sie in Minsk ein Ergebnis aushandeln sollten, das den USA und ihren Kiewer Schützlingen nicht passt, werden weder Merkel noch Hollande Barack Obama daran hindern, trotzdem Waffen zu liefern. ...
Dass in Minsk kein US-Vertreter dabei sein wird, ist kein diplomatischer Fauxpas. Es ist Ausdruck dessen, dass sich Obama alle Optionen offen hält. ..." (Reinhard Lauterbach in junge Welt, 11.2.15, S. 8)
Die junge Welt hat am 11.2.15 die Rede des russischen Außenministers Sergej Lawrow auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 7.2.15 in eigener Übersetzung veröffentlicht.
• »Europäer lachen über Lawrow«
"»Europäer lachen, als Lawrow über Ukraine spricht« – Josh Rogin veröffentlichte am 7. Februar im Webportal der Nachrichtenagentur Bloomberg einen Stimmungsbericht über den Auftritt des russischen Außenministers auf der Münchner Sicherheitskonferenz:
In nur 45 Minuten hat heute der russische Außenminister Sergej Lawrow die Geschichte des Kalten Krieges umgeschrieben und den Westen beschuldigt, einen Staatsstreich in der Ukraine angezettelt zu haben, während er sich selbst als Champion der Charta der Vereinten Nationen darstellte. Das Publikum hier in Deutschland hat ihn dafür ausgelacht und ausgepfiffen, aber das schien ihn nicht zu kümmern. (...) Zwei Tage lang hatten vor ihm fast alle Diskussionsteilnehmer auf der Konferenz Russland wegen seines Vorgehens in der Ukraine verurteilt. (...) Aber nichts davon hielt ihn davon ab, seine gewagte Show zu präsentieren. ...
»Ich glaube nicht, dass die Unterstützung, auf die unsere ukrainischen Kollegen hoffen, ihre Probleme lösen werden«, sagte er. »Diese Unterstützung (...) steigt ihnen zu Kopf, so wie bei Saakaschwili im Jahr 2008, und wir wissen, wie das endete.« Das Publikum nahm das in Kauf, aber dann brach es in Lachen aus, als Lawrow sagte, dass die Annexion der Krim, (...) ein Beispiel für internationale Rechtsnormen war, (…) denn »die Bevölkerung der Krim hat sich auf das Recht auf Selbstbestimmung berufen«. ...
Aber aus dem Gelächter wurde Verachtung, als Lawrow daran erinnerte, (…) »dass es nach dem Zweiten Weltkrieg die Sowjetunion war, die gegen die Teilung Deutschlands war«. Das war der Moment, bei dem das größtenteils deutsche Publikum auch noch den letzten, verbleibenden Respekt für Lawrow verlor und die Menge in Buhrufe ausbrach. ..." (junge Welt, 11.2.15)
• Faschistischer Gegenangriff bei Mariupol gescheitert
"Das ukrainische Freiwilligenregiment »Asow« hat am Dienstag morgen bei Mariupol eine Offensive gegen Stellungen der Aufständischen begonnen. Während die Angreifer behaupteten, mehrere Dörfer östlich der Stadt erobert zu haben, teilte das Kiewer Kommando der sogenannten »Antiterroroperation« am Mittag mit, die ukrainischen Kräfte seien auf ihre Ausgangspositionen zurückgekehrt. Möglicherweise war der Vorstoß des Regiments nicht abgesprochen. Ein Kämpfer beschwerte sich via Facebook über »Friendly fire« seitens der ukrainischen Streitkräfte. Der Sprecher des ukrainischen Kommandos legte einen Tag vor den heute geplanten Waffenstillstandsgesprächen in Minsk Wert auf die Feststellung, die Ukraine wolle nichts erobern, sondern nur die Waffenstillstandslinie vom September wieder herstellen. ...
Um den Ort Debalzewe scheinen die Aufständischen derweil den Kessel geschlossen zu haben. Der für seine gelegentlich unverblümten Äußerungen über soziale Netzwerke bekannte ukrainische Bataillonskommandeur Semjon Semjontschenko postete am Dienstag, die eigenen Truppen dort seien definitiv abgeschnitten. Beide Ausfallstraßen aus Debalzewe nach Nordwesten würden von Truppen der Aufständischen kontrolliert, ob dies den »Märchenerzählern und Sofakommentatoren in Kiew« gefalle oder nicht.
Angesichts dieser Lage geht die ukrainische Seite offenbar in wachsendem Maße zum Untergrundkampf über. Wie Berichte von beiden Seiten der Front bestätigen, sind Anschlägen verdeckt kämpfender Ukrainer in den vergangenen Wochen mehrere Funktionäre der Volksrepubliken und ihrer Streitkräfte zum Opfer gefallen. Die Verluste sind aber auch bei den Angreifern hoch. ...
