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Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Freitag, 31. Mai 2013

Wie im Irak, so in Syrien: Kriegsgrund Rohstoffe und Energie

Im Krieg gegen und in Syrien geht es ein weiteres Mal um vieles, bloß nicht um Menschenrechte und Demokratie, wie verschiedene Informationen seit einiger Zeit belegen.

Alan Greenspan, 18 Jahre lang Vorsitzender der US-Notenbank, schreibt in seiner 2007 veröffentlichten Autobiographie „Mein Leben für die Wirtschaft“ auf Seite 503: „Es ist bedauerlich, dass man aus politischen Gründen besser nicht aussprechen sollte, was jeder weiß: Im Irak-Krieg geht es im Wesentlichen um das Öl der Region.“

Verschiedene Informationen deuten darauf hin, dass es sich beim Krieg gegen und in Syrien ähnlich verhält, nur das statt Öl das Gas eine größere Rolle zu spielen scheint. „Der entschlossene Einsatz der bizarren Koalition, die sich aus Katar, Saudi-Arabien, der Türkei und Frankreich zusammensetzt, das Regime von Baschar al-Assad zu stürzen, hat weniger mit aufrichtigem Interesse an Demokratie oder an den Menschenrechten der syrischen Bevölkerung zu tun“, stellte F. William Engdahl in einem Beitrag für das Online-Portal Cashkurs am 13. November 2012 fest. „Es gibt Anzeichen, dass ein neuer Krieg über die Kontrolle von Energie eine ausschlaggebende Rolle in dem sich entfaltenden und äußerst gefährlichen Drama im Nahen Osten spielen könnte.“

Die Deutschen Wirtschafts-Nachrichten verweisen in einem Beitrag vom 28. Mai 2013 zum aufgehobenen EU-Waffenembargo gegen Syrien auf den Grund, warum das Öl-Scheichtum Katar bisher schon drei Milliarden Dollar in die „Rebellen“ in Syrien investiert hat: „Katar verfügt über die drittgrößten Erdgasvorkommen der Welt. Diese will das Emirat nach Europa exportieren.“ Dabei sei Syrien unter Präsident Bashar al-Assad im Weg: „Russland ist einer der verbliebenen Verbündeten von Assad. Das Land hat kein Interesse daran, dass die Konkurrenz aus Katar Erdgas nach Europa liefert.“ Russland wolle der größte Erdgas-Lieferant nach Europa bleiben.

Die junge Welt wies am 18. Mai 2013 auf „die handfesten wirtschaftlichen Interessen, die der Emir von Katar mit seiner gekauften Rebellion in Syrien verfolgt“, hin. „Denn auch in Sy­rien geht es – wie meist im Nahen und Mittleren Osten – um Ressourcen und deren Transportwege“, so Autor Rainer Rupp. „Für Katar steht dabei ganz konkret eine Gaspipeline auf dem Spiel, die über Jordanien nach Kalas in die Südtürkei führen soll, von wo das Gas weiter nach Westeuropa geleitet würde.“ Rupp macht auf Konkurrenzinteressen aufmerksam, die dazu beitrugen, dass der Emir von Katar vom Partner Assads zu dessen Gegner wurde: „Im Juli 2011 unterzeichnete Syrien ein strategisches Abkommen mit Iran und Irak über den Bau einer Pipeline, mit der iranisches Gas aus dem South-Pars-Feld nach Syrien und von dort weiter nach Europa gepumpt werden sollte. Das machte endgültig einen dicken Strich durch die katarischen und europäischen Pläne, aber es gab noch Hoffnung, denn zu der Zeit hatte die von Katar bezahlte ‚Revolution‘ in Syrien bereits begonnen.“

Syrien spielt als Rohstoffproduzent und -lieferant im internationalen Vergleich nur eine geringe Rolle. Für die syrische Wirtschaft selbst spielen Erdöl und Erdgas aber eine wichtige Rolle. „Zusammen mit großen Rohölfeldern hat Syrien zahlreiche Erdgasvorkommen“, heißt es auf der Website made-in-syria.com. „Die Ergasvorkommen sind immens groß und zählen zu den sichersten Wirtschaftseinkommen.“ Die Bundesrepublik war laut einer Pressemitteilung der Deutschen Rohstoffagentur vom 5. September 2011 „der wichtigste Abnehmer für Erdöl aus Syrien“. Das arabische Land habe auf Platz acht der Öllieferanten für die Bundesrepublik gelegen. Das bis dahin etwa 2300 km lange Gaspipeline-Netz solle in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden, stellte die Agentur fest. „Damit versucht Syrien seine geographische Mittellage zwischen Europa und den öl- und gasreichen Staaten des Nahen Ostens (insbesondere Irak und Ägypten) als ‚oil and gas hub‘ zu nutzen.“

Infolge des Krieges in und gegen Syrien muss der einstige Öllieferant nun Öl einführen. „Die Ölproduktion in Syrien ist seit Beginn des blutigen Bürgerkonfliktes vor mehr als zwei Jahren nach Regierungsangaben um 95 Prozent geschrumpft“, so RIA Novosti am 29. Mai 2013. Ursache seien der Terror der „Rebellen und das Embargo des Westens und seiner Verbündeten. Aus demselben Grund sei auch die Gasförderung um die Hälfte zurückgegangen, wird der syrische Ölminister Sulejman Abbas zitiert. Die „Rebellen“ würden Ölquellen zerstören, das Öl in die Türkei verkaufen, ebenso die Ausrüstungen, so der Minister laut der Zeitung As-Safir vom 4. April 2013. Andrew J. Tabler vom Washington Institute for Near East Policy empfahl schon am 19. Juli 2011 der US-Regierung, den syrischen Energiesektor ins Visier zu nehmen, um Assad zu schwächen.

Syrien stehe „im Zentrum des Krieges um Erdgas“, wie Imad Fawzi Shueibi, Vorsitzender des Center for Strategic Studies and Documentation in Damaskus im vergangenen Jahr festellte. In dem Text, den u.a. die Schweizer Wochenzeitung Zeit-Fragen am 4. Juni 2012 veröffentlichte, meint der Wissenschaftler: „Zu einem Zeitpunkt, an dem die Eurozone einzubrechen droht, eine akute Wirtschaftskrise die Vereinigten Staaten in die Schuldenfalle von 14 940 Milliarden Dollar geführt hat und ihr Einfluss auf die Schwellenländer der BRICS-Staaten schrumpft, wird es klar, dass der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg und der politischen Dominanz vor allem bei der Kontrolle über die Energie des 21. Jahrhunderts liegt: dem Gas. Dies ist der Grund, warum Syrien, im Herzen der kolossalsten Gasreserven des Planeten liegend, angegriffen wird.“ Gas werde „die Hauptenergiequelle des 21. Jahrhunderts“ sein, sowohl als Alternative zu den schwindenden weltweiten Ölreserven als auch als saubere Energiequelle. „Daher ist davon auszugehen, dass die Kontrolle über die Gasgebiete der Welt – durch die alten wie auch die neuen Mächte – zur Ursache internationaler Konflikte wird, die sich jeweils regional manifestieren werden.“

Syrien sei, so Shueibi, nach der strategischen Entscheidung des Iran, im Juli 2011 mehrere Vereinbarungen über den Gas­transport durch den Irak nach Syrien zu unterzeichnen, zusammen mit den Gasreserven Libanons zu einem Zentrum für Lagerung und Produktion geworden, bzw. sollte es werden. Es entstehe so in puncto Strategie und Energie „eine ganz neue Einflusssphäre, die sich geographisch von Iran über den Irak bis zu Syrien und Libanon erstreckt“. Das hätte zur Folge, dass die Kämpfe alter und neuer Mächte um die Kontrolle von Syrien und Libanon mit zunehmender Intensität ausgefochten würden. Neben der Analyse der Interessen der verschiedenen Staaten verweist der Autor auf geologische Untersuchungen, nach denen im östlichen Mittelmeerraum, dem Levante-Becken, die ­größten Reserven von Erdgas zu finden seien und Syrien neben Israel, Libanon und Zypern zu den neuen erdgasreichen Staaten gehören könnte. Das Geologische Amt der US-Regierung, US Geological Survey, hatte am 12. März 2010 entsprechende Erkenntnisse veröffentlicht.

Der Online-Fachdienst oilprice.com empfahl in einem Beitrag am 19. April 2013 („SYRIA: Theory for a Possible End Game“; nicht online frei verfügbar) allen, die den Konflikt in Syrien beobachten, die Gasvorkommen im Levante-Becken im Hinterkopf zu behalten. Jeder Bericht der Massenmedien und jedes offizielle Statement solle durch diesen Filter betrachtet werden. Kurz vor Ausbruch des Konflikts in Syrien 2011 habe die Regierung in Damaskus die erste Ausschreibung für die Offshore-Erkundung des Levante-Beckens vorbereitet, so der Fachdienst am 27. April 2013 („Syria: The Next New Frontier, Unexplored and Geopolitically Meteoric”). Das sei auf Eis gelegt worden und die drei Bereiche vor der syrischen Küste blieben gänzlich unerforscht. Geologen würden von einer „Goldgrube“ sprechen und das US Geological Survey das Gesamtvorkommen des Beckens auf 3,5 Billionen Kubikmeter Gas und mindestens 1,7 Milliarden Barrel Öl schätzen. Weitere Informationen dazu sind u.a. in einem Text von Joachim Guilliard vom 6. Januar 2011 zu finden.

Oilprice.com verweist ebenfalls auf das große Interesse von Katar am Sturz Assads aufgrund des „Pipeline-Rennens“ mit dem Iran, um Gas aus dem massiven Pars-Feld unter beiden Ländern zu exportieren. Der Konflikt habe mit dem iranischen Deal mit dem Irak und Syrien für eine Pipeline begonnen. Der „Clou“ sei jedoch die Entdeckung im August 2011 von riesigen Gasfeldern bei Tartus, die Syrien erdgasreicher als Katar machen könnten. Bisher sei Syriens wesentliche Stärke die strategische Bedeutung als Öl-und Gas-Transitland, so der Fachdienst. Die syrische Regierung kontrolliere immer noch die Pipeline-Routen zu den Schlüssel-Mittelmeer-Häfen Tartus, Latakia und Banias. Komme es zu Offshore-Förderung von Gas und Öl könne die Bedeutung Syriens auf der Weltbühne „exponentiell“ steigen.

„Katar hat kein Interesse am Erfolg der Iran-Irak-Syrien Gaspipeline, die gänzlich unabhängig von Katar oder den Transitwegen der Türkei zu den sich öffnenden Märkten der EU ist“, stellte Engdahl am 11. Oktober 2012 in einer Analyse über den „Energiekrieg im erweiterten Mittleren Osten“ für das Online-Magazin GlobalResearch fest (auf deutsch hier). „In der Tat tut es alles was möglich ist, um sie zu sabotieren, bis dahin, die Lumpenmilizen der syrischen ‚Opposition‘ zu bewaffenen.“ Auch das neuentdeckte Gasfeld bei Tartus trage zur Entschiedenheit Katars bei, meint Engdahl. Russland wiederum unterstütze Syrien u.a., weil es für seine Rolle als EU-Gaslieferant „strategisch lebensnotwendig“ sei, eine „bedeutende Rolle“ bei der Ausbeutung der neuentdeckten syrischen Gasreserven zu spielen.

