Bitte beachten:

Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Samstag, 27. Juli 2013

Syrien: Illusionen, Waffen, Palästinenser und Kurden

Ein weiteres Mosaik aus Nachrichten zum Krieg in und gegen Syrien, das nicht mehr als ein Ausschnitt des Geschehens vermitteln kann.

• Die „Rebellen“ in Syrien haben mit einem Angriff auf den Ort Khan Al-Assal in der Provinz Aleppo verhindert, dass die UN-Inspekteure unter Leitung von Ake Sellstrom sich dort ein Bild über einen angeblichen Chemiewaffeneinsatz machen können. Das berichtete u.a. die junge Welt am 26. Juli 2013. Die UN-Delegation sei am 24. Juli 2013 in Damaskus eingetroffen, eingeladen von der syrischen Regierung, die den „Rebellen“ im März vorwarf, in Khan Al-Assal Chemiewaffen eingesetzt zu haben. Der Zeitung zu Folge erklärte der syrische Informationsminister, Omran Al-Zoubi,bei einem Besuch an der Universität Moskau, Syrien werde keine chemischen Waffen einsetzen, „weder gegen Syrer noch gegen Israel“.

• Vertreter der vom Westen und dessen arabischen Verbündeten zusammengezimmerten „Nationalen Koalition“ haben bei einem Treffen in New York mit US-Außenminister John Kerry die USA aufgefordert, sich in die Situation in Syrien einzumischen. Das meldete RIA Novosti am 26. Juli 2013 unter Berufung auf eine Reuters-Meldung. Die USA müssten den Aufständischen mit Waffen helfen und sie in der internationalen Arena unterstützen, hätten die Koalitionsvertreter gefordert. Laut Reuters würden bereits Saudi-Arabien, Katar und die Türkei den Gegnern von Bashar al-Assad Waffen liefern. „Die Treue der USA zur militärischen Unterstützung des Obersten Militärrates ist von lebenswichtiger Bedeutung.“, wird der neue Chef  des Bündnisses, Ahmed al-Dscharba, zitiert. „In dieser Woche hatte sich der Befehlshaber der aufständischen Armee General Selim Idriss schon mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande getroffen“, so RIA Novosti. „Das Ziel des Treffens waren wie auch im Fall mit Kerry Versuche, von äußeren Kräften diplomatische und militärische Hilfe zu bekommen.“ Die Situation für die bewaffneten „Rebellen“in Syrien sei ausweglos, habe Al-Dscharba erklärt. „Wir brauchen dringend Handlungen der USA, um die Weltgemeinschaft zu veranlassen, einen Regimewechsel zu fordern.“
Am 18. Juli hatte RIA Novosti berichtet, dass die „Rebellen“ laut US-Außenminister Kerry „bedeutende Waffenlieferungen“ erhalten hätten.

• Die vom US-Generalstab bekannt gegebenen Angriffspläne gegen Syrien verstoßen laut Russlands Außenminister Sergej Lawrow gegen die Vereinbarung über die Einberufung einer internationalen Syrien-Konferenz, so RIA Novosti am 24. Juli 2013. „Wenn unsere amerikanischen Partner in der Syrien-Frage den Schwerpunkt darauf legen, die Opposition mit Waffen zu beliefern sowie Pläne publik zu machen, an denen allem Anschein nach gearbeitet wird und die Militärschläge gegen Stellungen der syrischen Regierung vorsehen, dann widerspricht das natürlich den Vereinbarungen über die Einberufung einer Konferenz ohne Vorbedingungen“, wurde Lawrow zitiert.

• Hunderte desillusionierte „Rebellen“ nutzen die von den syrischen Behörden versprochene Amnestie und haben ihre Waffen niedergelegt. Das berichtete die britische Zeitung The Telegraph am 23. Juli 2013. Enttäuscht von der islamistischen Wendung der "Revolution" in Syrien, erschöpft nach mehr als zwei Jahren des Konflikts und angesichts der drohenden Niederlage würde eine wachsende Zahl von „Rebellen“ das Amnestieangebot der Regierung annehmen. Ihre Familien würden in Gebiete, die unter Kontrolle der Regierung sind, zurückkehren, weil sie sich dort sicher fühlten. Einer der Desillusionierten, aus Raqqa stammend, sagte der Zeitung: „Ich habe für die Revolution gekämpft, aber jetzt sind die Ideale, für die wir gekämpft haben, verloren gegangen. Meine Stadt wurde von Extremisten erobert, und das Leben dort wurde zu gefährlich. Meine Familie musste in ein Gebiet umziehen, das von der Regierung kontrolliert wird. Assad ist zwar schrecklich, aber die Kräfte, die ihn ablösen könnten, sind noch schlimmer.“ Experten würden jedoch noch keine Anzeichen für einen Massenüberlauf der Oppositionellen zur syrischen Armee sehen, schrieb RIA Novosti am 25. Juli 2013. „Hunderte übergelaufene Kämpfer seien mit der Gesamtzahl der Rebellen nicht zu vergleichen, die auf 50 000 bis 100 000 geschätzt wird. Aus psychologischer Sicht sei das aber ein wichtiger Präzedenzfall.“

• „Wer darauf hofft, ein Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad würde den Krieg in seinem Land beenden, gibt sich Illusionen hin“, stellte ein Beitrag der jungen Welt am 22. Juli 2013 fest. „Der Kampf würde weitergehen, solange eine weltliche Regierung in Damaskus am Ruder ist“, zitierte die Zeitung Muhammad Schalabi, Führer der radikal-islamischen Salafisten in Südjordanien, aus einem Interview mit der arabischen Tageszeitung Al-Hayat. Schalabis Leute seien unter anderem in der südlichen syrischen Provinz Daraa im Einsatz und kämpften an der Seite der berüchtigten Nusra-Front und anderen Gotteskriegern aus dem Irak und den Golfstaaten gegen die Regierungstruppen. „Wir sind nach Syrien gekommen, um nach den Regeln Gottes, des Allmächtigen, zu regieren“, so Schalabi laut junge Welt. Allerdings sei es für die Islamisten schwerer geworden, an den jordanischen Grenzsoldaten vorbeizukommen. Deshalb nähmen viele Kämpfer nun den Umweg über die Türkei. Ankara mache es den Islamisten sehr leicht, über die Grenze ins umkämpfte Aleppo zu kommen.

• Über die Situation der Palästinenser in den zwölf Flüchtlingslagern in Syrien in Folge des Krieges informierte ein Bericht von Karin Leukefeld in der jungen Welt am 20. Juli 2013. Am 17. Dezember 2012 haben danach bewaffnete Gruppen das Palästinenser-Lager in Yarmuk in Damaskus eingenommen, nach außen abgesperrt und zur Kampfzone gemacht. 80 Prozent der rund 800000 palästinensischen und syrischen Einwohner flohen an diesem Tag aus dem Damaszener Stadtteil. Ein palästinensischer Student beschrieb das gegenüber Leukefeld so: „Es war wie in einem Horrorfilm. Tausende Menschen zogen mit dem, was sie zusammenpacken konnten, die Straße entlang und verließen das Lager; Frauen mit Kindern, alte Leute, eine endlose Schlange von Menschen. Wir erlebten zum zweiten Mal die Nakba (Katastrophe) von 1948, als wir aus Palästina vertrieben wurden.“ Von Anfang an habe es unter den etwa 500000 Palästinensern in Syrien verschiedene Meinungen zu dem Konflikt im Land gegeben, wird der Student zitiert. „Eine Meinung war, sich nicht einzumischen, weil die Palästinenser als Flüchtlinge Gäste in Syrien seien. Eine zweite Meinung war, daß die Palästinenser sich einmischen sollten, weil sie seit 1948 in Syrien lebten, Teil der Gesellschaft seien und das Land mit aufgebaut hätten.“ Der Student habe sich anfangs an oppositionellen Demonstrationen beteiligt. „Doch schon bald hätten ihn Parolen, die dort gerufen wurden, davon abgebracht. Forderungen wie eine Flugverbotszone, eine ausländische Intervention oder der Ruf nach Waffen hätten ihn an Libyen erinnert. Der Wunsch der Syrer nach Freiheit und Demokratie sei von den Leuten im Ausland mißbraucht worden. Die Militarisierung der Opposition habe ihn restlich überzeugt, daß das der falsche Weg sei. Schließlich müßsten die Menschen in Zukunft in Syrien zusammenleben, wie solle das gehen, wenn der eine den anderen tötet.“ Die Lage der Palästinenser habe sich verschlechtert, so Leukefeld. Sie seien zwischen die Fronten geraten und zum Teil auch von der Armee angegriffen worden wegen des Verdachtes, die Opposition zu unterstützen, und weil sich einige den „Rebellen“ angeschlossen hätten.

• Im Norden Syriens bekämpfen sich Kurden und Dschihadisten, berichtete u.a. die Neue Zürcher Zeitung am 20. Juli 2013. „Dabei geht es um die Kontrolle der Grenzübergänge zur Türkei und der Ölfelder im nordöstlichen Zipfel des Landes“, so der Korrespondent der Zeitung, Jürg Bischoff. „Die Milizionäre der kurdischen Partei der Demokratischen Einheit (PYD), eines Ablegers der türkischen Kurdenpartei PKK, scheinen die Überhand zu haben.“