Die im Januar ausgerufene Mobilisierung weiterer 50.000 Reservisten für die ukrainische Armee endet offenbar in einem Fiasko. Im Landesdurchschnitt sind nach ukrainischen Medienberichten lediglich etwa 25 Prozent der Männer in den betroffenen Jahrgängen bereit, sich auch nur mustern zu lassen. 20.000 Ukrainer im wehrpflichtigen Alter sind nach dortigen Angaben zuletzt innerhalb einer Woche nach Russland geflohen. ..." (junge Welt, 11.2.15)
• Deutsche Medien kennen keine Faschisten
Jens Bernert macht in einem Beitrag vom 11.2.15 auf freitag.de darauf aufmerksam, dass deutsche Medien das faschistische "Asow"-Bataillon verharmlosend als "Freiwilligenbataillon" bezeichnen, obwohl der faschistische Hintergrund dieser Truppe bekannt ist und vielfach beschreiben wurde. "Asow" gehört inzwischen als Regiment zur Kiewer Nationalgarde gehört und übernahm im Dezember 2014 die Kontrolle über Mariupol. Die Neue Zürcher Zeitung hatte im September über die "rechtsextremen Hüter Mariupols" berichtet.
Die junge Welt passt aber auch nicht auf, siehe oben.
Neues Deutschland schreibt am 11.2.15 immerhin: "... das Bataillon »Asow«. Die rechtsextreme Truppe in der »Nationalgarde« mit dem Zeichen der »Wolfsangel« ..."
• Obama fordert von Putin Frieden und droht ihm
"Der amerikanische Präsident Barack Obama hat Russlands Staatschef Wladimir Putin unmittelbar vor dem geplanten Ukraine-Gipfel zu einer Friedenslösung für das Land aufgerufen. Obama habe in seinem Telefonat - dem ersten direkten Kontakt zwischen den beiden Politiktern seit einiger Zeit - „die Wichtigkeit betont, eine Verhandlungslösung zu erreichen und umzusetzen, die auf die Verpflichtungen des Minsker Abkommens aufbaut“, wie das Weiße Haus mitteilte.
Es sei Obama darum gegangen, seine Unterstützung für die territoriale Integrität der Ukraine zu bekräftigen, hieß es. Sollte Russland seine „aggressiven Taten“ in der Ukraine fortsetzen, würden Moskaus „Kosten“ dafür steigen. Konkret warf der amerikanische Präsident Putin vor, Truppen, Waffen und finanzielle Mittel in die Ukraine zu senden, um die Separatisten zu unterstützen. ..." (FAZ online, 10.2.15)
• Steinmeier warnt vor Sabotage des Gipfels in Minsk
"Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat vor einem Scheitern des Ukraine-Gipfels an diesem Mittwoch in Minsk gewarnt. „Nicht zum ersten Mal hätte ein Akt politischer Sabotage, ein gezielt abgefeuerter Treffer alle Hoffnungen auf eine Waffenruhe zunichte gemacht“, sagte am Dienstag nach einem Treffen mit seinem neuen griechischen Kollegen Nikos Kotzias in Berlin.
Steinmeier zeigte sich besorgt, dass die neuerlichen Gewaltakte im Osten der Ukraine das Vierertreffen von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine noch verhindern könnten. „Ich hoffe darauf, dass keiner der Beteiligten die Sache so weit treibt, dass durch die Existenz von Gewalt in den letzten Stunden Minsk noch infrage gestellt wird.“
„Die Gespräche haben bisher Sinn gemacht“, sagte Steinmeier . „Aber es sind noch viele Fragen offen, die bis zum Beginn des Gipfels in Minsk gelöst werden müssen.“ ...
Zugleich appellierte er an Russland und die Ukraine, die Gelegenheit jetzt „am Schopf“ zu packen. „Alle Beteiligten sollten wissen, dass wir morgen noch mal eine große Chance haben, einen ersten und wichtigen Schritt hin zur Entschärfung des Konflikts, zum Schweigen der Waffen zu gehen“, sagte Steinmeier. „Noch ist nichts gewonnen. Allein das Stattfinden des Gipfels sichert noch nicht seinen Erfolg.“ ..." (FAZ online, 10.2.15)
• Warnung vor den Folgen von Waffenlieferungen
Die US-Journalistin hat in einem Beitrag in der Washington Post, online veröffentlicht am 10.2.15, deutlich vor den Folgen von US-Waffenlieferungen an Kiew gewarnt. Ein Wettrüsten würde der Ukraine nicht helfen. Die Bewaffnung des ukrainischen Militärs "ist nicht im besten Interesse der Vereinigten Staaten, noch ist es im besten Interesse der Ukraine". Es würde die blutige Krise, die schon Tausende Tote forderte, nur verschlimmern. US-Waffen für Kiew bedeuteten "Munition" für jene in der russischen Führung, die zu Recht oder Unrecht glauben, dass die Ukraine zu einem Militärstützpunkt an der russischen Grenze werden solle. Die Autorin gibt Jeremy Shapiro von der Brookings Institution Recht, der am 3.2.15 feststellte, dass US-Waffen nicht zu einem russischen Rückzug in der Ukraine führen und stattdessen eine Eskalation des Krieges verursachen würden, "das Nettoergebnis wird kein Frieden und Kompromiss sein." Zudem würden damit die Spannungen zwischen den USA und Russland erhöht und ein Rüstungswettlauf angeheizt, warnt die Autorin. Das zu verhindern, müsse das Interesse der USA sein, ebenso, das vertrauen wieder herzustellen und damit auch die Ukraine wieder zu stablisieren. Jeder weitere Verwicklung der USA in den Konflikt könnte die letzten Reste der Zusammenarbeit zwischen zwei Nuklearmächten zerstören. Die Obama-Administration müsse auch die Folgen für die europäischen Verbündeten und die Beziheungen zu diesen bedenken.
