Der entgleiste Hochgeschwindigkeitszug in Spanien erinnert an
die ICE-Katastrophe in Eschede 1998. Damals und heute gilt: Das war
vorhersehbar und nicht unvermeidbar.
Die Zugkatastrophe in Santiago de Compostela
erinnert mehrfach an die ICE-Katastrophe vor etwas mehr als 15 Jahren:
Ein Hochgeschwindigkeitszug entgleist, es gibt viele Tote und neben
möglichem menschlichen Versagen gibt es technische Ursachen. Beim
verunglückten ICE waren es neben unsicheren Radkonstruktionen eine
Brücke auf der Strecke, dem mit 200 km/h fahrenden Zug zum Verhängnis
wurde. Beim spanischen "Alvia" war es zu hohe Geschwindigkeit in einer
Kurve, die Berichten zu Folge
als "zu eng" gilt und nicht für Geschindigkeiten wie die gemeldeten 190
km/h des Uglückszuges ausgelegt. Hinzu kommen inzwischen Informationen über ein mangelhaftes Tempokontrollsystem.
Als ich davon hörte erinnerte ich mich an einen damaligen Beitrag in der jungen Welt zur ICE-Katastrophe. Diese sei vorausgesagt worden, hieß es da mit Hinweis auf einen Aufsatz des Statistikers Werner DePauli- Schimanovich-Göttig von der Universität Wien vom Januar 1997. Dieser habe die Katastrophe bis auf die Zahl der Todesopfer vorhergesagt. Der Text vom 8. Juni 1998 ist online nicht frei zugänglich, aber ich habe den gedruckten Beitrag in meinem Archiv, gewissermaßen analog ausgeschnitten. Bis heute verblüfft mich, was da zu lesen war: "Im Januar 1997 wurde die Katastrophe bis auf die Zahl der Todesopfer vorhergesagt. Der Statistiker Werner DePauli- Schimanovich-Göttig von der Universität Wien schrieb damals in einem Aufsatz über die Alternativen Transrapid oder Hochgeschwindigkeitszug am Beispiel der französischen Variante: »Dem Weltgeist sei gedankt, daß es bisher noch keinen tödlichen Unfall mit dem TGV gegeben hat. Statistisch gesehen ist das jedoch nur eine Frage der Zeit, wann der nächste TGV entgleist, und dann wird es ca. 100 Tote geben.« Er forderte außerdem für alle Züge eine völlig neue Radkonstruktion mit zwei Spurkränzen, »auch wenn 100mal Techniker behaupten: das Problem der Entgleisbarkeit haben sie im Griff, und die jetzigen (Einfach- Spurkranz-)Räder genügen völlig.«"
Zwei Tage später veröffentlichte das Blatt ein Interview mit dem vorhersagenden Wissenschaftler aus Wien. Daraus ein Auszug:
"F: In einem Aufsatz vom Januar '97 haben Sie im Prinzip die ICE-Katastrophe vorausgesagt. Sie schrieben dort, daß es nur eine Frage der Zeit sei, wann es zu einem solchen Fall kommt, und daß es - wörtlich - »ca. 100 Tote« geben wird. Sie bezogen sich dabei aber auf den TGV.
Das ist eine generelle Kritik an den Hochgeschwindigkeitszügen der Radschienensysteme. Und damit war der ICE natürlich genauso gemeint wie der TGV, was schon aus dem Titel dieses Artikels hervorging. Der TGV ist ja sicherheitstechnisch besser als der ICE ausgerüstet, also kann man fast sagen, daß es beim ICE ein bißchen wahrscheinlicher war, daß der Unfall zustande kam.
F: Warum war das wahrscheinlicher?
Mein Vorteil ist, daß ich interdisziplinär arbeite, und daher weniger Scheuklappen habe als die reinen Techniker. Ich bin zwar kein Statistiker, arbeite jedoch an meinem Institut mit Statistikern zusammen. Und da bekommt man ein Gefühl für Prognosen und die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen. Ein Supergau, der möglich ist, der tritt dann auch irgendwann mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit ein. Das kann ich nur auf Grund meines methodischen Herangehens als Ingenieur beurteilen. Da lassen sich oft keine rationalen Argumente im Sinne der Naturwissenschaft finden.
F: Teilweise wird in der Debatte um die Ursachen der Katastrophe auf die Brücke verwiesen. Hätte die da nicht gestanden, wäre es nicht so schlimm geworden, heißt es.
Damit fängt es an. Diese Brücke fordert die Möglichkeit eines solch schweren Unfalls fast heraus. Und wenn es nicht diesmal gewesen wäre, dann wäre es - rein statistisch gesehen - halt in 20 Jahren passiert. Was ich fordere ist, daß auf vorhandenen Bahntrassen keine Hochgeschwindigkeitszüge mit 260 kmh fahren dürfen, sondern daß jeder Zug, der schneller als 160 kmh fährt, einfach in Hochlage in einer Wanne gebaut werden muß."