Bahnunglück: Weitere vorhersehbare Katastrophe

Der entgleiste Hochgeschwindigkeitszug in Spanien erinnert an die ICE-Katastrophe in Eschede 1998. Damals und heute gilt: Das war vorhersehbar und nicht unvermeidbar.
Die Zugkatastrophe in Santiago de Compostela erinnert mehrfach an die ICE-Katastrophe vor etwas mehr als 15 Jahren: Ein Hochgeschwindigkeitszug entgleist, es gibt viele Tote und neben möglichem menschlichen Versagen gibt es technische Ursachen. Beim verunglückten ICE waren es neben unsicheren Radkonstruktionen eine Brücke auf der Strecke, dem mit 200 km/h fahrenden Zug zum Verhängnis wurde. Beim spanischen "Alvia" war es zu hohe Geschwindigkeit in einer Kurve, die Berichten zu Folge als "zu eng" gilt und nicht für Geschindigkeiten wie die gemeldeten 190 km/h des Uglückszuges ausgelegt. Hinzu kommen inzwischen Informationen über ein mangelhaftes Tempokontrollsystem.
Als ich davon hörte erinnerte ich mich an einen damaligen Beitrag in der jungen Welt zur ICE-Katastrophe. Diese sei vorausgesagt worden, hieß es da mit Hinweis auf einen Aufsatz des Statistikers Werner DePauli- Schimanovich-Göttig von der Universität Wien vom Januar 1997. Dieser habe die Katastrophe bis auf die Zahl der Todesopfer vorhergesagt. Der Text vom 8. Juni 1998 ist online nicht frei zugänglich, aber ich habe den gedruckten Beitrag in meinem Archiv, gewissermaßen analog ausgeschnitten. Bis heute verblüfft mich, was da zu lesen war: "Im Januar 1997 wurde die Katastrophe bis auf die Zahl der Todesopfer vorhergesagt. Der Statistiker Werner DePauli- Schimanovich-Göttig von der Universität Wien schrieb damals in einem Aufsatz über die Alternativen Transrapid oder Hochgeschwindigkeitszug am Beispiel der französischen Variante: »Dem Weltgeist sei gedankt, daß es bisher noch keinen tödlichen Unfall mit dem TGV gegeben hat. Statistisch gesehen ist das jedoch nur eine Frage der Zeit, wann der nächste TGV entgleist, und dann wird es ca. 100 Tote geben.« Er forderte außerdem für alle Züge eine völlig neue Radkonstruktion mit zwei Spurkränzen, »auch wenn 100mal Techniker behaupten: das Problem der Entgleisbarkeit haben sie im Griff, und die jetzigen (Einfach- Spurkranz-)Räder genügen völlig.«"
Zwei Tage später veröffentlichte das Blatt ein Interview mit dem vorhersagenden Wissenschaftler aus Wien. Daraus ein Auszug:
"F: In einem Aufsatz vom Januar '97 haben Sie im Prinzip die ICE-Katastrophe vorausgesagt. Sie schrieben dort, daß es nur eine Frage der Zeit sei, wann es zu einem solchen Fall kommt, und daß es - wörtlich - »ca. 100 Tote« geben wird. Sie bezogen sich dabei aber auf den TGV.
Das ist eine generelle Kritik an den Hochgeschwindigkeitszügen der Radschienensysteme. Und damit war der ICE natürlich genauso gemeint wie der TGV, was schon aus dem Titel dieses Artikels hervorging. Der TGV ist ja sicherheitstechnisch besser als der ICE ausgerüstet, also kann man fast sagen, daß es beim ICE ein bißchen wahrscheinlicher war, daß der Unfall zustande kam.
F: Warum war das wahrscheinlicher?
Mein Vorteil ist, daß ich interdisziplinär arbeite, und daher weniger Scheuklappen habe als die reinen Techniker. Ich bin zwar kein Statistiker, arbeite jedoch an meinem Institut mit Statistikern zusammen. Und da bekommt man ein Gefühl für Prognosen und die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen. Ein Supergau, der möglich ist, der tritt dann auch irgendwann mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit ein. Das kann ich nur auf Grund meines methodischen Herangehens als Ingenieur beurteilen. Da lassen sich oft keine rationalen Argumente im Sinne der Naturwissenschaft finden.
F: Teilweise wird in der Debatte um die Ursachen der Katastrophe auf die Brücke verwiesen. Hätte die da nicht gestanden, wäre es nicht so schlimm geworden, heißt es.
Damit fängt es an. Diese Brücke fordert die Möglichkeit eines solch schweren Unfalls fast heraus. Und wenn es nicht diesmal gewesen wäre, dann wäre es - rein statistisch gesehen - halt in 20 Jahren passiert. Was ich fordere ist, daß auf vorhandenen Bahntrassen keine Hochgeschwindigkeitszüge mit 260 kmh fahren dürfen, sondern daß jeder Zug, der schneller als 160 kmh fährt, einfach in Hochlage in einer Wanne gebaut werden muß."
Ich halte die Aussagen von DePauli- Schimanovich-Göttig weiterhin für bedenkenswert, auch in bezug auf das jetzige Zugunglück und ebenso in der Diskussion des Schienenverkehrs und der Hochtechnologie und ihrer Risiken. Zudem ist damals wie heute die Frage nach dem Profitinteresse bei Bahnbetreibern und Herstellern sowie dem Profit geschuldeten Verzicht auf notwendige Investitionen für mehr Sicherheit zu stellen.

Mittwoch, 24. Juli 2013

NSA-Gate: Wissen und Nichtwissen der Angela Merkel

Die Bundeskanzlerin gibt die Un- bzw. Wenigwissende, was die Abhör- und Spionageaktionen der NSA und die Beteiligung bundesdeutscher Dienste angeht. Das hat Prinzip.

Die Unwissenheit von Angela Merkel über Umfang und Details der Spähprogramme von NSA & Co. dürfte zum Teil gespielt und zum Teil echt sein. Merkel weiß sicher mehr, als sie zu gibt, aber auch nicht alles. Soweit es erkennbar ist, folgt die bundesdeutsche Politik in diesem Fall einem Muster der US-amerikanischen Politik: Hohe Regierungsbeamte hecken eine geheime Operation aus, die ohne Zustimmung des jeweiligen US-Präsidenten nicht durchgeführt werden darf. Aber das Ganze wird so organisiert, dass im Fall des Scheiterns nicht nachweisbar ist, dass der Präsident etwas damit zu tun hat.

Das entsprechende Gremium der USA für geheime Operationen im Ausland zum Beispiel wurde 1955 ins Leben gerufen und wechselte seitdem mehrmals den Namen: Von der "Special Group" des Nationalen Sicherheitsrates (NSC) zum "303 Committee", danach "40 Committee", "Operations Advisory Group", später "NSC Special Coordination Committee". Die letzten Informationen sprechen von der "National Security Planning Group" in den 80er Jahren. In welcher Form und unter welchem Namen dieses Gremium weiterarbeitet, ist mir nicht bekannt. Fletcher L. Prouty zu Folge gehörten dem Gremium meist der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten als dessen Vertreter, ein Vertreter des US-Außenministeriums, einer aus dem Kriegsministerium, dem Pentagon, der CIA-Direktor und seit US-Präsident John F. Kennedy auch der US-Generalstabschef an. In der BBC-Dokumentation "Death in the Water" (2003) von Christopher Mitchell über den Angriff israelischer Flugzeuge und Schnellboote auf das US-Spionageschiff "USS Liberty" bestätigt der Ex-CIA-Chef Richard Helms das "303 Committee" (auch "Committee 303" geschrieben). Laut Helms plante und entschied es verdeckte Aktionen der USA im Namen des US-Präsidenten. Das sei so geschehen, dass der Präsident bei einem Scheitern nicht belastet werden könne, erklärte Ex-CIA-Chef in dem BBC-Film.

Ich weiß nicht, ob es in der Bundesrepublik ein vergleichbares Gremium gibt. Bekannt ist der Bundessicherheitsrat, ein Ausschuss der Bundesregierung. Aber nicht das Gremium ist aus meiner Sicht das Entscheidende, sondern das Prinzip und die Arbeitsweise. Merkels erste ausweichende Antworten, dass sie vom NSA-Programm "Prism" erst aus den Medien erfahren habe, und zur Beteiligung deutscher Geheimdienste, erinnerten daran. Natürlich muss, wer an der Spitze einer Regierung steht, nicht alle Details der Arbeit der Regierung und ihrer Behörden kennen und sich dabei auf den Apparat verlassen. Die Frage ist aber, was muss der- bzw. diejenige unbedingt wissen. Wenn es um die Sicherheit und Souveränität des eigenen Landes und den Schutz von dessen Bürger und der Verfassung geht, sollten jene an der Spitze nicht unwissend sein. An die erwähnte US-amerikanische Variante musste ich endgültig denken, als ich bei Spiegel online am 22. Juli 2013 von "Merkels Schutzschild" las: Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, zuständig auch die für Geheimdienste. "Wenn es gut läuft in der Regierung, dann ist es das Verdienst der Kanzlerin. Wenn es schlecht läuft, liegt es an ihm, dem Kanzleramtsminister.", heißt es passenderweise in dem Beitrag.
Die Behauptung, dass Pofalla nicht wußte und weiß, was und in welchem Umfang die US-Geheimdienste auf deutschem Boden und mit ihnen gemeinsam die deutschen Dienste trieben und treiben, dürfte entweder von drastischer Unfähigkeit künden oder eine Lüge sein. Sollte sich das herausstellen und nachweisen lassen und immer mehr über die Beteilugung deutscher Dienste bekannt werden, dann dürfte der Kanzleramtsminister das Bauernopfer sein. Selbst dann würde er Merkel also noch schützen und die Kanzlerin wäre ein weiteres Mal davor bewahrt, selbst Schaden zu nehmen. Und genau darum geht es bei dem erwähnten Prinzip. Für das, was geschehen ist und weiter geschieht, was die geheimen Dienste und Organisationen der USA und der Bundesrepublik einzeln und gemeinsam hierzulande betreiben und was häppchenweise öffentlich wird, ist und bleibt die Bundeskanzlerin verantwortlich. In welcher konkreten Form das umgesetzt wird oder auch nicht, das kann eben nicht nachgewiesen werde. Notfalls hat einer aus dem Apparat Mist gebaut und muss dafür gehen. Merkel hat schon mal Pofalla ebenso wie Innenminister Hans-Peter Friedrich das berühmte "vollste Vertrauen" ausgesprochen, dem in anderen Fällen Rücktritte folgten.
 
Aber all das wird die Bundestagswahl im September dieses Jahres nicht wirklich beeinflussen. Es dürfte auch diesmal gelten, was US-Präsident Barack Obama schon vor der Wahl vor vier Jahren gegenüber Merkel sagte: "Ach, Sie haben schon gewonnen. Ich weiß nicht, worüber Sie sich immer Sorgen machen." Er kennt sich aus mit dem Teflon-Prinzip in der Politik. Es wirkt auch hierzulande immer besser.

Dienstag, 23. Juli 2013

Syrien: Kapitulieren die Regimewechsler?

Einige aktuelle Meldungen deuten darauf hin, dass die westlichen Regimewechsler begreifen, dass sie in Syrien gescheitert sind. Das Ende des Krieges bedeutet das nicht.