Die bisherige militärische Eskalation sei nur zu Lasten der Ukrainer gegangen und habe selbst das Überleben der Kiewer Regierung gefährdet. Als Folge des Krieges und der Eskalation durch Russland und dem Westen stehe die Ukraine vor dem finanziellen und militärischen Zusammenbruch. Das Nachdenken über Waffenlieferungen widerspreche dem gesunden Menschenverstand, stellt fest. Beide Seiten müssten auf eine weitere Eskalation verzichten und die "letzte verzweifelte Friedensinitiative" von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten Francois Hollande unzterstützen.
• Kritik an "jämmerlichem US-Journalismus"
Der Journalist Robert Parry hat den Medien der USA vorgeworfen, in der Ukraine-Krise die publizistischen Grundsätze gefährlich verletzt zu haben. In einem Beitrag vom 9.2.15 im Online-Magazin Consortiumnews schreibt er, dass die US-Mainstreammedien bis auf "sehr wenige Ausnahmen" die Propaganda des US-Außenminisiteriums und anderer Organisationen, die die Westukrainer unterstützten, übernehmen würden. Nicht einmal bei den Lügen über die angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen seien die Medien in den USA so einheitlich voreingenommen und zielstrebig gewesen, so Parry. Sie würden ein Bild vermitteln, in dem die "Kräfte des Guten" (die Westukrainer, einschließlich der Nazis) gegen die "Kräfte des Bösen" (die Ostukrainer), überlagert von der russischen "Aggression", angeführt vom neuen "Hitler" Wladimir Putin.
Obwohl das schreckliche Blutvergießen mit den Tausenden Kriegstoten auf das Konto der Kiewer Truppen gehe, würden die Medien das so darstellen, als seien die Aufständischen oder eben Putin dafür verantwortlich, weil sie den Konflikt schüren würden. Parry erinnert daran, dass die Proteste in der Ostukraine nach dem US-geführten Staatsstreich in Kiew begannen. Die ethnischen Russen in der östlichen Ukraine hätten sich gegen den antirussischen Kurs der Putschisten gewandt, aber auch dagegen, dass sie zu den Verlierern des neuen Kurses Richtung Westens gehören. "In den seltenen Fällen, in denen amerikanische Journalisten tatsächlich mit Ost-Ukrainern sprachen", habe sich gezeigt, dass diese Angst vor den wirtschaftlichen Folgen ein Kernanliegen sei, zusammen mit den Sorgen angesichts des harten Sparplanes des IWF als Voraussetzung für den Zugang zu westlichen Krediten.
Der Autor weist auch auf das Wegsehen bei den Taten der ukrainischen Neonazis, der faschistischen Truppen hin. nParry fordert, von den US-Journalisten, nicht als Propagandisten der US-Regierung zu wirken. Die bisherige mediale Propaganda sei "nicht nur ein schlechter Dienst für das amerikanische Volk und den demokratischen Grundsatz einer informierten Wählerschaft". "Es ist eine rücksichtslose Verletzung der Berufsgrundsätze, die dazu beiträgt, dass die Welt schlingert hin zu einer potenziellen nuklearen Katastrophe."
→ hier geht's zu Folge 141
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
"Acht Stunden lang saßen die Diplomaten aus Deutschland, der Ukraine, Russland und Frankreich in Berlin zusammen. Als sie in der Nacht zu Dienstag auseinandergingen, erklärte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, auf Twitter, die Verhandlungen seien schwierig gewesen, aber es gebe „einige konkrete Ergebnisse“. Am Dienstagabend trafen sich die Diplomaten in Minsk wieder und verhandelten weiter.
Die Ergebnisse dieser Gespräche sollen die Grundlage für den Friedensgipfel in Minsk an diesem Mittwoch bilden. Im Ukraine-Konflikt gilt es schon fast als kleiner Erfolg, dass dieser Gipfel überhaupt stattfinden kann.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warb in Telefonaten mit seinem ukrainischen Amtskollegen Pawlo Klimkin und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag für Kompromissbereitschaft. Es gebe noch „offene schwierige Fragen“, hieß es im Auswärtigen Amt.
Weitgehend abgeschottet von der Öffentlichkeit kam bereits am Dienstag in Minsk die Kontaktgruppe zusammen, in der die Ukraine, die im Osten des Landes kämpfenden Separatisten und Russland vertreten sind. Erste Berichte, wonach die Kontaktgruppe sich am Dienstagabend auf eine Waffenruhe geeinigt hatte, bestätigten sich vorerst nicht.