Pepe Escobar spricht in einem Beitrag, der am 6. August 2012 auf der Website des Senders Al Jazeera erschien, vom „Pipelineistan-Krieg“ (auf deutsch hier). „Wer die Interessen ergründen will, die in Syrien kollidieren, tut gut daran, sich mit der geopolitischen Bedeutung Syriens für das eurasische Energie-Schachbrett zu beschäftigen.“ Auch Escobar stellt klar: „Letztlich ist Syrien ein Hauptverkehrsknotenpunkt zukünftiger Öl- und Gaspipelines. Zielmarkt: Europa.“ Die „oberste Paranoia der Europäischen Union“ sei es, eine „Geisel der russischen Gazprom“ zu werden. Die Iran-Irak-Syrien-Gaspipeline wäre sehr wichtig, um Europas Energieversorgung von Russland unabhängiger zu machen. Syrien sei bedeutend als Energie-Kreuzung, „ähnlich wie die Türkei – aber in einem kleineren Maßstab“. Der entscheidende Punkt sei, dass die Türkei Syrien braucht, um seine Energie-Strategie zu erfüllen. Das Urteil sei offen, ob sich dieser komplexe Pipelineistan-Eröffnungszug als „Kriegsgrund für die Türkei und die NATO qualifiziert, um auf Assad loszustürmen“. Escobar erinnert daran, dass die Strategie Washingtons in Südwest-Asien seit der Clinton-Administration die war, „den Iran mit allen notwendigen Mitteln zu umgehen, zu isolieren und zu verletzen“.

Zu den größten Partnern Katars zählt neben den USA übrigens auch die Bundesrepublik Deutschland. So ist es nicht verwunderlich, wenn laut US-Präsident Barack Obama die USA eng mit Katar und anderen Ländern zusammenarbeiten, um "eine Opposition stärken, die ein demokratisches Syrien schaffen kann". In den nächsten Monaten solle weiter daran gearbeitet werden, die syrische Opposition zu unterstützen, so Obama bei seinem jüngsten Treffen mit Katars Emir Hamad bin Chalifa Al Thani laut Süddeutscher Zeitung vom 25. April 2013. Der Emir hofft danach auf eine Beendigung des "Blutvergießens in Syrien, dass die gegenwärtige Regierung die Macht abgibt, um anderen Platz zu machen". Deutschland setzt unterdessen auf mehr Gaslieferungen aus Katar, wie auf der Homepage des Energiekonzerns Wintershall zu lesen ist. Das habe Bundeskanzlerin Angela Merkel am 15. April 2013 auf einer Investorenkonferenz des Golfstaates in Berlin verkündet.
Unterdessen erklärt Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow, dass die Lieferungen russischer Raketensysteme S-300 an Syrien ein „Bremsfaktor für eine Einmischung von außen“ seien, so RIA Novosti am 28. Mai 2013. Und selbst Paulo Pinheiro, Vorsitzender der „unabhängigen“ UN-Kommission für Ermittlung der Menschenrechtsverletzungen in Syrien, hat laut Nachrichtenagentur Reuters vom 29. Mai 2013 inzwischen festgestellt: Die meisten der bewaffneten „Rebellen“ in Syrien streben keine Demokratie in dem Land an.

"Ich möchte nicht so tun, als wüßte ich, wie oder ob die Probleme im Nahen Osten gelöst werden können", schreibt Ex-Notenbankchef Greenspan in seiner Autobiographie. "Ich weiß allerdings, dass die Entwicklung im Nahen Osten ein wichtiger Faktor ist, der in jede langfristige Energieprognose einfließen sollte."

Dienstag, 28. Mai 2013

Wird "Genf II" das "Rambouillet" für Syrien?

Nichts deutet daraufhin, dass der Westen und seine Verbündeten tatsächlich ein Ende des Krieges in und gegen Syrien wollen.

Die EU hat nun also am 27. Mai 2013 ihr Embargo für Waffenlieferungen an die „Rebellen“ in Syrien aufgehoben. Das kommt nicht überraschend, auch wenn manche Diskussion im Vorfeld den Eindruck erweckte, die europäischen Außenminister seien sich gar nicht einig. Großbritannien und Frankreich hatten schon lange gefordert, Waffen an die „Rebellen“ zu liefern. Bundesaußenminister Guido Westerwelle galt gar als neutral und kritisch gegenüber Waffenlieferungen, während sein österreichischer Kollege Michael Spindelegger im Interview mit der FAZ am 25. Mai klarstellte: „Wir brauchen in Syrien nicht mehr Waffen, sondern einen Waffenstillstand und eine politische Lösung.“ Am Ende knickten sie alle ein und beugten sich dem US-amerikanischen und britischen Druck.

Der Druck der USA und Großbritannien auf die EU-Mitgliedsstaaten habe ein hohes Ausmaß erreicht, stellt Frank Lamb in einem Beitrag für das Online-Magazin Counterpunch vom 27. Mai 2013 fest. Das US-Außenministerium habe dazu kürzlich alle 27 Botschafter der EU-Staaten einbestellt, um ihnen klar zu machen, was die US-Regierung von ihnen erwartet. Zuvor habe US-Außenminister John Kerry die EU gedrängt, das Waffenembargo gegenüber den „Rebellen“ aufzuheben. Der britische Außenminister William Hague hat seinen Beitrag dazu geleistet und versuchte seine Kollegen zu überreden, da angeblich die Wirtschaftssanktionen gegen Syrien nicht mehr ausreichen, um Präsident Bashar al-Assad zu stürzen. Die größte Sorge von Westerwelle war nicht, den Krieg in Syrien schnell zu beenden, sondern dass er und seine Kollegen „im Streit auseinandergehen“, so die junge Welt am 28. Mai 2013. Zu den Folgen gehört, dass Österreich beginnt, den Rückzug seiner Soldaten vorzubereiten, die Teil der UN-Friedenstruppen auf den Golan-Höhen sind, wie der Standard berichtet. „Für Österreich werde es äußerst schwierig, die Mission aufrechtzuerhalten, wenn Waffen an die Opposition geliefert würden.“

Sowas kümmert die US-Regierung wenig. Sie begrüßte die Entscheidung der EU, das Waffenembargo gegen Syrien nicht zu verlängern, berichtet u.a. RIA Novosti am 28. Mai. Und so können die EU-Staaten nun direkt Kriegspartei werden und ab August Waffen an die „Rebellen“ liefern. Das sei jetzt noch nicht geplant, betonten die EU-Aussenminister auf ihrer Beratung im Brüssel scheinheilig. "Wir haben aktuell keine Pläne, Waffen nach Syrien zu schicken", wurde Hague von Spiegel online zitiert. Das Auslaufenlassen des Waffenembargos sei auch „nur eine Geste“, meint Ulrike Putz, Beiruter Korrespondentin des Möchtegern-Investigativ-Magazins.

Es handelt sich nicht nur um eine Geste, sondern um eine Drohung. Es bestätigt die Zweifel von Syriens Präsident Assad, „dass viele westliche Länder wirklich eine Lösung für Syrien wollen“. Das hatte er laut Standard vom 19. Mai in einem Interview mit der argentinischen Zeitung Clarin gesagt. „Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat die Entscheidung der EU, das Waffenembargo gegen Syrien aufzuheben, als ‚nicht legitim und völkerrechtswidrig‘ kritisiert“, so RIA Novosti am 28. Mai. Der Schritt der EU sei für die Vorbereitung der Syrien-Konferenz nicht förderlich, zitierte die russsische Nachrichtenagentur Dmitri Peskow, Pressesprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Der Schritt von "Syriens falschen Freunden", wie Freitag-Redakteur Lutz Herden sie nennt, reiht sich ein in das, was zu der geplanten internationalen Konferenz zum syrischen Konflikt „Genf II“ zu hören und zu lesen ist und wenig Gutes verheißt. Scheitern die vorgesehenen Verhandlungen, hat die EU einen willkommenen Anlass, die Waffenlieferungen an die "Rebellen" aufzunehmen. Die Äußerungen der westlichen und arabischen Regierungen und ihren exilsyrischen Interessenvertreter deuten in die Richtung „Modell Rambouillet“, dass aus „Genf II“ „Rambouillet II“ zu werden droht. Zur Erinnerung: 1999 wollte die Balkan-Kontaktgruppe in dem französischen Ort Rambouillet offiziell den Versuch unternehmen, die jugoslawische Seite und die Terrorgruppe UCK zu einem Ende der Gewalt  im Kosovo-Konflikt zu bewegen. Doch der jugoslawischen Seite wurden Forderungen gestellt, die für diese erwartungsgemäß unannehmbar waren. Zu den Ergebnissen zählen neben dem Überfall der NATO auf Jugoslawien ein vom Westen abhängiges formal unabhängiges Kosovo und die UCK an der Macht. Vor mehr als einem Jahr habe ich schon einmal auf die Parallelen hingewiesen. Sie haben leider nichts von ihrer bedrohlichen Aktualität verloren.

Die internationale Konferenz zum Konflikt in Syrien war von Russland und den USA vorgeschlagen worden und soll laut RIA Novosti am 14. Und 15. Juni in Genf zusammenkommen. Sie gilt als „letzte Chance für Diplomatie“, wie es der Standard am 9. Mai  formulierte. Die Regierung in Damaskus sei "prinzipiell" zu einer Teilnahme an der Konferenz in Genf bereit, berichtete u.a. die österreichische Zeitung am 26. Mai. Das habe Syriens Außenminister Walid al-Moualem bei einem Besuch in der irakischen Hauptstadt Bagdad gesagt. "Wir sind der Meinung, dass die Konferenz eine gute Gelegenheit bietet, die Syrien-Krise zu lösen," so Moualem laut Standard.

Doch es dürften keine Verhandlungen werden, bei denen für alle Beteiligten das oberste Ziel eine friedliche Lösung des Konfliktes ist. Worum es den USA mit den aktuellen Gesprächen mit Russland für eine friedliche Lösung in Syrien tatsächlich zu gehen scheint, war u.a. in der FAZ am 11. Mai zu lesen: „Vieles deutet darauf hin, dass das Weiße Haus mit seiner Friedensinitiative lediglich Zeit gewinnen will.“ Davon künden u.a. Drohungen von US-Außenminister Kerry, sollte sich Assad „geplanten Gesprächen über eine politische Lösung widersetzen, würden die USA und andere Staaten ‚verstärkte Unterstützung‘ für die Opposition erwägen“, über die der Standard am 23. Mai berichtete. Welche politische Lösung gemeint ist, hatte US-Präsident Barack Obama bei seinem jüngsten Türkei-Besuch erklärt: „Wir sind uns einig, dass Assad gehen muss“, so Obama laut Standard. „Wir werden weiter auf ein Syrien hinarbeiten, das von Assads Tyrannei befreit ist.“

Für die vom Westen und seinen arabischen Verbündeten zusammengezimmerte „Nationale Koalition“ gibt es nur eine Lösung: „Um eine politische Lösung zu finden, braucht es ein Gleichgewicht zwischen der FSA und dem Regime auf dem Boden. Und vor allem müssen Bashar al-Assad und seine Entourage die Macht abgeben.“ Das stellte George Sabra, Interimspräsident der Koalition, im Interview mit dem Schweizer Tages-Anzeiger am  15. Mai klar. Das ist auch das westliche Ziel: Es sei völlig klar, dass das Hauptziel der Konferenz die Machtübergabe an eine Übergangsregierung sein muss. Das erklärte der französische Außenminister Laurent Fabius laut einer Reuters-Meldung vom 22. Mai. „Der Knackpunkt ist Assads Abgang“ stellte Gudrun Harrer im Standard am 24. Mai fest. Doch die vom Westen hofierten und unterstützten Kräfte, die bei ihrem jüngsten Treffen in Istanbul eigentlich schon eine „Übergangsregierung“ bilden wollten, gelten weiterhin als zerstritten und uneinig. Das russische Außenministerium warnte, „Genf II“ schon scheitern zu lassen, bevor die Konferenz zusammenkommt.