„Westen gesteht seine Niederlage in Syrien ein“ – unter dieser Überschrift gab RIA Novosti am 19. Juli 2013 eine Reuters-Meldung vom Vortag wieder. Einer der britischen Gesprächspartner von Reuters meint, dass sich die westliche Einschätzung des syrischen Konfliktes geändert habe. „Wir waren der Meinung, dass Assad nur wenige Monate durchhalten könne. Jetzt sind wir der Meinung, dass er mehrere Jahre an der Macht bleiben kann.“ Dass Großbritannien deshalb und aufgrund der öffentlichen Meinung gegen eine Intervention doch darauf verzichtet, wie erst angekündigt die „Rebellen“ in Syrien zu bewaffnen, ist gut. Doch eine aktive westliche Politik für eine friedliche Lösung bleibt weiter Fehlanzeige.

Die Informationen aus Großbritannien passen zu entsprechenden Meldungen aus den USA. Die Nachrichtenagentur AP hatte am 18. Juli 2013 berichtet, dass US-Generalstabschef Martin Dempsey bei einer Anhörung im US-Kongress am eingestand: Die syrische Armee hat die Oberhand gegenüber den „Rebellen“ gewonnen. Auch die von den USA angekündigte Waffenhilfe für die „Rebellen“ verzögert sich, wie u.a. der österreichische Standard am 15. Juli 2013 meldete. Demokratische und republikanische Abgeordnete im US-Kongress seien besorgt, dass die Waffen in falsche Hände gelangen könnten, wie die islamistische Nusra-Front. „Zwar hat die USA keinerlei Ambitionen, im Bürgerkrieg in Syrien militärisch zu intervenieren“, meint der Standard. Doch die Planungen dafür werden fortgesetzt.

Ein Bericht der US-Onlinezeitung World Tribune vom 31. Mai 2013 hatte darauf hingedeutet, dass die westlichen und arabischen Regimewechsler und deren als „Rebellen“ bezeichneten Bodentruppen inzwischen anscheinend nicht nur militärisch zunehmend das Nachsehen haben. Syriens Präsident Bashar al-Assad gewinne den Krieg um die Köpfe und Herzen der Syrer, so der Bericht, der sich auf NATO-Untersuchungen berief. Das Material stütze sich auf Angaben vom Westen unterstützter Aktivisten und Organisationen, die in Syrien bei Hilfsprojekten arbeiteten. Danach würden bis zu 70 Prozent der Syrer inzwischen Assad und die syrische Regierung unterstützen, vor allem, nachdem islamistische Terrorgruppen die Oberhand bei den „Rebellen“ gewannen. Selbst Sunniten fänden inzwischen die Islamisten „weit schlimmer als Assad“ und hätten genug vom Krieg. Immer mehr von ihnen würden das Vorgehen der syrischen Armee gegen die „Rebellen“ unterstützen.

Doch die westliche Zurückhaltung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass den „Rebellen“ weiter geholfen wird. Sie bekommen neben der Unterstützung aus Katar schon lange solche auch aus Saudi-Arabien. Es scheint, dass das Königreich der Ölquellen für den Westen in die Bresche springen will. „Die Saudi sind nicht mehr bereit, wegen westlicher Zweifel eine Niederlage der syrischen Aufständischen zu riskieren“, stellte der Nahost-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung Jürg Bischoff am 2. Juli 2013 fest. Ein verhinderter Regimewechsel in Damaskus würde als Triumph des Irans gesehen, der Syrien unterstützt. „Wie bedroht sich die Herrscher am Golf fühlen, zeigt sich daran, dass sie die sunnitischen Prediger und Gelehrten nicht mehr davon abhalten, zum Jihad in Syrien aufzurufen. Mit der Schürung des konfessionellen Hasses auf die Schiiten werden die Sunniten zusammengeschweisst und mobilisiert.“ Bischoff weist daraufhin, dass die US-Amerikaner und ihre saudischen Partner nun Jordanien als Stützpunkt für die Hilfe an die „Rebellen“ ausbauen. Dass das saudische Engagement gar gegen den Willen der US-Regierung geschieht muss bezweifelt werden. Zu eng ist die Partnerschaft zwischen dem Öl-Königshaus und der Regierung in Washington, was sich schon bisher beim Krieg gegen und in Syrien zeigte. „Die saudische Politik in Bezug auf Syrien wird eng mit den Vereinigten Staaten koordiniert“, stellte u.a. die israelische Zeitung Haaretz im Juli 2012 in einem Bericht über den „CIA-Favoriten“ und saudischen Geheimdienstchef Prinz Bandar bin Sultan fest, der die Grundlage für ein Syrien nach Assad gelegt habe. Beide Länder verfolgten wie Israel das Ziel, den Iran von seiner „wichtigsten arabischen Basis“ zu trennen und die Waffenlieferungen an die Hisbollah einzudämmen. Das Gleiche gilt für Katar, das u.a. von den USA organisierte Waffenlieferungen z.B. aus Kroatien an die Rebellen finanzierte. Darauf hatte ich schon mehrmals hingewiesen, u.a. hier.

Und da ist da noch Israel, das wie die USA und die Ölscheichs den iranischen Einfluss zurückdrängen will. Die israelische Regierung hat laut Haaretz vom 15. Juli 2013 ihren Widerstand gegen die westlichen Pläne, die "Rebellen" in Syrien zu bewaffnen, aufgegeben. Anlass dafür sind die militärischen Fortschritte der syrischen Armee, unterstützt von Hizbollah-Kämpfern und aus dem Iran. Bisher sei davor gewarnt worden, dass westliche Waffen in die Hände von islamistischen Gruppen geraten könnten, die diese dann gegen Israel einsetzen würden. Israelische Regierungsbeamte sind laut Haaretz aber inzwischen besorgter, dass in dem Krieg im Nachbarland proiranische Kräfte die Oberhand gewinnen und Präsident Assad sich endgültig auf die Seite Teherans begeben habe. Deshalb ist die israelische Regierung der Zeitung zu Folge noch mehr bereit, Waffenlieferungen aus den Golfstaaten an die sunnitischen "Rebellen" in Syrien zu akzeptieren.

Die führenden westlichen Staaten und ihre Politiker hätten längst zum Frieden beitragen können, wenn sie wollten. Daran muss immer wieder erinnert werden. Sie wollen aber nicht zu einem Frieden beitragen, der nicht ihren Interessen entspricht. Das zeigte eine Meldung von RIA Novosti am 28. August 2012 auf Grundlage eines Interviews des britischen Independent mit dem syrischen Außenminister zeigte: „Westliche Diplomaten haben laut Syriens Außenminister Walid Muallem Syrien versprochen, die Krise im Lande zu regeln, wenn Damaskus seine Beziehungen mit dem Iran und der schiitischen Gruppierung Hesbollah abbricht.“

Nachtrag von 11.08 Uhr: Die New York Times berichtete in ihrer Onlineausgabe am 22. Juli 2013, dass US-Generalstabschef Dempsey in einem Brief an den US-Kongress auf die Milliardenkosten einer möglichen direkten Intervention in Syrien aufmerksam gemacht habe. Der oberste US-Militär habe gewarnt, dass eine Entscheidung, dennoch einzugreifen" nicht weniger als ein Akt des Krieges" sei. Die Zeitung schreibt, dass das Weiße Haus anerkannt habe, dass der geplante Sturz Assads "in absehbarer Zeit" nicht erreichbar sei. Die US-Regierung richte sich darauf ein,  dass Assad Präsident bleibe, aber nur in einem geteilten Syrien. Andrew J. Tabler vom Washington Institute für Near East Policy deutete der New York Times gegenüber an, dass das Ziel des Regimewechsels zwar während Obamas Präsidentschaft bis 2016 nicht mehr erreicht, aber dennoch nicht aufgegeben werde: "Wir sind dabei in einer langen 'Ochsentour'".

Nachtrag von 11.49 Uhr: Der US-Kongress habe inzwischen auch seine Bedenken zu den Waffenlieferungen an die "Rebellen" zurückgenommen, berichtete Reuters am 22. Juli 2913. Es gebe zwar "immer noch starke Vorbehalte", aber die zuständigen Kongress-Ausschüsse seien u.a. von Außenminister John Kerry überredet worden, damit die Lieferungen im August beginnen können. 

Freitag, 19. Juli 2013

USA drohen Syrien weiter

Die USA stellen fest, dass in Syrien die Armee gegen die „Rebellen“ zu gewinnen scheint. Das darf nicht sein und soll verhindert werden, auch mit israelischer Hilfe.

Die US-Regierung plant weiterhin eine direkte Intervention in Syrien, um ihr Ziel des Regime-Change doch noch zu erreichen. Der syrische Präsident Bashar al-Assad soll anscheinend um jeden Preis gestürzt werden. US-Generalstabschef Martin Dempsey hat Meldungen vom 19. Juli 2013 zu Folge Präsident Barack Obama mehrere Optionen für einen US-Militäreinsatz in dem seit zweieinhalb Jahren umkämpften Land vorgelegt. Danach erklärte Dempsey bei einer Anhörung im US-Kongress am 18. Juni 2013 auch, warum die Pläne immer noch nicht vom Tisch sind: Die syrische Armee hat die Oberhand gegenüber den „Rebellen“ gewonnen.

Dempsey sprach den Meldungen zu Folge von möglichen „kinetischen Angriffen“ auf Syrien. Das führte wohl zu einigen Spekulationen, was damit gemeint sein könnte. Es handelt sich dabei um nicht mehr, aber um nicht weniger als um Militärschläge mit Bomben und Cruise Missiles (Marschflugkörpern) sowie mit Drohnen. Neben anderen kritisierte selbst der konservative US-Radiomoderator Rush Limbaugh den schon unter George W. Bush eingeführten Begriff. Mit diesem werde verschleiert, um was es wirklich geht: Krieg.

Israel hat anscheinend schon mal vorgearbeitet für mögliche US-Angriffe auf Syrien: Die Explosionen im syrischen Hafen Latakia am 5. Juli seien Folge eines Angriffs von Israel, dessen Ziel darin bestand, russische Antischiffsraketen des Typs „Jachont“ zu vernichten. Das hatte laut RIA Novosti  vom 13. Juli 2013 der US-Sender CNN am Vortag gemeldet und sich dabei auf drei voneinander unabhängige Quellen in der US-Regierung berufen.  Zudem hätten die USA und die Türkei die Aktion unterstützt, meldete u.a. die taz am 15. Juli 2013. Dabei sollen aber nicht Kampfjets, sondern erstmals ein von der Bundesrepublik an Israel geliefertes U-Boot eingesetzt worden sein. Das berichtete laut RIA Novosti vom 14. Juli 2013 die Sunday Times.