Nur in dieser Kontaktgruppe sitzen auch die Separatisten mit am Tisch. Ohne ihre Zustimmung würde ein Friedensplan rasch wertlos werden. Die Gespräche der Kontaktgruppe werden von der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleitet. ..." (Der Tagesspiegel online, 11.2.15)
"... Von russischer Seite sind die Erwartungen an das Gipfeltreffen in Minsk weitaus geringer: Medien zufolge wird wohl kein neues Abkommen unterzeichnet. Wie die Nachrichtenagentur RIA am Dienstag unter Berufung auf einen Diplomaten meldete, gibt es keine entsprechenden Pläne für das Treffen in der weißrussischen Hauptstadt. "Wir sollten wahrscheinlich eine gemeinsame Erklärung erwarten."
Wenn der Krisengipfel scheitert, muss sich Russland auf weitere Sanktionen gefasst machen. Wirtschaftlich wirkt sich der Ukraine-Konflikt ohnehin negativ auf das Land aus. Das betonte auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in einem Gespräch mit dem Bonner Generalanzeiger. Bisher habe die Führung in Moskau ihren Versprechen keine Taten folgen lassen, sagte sie.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius nannte als Prinzipien, die bei den Gesprächen in Minsk verteidigt werden müssten: einen sofortigen Waffenstillstand, einen raschen Rückzug schwerer Waffen, eine effiziente Kontrolle der Grenze zwischen der Ukraine und Russland, den Respekt der Souveränität der Ukraine sowie einen besonderen Status für die Bevölkerung in der ostukrainischen Region Donbass, wobei "so nah wie möglich" an dem bereits vereinbarten Abkommen von Minsk vom September vergangenen Jahres geblieben werden solle.
Die Ukraine besteht auf der Respektierung einer Frontlinie, die im September festgelegt wurde. Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben in der Zwischenzeit aber rund 500 Quadratkilometer zusätzlich besetzt. US-Präsident Barack Obama unterstützt die Ukraine in ihrer Forderung, wie er bei einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko bestätigte. Er versicherte zudem, dass die USA dem krisengeschüttelten Land weiterhin mit Finanzhilfen zur Seite stünden. Gleichzeitig lobte Obama die deutsch-französische Friedensinitiative. ..." (Süddeutsche.de, 10.2.15)
• Moskau enttäuscht vom Westen
"... »Mit allen Kräften bemüht sich Russland darum, der Ukraine zu helfen, diese fürchterliche Krise beizulegen«, versicherte mit Blick auf den Minsker Gipfel Russlands Präsidentensprecher Dmitri Peskow. Sein Land sei »an der Beilegung dieser Krise tatsächlich interessiert«. Pläne, die auf Verschärfung von Sanktionsdruck, Isolation und Waffenlieferungen gerichtet seien, wären hingegen »auf eine Destabilisierung der Lage in der Ukraine gerichtet«. Die Position des Westens gegenüber Russland nannte er enttäuschend.
Das dürfte er auch für manche deutsche Politiker gelten lassen, namentlich sicher Grünen-Parteichef Cem Özdemir. Der erklärte zwar, dass es im Konflikt mit der Atommacht Russland keine militärische Lösung geben könne, forderte aber wenigstens schärfere Sanktionen. Man müsse Präsident Putin zeigen, dass es Europa ernst meine. Im Falle einer weiteren Eskalation solle russischen Banken der Zugang zum internationalen Zahlungssystem SWIFT versperrt werden.
Seine Parteikollegin Marieluise Beck sprach sich sogar dafür aus, die Ukraine auch mit militärischer Ausrüstung zu unterstützen. Die ethische Frage, ob man einem klar Angegriffenen jede Aufrüstungshilfe grundsätzlich verweigern könne, beantworte sie »mit einem klaren Nein«, sagte sie der »Süddeutschen Zeitung«. Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin hingegen hatte schon Tage zuvor klargestellt, dass Waffenlieferungen »ein Spiel mit dem Feuer« seien. Die Wettrüstenlogik des Kalten Krieges gewinne damit wieder die Oberhand.
Ein Ansatz ganz im Sinne Wolfgang Gehrckes, Fraktionsvize der LINKEN im Bundestag: »Die NATO wie Russland müssen endlich begreifen, dass Sicherheit nicht durch Waffenlieferungen, Aufrüstung und die Verstärkung militärischer Präsenz herzustellen ist.«
»Es ist richtig, keine Waffen in die Ukraine zu liefern«, stellte auch der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, klar. »Dies würde den Konflikt eher verstärken und nicht zu einer Verbesserung der Lage führen. Ebenso richtig ist es, dass es vor der neuen Verhandlungsrunde in Minsk am Mittwoch keine neuen EU-Sanktionen gegen Russland geben sollte.« ..." (Neues Deutschland, 11.2.15, S. 5)
• Russische Medien loben Angela Merkel
"Eine »neue Führungsrolle« in der Ukraine-Krise wie die italienische Zeitung »Corriere della Sera« wollten die Moskauer Blätter am Dienstag Angela Merkel zwar nicht zuschreiben, aber die Bundeskanzlerin kommt nach ihrem Auftritt in Washington durchaus gut weg. US-Präsident Barack Obama habe sie nicht für Waffenlieferungen gewinnen können, lobt etwa die »Rossiskaja Gaseta« und zitierte ihre strikte Ablehnung einer militärischen Lösung. Wie die Tageszeitung »Kommersant« schreibt, gönnten sich die USA dank ihr bis zum Ende des Minsker Gipfels erst einmal eine Pause bei der Androhung neuer Strafmaßnahmen. Und die »Nowyje Iswestija« betonten, dass die Obama-Regierung mit Blick auf die Verhandlungen sogar eine Milderung der Russland-Sanktionen nicht ausgeschlossen habe.