„Syrien will nicht nach der Pfeife der USA tanzen - und eben darin besteht sein Problem“, stellte der syrische Botschafter in Russland, Riad Haddad, laut RIA Novosti am 27. Mai fest. „Syrien schützt seine Souveränität und gibt keinerlei Drohungen nach.“ Damit dürfte klar sein, wem die Verantwortung zugeschoben wird, falls „Genf II“ scheitert. Ähnlich war es auch in Rambouillet 1999: „Letztendlich mussten die Serben zwischen Krieg und freiwilliger Kapitulation entscheiden. Nach ihren bisherigen Einlassungen konnte es nicht überraschen, dass sie sich für Krieg entschieden.“ Das stellte ein Jahr später der ehemalige Bundeswehr-General Heinz Loquai in seinem Buch „Der Kosovo-Konflikt - Wege in einen vermeidbaren Krieg“ fest.

Aus diesem Anlass sei noch einmal Sonia Mikich zitiert, die 1999 in der Zeitschrift Emma (Ausgabe Mai/Juni 99; S. 25-28) unter anderem beschrieben hat, was sie in Rambouillet erlebte: "... War der Krieg vermeidbar? Wochenlang arbeitete ich in Rambouillet, dem Schauplatz der  Kosovofriedensverhandlungen und erlebte das feingestrickte Geschäft der Diplomatie hautnah. Die schriftlichen Vorschläge. Die Pressekonferenzen und Briefings. Die kategorischen Neins. Die Ja-abers. Es ist falsch, wenn der grüne Außenminister Fischer meint, man habe bis zum letzen verhandelt und es bliebe kein anderer Ausweg mehr, als die Luftattacken einzuleiten. Nie wurden in Rambouillet die Russen ernsthaft miteinbezogen, ihre Vertreter saßen an den Tischen wie das fünfte Rad am Wagen, ihre Ausführungen wurden knapp höflich zur Kenntnis genommen.
Erstaunlich offen betrieb Christiane Amanpour von CNN das Geschäft der US-Regierung in Rambouillet. Wie oft konnte ich hören (ein paar Meter von ihrer Kameraposition entfernt), daß nur die Serben mauern, verhindern, blocken. Daß ihr Nein zu der Stationierung von NATO-Truppen im Kosovo das einzige Hindernis zu einer Lösung wäre. Daß ihren neuen Autonomieplänen von vornherein nicht zu trauen sei. Wie Mantras wurden die Ultimaten an Milosevic wiederholt: nicht ohne meine NATO-Schutztruppen. Die Schwarzweißmalerei war perfekt, Zwischentöne in den jugoslawischen Angeboten wurden völlig ignoriert. Ein, zwei Tage lang sprach der serbische Verhandlungsführer Milutinovic davon, daß NATO-Truppen im  Kosovo für Belgrad nicht hinnehmbar seien, aber eine ausländische Präsenz... Warum nahmen die Diplomaten solche Risse im Panzer nicht wahr? Warum  wurden die Russen nicht an diesem Punkt als Hebel eingesetzt? Russische  Friedenstruppen gemeinsam mit UN-Soldaten aus Nicht-NATO-Ländern, warum nicht? ..."

Doch eine tatsächliche friedliche Lösung, um einen Krieg zu verhindern oder zu beenden, war damals nicht gewollt und ist es heute anscheinend wieder nicht. Ich kann mich leider nur wiederholen: Und wie einst Slobodan Milosevic in Rambouillet werden Assad Forderungen gestellt, die dieser erwartungsgemäß nicht erfüllen kann, will er sein Gesicht nicht verlieren. Seine Verhandlungsangebote werden alle rundweg abgelehnt, weil er so "frech" wie einst der jugoslawische Präsident und Gaddafi die Forderungen des Westens und der von ihm gesteuerten "Opposition" nicht erfüllt. Darauf kennen die Menschenrechtskrieger nur eine Antwort: Zuschlagen mit allen Waffen, die es gibt, bis der syrische Präsident aufgibt. Dafür werden notfalls auch die eigenen Flugzeuge eingesetzt, gern auch türkische oder israelische oder arabische und islamistische Söldner, damit der Anschein gewahrt bleibt, dass die USA oder die NATO nicht selbst militärisch zuschlagen. Was Assad dann blüht, das wurde an Milosevic und Gaddafi vorexerziert.

Sonntag, 26. Mai 2013

Syrien: "Rebellen" wollen Intervention um jeden Preis

Neue Nachrichten aus dem Krieg gegen und in Syrien deuten daraufhin, dass mit allen Mitteln versucht wird, den Westen und seine Verbündeten zur Intervention zu bewegen.

Die Gefahr einer direkten westlichen Einmischung in Syrien ist immer noch gegeben. Diejenigen, die sich eine solche wünschen, um ihre Ziele, darunter den Sturz des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, zu erreichen, tun weiter hin alles dafür. Sie schrecken auch nicht davor zurück, für einen entsprechenden Anlass zu sorgen bzw. einen solchen zu provozieren. Die Vorgaben dafür haben die westliche Politiker, allen voran US-Präsident Barack Obama, längst beschrieben: Dazu gehört neben dem angeblichen Einsatz von Chemiewaffen auch, dass der Krieg in Syrien auf Nachbarländer übergreift. Darauf hatte unter anderem die Los Angeles Times am 17. April 2013 aufmerksam gemacht und über weitere Vorbereitungen der US-Streitkräfte für einen solchen Fall berichtet.
Um eine solche Provokation bzw. weiteren Eskalationsversuch dürfte es sich bei dem Raketenangriff auf ein Wohnviertel in der libanesischen Hauptstadt Beirut handeln, der von den Medien am 26. Mai 2013 gemeldet wurde. „Der Angriff markiert die Ausweitung des syrischen Bürgerkriegs auf das Nachbarland Libanon“, stellt Spiegel online fest, wo schon lange Propaganda  für eine Intervention gemacht wird.

Ein Eskalationsversuch fürften ebenso die Anschläge vom 11. Mai 2013 im türkischen Reyhanli gewesen sein. Die Zweifel an der Version der türkischen Regierung, dass der syrische Geheimdienst dahinter stecke, haben neue Nahrung bekommen:Die verheerenden Autobombenanschläge vom 11. Mai in der türkischen Provinz Hatay wurden von der Al-Nusra-Front begangen“, meldete die junge Welt am 24. Mai 2013. Das Blatt berief sich auf „Dokumente des Geheimdienstes der türkischen Militärpolizei (Jandarma), die von der linksradikalen Hackergruppe Red Hack auf ihrer Website veröffentlicht wurden“. Danach wußten türkische Behörden im Vorfeld von der Attentatsplanung, ohne entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. „Die Dokumente enthalten detaillierte Angaben über die für die Anschläge in Reyhanli verwendeten Fahrzeuge, einschließlich Fahrzeugtyp, Farbe und Kennzeichen. ‚Obwohl die Behörden und das Militär Geheimdienstinformationen darüber hatten, daß eine Explosion in Reyhanli vorbereitet wurde, haben sie darin versagt, diesen Angriff zu verhindern‘, heißt es in der Erklärung von Red Hack.“ Einen Tag später berichtet die Zeitung: „Die türkische Regierung hat eingeräumt, daß die von Online-Aktivisten veröffentlichten Geheimdokumente über den Anschlag vom 11. Mai in Reyhanli echt sind.“

Dass bei den Anschlägen in Reyhanli die Attentäter eventuell unterstützt wurden, darauf deutet ein Bericht des türkischen Online-Magazins Sol vom 14. Mai 2013 hin. Danach haben alle Überwachungskameras in der Gegend zum Zeitpunkt der Anschläge nicht funktioniert. Einige Tage zuvor sei ein technischer Fehler in dem System gemeldet worden, der bis zum 11. Mai nicht behoben wurde. So gebe es keine Videos, die Aufschluss über die tatsächlichen Attentäter hätten geben können

Dienstag, 21. Mai 2013

Syrien: Kriegsschiffe, Schiffskiller und Hoffnungen

Ein neues Mosaik aus aktuellen Informationen zum Krieg gegen und in Syrien, chronologisch rückwärts:

• „Die syrischen Behörden und die Opposition haben sich bereit erklärt, an der geplanten internationalen Syrien-Konferenz teilzunehmen“, fasst die Nachrichtenagentur RIA Novosti verschiedene entsprechende Berichte am 21. Mai 2013 zusammen. Laut Nachrichtenagentur AFP habe das offizielle Damaskus bereits im März Amtsträger ernannt, die an den Verhandlungen mit der Opposition teilnehmen werden. Für Großbritannien scheint schon festzustehen, wer Schuld hat, falls es nicht zu einem Ergebnis bei der Konferenz kommt: „Wir müssen klar zu verstehen geben, dass beliebige Varianten möglich sind, sollte das Regime die Verhandlungen nicht ernst nehmen", sagte der britische Außenminister William Hague laut RIA Novosti am 20. Mai 2013 im Parlament.

• Eine Gruppe russischer Kriegsschiffe der Pazifikflotte hat zum ersten Mal seit Jahrzehnten den Suezkanal durchquert und sich mit russischen Einheiten im Mittelmeer vereint, berichtet Rainer Rupp in der jungen Welt vom 21. Mai 2013. Das sei knapp zwei Wochen, nachdem die 2.200 Mann starke „26th Marine Expeditionary Unit“, eine auf Interventionen getrimmte Einheit der US-Marineinfanterie, zusammen mit ihrem Mutterschiff für amphibische Angriffsoperationen "Kearsarge" zu einem Besuch in Israel eingetroffen war, geschehen. „Offensichtlich ist der Kreml dabei, einer militärischen Intervention der USA, Israels, der Türkei und anderer westlicher Staaten in Syrien möglichst viele Stolpersteine in den Weg zu legen“, vermutet Rupp. Durch die Präsenz russischer Kriegsschiffe im potentiellen Kampfgebiet vor Syriens Küste müßten die USA und ihre Verbündeten, einschließlich der deutschen in diesem Seegebiet stationierten Kriegsschiffe, damit rechnen, daß bei der Umsetzung ihrer Pläne ungewollt russische Einheiten angegriffen würden. „Dies würde die Gefahr einer größeren Konfrontation in sich bergen und eine solche Operation unberechenbar und abenteuerlich machen.“

• Der Wunsch Frankreichs und Großbritanniens, die „Rebellen“ in Syrien mit Waffen zu beliefern, verstoße gegen das Völkerrecht. Das stellt ein Beitrag in der Online-Ausgabe der österreichischen Zeitung Die Presse vom 20. Mai 2013 fest. Deshalb sei die Regierung Österreichs dagegen, das bisherige Waffenembargo der EU aufzuheben. „Aus völkerrechtlicher Perspektive steht diese Haltung auf einem sicheren Fundament“, so die Zeitung. „Denn das vom Außenministerium erstellte und von Zeitungen öffentlich zugänglich gemachte Positionspapier kann sich vor allem auf das Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Nicaragua-Fall aus dem Jahr 1986 berufen, das nach wie vor die herrschende Meinung widerspiegelt. Dabei verwies der IGH unter anderem auf die Friendly-Relations-Deklaration aus dem Jahr 1970, die jeden Staat dazu verpflichtet, die ‚Organisierung, Anstiftung oder Unterstützung von Bürgerkriegs- oder Terrorhandlungen in einem anderen Staat (...) zu unterlassen‘, wenn diese ‚die Androhung oder Anwendung von Gewalt einschließen‘.“ Selbst die Begründung, dass Russland Waffen liefere, reiche nicht, da es schwierig sei, „eine konkrete Unterstützungshandlung nachzuweisen“. Der vermutlich „attraktivste Ansatz“ für eine „humanitäre Intervention“ des Westens wäre, die Oppositionsgruppen als legitime Regierung anzuerkennen. „Da die Rebellen keine effektive Kontrolle über einen wesentlichen Teil Syriens ausüben, wäre ein solcher Schritt jedoch verfrüht.“

