Immer offener wird über einen möglichen Sturz des russischen Präsidenten
Wladimir Putin nachgedacht. Nur die Mittel dazu werden unterschiedlich
gesehen.
„
Stürzt Putin 2015?“ Das fragte nun auch
BILD am 27.12.14 und meldete: „
NATO-Kreise schließen Putsch im Kreml nicht mehr aus.“
Das deutsche Massenblatt reihte sich damit in die Reihe derjenigen ein,
die seit einiger Zeit bestätigen, was ich im April 2014 schrieb, als
ich fragte: „
Mit Obama nach Moskau gegen Putin?“
Der Konflikt in der Ukraine und um sie herum wird von den herrschenden
Kreisen des Westens genutzt, um Russland zu bedrängen und einen
Regimewechsel in Moskau zu erreichen. Die westlichen Strafmaßnahmen
gegen Russland haben nach Ansicht des russischen Außenministers Sergej
Lawrow einen Machtwechsel in Moskau zum Ziel, berichtete u.a. der Sender
N24 am 16.12.14.
"Einige Politiker versuchen nicht einmal, das zu verbergen", sagte danach
Lawrow dem französischen Sender France 24.
Ein solcher Regimewechsel steht auf dem Plan seitdem sich zeigte, dass
der russische Präsident Wladimir Putin als Zögling und Nachfolger von
Boris Jelzin das Land auf einen Entwicklungspfad unabhängiger von
westlichen Interessen zu bringen versucht. Ein solches Ansinnen wurde
schon ganz anderen zum Verhängnis, die einst als willfähriger Partner
der Westens starteten, für ihre spätere Eigenwilligkeit das Etikett
„Diktator“ versehen bekamen und im Namen von Demokratie, Menschenrechten
und Freiheit gestürzt wurden. Was Nein-Sagern droht, wurde erst
im Februar 2014 in Kiew demonstriert. Manch einer von ihnen musste seine Eigenwilligkeit und das Denken an nationale Interessen mit dem Leben bezahlen.
Nun also Putin. Das ist an sich nicht überraschend, war zu vermuten
und vieles deutete seit langem daraufhin. Kai Ehlers hat das in einem
Beitrag für die Nachdenkseiten vom 2.12.14
analysiert. Neu ist nur, dass es immer häufiger offen ausgesprochen
wird. Der ehemalige Sowjetunion- und Russland-Spezialist der CIA Ray
McGovern hatte u.a. bei seinem
Auftritt im „Sprechsaal“ in Berlin am 6.9.14
darauf aufmerksam gemacht, dass der Ukraine-Konflikt zur antirussischen
Strategie bestimmter Fraktionen der herrschenden Kreise in den USA und
im Westen gehört. Im
Interview mit dem Internet-Sender weltnetz.tv verwies McGovern auf die „
Fraktionen, die Spannungen zwischen Russland und den USA für nützlich halten". Dazu gehöre nicht nur die Rüstungsindustrie. "
Nicht
nur die Leute, die ohne einen erkennbaren Feind keinen gemeinsamen
europäischen Kampfpanzer bauen können. Es sind Leute, die meinen,
feindliche Beziehungen seien nützlich, weil sie Putin nicht mögen, wegen
dem, was er letztes Jahr getan hat. Genau vor einem Jahr hat er für
Obama die Kastanien aus dem syrischen Feuer geholt. Obama hat das
Vernünftige für Syrien getan. Er hat sich Kerry und den anderen Neocons
widersetzt, die Syrien angreifen wollten. Und Putin sagte, 'wir können
die Chemiewaffen entfernen und zerstören'. Es gab ein gewisses Vertrauen
zwischen den beiden, das war das Erstaunliche. … Die Russen waren aber
auch hilfreich in Bezug auf Iran. Sie ermöglichten den angemessenen
Umgang mit den Befürchtungen, Iran erstrebe den Bau von Atomwaffen. Es
gibt auch hier keine Beweise. Aber es gibt diese Befürchtung und die
Verhandlungen am 24. November führen hoffentlich zu einer Lösung des
Problems. Teilweise dann auch, weil die Russen so hilfreich waren. Und
dann sind da die Neocons, die das nicht wollen. Sie sind
leidenschaftlich dagegen.“ Am 19.12.14 machte der Chef des privaten US-Nachrichtendienstes Stratfor George Friedman
laut der russischen Nachrichtenagentur Sputnik (früher RIA Novosti) darauf aufmerksam, dass „
der unverhüllteste Staatsstreich in der Geschichte“ u.a. die Antwort der USA „
auf die gewachsene Aktivität Russland im Nahen Osten, einer für die USA sehr wichtigen Region“ war. Die USA als einen Versuch gewertet, ihnen zu Schaden. „
In diesem Zusammenhang sind die Ereignisse in der Ukraine zu betrachten“, so Friedman laut
Sputnik im
Interview mit der russischen Tageszeitung Kommersant.