Merkel hat nach dem Treffen mit Obama in der Nacht zum Dienstag bei einem Gespräch mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper in Ottawa ihre Hoffnung bekräftigt, »dass wir den Konflikt diplomatisch lösen können«, und erneut jede Waffenhilfe für Kiew abgelehnt. Beim US-Präsidenten hieß es auf der betont freundschaftlichen gemeinsamen Pressekonferenz am Montag zwar auch: »Angela und ich haben beide unterstrichen, dass die Aussichten für eine militärische Lösung des Problems immer gering waren.« Doch will er wie Harper »alle Optionen« abwägen. Der kanadische Regierungschef weist dabei alle Schuld an der Eskalation Moskau zu (»Die Situation in der Ukraine ist gefährlich durch die anhaltende Aggression Russlands«) und kann »die illegale Okkupation ukrainischen Territoriums nicht akzeptieren«. ..." (Neues Deutschland, 11.2.15)
• Geringe Chancen für Minsker Gipfel
"... Angela Merkel und François Hollande haben mit ihrer Moskaureise am letzten Freitag versucht, jene politische Initiative zurückzugewinnen, die ihnen zu entgleiten drohte, als die USA begannen, öffentlich über Waffenlieferungen an die Ukraine nachzudenken. Wer am Sonntag bei »Günter Jauch« gesehen hat, wie ein hyperventilierender Europa-Parlamentschef Martin Schulz rhetorisch den diplomatischen Ansatz der EU den US-Plänen gegenüberstellte, ahnt, dass die Euro-Imperialisten offenbar wirklich fürchten, von ihrem großen Bruder ausgebootet zu werden. ...
Hollandes und Merkels Schwäche ist, dass sie das Druckpotential ihrer Verhandlungsmission nicht aus eigener Kraft kontrollieren. Denn dass die EU-Sanktionen Russland zwar schädigen, aber nicht zum Einlenken zwingen, pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Hollande und Merkel fürchten die US-Aufrüstungsdrohungen, vor deren Hintergrund sich Wladimir Putin als das kleinere Übel darstellt, und sie profitieren gleichzeitig von ihnen. Ihr Problem ist, dass sie keinen Einfluss auf die Reaktion der USA haben. Falls sie in Minsk ein Ergebnis aushandeln sollten, das den USA und ihren Kiewer Schützlingen nicht passt, werden weder Merkel noch Hollande Barack Obama daran hindern, trotzdem Waffen zu liefern. ...
Dass in Minsk kein US-Vertreter dabei sein wird, ist kein diplomatischer Fauxpas. Es ist Ausdruck dessen, dass sich Obama alle Optionen offen hält. ..." (Reinhard Lauterbach in junge Welt, 11.2.15, S. 8)
Die junge Welt hat am 11.2.15 die Rede des russischen Außenministers Sergej Lawrow auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 7.2.15 in eigener Übersetzung veröffentlicht.
• »Europäer lachen über Lawrow«
"»Europäer lachen, als Lawrow über Ukraine spricht« – Josh Rogin veröffentlichte am 7. Februar im Webportal der Nachrichtenagentur Bloomberg einen Stimmungsbericht über den Auftritt des russischen Außenministers auf der Münchner Sicherheitskonferenz:
In nur 45 Minuten hat heute der russische Außenminister Sergej Lawrow die Geschichte des Kalten Krieges umgeschrieben und den Westen beschuldigt, einen Staatsstreich in der Ukraine angezettelt zu haben, während er sich selbst als Champion der Charta der Vereinten Nationen darstellte. Das Publikum hier in Deutschland hat ihn dafür ausgelacht und ausgepfiffen, aber das schien ihn nicht zu kümmern. (...) Zwei Tage lang hatten vor ihm fast alle Diskussionsteilnehmer auf der Konferenz Russland wegen seines Vorgehens in der Ukraine verurteilt. (...) Aber nichts davon hielt ihn davon ab, seine gewagte Show zu präsentieren. ...
»Ich glaube nicht, dass die Unterstützung, auf die unsere ukrainischen Kollegen hoffen, ihre Probleme lösen werden«, sagte er. »Diese Unterstützung (...) steigt ihnen zu Kopf, so wie bei Saakaschwili im Jahr 2008, und wir wissen, wie das endete.« Das Publikum nahm das in Kauf, aber dann brach es in Lachen aus, als Lawrow sagte, dass die Annexion der Krim, (...) ein Beispiel für internationale Rechtsnormen war, (…) denn »die Bevölkerung der Krim hat sich auf das Recht auf Selbstbestimmung berufen«. ...
