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Freitag, 29. November 2019

Serie DDR 1989/90: Mit Stolz und Ärger – Rückblick des letzten DDR-Chefaufklärers auf die DDR 1989. TEIL 2

Von Tilo Gräser

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR hat den Untergang des eigenen Landes nicht verhindern können. Ihr letzter Chefaufklärer, Generaloberst a.D. Werner Großmann, hat im Gespräch mit Sputnik versucht, das zu erklären. Im 2. Teil geht er auch auf die Rolle der Sowjetunion damals ein.

Werner Großmann war der letzte Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Er erinnerte sich im Gespräch mit Sputnik daran, was in der DDR im Jahr 1989 geschah und wie es zum „Mauerfall“ kam“. Im ersten Teil ist er insbesondere auf die innere Entwicklung des Landes eingegangen, die zum 9. November 1989 geführt hat.

Im 40. Jahr der DDR gab es anscheinend kaum jemanden, der die Lage und die daraus entstandenen inneren Gefahren klar eingeschätzt hat. Niemand hatte sich für notwendige Veränderungen eingesetzt, notfalls gegen die eigene Führung. „Es ist von Einzelnen nichts unternommen worden“, bestätigte Großmann. Die Lage sei zur Kenntnis genommen worden, und viele hätten sich über die ausbleibende Reaktion der Führung geärgert.

Er selbst habe Mitte 1989 mit leitenden Mitarbeitern des SED-Apparates, so mit Günter Sieber und Bruno Mahlow, darüber gesprochen, die für internationale Fragen zuständig waren. Diese hätten die Lage des eigenen Landes „sehr, sehr kritisch“ eingeschätzt, so Großmann. Sie hätten vorgeschlagen, in Moskau auf die Entwicklungen in der DDR hinzuweisen. Doch entsprechende Versuche hätten nichts bewirkt.

Keine Hilfe aus Moskau


Der frühere MfS-Generaloberst erinnerte sich an einen Besuch des KGB-Verbindungsoffiziers Gennadi Titow Mitte 1989. Dabei habe der sowjetische General erklärt: „Wenn es wieder zu Unruhen in der DDR kommen sollte, nimm´ zur Kenntnis: Unsere Truppen bleiben in der Kaserne und rücken nicht mehr aus.“ Das sei eines der Zeichen aus Moskau gewesen, dass der „Große Bruder“ nicht mehr zu Hilfe kommt. Solche Hinweise seien später abgestritten worden, erklärte Großmann und fügte hinzu: „Aber das war so.“

Im eigenen Apparat seien die Lage der DDR diskutiert und mögliche Reaktionen vorbereitet worden. „Aber mehr ist auch nicht geschehen“, so der Ex-HVA-Chef. Er widersprach Legenden, wonach sein Vorgänger Markus Wolf nach seinem Ausscheiden aus dem MfS 1986 sich auf eine mögliche Machtübernahme vorbereitet habe. Es habe von dessen Gesprächspartnern in der DDR immer wieder den Wunsch gegeben, dass Wolf sich als „Reformer“ politisch einmischt.

Sein Vorgänger habe zwar immer wieder Gespräche mit der DDR-Spitze geführt, aber Wolf habe sich nach seinem Ausstieg aus dem MfS nicht um eine politische Funktion bemüht. „Er hat immer zu mir gesagt: Wenn ich irgendwo helfen kann, werde ich es tun. Aber selbst bin ich nicht interessiert, irgendein Amt zu übernehmen.“

Gorbatschow auf West-Kurs


Die Rolle der Sowjetunion in den letzten Jahren der DDR sieht der ehemalige DDR-Chefaufklärer kritisch. Mit dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow 1985 habe sich Moskau auf politische Veränderungen im eigenen Lager vorbereitet. Dazu habe das Zugehen auf den bisherigen Gegner im Westen gehört. Kundschafter des MfS in der Bundesrepublik hätten damals eine wachsende Zahl von Gesprächen sowjetischer Funktionäre mit bundesdeutschen Politikern gemeldet.

So sei der SPD-Politiker Egon Bahr ein beliebter Gesprächspartner für Vertreter der KPdSU gewesen. Er habe gemeinsam mit Wolf einmal bei den Genossen vom KGB nachgefragt, ob sie ständig bei Bahr auftauchten, erzählte Großmann. Das sei verneint worden, was aber „sicher nicht stimmte“. Die sowjetischen Kontakte in die Bundesrepublik seien nach Gorbatschows Machtantritt deutlich ausgebaut worden.

Der Ex-HVA-Chef brachte seine Meinung dazu auf diesen Punkt: „Michail Gorbatschow und Eduard Schewardnadse (damaliger sowjetischer Außenminister – Anm. d. Red.) haben die DDR verkauft.“ Beide hätten ganz enge Beziehungen zu Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher aufgebaut. „Sie sind dafür auch entsprechend bezahlt worden.“ Von Moskau sei keine Hilfe mehr zu erwarten gewesen, blickte Großmann auf das Jahr 1989 zurück.