• Syrische Truppen und Hizbullah-Kämpfer aus Libanon sind zur Grossoffensive gegen die Rebellen-Hochburg Kusair im Westen Syriens angetreten, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters laut der Neuen Zürcher Zeitung vom 19. Mai 2013. Die syrische Regierungsarmee habe eine massive Offensive gegen bewaffnete Gruppen der „Opposition“ gleich an vier Fronten gestartet, berichtet RIA Novosti am selben Tag. „Laut dem libanesischen Fernsehsender Al Mayadin werden die Operationen der Armee in Al Quseyr, Provinz Homs, in der Nähe der libanesischen Grenze, in der Provinz Hama, in der Provinz Damaskus und in Deraa im Süden des Landes in der Nähe der jordanischen Grenze unternommen.“ Die Regierungstruppen hätten den zentralen, den südlichen und den westlichen Teil von Al Quseyr (=Kusair) eingenommen, der Norden der Stadt werde noch hart gekämpft. „Für zivile Flüchtlinge ließ die Armee einen Korridor im Westen der Stadt frei, über den die Einwohner die umkämpfte Stadt verlassen können.“ Zwei Tage später meldet selbst Spiegel online, dass die syrische Armee die Stadt zurückerobert hat und stellt fest: „Der Sieg markiert wohl einen Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg.“ Der entsprechende Beitrag läuft erst unter der Überschrift „Das Stalingrad der syrischen Rebellen“, die kurze Zeit später in „Assads neue Strategie trifft Rebellen“ geändert wurde. Im Text heißt es weiterhin: „Die Schlacht um Kusair dürfte rückblickend als das Stalingrad der syrischen Rebellen eingehen: der Anfang vom langsamen Ende.“

• "Kein Dialog mit Terroristen", so der syrische Präsident Bashar al-Assad laut dem österreichischen Standard vom 19. Mai 2013 in einem Interview der argentinischen Zeitung Clarin. Friedensgespräche machten keinen Sinn, da die „Opposition“ zu zersplittert sei, als dass sich ein Abkommen aushandeln ließe. Dem Bericht nach zeigte Assad sich offen für Pläne der USA und Russlands, eine internationale Konferenz zur Lösung des Konflikts zu organisieren. Jedoch glaube er nicht, „dass viele westliche Länder wirklich eine Lösung für Syrien wollen“.

• Eine westliche direkte Intervention sei immer noch möglich, befürchtet der syrische Präsident Bashar al-Assad, wie u.a. der Schweizer Tages-Anzeiger am 18. Mai 2013 berichtet. „Täglich gibt es neue Vorwürfe gegen Syrien wegen des Einsatzes von Chemiewaffen oder Forderungen nach meinem Rücktritt“, habe Assad in einem Interview der staatlichen argentinischen Nachrichtenagentur Télam gesagt. „Wahrscheinlich soll das als Vorspiel für einen Krieg gegen unser Land dienen.“ Der syrische Präsident wies die Forderungen der Opposition nach seinem Rücktritt erneut zurück. Er sei allerdings zu Verhandlungen über eine Beilegung des Konflikts bereit. Zuvor hatte der Interims-Chef der vom Westen und seinen arabischen Partnern zusammengezimmerten „Nationalen Koalition“, George Sabra, gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärt: „Wir werden niemals mit Bashar al-Assad oder einer Delegation seines Regimes an den Verhandlungstisch sitzen.“

• Russland liefert an Syrien neben den S-300-Luftabwehrsystemen auch Schiffsabwehrraketen vom Typ P-800 „Jachont“, so u.a. der österreichische Standard am 17. Mai 2013.  „Die neuen Antischiffsraketen könnten für das Assad-Regime wichtig werden, falls ausländische Regierungen in den Bürgerkrieg eingreifen sollten“, so der Schweizer Tages-Anzeiger einen Tag später. Dank der neuen als „Schiffskiller“ bezeichneten „Jachont“-Raketen sei das Assad-Regime nun in der Lage, ausländische Kräfte, die die Opposition über das Meer beliefern wollen, wirksam abzuschrecken, habe Nick Brown von der Militärzeitschrift Jane's International Defense Review eingeschätzt. „Wir liefern in erster Linie Verteidigungswaffen, insbesondere zur Luftverteidigung“, erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow laut Standard. Die syrische Führung erhalte dadurch keinen Vorteil gegenüber den Rebellen. „Tatsächlich dient das S-300-System der Abwehr von Kampfflugzeugen, Drohnen und Raketen - Waffen, die die Aufständischen nicht haben“, stellt das Blatt fest. „Bei einer internationalen Eingreifaktion, die Russland ohnehin ablehnt, könnten die Luftabwehrraketen hingegen für Bashar al-Assad Goldes wert sein.“ Die Entscheidung Moskaus, Anti-Schiffs-Raketen nach Syrien zu liefern, werde das Leiden in dem Bürgerkriegsland verlängern, behauptet dagegen US-Generalstabschef Martin Dempsey, wie u.a. die FAZ am 18. Mai 2013 schreibt. „Was mir wirklich Sorgen macht, ist, dass Assad nun feststellen wird, dass er irgendwie sicherer ist, seit er diese (Waffen-)Systeme hat, und damit anfälliger wird für Fehleinschätzungen“, so Dempsey laut FAZ.

• Eine sich abzeichnende Niederlage der "Rebellen" könnte der Grund für „die plötzliche Flexibilität Washingtons sein, das allem Anschein nach jüngst auf die russisch-chinesische Forderung nach einer Verhandlungslösung eingegangen ist“, meint Rainer Rupp in der jungen Welt am 17. Mai 2013. „Möglicherweise wollen die USA dadurch Zeit schinden, um die Niederlage ihrer Zöglinge in Syrien doch noch aufzuhalten bzw. abzuschwächen.“ Doch worum es den USA mit den aktuellen Gesprächen mit Russland für eine friedliche Lösung in Syrien tatsächlich zu gehen scheint, war u.a. Tage zuvor in der FAZ am 11. Mai 2013 zu lesen: „Vieles deutet darauf hin, dass das Weiße Haus mit seiner Friedensinitiative lediglich Zeit gewinnen will.“ Danach würden die unterschiedlichen Interessen einen tatsächlichen Dialog verhindern: „So haben die Genfer Konferenzteilnehmer im Juni 2012 noch die Souveränität Syriens beschworen. Sechs Monate später erkannten Amerika und Europa die Nationale Koalition der Assad-Gegner als legitime Vertreter des syrischen Volkes an. Vielerorts wurden Botschafter akkreditiert, die der Opposition angehören, ein Regierungschef nach dem anderen forderte Assad zum Rücktritt auf. Sogar Berlin hat sich klar positioniert. Deutsche Hilfswerke unterstützen gegen den Willen Assads die Bevölkerung in den ‚befreiten Gebieten‘, an der Grenze zur Türkei gibt es keine souveräne syrische Regierung mehr. Wer sich nach dieser Vorgeschichte mit Vertretern Assads an einen Tisch setzt, riskiert viel: Er verschafft dem Regime eine Legitimation, die es aus sich heraus nicht mehr besitzt. Das könnte den Bürgerkrieg noch verlängern.“ Das ließe sich so fast übernehmen, bis auf den Punkt mit der Legitimation, die Assad und die syrische Regierung nicht „aus sich heraus“ verloren haben soll. Diese wird ihnen dagegen eben von „Amerika und Europa“ sowie deren arabischen Verbündeten abgesprochen, wie FAZ-Redakteur Thomas Gutschker selber feststellt. Dass die US-Regierung sich zumindest nicht bewegt hat, was ihre öffentlichen Forderungen angeht, zeigen diese beiden Meldungen:
"US-Präsident Obama und der britische Premier Cameron haben sich für weiteren Druck auf das Assad-Regime in Syrien ausgesprochen." (tagesschau.de, 13. Mai 2013)
"Obama und Erdogan verlangen Rücktritt von Assad" (WAZ online, 16. Mai 2013)
"Wir sind uns einig, dass Assad gehen muss", sagte Obama der der österreichischen Zeitung Die Presse vom 17. Mai 2013. "Wir werden weiter auf ein Syrien hinarbeiten, das von Assads Tyrannei befreit ist." Momentan komme es aber vor allem auf einen stetigen internationalen Druck auf Assad und eine Stärkung der Opposition in dem arabischen Land an, zitiert die Zeitung den US-Präsidenten.

• „Türkische Oppositionspolitiker erheben im Zusammenhang mit den Autobombenanschlägen in der Provinz Hatay schwere Vorwürfe gegen die islamisch-konservative AKP-Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan“, berichtet die junge Welt am 15. Mai 2013. Die türkische Regierung vertusche die wahre Zahl der Opfer. Der Zeitung zufolge vermuten linke und kemalistische Oppositionspolitiker, daß die Anschläge durch Kräfte der Freien Syrischen Armee (FSA) wie der Al-Qaida-nahen Al-Nusra-Front begangen wurden, um ein militärisches Eingreifen der Türkei in den syrischen Bürgerkrieg zu provozieren.

• Grossbritannien will seine Hilfe für die „Rebellen“ in Syrien verdoppeln, meldet u.a. der Schweizer Tages-Anzeiger am 14. Mai 2013. Dabei sollen auch gepanzerte Fahrzeuge und Generatoren geliefert werden. Ausserdem wolle London das EU-Waffenembargo flexibler gestalten.

Donnerstag, 16. Mai 2013

Fundstück Nr. 30 – Krieg und Sprache

Ein besonderes Beispiel für zynische Sprachverirrungen der Kriegstreiber und Waffenproduzenten kommt von einem bundesdeutschen Rüstungskonzern.
Durch eine Pressemitteilung des Bundestagsabgeordneten der Linken Jan van Aken vom 8. Mai 2013 bin ich auf etwas aufmerksam geworden, was mir im ersten Moment ehrlich gesagt etwas die Sprache verschlug: Der Rüstungskonzern Rheinmetall nennt die neueste Version seines Panzers Leopard 2, die auch für den Einsatz in Städten entwickelt und deshalb u.a. mit kürzerer Kanone ausgestattet wurde, tatsächlich "MBT Revolution".

Mittwoch, 15. Mai 2013

Vom Nutzen der Krise in Europa

Erst sorgen wir für ihre Armut, dann locken wir sie zum arbeiten zu uns – ein mögliches Fazit angesichts der Krisen-Politik der Bundesregierung in der EU.

"Merkel wirbt um Arbeitskräfte aus Euro-Krisenländern", meldet die FAZ, online am 14. Mai 2013, gedruckt am heutigen 15. Mai. Die sind in Folge der Krise auch deutlich billiger geworden als deutsche Arbeitskräfte. Deutschland biete gute Bedingungen für Zuwanderer, habe aber einen schlechten Ruf, beklagte Merkel dem Bericht zufolge auf dem "Demographiegipfel" am 14. Mai 2013.