Der israelische Premier  Benjamin Netanjahu wollte die Informationen nicht kommentieren, so RIA Novosti am 15. Juli 2013. Diese Reaktion gilt als üblich, wenn die israelische Armee fremdes Territorium angreift: Es wird nicht kommentiert, auch nicht dementiert. Israels Politiker und Militärs setzen auch darauf, dass schon ein solches Gerücht abschreckende Wirkung hat. Dass es sich bei der CNN-Meldung um mehr als ein Gerücht handeln dürfte, davon zeugen Aussagen des US-Nahost-Experten Wayne White vom Washingtoner Middle East Institute hatte RIA Novosti gegenüber am 10. Juni 2013. Er sagte, dass Israel „sehr wahrscheinlich“ russische Waffensysteme für Syrien wie die Luftabwehrraketen S-300 „sofort angreifen und unschädlich machen“ würde.

Israel behauptet, dass es sich von den russischen Defensivwaffen S-300 und „Jachont“ für die syrische Armee bedroht fühle. Zudem bestünde die Gefahr, dass sie an die libanesische Hisbollah übergeben werden könnten. Das halten Beobachter aber für absurd: „Syrien hatte bestimmt nicht geplant, die S-300 der Hisbollah zu übergeben und auch, dass Damaskus bereit gewesen sein soll, die russischen Jachont-Raketen mit den libanesischen Schiiten zu teilen, ist äußerst unwahrscheinlich“, zitierte RIA Novosti am 16. Juli 2013 das russischsprachige Onlineportal Newsru.Israel. Beide Waffensysteme gelten dagegen als mögliche Hindernisse für eine direkte Intervention der USA und ihrer Verbündeten in Syrien. „Die neuen Antischiffsraketen könnten für das Assad-Regime wichtig werden, falls ausländische Regierungen in den Bürgerkrieg eingreifen sollten“, hatte der Schweizer Tages-Anzeiger am 18. Mai 2013 festgestellt.

Mittwoch, 17. Juli 2013

Fundstück Nr. 32 – "Gerechter Krieg"

Eine Dokumentation zeigt, dass das angebliche Positivbeispiel Alliierte gegen das faschistische Deutschland nicht sogenannte humanitäre Interventionen rechtfertigen kann.

Wer "humanitäre Interventionen" und die Idee des "gerechten Krieges" verteidigt, verweist in den Debatten dazu oftmals darauf, dass doch beispielsweise der Krieg der Anti-Hitler-Koalition gegen das faschistische Deutschland notwendig gewesen sei. Dieser gilt als gewissermaßen bestes Beispiel für einen gerechten Krieg. Die historische Bedeutung des Sieges über das faschistische Deutschland 1945, an dem die Sowjetunion damals einen entscheidenden Anteil hatte, steht für mich außer Frage. Aber ob der Zweite Weltkrieg als Argument für "gerechte Kriege" taugt, mit dem alle nachfolgenden Kriege gegen "Diktatoren" gerechtfertigt werden können, das bezweifle ich sehr. Grund dafür ist der Blick auf die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges und die Frage, wer diesen erst möglich gemacht hat.

Neue Nahrung für meine Zweifel fand ich, als ich am 10. Juli auf Phoenix erneut die Dokumentation von Patrick Barbéris "Das Öl-Zeitalter" aus dem Jahr 2009 sah. Da ist ab Minute 41:01 folgendes Interessantes zum Thema zu hören und zu sehen:

"(Off-Stimme) 1936 verkündet Hitler anläßlich der Eröffnung der Berliner Automobil-Ausstellung: 'Die deutsche Treibstoffproduktion muss so schnell wie möglich vorangetrieben werden. Diese Aufgabe erfordert die gleiche Entschlossenheit wie eine Krieg, den von ihrer Erfüllung hängt die künftige Kriegführung ab.'
Shell-Chef Henry Deterding, ein Anhänger der Nationalsozialisten, will Hitler Erdöl auf Kredit verkaufen. Der Verwaltungsrat zwingt ihn zum Rücktritt.
Es waren große US-Firmen, deren aktive Unterstützung aus Sympathie für die Nazis die Wiederbewaffnung und Reindustrialisierung Deutschlands erst möglich machte.
Jamie Kitman, Journalist: Alfred Sloan war von den 20ern bis in die frühen 50er Jahre hinein Vorsitzender von General Motors. In den späten 30ern erhielt er einen Brief von einer Aktionärin, den wir in den Archiven fanden. Sie schrieb: 'Wir machen Geschäfte in Deutschland über unsere Opel-Tochter. Wir bauen LKWs für das Nazi-Regime. In der Zeitung habe ich gelesen, dass sie dort Juden töten und die Menschen in den Straßen zusammentreiben. Wie können wir Geschäfte mit diesen Leuten machen? Ich bin Aktionärin und mir gefällt das nicht.' Und Sloan schrieb in herablassender Weise zurück: 'Madame, die dortige Politik interessiert uns nicht. Wir verkaufen Autos, mehr nicht.'
Richard Overy, Historiker: Die Deutschen hatten Probleme bei der Herstellung von synthetischem Öl. Ihnen fehlten einige chemische Zutaten, die für das verfahren notwendig waren, z.B. Ethyl. Die bekamen sie von amerikanischen Unternehmen, wie etwa Dupont.
Nun heißt es immer: Das Geschäft geht vor und für Geschäfte finden sich immer Mittel und Wege.
Die Verbindung zu Dupont war aber in Wahrheit viel enger. Zahlreiche Abkommen zwischen Dupont und dem Chemiegiganten I.G. Farben z.B. regelten die Aufteilung der Absatzmärkte und den technischen Informationsaustausch. Es herrschte also eine sehr enge Verbindung zwischen amerikanischen und deutschen Unternehmen.
Kitman: Standard Oil half bekanntlich den Deutschen bei der Entwicklung eines Systems, um aus Kohle synthetisches Öl zu gewinnen. Die Deutschen hatten jede Menge Braunkohle, aber kaum Öl. Deshalb versorgte sie Standard Oil nicht nur bereitwillig mit Öl, sondern lieferte auch noch am Vorabend des deutschen Überfalls auf Polen 500 Millionen Tonnen Tetraethylblei. Da war noch keine Fabrik in Betrieb. Natürlich wusste Standard Oil, dass da etwas im Busch war.
(Off:) Im September 1939 laufen in Deutschland 14 Werke zur Herstellung von Synthetiköl auf Hochtouren. Sechs weitere sind im Bau. Ohne das von den US-Firmen DuPont, General Motors und Standard Oil gelieferte Ethyl hätte die deutsche Luftwaffe 1940 gar nicht fliegen können. ...
Kitman: Heute wissen wir, dass General Motors Mitarbeiter in Deutschland hatte, die noch 1943 Geld in die USA überwiesen. Der Konzern baute also noch lange nach dem Kriegseintritt der USA LKWs für die Nazis. Sie fuhren mit Kraftstoff aus Fabriken, die mit Hilfe von General Motors, DuPont und Standard Oil zustande gekommen waren. Zur Rechenschaft gezogen wurde dafür niemand.
(Off:) Ein 1942 eingerichteter Untersuchungsausschuss unter Leitung des späteren US-Präsidenten Harry S. Truman beschuldigt die Ölmagnaten 1945 des Landesverrates. Doch die Realität geht vor Moral. …"

Die beiden Teile der überhaupt interessanten Dokumentation über das Öl-Zeitalter sind bei Youtube nachschaubar, u.a. hier. Darin ist auch zu erfahren dass beispielsweise Standard Oil schon im Ersten Weltkrieg die Entente-Staaten wie auch Deutschland gleichzeitig mit Öl versorgte und das nach dem Kriegseintritt der USA weiter tat.

An anderer Stelle hatte ich schon einmal bemerkt: "Die Alliierten in West wie Ost dachten lange nicht daran, einen Krieg zu führen, um Europa von den deutschen Faschisten und die von den deutschen Faschisten Versklavten zu 'befreien' und die Ermordeten zu rächen. Erst als Deutschland ihre Einflusssphären und Territorien bedrohte und überfiel, griffen auch sie zu den Waffen." Bis dahin hoffte ja mancher westliche Politiker, dass Hitler nur gegen die russischen Bolschewisten losmarschiert. Gegen die Kommunisten, die der Westen gern auch bekriegt und von der Landkarte gefegt hätte, hätten sie Hitler vielleicht sogar geholfen ... "Wir haben das falsche Schwein geschlachtet", soll Winston Churchill ja passenderweise nach dem Sieg über das faschistische Deutschland gesagt haben.

Nachtrag vom 18.7.13: Ulrich Völklein hat übrigens in seinem 2002 veröffentlichten Buch "Geschäfte mit dem Feind" ausführlicher über "Die geheime Allianz des goßen Geldes während des Zweiten Weltkrieges auf beiden Seiten der Front" berichtet.

Natürlich passt dieses Fundstück auch zum Thema, das Max Horkheimer 1939 so beschrieb: "Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen."

Mittwoch, 10. Juli 2013

Von Stabilität reden und für Zerfall sorgen

Bei Syrien zeigt sich wieder, warum Mißtrauen notwendig ist, wenn westliche Regierungen und Politiker anderen Ländern zu Demokratie und Freiheit und Stabilität verhelfen wollen und von "Responsibility to Protect" reden.

Es gehe um ein stabiles Syrien, begründete US-Präsident Barack Obama die indirekte und direkte Einmischung der USA. „Wir arbeiten an einem stabilen Syrien, dass alle Volksgruppen und Religionen beinhaltet, das ist im Interesse aller“, behauptete er unter anderem im Mai 2013, als ihn der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan besuchte. Was davon zu halten ist und was Syrien tatsächlich droht, zeigen andere Länder, in denen die USA und ihre Verbündeten sich direkt einmischten, angeblich um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu bringen.