Ich halte die Aussagen von DePauli- Schimanovich-Göttig weiterhin für bedenkenswert, auch in bezug auf das jetzige Zugunglück und ebenso in der Diskussion des Schienenverkehrs und der Hochtechnologie und ihrer Risiken. Zudem ist damals wie heute die Frage nach dem Profitinteresse bei Bahnbetreibern und Herstellern sowie dem Profit geschuldeten Verzicht auf notwendige Investitionen für mehr Sicherheit zu stellen.
Als ich davon hörte erinnerte ich mich an einen damaligen Beitrag in der jungen Welt zur ICE-Katastrophe. Diese sei vorausgesagt worden, hieß es da mit Hinweis auf einen Aufsatz des Statistikers Werner DePauli- Schimanovich-Göttig von der Universität Wien vom Januar 1997. Dieser habe die Katastrophe bis auf die Zahl der Todesopfer vorhergesagt. Der Text vom 8. Juni 1998 ist online nicht frei zugänglich, aber ich habe den gedruckten Beitrag in meinem Archiv, gewissermaßen analog ausgeschnitten. Bis heute verblüfft mich, was da zu lesen war: "Im Januar 1997 wurde die Katastrophe bis auf die Zahl der Todesopfer vorhergesagt. Der Statistiker Werner DePauli- Schimanovich-Göttig von der Universität Wien schrieb damals in einem Aufsatz über die Alternativen Transrapid oder Hochgeschwindigkeitszug am Beispiel der französischen Variante: »Dem Weltgeist sei gedankt, daß es bisher noch keinen tödlichen Unfall mit dem TGV gegeben hat. Statistisch gesehen ist das jedoch nur eine Frage der Zeit, wann der nächste TGV entgleist, und dann wird es ca. 100 Tote geben.« Er forderte außerdem für alle Züge eine völlig neue Radkonstruktion mit zwei Spurkränzen, »auch wenn 100mal Techniker behaupten: das Problem der Entgleisbarkeit haben sie im Griff, und die jetzigen (Einfach- Spurkranz-)Räder genügen völlig.«"
Zwei Tage später veröffentlichte das Blatt ein Interview mit dem vorhersagenden Wissenschaftler aus Wien. Daraus ein Auszug:
"F: In einem Aufsatz vom Januar '97 haben Sie im Prinzip die ICE-Katastrophe vorausgesagt. Sie schrieben dort, daß es nur eine Frage der Zeit sei, wann es zu einem solchen Fall kommt, und daß es - wörtlich - »ca. 100 Tote« geben wird. Sie bezogen sich dabei aber auf den TGV.
Das ist eine generelle Kritik an den Hochgeschwindigkeitszügen der Radschienensysteme. Und damit war der ICE natürlich genauso gemeint wie der TGV, was schon aus dem Titel dieses Artikels hervorging. Der TGV ist ja sicherheitstechnisch besser als der ICE ausgerüstet, also kann man fast sagen, daß es beim ICE ein bißchen wahrscheinlicher war, daß der Unfall zustande kam.
F: Warum war das wahrscheinlicher?
Mein Vorteil ist, daß ich interdisziplinär arbeite, und daher weniger Scheuklappen habe als die reinen Techniker. Ich bin zwar kein Statistiker, arbeite jedoch an meinem Institut mit Statistikern zusammen. Und da bekommt man ein Gefühl für Prognosen und die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen. Ein Supergau, der möglich ist, der tritt dann auch irgendwann mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit ein. Das kann ich nur auf Grund meines methodischen Herangehens als Ingenieur beurteilen. Da lassen sich oft keine rationalen Argumente im Sinne der Naturwissenschaft finden.
F: Teilweise wird in der Debatte um die Ursachen der Katastrophe auf die Brücke verwiesen. Hätte die da nicht gestanden, wäre es nicht so schlimm geworden, heißt es.
Damit fängt es an. Diese Brücke fordert die Möglichkeit eines solch schweren Unfalls fast heraus. Und wenn es nicht diesmal gewesen wäre, dann wäre es - rein statistisch gesehen - halt in 20 Jahren passiert. Was ich fordere ist, daß auf vorhandenen Bahntrassen keine Hochgeschwindigkeitszüge mit 260 kmh fahren dürfen, sondern daß jeder Zug, der schneller als 160 kmh fährt, einfach in Hochlage in einer Wanne gebaut werden muß."
Ich halte die Aussagen von DePauli- Schimanovich-Göttig weiterhin für bedenkenswert, auch in bezug auf das jetzige Zugunglück und ebenso in der Diskussion des Schienenverkehrs und der Hochtechnologie und ihrer Risiken. Zudem ist damals wie heute die Frage nach dem Profitinteresse bei Bahnbetreibern und Herstellern sowie dem Profit geschuldeten Verzicht auf notwendige Investitionen für mehr Sicherheit zu stellen.
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