"Sollte das Euro-Abenteuer am Ende gut ausgehen, dann gäbe es einen eindeutigen Gewinner: den deutschen Staat." Das stellte die WirtschaftsWoche vorsichtig am 9. Oktober 2012 fest. Griechenland, Spanien, Portugal und den anderen von der Krise am meisten betroffenen Ländern hat das "Abenteuer" wachsende soziale Probleme gebracht. Dazu trägt die angebliche Anti-Krisen-Politik der "Troika" und der Bundesregierung bei, die den schwachen Ländern Sparprogramme verordnet, die sie noch mehr schwächen. "Deutschland saniert sich auf Kosten seiner Nachbarn", titelte Cicero am 21. Januar 2013 und stellte fest: "Finanziell, wirtschaftlich und sogar demographisch profitierte Deutschland von der schwersten Krise seit Gründung der Währungsunion."

Zu den Folgen gehört u.a., was die Süddeutsche Zeitung am 27. Juli 2012 meldete: "Mehr als 5,7 Millionen Menschen sind in Spanien ohne Job. Von den Jugendlichen unter 25 Jahre haben deutlich mehr als die Hälfte keine Arbeit, bezogen auf den gesamten Arbeitsmarkt sind es fast 25 Prozent." "Die fortschreitende Arbeitslosigkeit, die Verarmung und die gesellschaftliche Ausgrenzung nehmen ein erschreckendes Ausmaß an", berichtete Ignacio Sánchez-Cuenca in einem von presseurop.de übersetzten Text vom 6. Mai 2013. "Es gibt bereits Kinder, die unter Fehlernährung leiden. Tausende von Familien wurden aus ihren Wohnungen vertrieben. Die Löhne und Gehälter sinken, während die Preise für Waren und Dienstleistungen steigen." Der Autor meint: "Es mag brutal klingen, aber die Europäische Union und die spanische Regierung scheinen die Ansicht zu vertreten, dass die Krise nur gelöst werden kann, wenn die meisten Spanier in Armut versinken."

Zwar wurde am 8. April 2013 gewarnt: "Laut einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat die Wirtschafts- und Währungskrise die Gefahr für soziale Unruhen in den Mittelmeerstaaten Zypern, Griechenland, Spanien und Italien erhöht." Inzwischen gebe es in der EU zehn Millionen mehr Arbeitslose als vor Ausbruch der Krise. "Besonders stark betroffen sind junge und gering qualifizierte Arbeitnehmer", stellt die Organisation fest. Hinzu kam eine andere Studie, der zu Folge die Eurokrise auch Todesopfer fordert, über die die Medien am 27. März 2013 berichteten: "Menschen, die keinen anderen Ausweg mehr sehen und sich das Leben nehmen; Kranke, die sich die Spitalskosten nicht mehr leisten können und ihr Leben riskieren müssen".

"Und dennoch steigen die Spanier nicht auf die Barrikaden", stellt zum Beispiel Sánchez-Cuenca fest. Ein Bericht der Deutschen Welle vom 30. November 2012 zeigt die tatsächlichen Reaktionen: "Viele junge Spanier kehren dem Land nun den Rücken. Vor allem bei ambitionierten Ingenieuren gilt Deutschland als El Dorado." Der Mangel an Perspektiven vertreibe viele Spanier aus ihrem Land, so die Süddeutsche online am 20. April 2012. "Immer mehr landen in Deutschland, wie Mariola und Jordi", wird über zwei konkrete Beispiele berichtet. "In den vergangenen Jahrzehnten investierte Portugal massiv in Hochschulen und Erziehung", hieß es in einem Bericht von Euronews vom 8. Dezember 2011 aus dem Nachbarland Spaniens. "Doch aufgrund der Krise kann das Land die begabten Nachwuchskräfte nicht mehr halten." "Portugal lässt seine Zukunft ziehen", fasst der Titel des Berichts zusammen. Wissenschaftler würden vor den Folgen warnen: Portugal sei auf dem Weg ins wirtschaftliche Abseits.

"Deutlich feststellbar ist jedenfalls, dass in Deutschland immer mehr Arbeitnehmer aus Spanien, Griechenland, Portugal oder der Slowakei ankommen: aus jenen EU-Ländern, die von Krise und Arbeitslosigkeit besonders schwer betroffen sind.", stellte die Deutsche Welle fest. Die bundesdeutsche Wirtschaft freut sich, klagt sie doch über "Fachkräftemangel". Da kommen die jungen, gut ausgebildeten Fachkräfte aus den Krisenländern anscheinend gerade richtig. Dabei ist der angebliche Mangel ist eine "Fata Morgana", worauf unter anderem Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin schon mehrfach hinwies, so 2010, erneut 2011, ebenso 2012. Für ein generell knappes Arbeitskräfteangebot ließen sich "keine Belege finden", erklärte Benke 2010. Und benannte eines der tatsächlichen Probleme: Die Löhne für Fachkräfte seien kaum gestiegen, zudem sei die Zahl der Arbeitslosen mit Qualifizierung größer als die Zahl der offenen Stellen. Statistiker Gerd Bosbach erklärte im Report-Beitrag "Die Legende vom heiß begehrten Ingenieur" vom 10. Juli 2012: Hätten die deutschen Unternehmen "tatsächlich Ingenieurmangel, dann würden die sich ganz anders um Bewerber kümmern. Sie würden ihnen Dauerstellen anbieten. Sie würden ihnen gute Löhne anbieten. Und alle diese Faktoren kann ich leider nicht beobachten." In einer Studie des Sachverständigenrats für Integration und Migration wurde dagegen 2009 schon festgestellt, dass seit 2003 rund 180.000 Fachkräfte Deutschland verlassen haben, berichtete u.a. Spiegel online am 26. Mai 2009. Ein Jahr später wurde das gleiche Ergebnis verkündet. Zu den Hauptmotiven der auswandernden Fachkräfte gehöre u.a. der Wunsch nach höheren Einkommen, so die Süddeutsche online am 17. Mai 2010.

Aber auch zu hohe Steuern und zuviel Bürokratie beklagen danach gerade jene mit hohen Abschlüssen, wie Ärzte und Ingenieure. Das gilt vielleicht für beruflich etablierte Fachkräfte. Im erwähnten Report-Bericht stellt Hermann Biehler vom IMU-Institut München fest: „Ich sehe die Entwicklung dahingehend, dass junge Ingenieure zwischen schlechter Beschäftigung und zwischen Arbeitslosigkeit erstmal wählen müssen.“ Bei den angeblich so gefragten Nachwuchskräften würden befristete Verträge und Zeitarbeit boomen. "Die erfahrene Ingenieurin Tanja Mett-Bialas würde sich schon über einen Job bei einem Dienstleister freuen – und auch Helmut Rasch wäre lieber Zeitarbeiter als Hartz IV-Empfänger." Ein weiteres Motiv für einen Wegzug könne aber auch die mangelnde Anerkennung und zu hohe Belastung sein, zitierte der Tagesspiegel am 4. August 2010 Eberhard Jüttner, den damaligen Vorsitzenden des Paritätischen Gesamtverbands. Jüttner verwies auf die Situation des Pflege-Personals: "Jedes Jahr verlassen zig ausgebildete Pflegekräfte Deutschland, um in Skandinavien, Österreich oder der Schweiz zu arbeiten, was den Pflegenotstand in Deutschland verschärft. ... Die Leute gehen, weil die Akzeptanz für ihre Beschäftigung in diesen Ländern schlicht viel höher und die Belastung wegen größerer Personalschlüssel nicht so gewaltig ist."

Den vielfach beklagten Fachkräftemangel hält DIW-Forscher Brenke eher für einen Mangel an billigen und hochflexiblen Fachkräften, die jederzeit austauschbar sind, erklärte er 2012 in einem Interview. Da sind die gut ausgebildetenen jungen Fachkräfte aus den Krisenländern hochwillkommen, sind sie doch verständlicherweise bereit für eine Perspektive im Vergleich zu deutschen Fachkräften weniger Lohn und schlechte Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen. So müssen dann die deutschen Unternehmen auch solche Forderungen wie nach einem gesetzlichen Mindestlohn in der Bundesrepublik für alle Branchen und in gleicher Höhe für Ost und West nicht so ernst nehmen. Die Bundesregierung kann Kritik wie die von der ILO, die Eurostaaten hätten zu großen Wert auf die Sanierung ihrer Budgets gelegt und dabei die soziale Komponente vernachlässigt, ignorieren, eben so die Forderung der UNO-Organisation nach einer Beschäftigungsgarantie für junge Menschen. Sie kann stattdessen gönnerhaft zeigen, was sie für diejenigen tut, die unter der von ihr in der EU durchgesetzten Sparpolitik leiden, wie sie ihnen eine Perspektive in der Bundesrepublik bietet – wenn sie jung, gut ausgebildet, flexibel und (selbst)ausbeutungswillig sind.

Welche "guten Bedingungen", von denen Merkel sprach, zum Beispiel spanische Fachkräfte vorfinden, beschrieb eine Reportage von Johannes Kulms auf DeutschlandRadio Kultur am 11. April 2013. Sebastian Gonzales wurde vorgestellt, einer von 14 spanischen Fachkräften, die seit Februar in Südthüringen leben und für sechs Monate auf Probe in Industriefirmen und der Gastronomie arbeiten. Das sogenannte Spanien-Projekt habe die Industrie- und Handelskammer von Suhl ins Leben gerufen. "1000 Euro brutto schreibt das IHK-Projekt als Mindestbezahlung vor." Gonzales habe in Spanien als Einrichter vor der Krise monatlich rund 4.000 Euro verdient, in Thüringen bekomme er etwa 1.400 Euro brutto monatlich. Seine neue Thüringer Firmenchefin gibt sich in der Reportage großzügig: "Wir haben ihn jetzt so eingestellt, wie wir jeden anfänglichen Einrichter einstellen würden. Also, mit einem Grundlohn von 8,50. Und ich denke schon, dass wenn er sich gut macht, nach oben wachsen kann. Aber in den ersten sechs Monaten mit Sicherheit nicht." Der Spanier ist froh: "In Spanien ist es jetzt schon etwas besonderes, überhaupt Arbeit zu haben. Wie viel man da verdient, ist gar nicht der Rede wert. Meinen früheren Kollegen aus Barcelona wurden die Löhne binnen mehrerer Jahre um 25 Prozent gesenkt."

Nereida Ruiz, die der Reportage nach wie Gonzalez nach Thüringen kam, arbeite im Servicebereich eines Hotels in der Nähe von Suhl. Sie sagt: "Ich bin ja nicht die einzige Spanierin, die nach Deutschland geht. Ich finde es selbstverständlich, dass in einer europäischen Union das eine stärkere Land dem schwächeren hilft. Wer sagt denn, dass es morgen nicht genau umgekehrt sein könnte?" Und so sieht es aus, als habe doch noch jeder etwas von der Krise ...