Allein in diesem Jahrtausend gibt es schon drei Beispiele dafür: Da ist Afghanistan, wo die USA samt westlicher und anderer Verbündeter zwölf Jahr lang Krieg führten, angeblich gegen die Taliban. Das Ergebnis: Die westlich geführte Koalition zieht sich zurück und die USA sprechen mit den Taliban, ohne auf den afghanischen Präsidenten, ihre Marionette Hamid Karzai, zu warten. Die Nato-Staaten wollen nach ihrem Abzug „zumindest kein völliges Chaos hinterlassen“, beschrieb Christoph Sydow bei Spiegel online am 20. Juni 2013 das Gesprächsmotiv. „Von den hehren Zielen, die 2001 vom Westen für Afghanistan ausgegeben wurden - Demokratie, Menschenrechte, verantwortliche Regierungsführung - haben sich die Isaf-Staaten ohnehin längst verabschiedet“, stellte Sydow fest. „Solange die Taliban künftig darauf verzichten, ihren Herrschaftsbereich zum Rückzugsraum für internationale Terroristen zu machen, dürfen sie dort schalten und walten, haben die USA signalisiert.“ „Afghanistan zerfällt“, war in der jungen Welt am 29. Juni 2013 zu lesen. Das Blatt zitierte aus einer Analyse des EU-Geheimdienstes INTCEN: „Das Land wird in Machtbereiche lokaler Warlords, der Taliban und der Mafia zerfallen.“ Das sei das „wahrscheinlichste Szenario“ nach dem offiziellen Abzug der internationalen Besatzungstruppen 2014.

Der Irak ist ein weiteres Beispiel und war 2003 nach Afghanistan das nächste Opfer westlicher Kriege unter dem Propagandadeckmantel Freiheit und Demokratie und Schutz des Weltfriedens. Noch 2005 behauptete Ex-US-Präsident George W. Bush, der irakische Staatschef Saddam Hussein sei gefährlich gewesen und die Welt ohne ihn sicherer geworden. Was das für das überfallene Land bedeutete, beschrieb der irakische Schriftsteller Najem Wali in einem Beitrag für die taz am 10. März 2013 so: „Ein komplett gescheiterter Staat“. Die US-Truppen und ihre Verbündeten, die vor zehn Jahren „unter dem Vorwand, die Fackel der Demokratie ins Land tragen zu wollen, und mit dem starken Argument, nach Massenvernichtungswaffen zu suchen“, den Irak überfielen, hätten stattdessen „Angst und Zerfall über das Land gebracht“. „Wer heute im Irak lebt oder wer sich in den Straßen Bagdads umschaut, braucht weder Theoretiker für Demokratie noch Spezialist in Wirtschaft oder Politik zu sein, um sich ein anschauliches Bild von dem Chaos und dem Verfall zu machen, die allerorts um sich greifen.“, berichtete der Schriftsteller. Berichte von UN-Organisationen und NGOs bestätigen das düstere Bild, so Joachim Guilliard im Mai 2013 in einer Analyse über die „Gezielte Zerstörung - Zehn Jahre Krieg der USA im Irak“. „Die Infrastruktur, das Gesundheits- und das Bildungssystem des Iraks sind nach wie vor vom Krieg verwüstet“, habe u.a. das „Costs of War Project“ an der renommierten Brown University im US-Bundesstaat Rhode Island festgestellt. Etwas Absurdes, das u.a. der Politikwissenschaftler Jochen Hippler schon 2007 beschrieb, gilt immer noch: „In einem klassischen Ölland wie dem Irak müssen Autofahrer lange Zeit damit verbringen, an Tankstellen für Benzin anzustehen.“ „Die einzig realistische Strategie, den Zerfall des irakischen Staates aufzuhalten, liegt in einer weitgehenden Dezentralisierung staatlicher Funktionen“, so Guido Steinberg von der regierungsfinanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Juli 2007. Fünf Jahre später stellte Jan Jessen in der Westdeutschen Allgemeinen am 18. Dezember 2012 immer noch fest, dass dem Irak der Zerfall drohe, obwohl Obama behauptet habe „„Wir hinterlassen einen souveränen, stabilen und selbstständigen Irak“ Und im Gespräch mit Radio Bremen sagte Hans Sponeck, ehemaliger Irak-Beauftragter der UNO, am 22. März 2013: „Das Bild, das sich jetzt im Irak zeigt, ist das Bild des totalen Chaos.“

Der nächste Fall in dieser Reihe, die dem Domino-Prinzip zu gehorchen scheint, ist Libyen. Auch dieses nordafrikanische Land sollte angeblich von einem brutalen Diktator mit Hilfe von NATO-Bomben befreit und in die lichte Zukunft von Demokratie und Freiheit geführt werden. Die Zivilbevölkerung müsse vor Muammar al Gaddafi geschützt werden, behaupteten die westlichen Menschenrechtskrieger und fanden auch genügend, die ihnen das glaubten. Doch selbst Bundeswehr-General und Ex-KFOR-Oberbefehlshaber Klaus Reinhardt wußte und sagte gegenüber NDRinfo am 5. November 2011: „Der Hauptgrund war, dass man Gaddafi absetzen wollte, und ihn von seiner Position vertreiben wollte.“ Was hat es dem Land und seinen Menschen gebracht? Zwei Jahre nach den NATO-Bomben und der Ermordung Gaddafis stehe das Land vor den Zerfall, habe eine NATO-Delegation im Juni herausgefunden, so Spiegel online am 7. Juli 2013. Der westliche Kriegspakt hatte Anfang Juni ein Expertenteam in das Land geschickt, um zu prüfen, ob der Regierung in Tripolis geholfen werden könne. „Die Unfähigkeit der libyschen Behörden, die Kontrolle über sein Staatsgebiet herzustellen, hat es kriminellen und anderen bewaffneten Gruppen einschließlich transnationalen Dschihadisten-Netzwerken erlaubt, Libyen als Basis oder Transit für militärische Aktivitäten zu nutzen“, gehört laut Spiegel online zum Fazit der NATO-Delegation. „Der libysche Außenminister Abdul Ati al-Obeidi wird mit den Worten zitiert, wenn die internationale Gemeinschaft nicht einschreite, drohe Libyen zu einem ‚gescheiterten Staat‘ (‚failed state‘) zu werden.“ Das dürfte längst der Fall sein und auch die NATO-Hilfe beim Aufbau einer Nationalgarde, um die die libysche Regierung gebeten habe, dürfte das nicht verhindern.

Zu den Folgen des Zerfalls Libyens gehört, dass ungehindert und mit Unterstützung des Westens und seiner arabischen Verbündeten Waffen aus dem nordafrikanischen an die „Rebellen“ in Syrien geliefert werden. Auf diesen längst bekannten Fakt hatte die New York Times am 22. Juni 2013 erneut aufmerksam gemacht. Der Waffentransport werde u.a. von Katar finanziert und durchgeführt und von einem Netzwerk aus Geheimdiensten und „Rebellen“ in der Türkei nach Syrien gebracht. Das trägt zu dem fortgesetzten Krieg bei, dessen einziges Ziel der Sturz von Präsident Bashar al-Assad ist. Auf diese Weise wird genau der "Irak-Effekt" befördert, den Bundesaußenminister Guido Westerwelle angeblich laut Spiegel online vom 15. Mai 2013 befürchtet, nämlich der Zerfall Syriens und mit Folgen für den Nahen Osten. Doch wie ernst sind solche Ängste zu nehmen, wenn die Bundesregierung und ihre westlichen und arabischen Partner weiter alles dafür tun, Syrien zu zerstören? „Debatten in Berlin und weiteren westlichen Hauptstädten über eine mögliche Zerschlagung des syrischen Hoheitsgebiets begleiten die jüngsten militärischen Erfolge der Regierung in Damaskus“, war am 22. Mai 203 in einem Beitrag bei German Foreign Policy zu lesen. Die von der Bundesregierung bezahlte SWP berichtet in einer Analyse vom April 2013 von türkischen Überlegungen im Zuge der Lösung des Kurdenproblems,  „dass in fünf bis zehn Jahren die kurdischen Gebiete des Irak und Syriens Teil einer politisch vollkommen neu strukturierten föderalen Türkei sein könnten.“ Die Autoren raten, die Verhandlungen zwischen der türkischen Regierung und den Kurden zu unterstützen. SWP-Wissenschaftler Heiko Wimmen erklärte am 1. Juli 2013 in der Tageszeitung Neues Deutschland den Zerfall Syriens in drei oder vier Teile für „eines der wahrscheinlicheren Szenarien“. Davor warnte der russische Außenminister Sergej Lawrow laut RIA Novosti vom 25. Februar 2013. „Es gibt solche, die weiterhin auf Blutvergießen sowie auf eine Erweiterung des Konfliktes setzen. Damit droht Syrien ein Zerfall des Staates und der Gesellschaft.“ Wen Lawrow unausgesprochen meinte, zeigte Obamas Erklärung vom 14. Juni 2013, die „Rebellen“ nun auch offiziell bewaffnen zu wollen, was laut Washington Post vom 15. Juni 2013 lange vorher beschlossene Sache war. Das belegte ebenso die Entscheidung der EU vom 28. Mai 2013 , das Waffenembargo gegenüber den „Rebellen“ in Syrien nicht zu verlängern. Gleichzeitig bereiten sie sich auf den angeblich befürchteten Zerfall vor, wie u.a. das Wallstreet Journal am 8. Mai 2013 berichtete: „Das Pentagon arbeitet mit Hochdruck an Plänen für den Fall eines Zusammenbruchs des syrischen Staates.“

Sie lügen wieder, wenn sie behaupten, es gehe ihnen um ein stabiles Syrien oder gar um "Schutzverantwortung", die "Responsibility to Protect". Am 19. Juni 2013 erklärte Ex-US-Außenminister und Kriegsverbrecher Henry Kissinger während einer Veranstaltung der Gerald R. Ford School of Public Policy in New York, dass ihm ein Sieg Assads ebenso wenig gefalle wie ein solcher der „Rebellen“. „Ein Ergebnis, bei dem die verschiedenen Nationalitäten vereinbaren, gemeinsam zu koexistieren, aber in mehr oder weniger autonomen Regionen, so dass sie nicht gegenseitig unterdrücken können ... [ist] das Resultat, das ich lieber sehen würde" (Huffington Post vom 28. Juni 2013) So hat das schon im vergangenen Jahrhundert bei der Zerschlagung Jugoslawiens geklappt: Erst wird der Konflikt geschürt und dann wird mit der Begründung, das Blutvergießen beenden zu müssen, das Land geteilt und die „Völker“ voneinander getrennt. Es ist nicht einfach gescheiterte westliche Politik, die nicht in der Lage ist, das offiziell verkündete Ziel, anderen Ländern Stabilität und alles andere zu bringen, zu verwirklichen. Wäre es nur das, müssten die dafür verantwortlichen Politiker längst zur Rechenschaft gezogen werden angesichts der Opfer dieser Politik. Nein, es steckt Absicht dahinter, denn so wird nach dem Prinzip "Teile und herrsche" die eigene Position gesichert. Nur um deren Stabilität geht es.