Aber aus dem Gelächter wurde Verachtung, als Lawrow daran erinnerte, (…) »dass es nach dem Zweiten Weltkrieg die Sowjetunion war, die gegen die Teilung Deutschlands war«. Das war der Moment, bei dem das größtenteils deutsche Publikum auch noch den letzten, verbleibenden Respekt für Lawrow verlor und die Menge in Buhrufe ausbrach. ..." (junge Welt, 11.2.15)
• Faschistischer Gegenangriff bei Mariupol gescheitert
"Das ukrainische Freiwilligenregiment »Asow« hat am Dienstag morgen bei Mariupol eine Offensive gegen Stellungen der Aufständischen begonnen. Während die Angreifer behaupteten, mehrere Dörfer östlich der Stadt erobert zu haben, teilte das Kiewer Kommando der sogenannten »Antiterroroperation« am Mittag mit, die ukrainischen Kräfte seien auf ihre Ausgangspositionen zurückgekehrt. Möglicherweise war der Vorstoß des Regiments nicht abgesprochen. Ein Kämpfer beschwerte sich via Facebook über »Friendly fire« seitens der ukrainischen Streitkräfte. Der Sprecher des ukrainischen Kommandos legte einen Tag vor den heute geplanten Waffenstillstandsgesprächen in Minsk Wert auf die Feststellung, die Ukraine wolle nichts erobern, sondern nur die Waffenstillstandslinie vom September wieder herstellen. ...
Um den Ort Debalzewe scheinen die Aufständischen derweil den Kessel geschlossen zu haben. Der für seine gelegentlich unverblümten Äußerungen über soziale Netzwerke bekannte ukrainische Bataillonskommandeur Semjon Semjontschenko postete am Dienstag, die eigenen Truppen dort seien definitiv abgeschnitten. Beide Ausfallstraßen aus Debalzewe nach Nordwesten würden von Truppen der Aufständischen kontrolliert, ob dies den »Märchenerzählern und Sofakommentatoren in Kiew« gefalle oder nicht.
Angesichts dieser Lage geht die ukrainische Seite offenbar in wachsendem Maße zum Untergrundkampf über. Wie Berichte von beiden Seiten der Front bestätigen, sind Anschlägen verdeckt kämpfender Ukrainer in den vergangenen Wochen mehrere Funktionäre der Volksrepubliken und ihrer Streitkräfte zum Opfer gefallen. Die Verluste sind aber auch bei den Angreifern hoch. ...
Die im Januar ausgerufene Mobilisierung weiterer 50.000 Reservisten für die ukrainische Armee endet offenbar in einem Fiasko. Im Landesdurchschnitt sind nach ukrainischen Medienberichten lediglich etwa 25 Prozent der Männer in den betroffenen Jahrgängen bereit, sich auch nur mustern zu lassen. 20.000 Ukrainer im wehrpflichtigen Alter sind nach dortigen Angaben zuletzt innerhalb einer Woche nach Russland geflohen. ..." (junge Welt, 11.2.15)
• Deutsche Medien kennen keine Faschisten
Jens Bernert macht in einem Beitrag vom 11.2.15 auf freitag.de darauf aufmerksam, dass deutsche Medien das faschistische "Asow"-Bataillon verharmlosend als "Freiwilligenbataillon" bezeichnen, obwohl der faschistische Hintergrund dieser Truppe bekannt ist und vielfach beschreiben wurde. "Asow" gehört inzwischen als Regiment zur Kiewer Nationalgarde gehört und übernahm im Dezember 2014 die Kontrolle über Mariupol. Die Neue Zürcher Zeitung hatte im September über die "rechtsextremen Hüter Mariupols" berichtet.
Die junge Welt passt aber auch nicht auf, siehe oben.
Neues Deutschland schreibt am 11.2.15 immerhin: "... das Bataillon »Asow«. Die rechtsextreme Truppe in der »Nationalgarde« mit dem Zeichen der »Wolfsangel« ..."
• Obama fordert von Putin Frieden und droht ihm
"Der amerikanische Präsident Barack Obama hat Russlands Staatschef Wladimir Putin unmittelbar vor dem geplanten Ukraine-Gipfel zu einer Friedenslösung für das Land aufgerufen. Obama habe in seinem Telefonat - dem ersten direkten Kontakt zwischen den beiden Politiktern seit einiger Zeit - „die Wichtigkeit betont, eine Verhandlungslösung zu erreichen und umzusetzen, die auf die Verpflichtungen des Minsker Abkommens aufbaut“, wie das Weiße Haus mitteilte.