Nachtrag vom 1.6.13: "... Ich sage nicht, dass Deutschland nicht profitiert hat. Allerdings ging das Wachstum auf Kosten der anderen europäischen Länder. Deutschland hat die anderen an die Wand gedrückt.
Deutschland soll also schuld sein an der Euro-Krise. Ist das nicht etwas verkürzt?
Nicht allein, aber zu einem erheblichen Teil. Deutschland hat ein völlig absurdes Wirtschaftsmodell. Die Haushalte sparen, der Staat spart, die Unternehmen sparen - alle sparen. Nur: Wenn auf der einen Seite gespart wird, muss sich jemand auf der anderen Seite verschulden. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die anderen europäischen Länder bei uns verschuldet. Doch dieses Modell ist jetzt gescheitert. ..."
Heiner Flassbeck im Interview mit dem Handelsblatt am 29.5.13

Nachtrag vom 5.6.13: "Ausländische Berufseinsteiger verdienen nur knapp zwei Drittel des Durchschnittslohnes der deutschen Arbeitnehmer, sagte ein Sprecher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) an der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Nach acht Jahren hätten die ausländischen Arbeitnehmer dann knapp drei Viertel des 'deutschen' Durchschnittslohnes erreicht, so das Ergebnis einer Studie des IAB." (Bayrischer Rundfunk - Regionalnachrichten Franken, 9.1.2013)

Dienstag, 14. Mai 2013

Fragen und Anmerkungen zu Reyhanli

Bei den Anschlägen im türkischen Reyhanli wurden die Attentäter ganz schnell gefunden, die für Syriens Präsident Bashar al-Assad gebombt haben sollen. Alles Zufall oder alles Lüge?

Es scheint alles klar, zumindest für die türkische Regierung: Die beiden blutigen Anschläge in Reyhanli wurde von Terroristen begangen, die mindestens Verbindungen zum syrischen Geheimdienst hatten. Neun  Mitglieder der "Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C) sowie einer Splittergruppe der "Türkischen Volksbefreiungspartei-Front" (THKP-C) wurden verhaftet, die angeblich bisher von Damaskus unterstützt wurden. Das scheint neben syrischen Nummernschildern an den Bombenautos zu den Grundlagen für die Vermutung zu gehören, dass sie bei ihrer mutmaßlichen Tat vom syrischen Geheimdienst unterstützt wurden.  So wird es auch von bundesdeutschen Medien-Mainstream wiedergegeben, voran Spiegel online. Dort wird die offizielle türkische Version von den Bombenlegern übernommen: „‘Die syrischen Geheimdienste und ihre bewaffneten Organe sind die üblichen Verdächtigen, die hinter solch teuflischen Plänen stecken‘, sagte der stellvertretende Regierungschef Bülent Arinç in Ankara.“ Und so wurde auch flugs „Assads türkischer Milizen-Chef“ Mihraç Ural vorgestellt. Dessen Gruppierung Aciciler, die der DHKP-C zugerechnet wird, wird verdächtigt, für die Bomben mitverantwortlich zu sein. Die Meldungen über die Verhaftungen der Mitglieder der vermeintlich marxistisch-lenisnistisch orientierten Splitterpartei kamen in den deutschen Medien erst nach dem Ural-Porträt von Spiegel online von 12. 51 Uhr am 12. Mai 2013, zum Beispiel bei der Süddeutschen online 15.40 Uhr. Aber der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu hatte ja zuvor schon klargestellt, „der Anschlag trage die Fingerabdrücke der Verantwortlichen des Massakers in der syrischen Stadt Banias“, zu denen eben Ural gehören soll.

Zweifel oder Fragen zu der vermeintlichen syrischen Verantwortung für die Anschläge sind selten, warum auch, wenn alles mal wieder so eindeutig scheint. Dabei sind in dem Fall Reyhanli Zweifel und Fragen angebracht. Das scheint zumindest Frank Nordhausen von der DuMont-Redaktionsgemeinschaft ähnlich zu sehen. Sein Text vom 13. Mai 2013 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau beginnt so: "Der türkische Geheimdienst weiß bereits seit Mitte April von Anschlags-Plänen, berichtet eine Boulevardzeitung. Jetzt verhängt die türkische Regierung eine Nachrichtensperre. Alles nur Zufall?“ Am Ende des Beitrages erklärt er das genauer: „Am späten Samstagabend verhängte die türkische Regierung eine Nachrichten- und Fernsehsperre über die Region Hatay. Kommentatoren stellten im Fernsehen einen möglichen Zusammenhang her mit einem Bericht der Hürriyet, wonach der türkische Geheimdienst MIT am 23. April detailliert über Pläne eines Anschlags in der Türkei unterrichtet worden sei, diesen aber nicht angemessen nachgegangen sei.“ Laut Hürriyet vom 13. Mai 2013 spricht der türkische Innenminister Muammer Güler in dem Zusammenhang von einer "Sicherheitslücke", die ausgewertet werden soll.

Online sind kaum weitere deutsche Mainstream-Medien zu finden, die diese Information aufgegriffen haben. Dabei wäre das doch eine interessante Frage, wie das dazu kommt, dass der türkische Geheimdienst vorher Bescheid weiß und warum er nichts versuchte, die Anschläge zu verhindern. War es wieder mal die reine Ahnungslosigkeit? Die aber sofort weg war, als es darum ging, verdächtige „Linksextremisten“ zu verhaften und zu präsentieren. Nicht nur diese Schnelligkeit bietet Anlass, sich zu wundern und weitere Fragen zu stellen.

Antworten zu geben ist natürlich fast unmöglich. Aber zumindest kann auf weitere Anlässe neben dem Hürriyet-Beitrag für Zweifel und Fragen aufmerksam gemacht werden. Da ist zum einen die Behauptung der türkischen Regierung: „Das Ziel des Anschlags war eine Provokation, ein Versuch, Hass auf die Flüchtlinge zu schüren“, so der türkische Vizepremier Besir Atalay laut Berliner Zeitung vom 13. Mai 2013. Reyhanli gilt als wichtigster Zufluchtsort von Flüchtlingen aus dem kriegsgeschundenen Nachbarland. Die Stadt dient aber auch syrischen „Rebellen“ als Rückzugsgebiet und Logistikstandort, wie u.a. die Tageschau online berichtet. Gleichzeitig gehört die 60.000 Einwohnerstadt zur Region Hatay, die historisch zu Syrien gehörte. Arabisch sprechende Alawiten und Christen stellen die Mehrheit, denen auch Sympathie für Syriens Präsident Bashar al-Assad nachgesagt wird. Sicher führt diese Situation zu Konflikten. Aber wenn der syrische Geheimdienst versuchen sollte, in Reyhanli Attentate zu verüben, warum sind dann nicht die „Rebellen“ und die Orte, an denen sie sich treffen, ausgerüstet und geführt werden, das Ziel? So die bewaffneten Gruppen zu bekämpfen, wäre effektiver und logischer statt des angeblichen Versuches, mit Bomben auf offener Straße vor öffentlichen Gebäuden, Stimmung gegen die Flüchtlinge und die Politik der türkischen Regierung zu machen. Die eingesetzten Autobomben würden dagegen die Gefahr bergen, dass die einheimische Bevölkerung die Sympathie für Assad verliert, wenn sich rausstellt, der syrische Geheimdienst steckt hinter Anschlägen, die Unbeteiligte töten. Oder sollte es sich bei den beiden Gebäuden in Reyhanli um geheime Kommandozentralen der „Rebellen“ handeln?

Vielleicht stimmt an den Behauptungen der türkischen Regierung zumindest, dass ein Geheimdienst seine Hände im Spiel hat. Auf Informationen, dass der türkische Geheimdienstes MIT vorher von den Anschlägen gewusst haben soll, habe ich schon hingewiesen. Ich halte es für bedenkenswert, dass er verschiedenen Berichten zufolge auch mit der DHKP-C, der einige der vermeintlichen Attentäter angehören sollen, in Verbindung stehen könnte. So berichtete u.a. der Focus 2004 über einen enttarnten türkischen Doppelagenten: „Hüseyin H. hatte im Auftrag des türkischen Geheimdienstes von Deutschland aus einen Waffentransport für die Terrorgruppe DHKP-C mitorganisiert. Seine Befehle erhielt H. aus dem türkischen Generalkonsulat in Mainz (FOCUS 11/03)“. Der Mann habe auch noch für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz gearbeitet. Von dem folgenden Prozess in Stuttgart-Stammheim berichtete 2009 Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff, dass „die Ermittlungsakten zahlreiche Hinweise enthalten, dass der MIT die Fahrt des H. angeleitet hat und H. als »agent provocateur« tätig war“. Deutschland ist ein zentrales Operationsfeld des türkischen Geheimdienstes MIT, so schon 1999 ein Bericht der Zeitschrift geheim. Zehn jahre später eine weitere Bestätigung: Im Prozess gegen die sogenannte Sauerland-Gruppe 2009 kam laut stern raus, dass der zur Gruppe gezählte Mevlüt K. spätestens seit 2002 V-Mann des türkischen Geheimdienstes war . „Nach Recherchen des stern schreibt das Bundeskriminalamt (BKA) dem türkischen V-Mann eine entscheidende Rolle bei der Planung eines der größten Terroranschläge in Deutschland zu. Er sei der "zentrale Ansprechpartner" für die Beschaffung von 26 Sprengzündern gewesen.“

Die angeblich linksextremistische DHKP-C verkündet, den türkischen Staat bekämpfen zu wollen. Interessant ist, wer sie dazu befähigt hat: Die heutige DHKP-C sei fast zur Gänze von Mitgliedern der türkischen Armee ausgebildet worden, berichtete das Deutsch-Türkische Journal am 14. Februar 2013. Das sei „eine der schockierenden Wahrheiten, die sich im Zuge des Ergenekon-Prozesses herausgestellt hatten. Und sie wurden immerhin durch einen Insider bestätigt – nämlich vom geheimen Zeugen İsmet, der jahrelang im Namen der Dev-Sol und der DHKP/C gearbeitet hat und mit brisanten Aussagen zur Aufklärung des Falles beigetragen hatte.“ Bei dem Ergenekon-Prozess  geht es um ein Netzwerk von türkischen Militärs und Nationalisten, das u.a. einen Putsch gegen den heutigen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan geplant haben soll (siehe auch hier). Bei „Ergenekon“ spielen auch die CIA und das NATO-Terrornetzwerk Gladio eine Rolle. Der türkische Anwalt Orhan Kemal Cengiz beschreibt "Ergenekon" als Teil von Gladio. Dieses Relikt aus dem Kalten Krieg sei in der Türkei noch immer aktiv. Es gibt mehr als ein paar Hinweise darauf, dass Ergenekon politische und radikale religiöse Organisationen provozierte, Gewaltaktionen durchzuführen, schreibt Peter Edel in einem Text über die Gladio-Strategie. Das Netzwerk war Mittel für die „Strategie der Spannung“, mit der durch vermeintlich linken Terror jegliche linke politische Alternative diskreditiert werden sollte. "Ergenekon"-Kontakte "bestanden auch zur linksextremen Stadtguerrilla DHKP/C und zur türkischen Hizbullah", schrieb Rainer Herrmann in der FAZ vom 20. Oktober 2008.