Nachtrag von 10:48 Uhr:  Sebastian Range hat auf hintergrund.de am 4. Juli einen interessanten Beitrag zum Thema veröffentlicht. Er schreibt über die "Gewollte Spaltung": "Der Konflikt in Syrien wird in den hiesigen Massenmedien zunehmend als konfessionelle Auseinandersetzung zwischen Sunniten auf der einen, Schiiten und Alawiten auf der anderen Seite interpretiert. Dabei wird zumeist unterschlagen, dass die wachsenden religiösen Spannungen in der arabischen Welt auf eine gezielte Strategie der USA und der mit ihr verbundenen Mächte zurückgehen, die den eigenen – gegen den Iran gerichteten – geopolitischen Interessen zweckdienlich erscheint. ..."

Nachtrag von 11:30 Uhr: Jürgen Todenhöfer hatte am 1. Juli 2013 im Tagesspiegel beschrieben, "Woran Syrien wirklich zerbricht": "Den USA, Saudi-Arabien und Katar geht es im Syrienkonflikt primär nicht um Syrien, sondern um den Iran. Der ist ihnen durch den törichten Irakkrieg George W. Bushs zu stark geworden. Durch den Sturz des mit Teheran verbündeten Assad wollen sie Irans Vormachtstellung im Mittleren Osten schwächen.
An dieser Strategie zerbrechen Syrien und sein Gesellschaftsmodell, in dem die unterschiedlichsten Religionen und Ethnien in bewundernswerter Toleranz zusammenlebten. ..."
Er stellt auch fest, dass der Krieg gegen und in Syrien Al Qaida stärke: "Die USA als fünfte Kolonne Al Qaidas – eine Perversion jeder Antiterrorpolitik." Das ist eigentlich andersrum. Die Dschihadisten waren den USA schon immer nützlich, einst gegen die Kommunisten, heute gegen alle, die sich aus welchem Grund auch immer den westlichen Interessen entgegenstellen. Schon US-Präsident Dwight D. Eisenhower erklärte 1957, er wolle die Idee eines islamischen Dschihad gegen den gottlosen Kommunismus voranbringen. "Es hat alles eine lange Kontinuität ...", stellte ich fast auf den Tag genau vor einem Jahr fest.

Mittwoch, 3. Juli 2013

Mursi war ohne das Militär nichts

Das ägyptische Militär hat für eine Lösung der Krise im Land gesorgt, ohne die befürchtete Explosion. Ohne die landesweiten Proteste der Ägypter wäre das nicht passiert.

"Mursi ist ohne das Militär nichts" hatte ich am 8. Dezember 2012 festgestellt. Das wurde am heutigen 3. Juli 2013 bestätigt. Das ägyptische Militär hat die Krise auf eine Weise gelöst, die überraschend erscheint, aber eigentlich nicht überraschend ist, eben weil ohne die Armee in dem Land nichts läuft, politisch nicht, wirtschaftlich nicht und damit auch sozial, im Positiven wie im Negativen.

Seit 2010 zeigte sich in Ägypten eine klassische revolutionäre Situation, in der die Herrschenden nicht mehr weiter wie bisher herrschen können und die Beherrschten nicht mehr so wie bisher leben können und beherrscht werden wollen. Sie wurde mit dem Sturz Hosni Mubaraks Anfang 2011 und nach der Wahl von Mohammed Mursi zum Präsidenten im vorigen Jahr nicht gelöst. Sie schwelte weiter und spitzte sich zu – mit dem Ergebnis des heutigen Abends. Sie hat ihre Grundlage in der sozialen Situation in Ägypten, was auch für andere arabische und nordafrikanische Länder gilt. Die Lage der Menschen verschlechterte sich sogar noch nach dem Sturz Mubaraks und Hoffnungen auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse wurden von Mursi enttäuscht. Weltbank und Internationaler Währungsfond haben ihren Anteil daran. Das Militär habe eine Regierung gebraucht, die die politische Ökonomie Ägyptens so managt, dass der Zustand der Unruhe begrenzt bleibt, meint der private Nachrichtendienst Strafor in einer ersten Analyse. Dabei hat Mursi versagt, weshalb es zu dem "atypischen Militärputsch" kam, wie es Stratfor bezeichnet.

Nun bleibt weiter abzuwarten, ob endlich eine dauerhafte Lösung gefunden wird, wie sie Dorothea Schmidt von der ILO, der internationalen Arbeitsorganisation der UNO, schon 2011 beschrieb: "Eine Konzentration der Wirtschaftspolitik auf die Schaffung von Beschäftigung, die Entwicklung des sozialen Dialogs und eine Ausweitung der sozialen Sicherungssysteme werden darüber entscheiden, ob die Länder Nordafrikas einen Weg zu mehr Demokratie und zu menschenwürdiger Arbeit für alle finden werden." (siehe hier, PDF-Datei) Rania al Malky von der ägyptischen Zeitung Daily News stellte im Bericht des TV-Senders Phoenix am heutigen 3. Juli 2013 klar, dass, wer daran scheitere, die wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen, Arbeitsplätze zu schaffen und die Revolution auf das herunterzubrechen, "was sie sein soll", nämlich die Lebensverhältnisse zu verbessern, "der kann gleich einpacken". Die Frage ist auch, ob der Westen samt Weltbank und Internationalem Währungsfond den dazu notwendigen Kurswechsl weg von der neoliberalen Ausrichtung der ägyptischen Politik zulassen werden.

Zwei Dinge bleiben wie sie waren: Das Militär bleibt die "ultimative Quelle der Macht" in Ägypten (Stratfor) und ohne die USA ist die ägyptische Armee nichts. Der ZDF-Korrespondent Bernhard Lichte hat es in der heutigen Berichterstattung von Phoenix über die neuen historischen Ereignisse in Ägypten so formuliert: Die USA werden darauf achten, dass da niemand aus dem Ruder läuft. Deshalb werden sie seiner Ansicht nach auf eine "Technokraten"-Regierung auch in Ägypten hinarbeiten. Zuvor hatte Lichte von Informationen erzählt, dass es Kontakte zwischen der ägyptischen Armeeführung und der US-Regierung gegeben habe, bevor Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi den Sturz Mursis verkündete.

Bei allen nun zu erwartenden auch gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den von der Macht entfernten Muslimbrüdern ist und bleibt die grundsätzlich friedliche Lösung der Krise in Ägypten vom heutigen 3. Juli 2013 ein gutes Ereignis. Nun wird sich zeigen, was das den Menschen in dem Land am Nil bringt. Und es bleibt die Hoffnung, dass ein befürchteter Bürgerkrieg, angezettelt von den entmachteten Muslimbrüdern, ausbleibt.

aktualisiert: 4.7.13, 0.05 Uhr

Dienstag, 2. Juli 2013

NSA-Gate: Systemfehler oder Fehlverhalten Einzelner?

Versuch einer Antwort, die nicht allumfassend sein will und das nicht sein kann, aber zur Anregung gedacht ist

Das, was im Zusammenhang mit den Überwachungsprogrammen „Prism“ und "Tempora“ bisher bekannt wurde und noch bekannt werden wird, übertrifft jede „Verschwörungstheorie“. Der Überwachungswahn, der da deutlich wird, ist an sich nicht überraschend, wenn gleich die Dimension ebenso verblüfft wie die Tatsache, dass auch das nicht auf Dauer verheimlicht werden konnte.

Dabei ist nicht die Frage ausschlaggebend, welches Land andere souveräne Staaten überwacht und ob diese miteinander „befreundet“ oder verfeindet sind. Ebenso ist nicht entscheidend, wer für seine Konzerne Wirtschaftsspionage betreibt. Das ist nicht besser als die Überwachung und Kontrolle der eigenen Bürger in Namen der Sicherheit. Es stellt sich die Frage, ob es sich bei der Totalkontrolle nach innen wie nach außen um einen Fehler im System oder „nur“ das Fehlverhalten Einzelner, ob nun Personen oder Institutionen, handelt. Beides kann meiner Meinung nach verneint werden. Die Antwort dürfte sein: Es ist kein Fehler, sondern im System Kapitalismus angelegt und gewissermaßen eines seiner tragenden Elemente. Denn es geht um Macht und Herrschaft und deren Sicherung, darin sind die „freiheitlichen Demokratien“ des Westens nicht anders als die von diesem angeprangerten und ggf. immer auch mal mit Krieg bedrohten und überzogenen „Diktaturen“ in anderen Weltgegenden. Das hat aber nicht nur eine politische Dimension, sondern auch eine wirtschaftliche. Denn es geht um die Sicherheit des Profits derjenigen, die weltwirtschaftlich das Sagen haben und die „Globalisierung“ bestimmen. Wenn es darauf ankommt, sichern sie ihren Profit gemeinsam gegen externe Konkurrenten. Wenn es notwendig erscheint, sichern sie ihren jeweiligen Anteil untereinander bzw. gegeneinander. Das wird je nach Interessenlage entschieden. Hinzu kommt die dem Kapitalismus innewohnende Tendenz zu einer immer stärkeren Konzentration der Vermögen und Besitztümer in der Hand einiger weniger mit den Folgen für Demokratie und der soziaen Spaltung der Gesellschaft. Wäre das anders, bräuchte es z.B. keine Kartellbehörden, um die angeblich „freie Marktwirtschaft“  vor Monopolen (also vor sich selber) zu schützen, und kämen nicht immer wieder Meldungen über Preisabsprachen zwischen ansonsten konkurrierenden Unternehmen.

Ab einem bestimmten Punkt ist der Profit, der Gewinn, nicht mehr zu steigern. Die Wirtschaftswissenschaft hat das u.a. für kleine Wirtschaftseinheiten mit der Theorie vom Grenznutzen beschrieben: Ab einem erreichten Gipfelpunkt fällt er wieder, egal, wieviel weiter investiert wird. So ergeht es auch dem Gewinn und dann fangen die Verteilungskämpfe an. Der Hinweis auf die Grenznutzentheorie bezieht sich auf den Mechanismus, der wirkt, dass Profit eben nicht unendlich steigerbar ist. Vielleicht ist das von Karl Marx beschriebene Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate passender. Wenn der Profit nicht weiter steigt bzw. gar fällt, ist jedenfalls entscheidend, welche Position sich die Einzelnen zuvor erarbeitet oder erobert haben, um sich einen größtmöglichen Anteil sichern zu können. Diese Position wird mit allen Mitteln verteidigt. Die digitalen Technologien sind dabei nur eines der Mittel, die auch kriegerischen Zwecken dienen. Wobei die bekanntgewordene Verletzung nationaler Souveränität durchaus als kriegerischer Akt zu verstehen sein könnte, weil mit digitalen Mitteln Grenzen überschritten und missachtet wurden.