Es sei Obama darum gegangen, seine Unterstützung für die territoriale Integrität der Ukraine zu bekräftigen, hieß es. Sollte Russland seine „aggressiven Taten“ in der Ukraine fortsetzen, würden Moskaus „Kosten“ dafür steigen. Konkret warf der amerikanische Präsident Putin vor, Truppen, Waffen und finanzielle Mittel in die Ukraine zu senden, um die Separatisten zu unterstützen. ..." (FAZ online, 10.2.15)
• Steinmeier warnt vor Sabotage des Gipfels in Minsk
"Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat vor einem Scheitern des Ukraine-Gipfels an diesem Mittwoch in Minsk gewarnt. „Nicht zum ersten Mal hätte ein Akt politischer Sabotage, ein gezielt abgefeuerter Treffer alle Hoffnungen auf eine Waffenruhe zunichte gemacht“, sagte am Dienstag nach einem Treffen mit seinem neuen griechischen Kollegen Nikos Kotzias in Berlin.
Steinmeier zeigte sich besorgt, dass die neuerlichen Gewaltakte im Osten der Ukraine das Vierertreffen von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine noch verhindern könnten. „Ich hoffe darauf, dass keiner der Beteiligten die Sache so weit treibt, dass durch die Existenz von Gewalt in den letzten Stunden Minsk noch infrage gestellt wird.“
„Die Gespräche haben bisher Sinn gemacht“, sagte Steinmeier . „Aber es sind noch viele Fragen offen, die bis zum Beginn des Gipfels in Minsk gelöst werden müssen.“ ...
Zugleich appellierte er an Russland und die Ukraine, die Gelegenheit jetzt „am Schopf“ zu packen. „Alle Beteiligten sollten wissen, dass wir morgen noch mal eine große Chance haben, einen ersten und wichtigen Schritt hin zur Entschärfung des Konflikts, zum Schweigen der Waffen zu gehen“, sagte Steinmeier. „Noch ist nichts gewonnen. Allein das Stattfinden des Gipfels sichert noch nicht seinen Erfolg.“ ..." (FAZ online, 10.2.15)
• Transatlantische Differenzen nur ein Schauspiel?
"Mit
Gewissheit kann ich auch nicht sagen, ob der Disput zwischen Merkel,
Hollande, Steinmeier einerseits und Obama, McCain, Poroschenko
andererseits echt ist oder strategisch ausgedacht. Für letzteres
sprechen einige Indizien. Albrecht Müller.
In der jetzt öffentlich geführten Auseinandersetzung geht es in einem ersten Versuch darum, Russland ohne Krieg zu isolieren, wirtschaftlich zu schaden, zu destabilisieren, und die Ukraine und später auch weitere Nachbarstaaten in den Westen zu ziehen, zunächst nahe an die EU, dann in die EU und in die NATO. Die Bundeskanzlerin Merkel hat das mit ihrer Erinnerung an den Mauerfall und die dafür notwendige Geduld als Ziel beschrieben, die strategische Überlegung also ausdrücklich genannt und bekannt.
Falls dies nicht ohne größeren Krieg möglich sein sollte, dann geht es aus der Sicht Deutschlands und des Westens darum, die Kriegsschuldfrage jetzt schon zu beantworten, bevor der große Krieg begonnen hat: die Russen sind schuld, genauer Putin, der seltsam gewendete Putin, wie es in einigen Einlassungen westlicher Politiker heißt.
Im folgenden werden drei Fragenkomplexe besprochen:
I. Welche Indizien sprechen für ein abgekartetes Spiel?
II. Anzeichen für den wiederkehrenden Versuch, die Kriegsschuldfrage jetzt schon zu beantworten
III. Anzeichen für die Gefahr einer größeren kriegerischen Auseinandersetzung (dieser Teil folgt bei nächster Gelegenheit) ..." (Nachdenkseiten, 10.2.15)
Diesen Beitrag von Albrecht Müller empfehle ich dringend, nicht nur, weil ich mir schon die selbe Frage gestellt hatte.
In der jetzt öffentlich geführten Auseinandersetzung geht es in einem ersten Versuch darum, Russland ohne Krieg zu isolieren, wirtschaftlich zu schaden, zu destabilisieren, und die Ukraine und später auch weitere Nachbarstaaten in den Westen zu ziehen, zunächst nahe an die EU, dann in die EU und in die NATO. Die Bundeskanzlerin Merkel hat das mit ihrer Erinnerung an den Mauerfall und die dafür notwendige Geduld als Ziel beschrieben, die strategische Überlegung also ausdrücklich genannt und bekannt.
Falls dies nicht ohne größeren Krieg möglich sein sollte, dann geht es aus der Sicht Deutschlands und des Westens darum, die Kriegsschuldfrage jetzt schon zu beantworten, bevor der große Krieg begonnen hat: die Russen sind schuld, genauer Putin, der seltsam gewendete Putin, wie es in einigen Einlassungen westlicher Politiker heißt.
Im folgenden werden drei Fragenkomplexe besprochen:
I. Welche Indizien sprechen für ein abgekartetes Spiel?
II. Anzeichen für den wiederkehrenden Versuch, die Kriegsschuldfrage jetzt schon zu beantworten
III. Anzeichen für die Gefahr einer größeren kriegerischen Auseinandersetzung (dieser Teil folgt bei nächster Gelegenheit) ..." (Nachdenkseiten, 10.2.15)
Diesen Beitrag von Albrecht Müller empfehle ich dringend, nicht nur, weil ich mir schon die selbe Frage gestellt hatte.