Im Zusammenhang mit dem schon erwähnten Mevlüt K. tauchen übrigens auch CIA und Gladio auf. Am 20. April 2009 schrieb Der Spiegel, "der Türke" arbeite seit geraumer Zeit "nicht nur für den Dschihad, sondern nach Angaben mehrerer deutscher Sicherheitsbehörden auch als V-Mann für den türkischen Geheimdienst, der K.s Insiderwissen mit der CIA teilt." In einem Telepolis-Bericht vom 2. Dezember 2011 heißt es: „Anscheinend stand Mevlüt Kar auch mit der amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) in Kontakt bzw. seine Hinweise wurden vom MIT an die CIA weitergegeben. … Für Mevlüt Kar blieb es aber nicht beim bloßen Auskundschaften klandestiner Terrorverbindungen im behördlichen Auftrag, vielmehr gründete er nach dem Gladio-Modell eine eigene Zelle, verriet sie aber sogleich wieder: Am 17. Februar 2003 nahm die GSG 9 die angebliche Terrorzelle aus.“

Ein ganz aktueller Fall mit möglichen Verbindungen zwischen Geheimdienst und DHKP-C ist der „Linksradikale“ Ecevit S., der sich am 1. Februar 2013 vor der US-amerikanischen Botschaft in Ankara in die Luft sprengte, wodurch ein türkischer Wachmann getötet und drei Menschen teils schwerverletzt wurden. "Die linksradikale Untergrundorganisation 'Revolutionäre Volksbefreiungsfront' (DHKP-C) hatte sich zu dem Anschlag auf die US-Botschaft in Ankara bekannt.", so die Tagesschau online zwei Tage später. „Die türkischen Sicherheitsbehörden hatten offenbar Hinweise darauf, dass Ecevit S. einen Bombenanschlag in der Türkei plante.“, meldete Der Spiegel am 9. Februar 2013.

Ich betone, dass ich keine Antworten habe, dafür angesichts solcher Informationen um so mehr Zweifel und Fragen zur offiziellen Version der Anschläge von Reyhanli. Es kann alles nur Zufall sein, aber sicher bin ich mir da nicht.

aktualisiert am 14.5.13, 10.04 Uhr

Nachtrag von 16.48 Uhr:
Lutz Herden von der Wochenzeitung Freitag hat in einem Beitrag auf freitag.de mögliche Antworten gegeben: "Aufklärung und erste Geständnisse nach den Anschlägen im türkischen Grenzort Reyhanli sind eine Sache weniger Stunden. Danach passt alles perfekt. Zu perfekt"

"Damaskus hat sich bereit erklärt, gemeinsam mit Ankara zu den jüngsten Terroranschlägen in der an der Grenze zu Syrien gelegenen türkischen Stadt Reyhanli zu ermitteln, wie AFP am Dienstag unter Berufung auf den syrischen Informationsminister Omran al-Zoubi meldet." (RIA Novosti, 14.5.2013)

Nachtrag von 21.18 Uhr: Die FAZ veröffentlichte schon am 12. Mai 2013 einen Beitrag zum Thema, dessen Überschrift "Assads fünfte Kolonne" tendenziös in Richtung geklärte Schuldfrage wirkt, in dem aber ein Großteil des Textes sich um die türkischen Interessen in der Region Hattay, aber auch in Syrien dreht: "Bemerkenswert ist, dass in Istanbul und Ankara aus gewissen, nicht offiziellen Kreisen Stimmen zu hören sind, die sich nicht nur für eine militärische Intervention in Syrien stark machen, sondern offen der Annexion syrischer Gebiete nach dem als unvermeidlich bezeichneten Zerfall Syriens das Wort reden."
Und auch das ist da zu lesen: "Eine weniger verbreitete, inoffizielle Lesart lautet, dass die Bomben von Cilvegözü und nun Reyhanli von jenen Kräften der syrischen Opposition gezündet worden seien, die Ankara um jeden Preis zu einer militärischen Intervention in dem zerfallenden Nachbarstaat bewegen wollen."

Nachtrag vom 15.5.13, 0.26 Uhr: "Ankara habe die Grenzregion den syrischen Rebellen überlassen, sagte der Oppositionsabgeordnete Mehmet Ali Ediboglu aus Hatay. Er widersprach der These der Regierung, wonach der Anschlag von Mitgliedern der linksextremen türkischen Splittergruppe der „Acilcilar“ verübt wurde, die im Auftrag des syrischen Geheimdienstes handelten. Ediboglu sagte, der „sehr professionelle“ Anschlag deute auf die Täterschaft der syrischen Al-Nusra-Gruppe hin. Die zum Al-Qaida-Netzwerk gehörenden islamistischen Extremisten hätten die Bombe von Reyhanli gezündet, um die Türkei auf der Seite der syrischen Opposition in den Krieg zu ziehen, sagte Ediboglu." (Tagesspiegel online, 13.5.2013)
"Şefik Çirkin, türkischer Abgeordneter der nationalistischen MHP, sagte drei Tage vor den Anschlägen in der türkischen Region Hatay – Reyhanlı (mehr hier), dass die Region auf einer „tickenden Zeitbombe“ sitze. Die Lage zwischen den Einwohnern und den syrischen Flüchtlingen, sei äußerst angespannt. Zudem gebe es konfessionelle Spannungen zwischen den „syrischen Oppositionellen“ und den örtlichen Aleviten.
Çirkin forderte umfassende Sicherheitsmaßnahmen von der AKP-Regierung, doch seine Worte blieben ungehört. „In den vergangenen Tagen sind Unbekannte in das Haus von Ali Yeral eingedrungen. Sie haben eine schriftliche Morddrohung hinterlassen“, zitierte die Akşam den Politiker. Ali Yeral ist der örtliche Aleviten-Sprecher und genießt großes Ansehen bei den Christen, Juden und Muslimen von Hatay.
Den Angaben der Ehefrau von Yeral zufolge stand auf dem Schriftstück: „Wir werden dich verbrennen“. Zuvor hatte Yeral im Gespräch mit dem Fernsehsender Ulusal Kanal erwähnt, dass Mitglieder der Freien Syrischen Armee (FSA) und der dschihadistischen al-Nusra Organisation ihn bedrohen würden.
Doch der Hass der FSA-Mitglieder und der Anhänger von al-Nusra, richte sich auch gegen sunnitische und christliche Gemeindevertreter von Hatay. „Denn wir leben hier in Frieden miteinander. Das stört einige Kreise“, so Yeral. ...
Der CHP-Abgeordnete Mehmet Şeker sagte nach den Anschlägen, dass die Bombenanschläge aussehen wie eine Provokation, um einen türkischen Militärschlag gegen Syrien zu erzwingen. ..." (Deutsch-Türkische Nachrichten, 12.5.13)
siehe auch "Anschlag in Reyhanli. War es Al Quaida?" von Dominik Lehmann

Noch ein Nachtrag: "Es ist schön, dass sich die Ermittler im Auftrag der türkischen Regierung so sicher sind. Und vor allem so schnell. Der türkische Innenminister Muammer Güler sagte, man kenne die Hintermänner und wisse, dass sie Unterstützung vom syrischen Diktator Baschar Al-Assad erhalten würden. Trotz der vielen Toten und Verletzten bleibt die Welt für die konservative Regierung in Ankara in Ordnung. Es waren "linke" Terroristen, unterstützt vom "säkularen Diktator" Assad. Feinde der Regierung, Feinde der Türkei also. ...
Man muss wissen, dass die DHKP-C heute nicht mehr wirklich links ist. Sie gilt als freibeuternde Spezialeinheit fürs Bombenlegen und kann für alle möglichen Auftraggeber arbeiten. Es soll deshalb hier, als Lob des Konjunktivs gewissermaßen, gefragt werden, wer denn noch als Täter für diese Serie von Anschlägen infrage käme, damit die wahren Gefahren dieser Angriffe deutlich werden. ..." Zeit online, 13.5.13
Ja, ich bin froh, dass es mehr Zweifel und Fragen auch bei deutschen Journalisten an und zu den offiziellen Erklärungen der Anschläge gibt, als es erst den Anschein hatte. Zum anderen merke ich, dass ich nicht alles überblicken kann, um einen Überblick zu bekommen und zu geben, zumal ich das nebenbei mache. Eine Recherche-Task Force zum Krieg gegen und in Syrien wäre gut ...
Aber zumindest sehe ich bei alldem, was ich schrittweise finde und nachtrage, dass ich nicht allein Zweifel und Fragen habe.
siehe auch "Rasend schnell" von Lutz Herden auf freitag.de.

Und noch ein Nachtrag:
Der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, General a.D. Harald Kujat, am 14.5.13 im Interview mit dem Deutschlandfunk:
"Es ist ein Terroranschlag, der dort stattgefunden hat, und so bedauerlich das ist, es ist ja nicht der erste und die Situation verschärft sich ja offensichtlich auch zwischen der Türkei und Syrien. Aber auch hier gab es sehr, sehr schnell eine Festlegung auf Assad und seinen Geheimdienst. Die Lage gerade in diesem Gebiet ist äußerst kompliziert, äußerst verworren. Es gibt auch andere Optionen für einen solchen Anschlag und ich denke, das geht mir alles ein bisschen zu schnell und es geht immer in die gleiche Richtung, nämlich wir müssen etwas tun, um die Situation in Syrien zu beenden, und im Grunde genommen heißt das ja hinter vorgehaltener Hand, wir müssen militärisch etwas tun: Wir müssen Waffen liefern, oder wir müssen sogar uns sozusagen verteidigen gegen Syrien. Das ist für mich alles etwas schnell, um nicht zu sagen vorschnell. ...
Na ich bin zumindest skeptisch. Ich halte es nicht für unglaubwürdig. Vielleicht sind die türkischen Ermittler so effizient. Aber ich bin skeptisch, weil eben ganz offensichtlich ja eine starke Unterstützung der Aufständischen durch die Türkei erfolgt, weil die Situation auch sehr schwierig ist für die Türkei. ...
Der syrische Regierungschef Assad hat doch ganz offenkundig kein Interesse, kann kein Interesse daran haben, sich noch mehr Feinde zu machen, noch mehr unter Druck zu geraten, vor allen Dingen sich mit Staaten anzulegen, die letztlich militärisch wesentlich stärker sind als die Aufständischen und die letztlich das Ende seines Regimes herbeiführen könnten.
Müller: Also Sie können sich das gar nicht erklären, dass Assad dahinter stecken soll, hinter diesem Bombenanschlag?
Kujat: Nein. Wissen Sie, es ist vieles möglich in dieser Welt. Aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich. ...
Aber es ist eben nicht so offenkundig und nicht so eindeutig, dass tatsächlich Assad hinter diesem Anschlag steht. Deshalb muss man sehr, sehr vorsichtig sein mit solchen Behauptungen. Er kann es, es kann so gewesen sein, aber er muss es nicht gewesen sein. Und ich stehe in der Tat, was Sie schon betont haben, dieser sehr schnellen Reaktion, dieser sehr schnellen Festlegung doch sehr skeptisch gegenüber. ..."

 

Sonntag, 12. Mai 2013

Syrien: Der nächste Eskalationsversuch

Der blutige Anschlag im türkischen Reyhanli dürfte in die Reihe der Versuche gehören, eine direkte westliche Intervention in Syrien zu provozieren, bzw. dazu benutzt werden.

Die Türkei macht Syrien für den Anschlag in der Grenzstadt Reyhanli verantwortlich: Der syrische Geheimdienst soll dahinter stecken. Und natürlich wird schon mal Vergeltung angekündigt. Das berichtet u.a. Spiegel online am 12. Mai 2013. Neben dem Anschlag an sich ist erschreckend, wie weiter anscheinend nichts unversucht gelassen wird, eine direkte Intervention der westlichen Staaten und ihrer Verbündeten in Syrien zu provozieren. Verantwortlich dafür sind jene, die nun schon seit mehr als zwei Jahren für den Sturz von Präsident Bashar al-Assad kämpfen und kämpfen lassen. Der dafür inzwischen mit den verschiedensten Details und Fakten belegte indirekte Krieg hat noch nicht zu dem Ziel geführt.