Die Mechanismen sind so alt wie der Kapitalismus, seitdem er im Kinderbett der Renaissance heranwuchs und sich mehr und mehr über den Erdball ausbreitete. Dabei werden diese Prozesse durch reales Handeln umgesetzt, durch reale Personen, die auf verschiedenste Weise in das System eingebunden sind und diesem dienen. Das tun sie zum einen gewissermaßen blind, zum anderen bei vollem Bewusstsein. Sie sorgen dafür, dass diese Mechanismen am Laufen gehalten werden, nicht weil sie von Geburt an besonders „böse“ sind, sondern weil sie auf verschiedene Weise davon profitieren. Dazu schließen sie sich auch immer wieder in Gruppen, Clubs und anderem zusammen, treffen sich bei Konferenzen und Empfängen. Längst haben sie erkannt, dass je nach Interessenlage manchmal Kooperation gewinnbringender und -sichernder sein kann als Konkurrenz. Was sie da im gemeinsamen Interesse miteinander aushecken, verraten sie nur im Ausnahmefall Außenstehenden wie etwa Journalisten. Manchmal gewähren auch vereinzelte Aussteiger kurze Einblicke in das System und seine Mechanismen und auf seine Protagonisten.

Das es sich um keine neuen Prozesse oder Mechanismen handelt, davon kündet die Rolle der Wirtschaft betreffend ein Zitat von T.J. Dunning aus dem Jahr 1860. In dem Aufsatz "Trade's Unions and Strikes“ stellte er fest: „Kapital flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel." Karl Marx hat diese Erkenntnis Dunnings im „Kapital“ der Nachwelt erhalten.

Die Überwachung und Spionage ohne Rücksicht auf Freund oder Feind betreffend, die durchaus auch als kriegerische Handlung mit digitalen Mitteln verstanden werden könnte, sei der Münchner Philosphieprofessor Elmar Treptow zitiert. Er schrieb in seinem 2012 erschienenen Buch über "Die widersprüchliche Gerechtigkeit im Kapitalismus" u.a.: "Zu den Kämpfen mit außerökonomischen Mitteln kommt es regelmäßig nicht nur innerhalb der kapitalistischen Länder, sondern auch zwischen den Ländern, die mehr oder weniger kapitalistisch resp. ungleichmäßig entwickelt sind. Alle Nationen sind zwar formal gleichberechtigt, aber die großen und reichen Nationen sind die Mächte, die sich in den Konfrontationen auf dem Globus durchsetzen. ...
Unter den Voraussetzungen des Kapitalismus herrscht permanente Friedlosigkeit. Das zeigen Theorie und die Praxis des Kapitalismus in Geschichte und Gegenwart, einschließlich des Imperialismus damals und heute. ..." (S. 20f.) Es handelt sich um die Fortsetzung der Konkurrenz mit anderen Mitteln.

Ins Konkrete und mit Blick auf die aktuellen Ereignisse gewissermaßen Prophetische hat das u.a. US-General William J. Donovan gebracht, der in den vierziger Jahren den CIA-Vorgänger Office of Strategic Services (OSS) leitete: "In einem weltweiten und totalitären Krieg muss Nachrichtenbeschaffung weltweit und totalitär agieren." (zitiert nach Tim Weiner: "CIA – Die ganze Geschichte" 2008, S. 28) Das zeigt aber auch, was Snowden enthüllt hat, ist an sich nichts Neues.

Was die technische Seite angeht sei noch einmal der Kommunikationswissenschaftler Claus Eurich zitiert. In seinem 1991 erschienenen Buch "Die Megamaschine – Vom Sturm der Technik auf das Leben und Möglichkeiten des Widerstandes" schrieb er u.a.: "Der Ausbau des technischen Kommunikatonssystems wird eine Zentralisation von ökonomischer und politischer Macht nach sich ziehen, die ohne Vorbild ist. ..." (S. 83f.)
Und weiter: "Ein Hochtechnologie- und Großtechnologiestaat ist aus Selbstschutzgründen darauf angewiesen, liberale und demokratische Freiheitsrechte in engen Grenzen zu halten. ... dieser Hochtechnologiestaat ist ein Überwachungsstaat. In ihm stellen Menschen den entscheidenden Unsicherheitsfaktor dar. Dieser Staat lebt vom Mißtrauen in diejenigen, für deren Wohl er ausschließlich zu sorgen hätte. ... (S. 99)
Eurich warnte vor mehr als 20 Jahren vor einem "technologischen Apparat, in dem jede Bürgeraktivität registrierbar ist und kritische Demokraten mehr und mehr in die Ecke von Terroristen hineindefiniert werden". "Wir leben in sonnigen Zeiten für professionelle und pathologische Spitzel." (S. 100)
In seinem Buch  "Tödliche Signale – Die kriegerische Geschichte der Informationstechnik", ebenfalls von 1991, stellte Eurich fest: "Nur was perfekt kontrolliert wird, kann die Sicherheit nicht bedrohen. Perfekte Kontrolle aber heißt: Unterwerfung, heißt besiegen." (S. 23)

Bei entsprechender Recherche und dafür vorhandener Zeit gebe es noch mehr Belege zu finden, die meine Antwort stützen. Mir bleibt nur ein Zitat von Max Horkheimer abzuwandeln: Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch über NSA, BND, „Prism“, „Tempora“ und all dem, was da noch bekannt wird, nicht reden. Oder anders gesagt: Auch hier gilt der Spruch „It’s economy, stupid“.

Uns bleibt, auf die nächsten Enthüllungen zu warten und darüber zu diskutieren, ob Alternativen möglich sind.

Montag, 1. Juli 2013

Literaturtipps für eine Neuländerin

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am 19. Juni 2031 das Internet als "Neuland" bezeichnet. Im Folgenden eine kleine Hilfe für den Weg durchs "Neuland".

"Wir haben über Fragen des Internets gesprochen, die im Zusammenhang mit dem Thema des PRISM-Programms aufgekommen sind. Wir haben hier sehr ausführlich über die neuen Möglichkeiten und die neuen Gefährdungen gesprochen. Das Internet ist für uns alle Neuland, und es ermöglicht natürlich auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung, mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen."
Das sagte Merkel auf der Pressekonferenz am 19. Juni aus Anlass des Besuches von US-Präsident Barack Obama. Sie hat dafür viel Kritik und ausreichend Spott geerntet. Egal, ob sie das Internet allgemein oder nur die Fragen der Online-Sicherheit meinte, es bleibt die Frage, was die Berater der Bundeskanzlerin zu diesen Fragen in den letzten Jahren mit ihr beredet und diskutiert haben und worfür sie bezahlt wurden. Was haben all die Sicherheitsbehörden, die jetzt ganze Cyberwar-Abteilungen aufbauen wollen, bis zu dieser Pressekonferenz getan, dass die Kanzlerin solch einen unwissenden Eindruck machen konnte oder musste? Das musste doch nicht sein ...

Statt auch noch in die Kritik-Kerbe reinzuhauen, habe ich mich entschlossen, mal ein paar Literaturtipps zusammenzustellen, damit Merkel nicht weiter blind durchs "Neuland" marschiert und weitere Fettnäpfe und Stolpersteine umgehen kann:

• Rolf Gössner: "Big Brother & Co. – Der moderne Überwachungsstaat in der Informationsgesellschaft" (Konkret Literatur Verlag 2000)
Gössner schrieb u.a.: "Mit dem globalen anglo-amerikanischen Abhörsystem Echelon werden vom US-Geheimdienst NSA (National Security Agency) und den anderen angeschlossenen Geheimdiensten bereits seit den 80er Jahren täglich Milliarden von Telefonaten, Faxen, E-Mails, Telexverbindungen durchgerastert, die über das Kommunikationssatelliten-Netz oder über Kabel gesendet werden. Ein geheimes, weltumspannendes Netz von über 120 Lauschposten und ortungsstationen zu Land, zur See (dort zapfen U-Boote die telefonkabel zwischen den Kontinenten an) und im Weltraum (über Satelliten) fängt den elektronischen Nachrichtenverkehr auf. Auch in der Bundesrepublik gibt es solche Echelon-Horchposten, so im bayrischen Bad Aibling und in Gablingen, im übrigen ohne rechtliche grundlage. Echelon hält auch die wichtigsten neun Knotenpunkte des Internets besetzt: Dort ist leistungsfähige Schnüffel-('Sniffer'-)Software installiert, die den Internet-Verkehr automatisch überwacht. ..." (S. 80)

• Sandro Gaycken, Constanze Kurz (Hg.): "1984.exe – Gesellschaftliche, politische und juristische Aspekte moderner Überwachungstechnologien" (transcript Verlag 2008)

• Constanze Kurz/Frank Rieger: Die Datenfresser – Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen" (S. Fischer Verlag 2011)

• Peter Schaar: "Das Ende der Privatsphäre – Der Weg in die Überwachungsgesellschaft" (C. Bertelsmann Verlag 2007)

• Ilija Trojanow/Juli Zeh: "Angriff auf die Freiheit – Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte" (Hanser Verlag 2009)

• Claus Eurich: "Die Megamaschine – Vom Sturm der Technik auf das Leben und Möglichkeiten des Widerstandes"(Luchterhand Literaturverlag 1991)Eurich schrieb u.a.: "Die von der Bundesregierung geplanten Daten- und Kommunikationsnetze sind ... sowohl als Vertriebsinfrastruktur wie auch als Rationalisierungs- und Kontrollinfrastruktur geplant und gewollt ...
Der Ausbau des technischen Kommunikatonssystems wird eine Zentralisation von ökonomischer und politischer Macht nach sich ziehen, die ohne Vorbild ist. ..." (S. 83f.)
Und weiter: "Ein Hochtechnologie- und großtechnologiestaat ist aus Selbstschutzgründen darauf angewiesen, liberale und demokratische Freiheitsrechte in engen Grenzen zu halten. ... dieser Hochtechnologiestaat ist ein Überwachungsstaat. In ihm stellen Menschen den entscheidenden Unsicherheitsfaktor dar. Dieser Staat lebt vom Mißtrauen in diejenigen, für deren Wohl er ausschließlich zu sorgen hätte. ... (S. 99)
Eurich warnte vor mehr als 20 jahren vor einem "technologischen Apparat, in dem jede Bürgeraktivität registrierbar ist und kritische Demokraten mehr und mehr in die Ecke von Terroristen hineindefiniert werden". "Wir leben in sonnigen zeiten für professionelle und pathologische Spitzel." (S. 100)

In seinem Buch  "Tödliche Signale – Die kriegerische Geschichte der Informationstechnik" (Luchterhand Literaturverlag 1991) stellte Eurich fest: "Nur was perfekt kontrolliert wird, kann die Sicherheit nicht bedrohen. Perfekte Kontrolle aber heißt: Unterwerfung, heißt besiegen." (S. 23)

Es gibt sicher noch mehr Orientierungshilfen. Die Liste ist offen und weitere Hinweise willkommen.
Ob die Bundeskanzlerin diese Literaturtipps überhaupt zu lesen bekommt, bezweifle ich natürlich, wenn sie sich oder ihre Berater überhaupt dafür interessieren. Deshalb ist die erwähnte Literatur natürlich auch allen anderen Interessierten empfohlen.