Es sind aber nicht nur die von Ex-CIA-Analytiker McGovern erwähnten
„klassischen“ Neokonservativen, also Republikaner, sondern auch
Demokraten. Das zeigen einige Mitglieder der gegenwärtigen
Administration von US-Präsident Barack Obama. Zu ihnen ist aus meiner
Sicht auch Strobe Talbott zu zählen, US-Politiker und u.a. von 1993 bis
2000 Vizeaußenminister unter US-Präsident William Clinton, heute
Präsident des US-Thinktanks Brookings Institution. In einem
Beitrag für die Nachrichtenagentur Reuters, veröffentlicht am 16.12.14, schrieb Talbott, dass Putin 2015 vielleicht die „
Totenglocken für die Russische Föderation in ihren gegenwärtigen Grenzen“ hören wird. Dafür werde ein dritter Tschetschenien-Krieg sorgen. Die (gewünschte) Zerstückelung Russlands, die
bereits 1997 von Zbigniew Brzezinski beschrieben
wurde, werde eine Folge der Politik Putins sein, schrieb Talbott. Der
russische Präsident habe dafür gesorgt, indem er verkündet habe,
ethnische Zugehörigkeit und Religion seien Grundlage der russischen
Staatlichkeit, und damit angeblich Aggressionen gegen Nachbarstaaten
begründete. Damit seien Kräfte der Abspaltung in den Gebieten
angestachelt worden, die historisch und kulturell islamisch seien.
Talbott verwies darauf, dass mit dem jüngsten Anschlag in der
tschetschenischen Hauptstadt Grosny sich eine Gruppe für ein „Kaukasus
Kalifat“ auf der Bühne gezeigt habe. Diese habe Verbindungen zu Al
Quaida und zum „Islamischen Stat“ (IS), worauf u.a. ebenfalls ein
Beitrag der Deutschen Welle vom 4.12.14 aufmerksam machte.
Träume von Putins Ende
Anders als Talbott sehen westliche Strategen laut
BILD
russische Oligarchen als „Totengräber“ Putins, weil diese unzufrieden
seien mit dessen Politik. Das wird so offen noch nicht benannt, aber
unter den Oligarchen schon gedacht, wie
Michail Chodorkowski im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung, veröffentlicht am 5.12.14, zeigte. Darin träumte Chodorkowski nicht nur von einer Revolution, sondern sagte auch: „
Putin
hat sich selber in eine Sackgasse gebracht: Sein Nachfolger kann nur
dann der reale Machthaber sein, wenn er Putin zerstört, physisch oder
politisch.“ Laut
BILD wird im Westen gehofft, dass die Folgen der Sanktionen für die russische Wirtschaft den Druck auf Putin erhöhen. „
CDU-Außenexperte
Karl- Georg Wellmann (62) sagte BILD, die Krise in Russlands Wirtschaft
und Gesellschaft werde für die Kreml-Führung um Putin immer
gefährlicher. Ist der Kreml-Chef also schon bald Geschichte?“
Davon träumen anscheinend immer mehr, darunter der russische Anwalt Mark Fejgin, der u.a. „Pussy Riot“ verteidigte und sich als
"liberalen Konservativen und Freund der CDU" bezeichnet. Laut einer
Meldung der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform vom 24.12.14 sagte Fejgin in einem Interview mit einem ukrainischen TV-Sender: "
In
der russischen Gesellschaft beginnt bereits der Wendepunkt, aber dort
wird kein Maidan … sein, dort wird direkt Donbass … sein, weil die
Unzufriedenheit mit der Staatsmacht dort tief und unter dem sehr hohen
Druck versteckt ist." Fejgin gehörte zu den Gründern der Bewegung "Solidarnost", worauf Ulrich Heyden in einem
Interview mit ihm für die Sächsische Zeitung hinwies. An der
Gründung war auch Gari Kasparow, der politisierende Schachspieler, beteiligt. Zu Kasparow habe ich
an anderer Stelle
in einem Kommentar auf einige Informationen zu dessen "Kampf für
Demokratie" und die Unterstützung dabei durch
US-Regierungsorganisationen wie u.a. die USAID hingewiesen. Diese haben
nicht nur über 20 Jahre „
5 Milliarden Dollar für den Staatsstreich“ in Kiew ausgegeben: "
In
den vergangenen 25 Jahren sind Milliarden Dollar von Tochteragenturen
des US-Außenministeriums wie der US-Behörde für Internationale
Entwicklung (von USAID allein fast 3 Milliarden $) und von sogenannten
'privaten Stiftungen' wie dem National Endowment for Democracy, Freedom
House und von dem Soros-Institut für eine Offene Gesellschaft nach
Russland hineingepumpt worden. Alle diese Institutionen, wenn man sie
nach ihren Aktivitäten und den Biographien ihrer Führer beurteilt, haben
direkte Verbindung zum US-Außenministerium, den Geheimdienste, den
Kalten Kriegs und 'Farben-Revolutionen'." So
Veronika Krasheninnikowa in einem von Einar Schleth übersetzten Beitrag vom 15.12.14.