Die Rolle der deutschen Mainstream-Medien im Krieg gegen und in Syrien bleibt interessant und nicht minder erschreckend: Laut Spiegel online scheint für die türkische Regierung die Spur nach Syrien von Anfang an klar zu sein. Der Schweizer Tages-Anzeiger meldete dagegen am 11. Mai 2013 immerhin, dass das zumindest nicht gleich so klar war: „Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte, die Anschläge könnten im Zusammenhang mit dem Krieg in Syrien stehen oder eine versuchte Sabotage der Friedensbemühungen im Kurden-Konflikt sein.“ Die Frage, wem ein solcher Anschlag ebenfalls nutzen könnte, z. B. den „Rebellen“ und deren westlichen und arabischen Unterstützern und Förderern, wird in den Mainstream-Medien gar nicht erst gestellt.

Ob es mehr als ein Zufall war, dass laut ABC News ausgerechnet US-Botschafter Robert Ford am 9. Mai 2013, also zwei Tage vor dem Anschlag, in geheimer Mission im türkisch-syrischen Grenzgebiet unterwegs war, ist nicht bekannt. Für den türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu ist es kein Zufall, dass der Anschlag in Reyhanli geschieht, als wieder einmal die Bemühungen um eine diplomatische Lösung des syrischen Konfliktes verstärkt wurden. Da kann ihm nur zugestimmt werden, denn das war schon mehrfach bei den vorherigen mutmaßlichen Massakern und Bomben so, für die jedes Mal die syrische Regierungsseite von den „Rebellen“ verantwortlich gemacht wurde. Die gleichzeitig gemeinsam mit ihren westlichen und arabischen Förderern und Unterstützern bisher noch jede friedliche Lösung verhinderten, weil sie nur ein Ziel kennen: Assad muss weg. Genau dieses hat in den letzten Tagen u.a. US-Aussenminister John Kerry erneut wiederholt, ebenso die US-Regierung. Gleiches tat Kerry laut Tages-Anzeiger vom 10. Mai 2013 mit dem Vorwurf, die syrische Armee hätte Chemiewaffen eingesetzt. Dafür gebe es „starke Beweise“, behauptet Kerry. „Das ‚Assad-Regime‘ habe eine ‚schreckliche Wahl‘ getroffen und habe die Bereitschaft gezeigt, zwischen 70.000 und 100.000 Menschen des eigenen Volkes zu töten sowie ‚Gas zu benutzen‘, sagte Kerry heute während eines Online-Chats.“ Welche Beweise es dafür gibt, sagte der US-Außenminister nicht.

Nahost-Wissenschaftler Günter Meyer erklärte in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 9. Mai 2013 auf die Frage, wer von einem Giftgas-Einsatz profitieren würde: „Mit Sicherheit nicht die syrische Regierung. Jede Meldung in diese Richtung wäre zum Nutzen der Rebellen. Der Einsatz von Giftgas würde ein internationales Eingreifen gegen das Assad-Regime rechtfertigen, die Waffenlieferung an die Rebellen sowie eine Flugverbotszone legitimieren. Es widerspricht jeglicher Logik, dass die Regierung Assad dieses Risiko eingehen würde.“ Dafür drängt der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan die US-Regierung, nun endlich eine „Flugverbotszone“ im Norden Syriens einzurichten. „Sein Land hätte von Anfang an ‚Ja‘ zu einem solchen Einsatz gesagt, sagte Erdogan laut einem am Donnerstag veröffentlichten Interview-Transkript dem US-Fernsehsender NBC“, meldete der österreichische Standard am 10. Mai 2013.

Unterdessen begrüßt die syrische Regierung die gegenseitige Annäherung der Positionen Moskaus und Washingtons, „die bei den jüngsten Verhandlungen zwischen den Außenministern Sergej Lawrow und John Kerry an den Tag getreten ist“, meldet RIA Novosti am 9. Mai 2013. „Die amerikanische Seite müsse nun beweisen, wie ernsthaft ihre Erklärung bezüglich des Strebens nach Einstellung der Gewalt im Interesse einer politischen Regelung des Syrien-Konflikts sei“, wird aus einer Erklärung des syrischen Außenministeriums zitiert. Doch worum es den USA mit den aktuellen Gesprächen mit Russland für eine friedliche Lösung in Syrien tatsächlich zu gehen scheint, war u.a. in der FAZ am 11. Mai 2013 zu lesen: „Vieles deutet darauf hin, dass das Weiße Haus mit seiner Friedensinitiative lediglich Zeit gewinnen will.“. Danach würden die unterschiedlichen Interessen einen tatsächlichen Dialog verhindern: „So haben die Genfer Konferenzteilnehmer im Juni 2012 noch die Souveränität Syriens beschworen. Sechs Monate später erkannten Amerika und Europa die Nationale Koalition der Assad-Gegner als legitime Vertreter des syrischen Volkes an. Vielerorts wurden Botschafter akkreditiert, die der Opposition angehören, ein Regierungschef nach dem anderen forderte Assad zum Rücktritt auf. Sogar Berlin hat sich klar positioniert. Deutsche Hilfswerke unterstützen gegen den Willen Assads die Bevölkerung in den ‚befreiten Gebieten‘, an der Grenze zur Türkei gibt es keine souveräne syrische Regierung mehr. Wer sich nach dieser Vorgeschichte mit Vertretern Assads an einen Tisch setzt, riskiert viel: Er verschafft dem Regime eine Legitimation, die es aus sich heraus nicht mehr besitzt. Das könnte den Bürgerkrieg noch verlängern.“ Das ließe sich so fast übernehmen, bis auf den Punkt mit der Legitimation, die Assad und die syrische Regierung nicht „aus sich heraus“ verloren haben soll. Diese wird ihnen dagegen eben von „Amerika und Europa“ sowie deren arabischen Verbündeten abgesprochen, wie FAZ-Redakteur Thomas Gutschker selber feststellt.

Eine Nebenbemerkung: Dieses Beispiel zeigt, dass es für deutsche (Mainstream-)Journalisten schwer zu sein scheint, logische Schlüsse aus ihren eigenen Informationen zu ziehen. Können sie das nicht? Oder setzen sie etwa darauf, dass ihre Leser, Zuschauer und Zuhörer durch die Informationsflut bzw. die Kakophonie der Gewalt in Syrien sich (verständlich) überfordert fühlen, noch „rote Linien“ und Zusammenhänge zu erkennen, die von den Journalisten dann neu gezogen werden, auch wenn sie unlogisch sind und nicht den Informationen entsprechen?

Bedenkenswert dürfte nicht weniger sein, was Gutschker bezüglich der Rolle des US-Präsidenten schreibt: Präsident Obama hat der müden Nation versprochen, dass das Jahrzehnt der Kriege und des Terrors zu Ende gehe. Das war nobel gemeint - und doch eine Illusion.“ Obama vertritt zwar das Ziel des Regimewechsels in Syrien, aber scheint dem bisherigen Verlauf nach bisher nicht bereit gewesen zu sein, dafür offen Krieg zu führen. Das wollen aber die sogenannten Falken unter den regierenden und herrschenden Kreisen der USA schon lange. Es wird sicher alles dafür getan, Obama umzustimmen, wenigstens dafür, die „Rebellen“ offen zu bewaffnen. "Kerry setzt Obama unter Druck", so beschrieb das Die Presse aus Österreich am 11. Mai 2013. Der demokratische Senator und Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des US-Senats, Robert Menendez, brachte am 6. Mai 2013 einen Entwurf ein, der den USA die Lieferung "tödlicher und nicht tödlicher Unterstützung an die bewaffnete syrische Opposition" erlaubt, berichtete der Standard einen Tag später. Im Weißen Haus scheinen sich „jene Kräfte durchgesetzt zu haben, die in einer massiven militärischen Unterstützung von säkularen und ‚gemäßigten‘ Rebellengruppen eine Möglichkeit sehen, die US-Ziele durchzusetzen“, stellte Rainer Rupp in der jungen Welt vom 10. Mai 2013 fest. Ein direktes Eingreifen in Syrien werde immer noch von einer Bevölkerungsmehrheit abgelehnt, wie mehrere repräsentative Umfragen der vergangenen Woche in den USA zeigten. Rupp vermutet, Washington habe "keine verheißungsvollen Optionen" in Syrien und lehne deshalb nun zum ersten Mal die von Rußland und China von Anfang an verfolgte Verhandlungslösung nicht mehr kategorisch ab. Das halte ich für einen Irrtum, nicht nur weil US-Regierungssprecher Jay Carney am 8. Mai 2013 erklärte, Washington gehe davon aus, dass die "Rebellen" in Syrien mit Schusswaffen versorgt werden. Die endgültige Entscheidung sei bloß noch nicht getroffen.

Was der Nahost-Wissenschaftler Meyer zum angeblichen Chemiewaffeneinsatz durch  Regierungstruppen sagte, gilt aus meiner Sicht ebenso für den Anschlag von Reyhanli: Auch ein solches Ereignis soll wie schon die mutmaßlichen Massaker von Hula, Daraja, Homs, Tremseh und anderswo, ausgehend von der angeblichen Schuld auf der syrischen Regierungsseite, das internationale Eingreifen in und gegen Syrien rechtfertigen, die Waffenlieferung an die Rebellen sowie eine Flugverbotszone legitimieren. Es widerspricht tatsächlich jeglicher Logik, dass die syrische Regierung und Präsident Assad es darauf anlegen oder dieses Risiko in Kauf nehmen und den Westen samt seiner arabischen Verbündeten regelrecht dazu einladen, direkt zu intervenieren, z.B. zum Schutz der Türkei.

Der Logik widerspricht auch das theoretische Argument, dass die syrischen Regierungsseite als Motiv für einen solchen Anschlag habe, die Türkei damit von einer weiteren Unterstützung der „Rebellen“ abzuhalten. Da diese schon seit Frühjahr 2011 läuft, hätten solche Versuche ja schon seit fast zwei Jahren unternommen werden können. Mir sind zumindest aber keine entsprechenden Berichte bekannt und auch die Granaten auf das türkische Dorf Akcakale im Oktober 2012 stammten nicht von der syrischen Armee. Erste entsprechende Informationen wurden im März 2013 bestätigt: „Jene Werfergranate aus Syrien, die fünf Türken tötete, stammt eindeutig aus NATO-Beständen. Es scheint so, als hätte das NATO-Mitglied Türkei die syrischen Aufständischen mit Waffenlieferungen unterstützt. Allerdings müssten diese Lieferungen mit anderen NATO-Staaten abgestimmt sein.“ Das zitierte dieSolidar-Werkstatt Österreich“ auf ihrer Website am 16. März 2013 aus der österreichischen Militärzeitung Der Soldat (1/2013) vom 18. Januar 2013. Erinnert sich daran noch jemand?
Nachtrag vom 13. Mai 2013: Unterdessen ist in der Berliner Zeitung vom 13. Mai 2013, ebenso in der Frankfurter Rundschau vom selben Tag, das zu lesen: "Der türkische Geheimdienst weiß bereits seit Mitte April von Anschlags-Plänen, berichtet eine Boulevardzeitung. Jetzt verhängt die türkische Regierung eine Nachrichtensperre. Alles nur Zufall? ...
Am späten Samstagabend verhängte die türkische Regierung eine Nachrichten- und Fernsehsperre über die Region Hatay. Kommentatoren stellten im Fernsehen einen möglichen Zusammenhang her mit einem Bericht der Hürriyet, wonach der türkische Geheimdienst MIT am 23. April detailliert über Pläne eines Anschlags in der Türkei unterrichtet worden sei, diesen aber nicht angemessen nachgegangen sei."
Laut Hürriyet vom 13. Mai 2013 spricht der türkische Innenminister Muammer Güler in dem Zusammenhang von einer "Sicherheitslücke", die ausgewertet werden soll.