Die US-Journalistin hat in einem Beitrag in der Washington Post, online veröffentlicht am 10.2.15, deutlich vor den Folgen von US-Waffenlieferungen an Kiew gewarnt. Ein Wettrüsten würde der Ukraine nicht helfen. Die Bewaffnung des ukrainischen Militärs "ist nicht im besten Interesse der Vereinigten Staaten, noch ist es im besten Interesse der Ukraine". Es würde die blutige Krise, die schon Tausende Tote forderte, nur verschlimmern. US-Waffen für Kiew bedeuteten "Munition" für jene in der russischen Führung, die zu Recht oder Unrecht glauben, dass die Ukraine zu einem Militärstützpunkt an der russischen Grenze werden solle. Die Autorin gibt Jeremy Shapiro von der Brookings Institution Recht, der am 3.2.15 feststellte, dass US-Waffen nicht zu einem russischen Rückzug in der Ukraine führen und stattdessen eine Eskalation des Krieges verursachen würden, "das Nettoergebnis wird kein Frieden und Kompromiss sein." Zudem würden damit die Spannungen zwischen den USA und Russland erhöht und ein Rüstungswettlauf angeheizt, warnt die Autorin. Das zu verhindern, müsse das Interesse der USA sein, ebenso, das vertrauen wieder herzustellen und damit auch die Ukraine wieder zu stablisieren. Jeder weitere Verwicklung der USA in den Konflikt könnte die letzten Reste der Zusammenarbeit zwischen zwei Nuklearmächten zerstören. Die Obama-Administration müsse auch die Folgen für die europäischen Verbündeten und die Beziheungen zu diesen bedenken.
Die bisherige militärische Eskalation sei nur zu Lasten der Ukrainer gegangen und habe selbst das Überleben der Kiewer Regierung gefährdet. Als Folge des Krieges und der Eskalation durch Russland und dem Westen stehe die Ukraine vor dem finanziellen und militärischen Zusammenbruch. Das Nachdenken über Waffenlieferungen widerspreche dem gesunden Menschenverstand, stellt fest. Beide Seiten müssten auf eine weitere Eskalation verzichten und die "letzte verzweifelte Friedensinitiative" von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten Francois Hollande unzterstützen.
• Kritik an "jämmerlichem US-Journalismus"
Der Journalist Robert Parry hat den Medien der USA vorgeworfen, in der Ukraine-Krise die publizistischen Grundsätze gefährlich verletzt zu haben. In einem Beitrag vom 9.2.15 im Online-Magazin Consortiumnews schreibt er, dass die US-Mainstreammedien bis auf "sehr wenige Ausnahmen" die Propaganda des US-Außenminisiteriums und anderer Organisationen, die die Westukrainer unterstützten, übernehmen würden. Nicht einmal bei den Lügen über die angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen seien die Medien in den USA so einheitlich voreingenommen und zielstrebig gewesen, so Parry. Sie würden ein Bild vermitteln, in dem die "Kräfte des Guten" (die Westukrainer, einschließlich der Nazis) gegen die "Kräfte des Bösen" (die Ostukrainer), überlagert von der russischen "Aggression", angeführt vom neuen "Hitler" Wladimir Putin.
Obwohl das schreckliche Blutvergießen mit den Tausenden Kriegstoten auf das Konto der Kiewer Truppen gehe, würden die Medien das so darstellen, als seien die Aufständischen oder eben Putin dafür verantwortlich, weil sie den Konflikt schüren würden. Parry erinnert daran, dass die Proteste in der Ostukraine nach dem US-geführten Staatsstreich in Kiew begannen. Die ethnischen Russen in der östlichen Ukraine hätten sich gegen den antirussischen Kurs der Putschisten gewandt, aber auch dagegen, dass sie zu den Verlierern des neuen Kurses Richtung Westens gehören. "In den seltenen Fällen, in denen amerikanische Journalisten tatsächlich mit Ost-Ukrainern sprachen", habe sich gezeigt, dass diese Angst vor den wirtschaftlichen Folgen ein Kernanliegen sei, zusammen mit den Sorgen angesichts des harten Sparplanes des IWF als Voraussetzung für den Zugang zu westlichen Krediten.
Der Autor weist auch auf das Wegsehen bei den Taten der ukrainischen Neonazis, der faschistischen Truppen hin. nParry fordert, von den US-Journalisten, nicht als Propagandisten der US-Regierung zu wirken. Die bisherige mediale Propaganda sei "nicht nur ein schlechter Dienst für das amerikanische Volk und den demokratischen Grundsatz einer informierten Wählerschaft". "Es ist eine rücksichtslose Verletzung der Berufsgrundsätze, die dazu beiträgt, dass die Welt schlingert hin zu einer potenziellen nuklearen Katastrophe."
→ hier geht's zu Folge 141
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
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