Das Schweigen der Angela Merkel

Immer mehr Details über den US-amerikanischen Überwachungswahn werden bekannt. Die Bundesrepublik ist eines der Hauptziele, für die Bundesregierung kein Aufreger.

Bei Spiegel online war u.a. am 30. Juni 2013 Folgendes dazu zu lesen: "Europa und Deutschland sind Hauptziele der Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA. Millionen von Daten werden hierzulande von Obamas Spionen gesammelt. Doch Angela Merkels Regierung wirkt erstaunlich passiv. Warum?"

Als ich das las, erinnerte ich mich sofort an einen Text, der eine mögliche Antwort gibt: Thierry Meyssan hatte am 5. Februar 2007 auf voltairenet. org einen Text darüber veröffentlicht, welche Verbindungen es zwischen den US-Machtzirkeln und Merkel gibt und diese auch belegt. Ein Passus daraus: "Angela Merkel stützt sich auf die Ratschläge von Jeffrey Gedmin, der vom Bush-Clan speziell für sie nach Berlin geschickt wurde. Dieser Lobbyist hat zuerst für das American Enterprise Institute (AEI) [2] unter der Direktion von Richard Perle und der Frau von Dick Cheney gearbeitet. Er ermutigt sie sehr, den Euro dem Dollar anzupassen. In der AEI hat er zuvor die New Atlantic Initiative (NAI) geleitet, die alle wichtigen amerikafreundlichen Generäle und Politiker Europas vereinte. Er hat auch am Project for a New American Century (PNAC) mitgewirkt und das Kapitel über Europa in diesem Programm der Neokonservativen verfasst. Dort schreibt er, dass die EU unter der Kontrolle der Nato bleiben muss und dass dies nur möglich sein werde, wenn «die europäischen Forderungen nach Emanzipation» geschwächt werden können. ...
Auch verbirgt sie ihre Absicht nicht, das Projekt des Zusammenschlusses der nordamerikanischen Freihandelszone mit der europäischen zur Bildung eines «grossen transatlantischen Marktes» – den Vorstellungen von Sir Leon Brittan entsprechend – wiederzubeleben."
Es ist nur eine mögliche Antwort, aber eine, die zu passen scheint. Genauso wie Obamas Bemerkung gegenüber Merkel vor der Bundestagswahl 2009, wiedergegeben von Spiegel online am 11. Juli 2009: "Ach, Sie haben schon gewonnen. Ich weiß nicht, worüber Sie sich immer Sorgen machen." Merkel ist da auch nur eine Figur in einer langen Reihe seit 1949.

Dass das alles schon immer so läuft, bloß die eingesetzten Technologien verändert wurden, hat vor nicht allzulanger Zeit Josef Foschepoth mit seinem Buch "Überwachtes Deutschland: Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik" deutlich gemacht. In einem Beitrag des Deutschlandfunks vom 29.10.12 fasst der Historiker das so zusammen: "Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurden jährlich Millionen von Postsendungen kontrolliert, geöffnet, beschlagnahmt, vernichtet oder zurück in den Postverkehr gegeben. Ebenso wurden Millionen von Telefongesprächen abgehört, Fernschreiben und Telegramme abgeschrieben und von den Besatzungsmächten und späteren Alliierten, aber auch von den Westdeutschen selbst zu nachrichtendienstlichen beziehungsweise strafrechtlichen Zwecken ausgewertet und genutzt."

Der Beitrag machte auf die Grundlage für die heutige US-Schnüffelei aufmerksam: "Millionenfache Schnüffelei im demokratischen Westdeutschland? ... Eine Schlüsselrolle nimmt dabei Konrad Adenauer ein, der erste Kanzler der Bundesrepublik. Der Rheinländer trieb die Einbindung der BRD ins westliche Bündnissystem voran, er kämpfte für ihre Souveränität. Was bisher aber kaum bekannt war: Adenauer zahlte für diese Souveränität einen hohen Preis. Denn die Siegermächte wollten keineswegs auf alle Sonderrechte, die sogenannten Vorbehaltsrechte verzichten. Dazu gehörten so bekannte, wie etwa das Recht, Truppen in Westdeutschland zu stationieren, aber eben auch eher unbekannte wie der Geheimdienstvorbehalt oder der Überwachungsvorbehalt.
Letztere erlaubten den Alliierten auch weiterhin, am Grundgesetz vorbei tief in die Grundrechte einzugreifen. Um zu vermeiden, dass die deutsche Öffentlichkeit von diesen brisanten Zugeständnissen erfuhr, verhinderte Adenauer, dass der Überwachungsvorbehalt im offiziellen Vertragstext des 'Deutschlandvertrages' von 1955 auftauchte. Er schlug ein einseitiges Schreiben der Noch-Besatzungsmächte an die deutsche Bundesregierung vor, das diese Rechte festschreiben sollten:
'Ich habe die Geheimprotokolle gesehen und sehe dann, wie Adenauer Wort für Wort den Text dieses Briefes mit den Alliierten abstimmt. Der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wirkt also mit den fremden Mächten an einer Umgehung der Verfassung aktiv mit, die dauerhaft das erlaubt, was die Verfassung nicht erlaubt.'
Nämlich die Überwachung der Telefone, der Briefe, der Pakete in der Bundesrepublik ohne gesetzliche Regelung - eine solche erfolgte erst 13 Jahre später, zusammen mit den umstrittenen Notstandsgesetzen von 1968."

3sat berichtete in der Kulturzeit am 19.11.12 ebenfalls darüber: "Die Sonderrechte der Alliierten, so sagt Foschepoth, gelten übrigens immer noch. Nur dass heute niemand mehr Briefe öffnen muss, E-Mails sind viel leichter zu knacken."

Inzwischen halte ich noch mehr für möglich, als ich vorher dachte. Und eines ist sicher: Alles Denkbare über die tatsächlich herrschenden und die in ihrem Auftrag Regierenden, was bisher als "Verschwörungstheorie" diffamiert wurde, ist harmlos gegen das und kommt an das gar nicht heran, was in der Realität hinter unserem Rücken von jenen ausgeheckt wird, die uns und anderen von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten predigen und darauf pfeifen, wenn es um ihre Macht und ihre Interessen geht. Aber das wussten auch schon andere lange vor uns: "Ob es uns gefällt oder nicht, Tatsache ist, dass wir in fast allen Aspekten des täglichen Lebens, ob in Wirtschaft oder Politik, unserem Sozialverhalten oder unseren ethischen Einstellungen, von einer ... relativ kleinen Gruppe Menschen abhängig sind, die die mentalen Abläufe und gesellschaftlichen Dynamiken von Massen verstehen. Sie steuern die öffentliche Meinung, stärken alte gesellschaftliche Kräfte und bedenken neue Wege, um die Welt zusammenzuhalten und zu führen."

Das hat Edward Bernays, Neffe von Sigmund Freud, 1928 in seinem Buch "Propaganda - Die Kunst der Public Relations" geschrieben. Bernays hat u.a. für US-Regierungen, Tabakkonzerne und soziale Bewegungen und Organisationen gearbeitet. (Quelle: Edward Bernays: "Propaganda - Die Kunst der Public Relations", 1928, deutsche Ausgabe 2007/2009, Verlag orange press, S. 19)
Es ist alles nicht neu. Das macht es aber nicht besser. Und wenn nochmal jemand einen als "Verschwörungstheoretiker" versucht zu diffamieren, weil dieser die von Jürgen Roth beschriebene "Mitternachtsregierung" und deren Handeln  für real hält, dann dürfte dieser schon immer absurde Vorwurf um so absurder sein oder eigentlich inzwischen so etwas wie eine Auszeichnung nach den Erkenntnissen über die reale prismatische temporare Demokratur.

Nachtrag von 19.50 Uhr:

Natürlich sind die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste nicht besser. Der entsprechende Spiegel online- Beitrag vom 16. Juni 2013 über die Ausbau-Pläne des Bundesnachrichtendienstes (BND) war quasi nicht zu übersehen und wurde von fast allen anderen Medien zitiert. Dass der BND sich nicht anders verhält als die US- und britischen Geheimdienste, ist quasi selbstverständlich, nicht nur, weil der BND von den USA mit Hilfe alter Nazis aufgebaut wurde. Der Unterschied dürften bloß die zur Verfügung stehenden Ressourcen sein.
Das ist auch alles nicht neu und war u.a. in Heft 1/2013 der Zeitschrift CHIP zu lesen im Beitrag über "Die geheimen Mächte im Internet" (interessanterweise online nur bei focus.de zu finden). Da war zu Jahresbeginn Folgendes zu erfahren: "Das starke Interesse am Internetverhalten seiner Bürger ist kein US-amerikanisches Phänomen. Auch in Deutschland kontrolliert der Staat, was seine Bürger im Netz anstellen. Hiesige Strafverfolgungsbehörden und auch der Bundesnachrichtendienst haben direkten Zugriff auf den Datenverkehr der Internetserviceprovider (ISPs) wie Telekom, Vodafone und 1&1. Dass kaum jemand darüber Bescheid weiß, hat seinen Grund: Die Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) verbietet Providern ausdrücklich, mit Unbefugten über die Umsetzung der Überwachungsverordnung zu sprechen. ...
So wurden 2010 rund 37 Millionen Mails vom Bundesnachrichtendienst herausgefiltert, die eines oder mehrere Signalwörter enthielten."
Und da gibt es ja neben dem BND noch das BKA, das Bundesamt für Verfassungsschutz und noch manche Regierungsstelle in diesem Bereich, deren Name wir nicht kennen.