Weiter mit Obama gegen Putin
Mitte Januar 2015 wollen russische Oppositionelle „
ihr Programm zur Lösung der Krise in Russland“ vorstellen, meldete
Ukrinform am 23.12.14. Der erste Punkt des Programms sei „
der sofortige Rücktritt von Präsident Wladimir Putin“, wird der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow zitiert. Außerdem würden „
freie demokratische Wahlen“
angestrebt. Im nächsten jahr könne es aber auch einen Aufstand in
Russland geben, meinte der ehemalige russische Ministerpräsident Mikhail
Kasjanow (2000 – 2004) laut eines
Ukrinform-Berichts vom 18.12.14. Die russischen Geschäftsleute würden nicht revoltieren, dafür aber angeblich die Mittelschicht auf die Straße gehe. „
Die Geduld der Bürger werde im nächsten Jahr ausgeschöpft sein, erzählte der ehemalige russische Premierminister.“ Kasjanow hatte bereits in einem
Interview mit dem Focus, veröffentlicht am 28.9.14, eingeschätzt: "
Ich erwarte den Kollaps in einem Jahr." Es reife der Unmut über Putin. "
Bald wird die Wirtschaftslage so schlecht sein, dass die Menschen ihre Einstellung zu Putin ändern.“ Der inzwischen oppositionelle Kasjanow, halte die Sanktionen gegen Russland für richtig, so der
Focus. Der Westen dürfe diese Praxis nicht lockern.
Das Ziel des Regimewechsels erklärt, warum der Westen weiter an den
Sanktionen gegen Russland festhält. Statt einer Verhandlungslösung im
Ukraine-Konflikt fördere US-Präsident Obama den neuen „Kalten Krieg“,
stellte Jon Queally vom Online-Magazin Common Dreams in einem
Beitrag vom 17.12.14
fest. Für einen Regimewechsel in ihrem Interesse haben jene, die ihn
auch in diesem Fall aktiv betreiben, bisher noch jedes Opfer in Kauf
genommen, erst recht das der Menschen, die angeblich von einem Diktator
befreit werden sollen. Das gilt wie in allen Fällen zuvor nicht minder
für Russland. Dieses riesige Land mit seinen Rohstoffen unter Kontrolle
zu bekommen und zugleich als potenziellen Konkurrenten auszuschalten,
das ist einfach zu verlockend für die herrschenden Kreise der USA und
ihrer europäischen und anderen Vasallen. „
It’s capitalism, stupid“,
ließe sich zugespitzt jenen sagen, die sich darüber wundern oder
überrascht sind. Das macht es angesichts der Folgen aber nicht besser. „
Denn
es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Ausweitung der
Profitzone für die westlichen führenden Konzerne, denen die russischen
Interessen und Unternehmen im Wege sind. Um diese zu überwinden und
beiseite zu räumen, wird sich der Politiker der führenden westlichen
Staaten bedient.“ Das schrieb ich im April in dem Text „
Mit Obama nach Moskau gegen Putin?“ Und fügte hinzu: „
Das deutlich zu machen, vor den Folgen zu warnen und eine Kursumkehr einzufordern, das wäre tatsächlich linke Politik.“
Aber nicht nur hierzulande fürchten sich Linke leider anscheinend mehr
vor dem „Dämon“ Putin als das sie zur Aufklärung über die westliche
Politik gegenüber Russland und die dahinter liegenden Interessen
beitragen.