Neuer US-Botschafter von der CIA


Für das MfS sei klar gewesen, dass CIA-General Vernon Walters 1989 ganz gezielt in der Bundesrepublik als US-Botschafter eingesetzt wurde, so der Ex-HVA-Chef. Staatsstreiche seien das Spezialgebiet des damals reaktivierten CIA-Veteranen gewesen, schrieb Klaus Eichner, bei der HVA für US-Geheimdienste zuständig, 2010 in der Tageszeitung „junge Welt“: „Er war Operativchef der CIA und in dieser Funktion verantwortlich für die CIA-Operation ‚Centauro‘ zur umfassenden Unterstützung des Militärputsches in Chile (1973) und bei Aktivitäten zum Abwürgen der Nelkenrevolution in Portugal (1974)“.

Walters Erscheinen sei als Zeichen der USA verstanden worden, sich stärker in die Umbrüche im Osten einmischen zu wollen, so Großmann. Er konnte nicht bestätigen, ob sich das in verstärkten US-Aktivitäten zeigte. So nahe sei das MfS nicht an Walters und dessen Umfeld herangekommen.

Für ihn sei immer klar gewesen, dass der zweite deutsche Staat nie allein existieren konnte, nicht ohne die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten. Der Zerfall des realen Staatssozialismus innerhalb des „Warschauer Vertrages“ habe zum Ende der DDR beigetragen. Es wäre eine andere Entwicklung möglich gewesen, wenn im gesamten damaligen Ostblock früher eine andere Politik eingeleitet worden wäre, ist sich der ehemalige Geheimdienstmann sicher.

Äußerer Einfluss nicht allein entscheidend


Die Versuche des Westens, auf die Entwicklung in der DDR aktiv Einfluss zu nehmen, hätten ab Mitte 1989 zugenommen, so Großmann. Die HVA sei in den Vorjahren gut über politische Einflussversuche aus der BRD informiert gewesen. „Es konnte Einiges abgewehrt werden“, so ihr letzter Chef im Rückblick, „aber in der letzten Zeit nicht mehr“. Er ist sich aber sicher: „Der äußere Einfluss allein ist nicht ausschlaggebend gewesen.“

Für den früheren MfS-General ist es angesichts des Rummels um den Mauerfall 1989 wichtig, daran zu erinnern, dass die DDR nicht im luftleeren Raum existierte und entstand. Ohne den deutschen faschistischen Überfall auf die Sowjetunion 1941 und den von Deutschland angezettelten Zweiten Weltkrieg hätte es die DDR nie gegeben.

Dieser historische Fakt wird meist weggelassen, wenn Politik und Medien an die Ereignisse vor 30 Jahre erinnern. Dazu gehört für Großmann auch, dass die DDR am stärksten herangezogen wurde, um die von den Deutschen in der Sowjetunion bis 1945 angerichteten Zerstörungen durch Reparationen wiedergutzumachen.

Stolz, Ärger und Traurigkeit


Dagegen hätten die USA als westliche Besatzungsmacht und Schirmherr der BRD alle Ressourcen und keine Kriegsschäden gehabt. Die Schwierigkeiten der DDR hätten viel mit der Geschichte zu tun gehabt, „wie der Krieg abgelaufen und wer vor allem die Opfer gewesen sind. Die US-Amerikaner waren keine Opfer im Vergleich.“ Die Verluste der USA hätten nicht im Ansatz den Umfang der Opfer und Schäden der Sowjetunion gehabt.

„Im Westen gab es zu essen, im Osten nicht. Hier musste alles neu geschaffen werden, eine neue Industrie aufgebaut werden. Vieles musste neu geschaffen werden, bis hin zur erdölverarbeitenden Industrie.“

Er blicke zum einen mit Stolz auf die DDR und seinen Beitrag zu ihrer Existenz zurück, antwortete der letzte Leiter der DDR-Aufklärung auf die entsprechende Frage. „Darauf bin ich nach wie vor stolz, ebenso auf die vielen Mitarbeiter und Kundschafter, die uns dabei geholfen und unterstützt haben. Ich glaube, das dürfen wir auch sein.“

Zum anderen empfinde er „großen Ärger, dass es uns nicht gelungen ist, das zu erhalten, was wir geschaffen haben, und aufgeben mussten“. Dazu gehöre auch Traurigkeit, „möglicherweise nicht genug auf unsere Führung Einfluss genommen zu haben, um das zu verhindern“.

Werner Großmann, geboren 1929, leitete in der Nachfolge von Markus Wolf ab 1986 den Auslandsnachrichtendienst der DDR. Er gehörte dem Dienst seit dessen Gründung 1952 an. Der Generaloberst war zugleich auch stellvertretender Minister für Staatssicherheit der DDR. Von ihm erschien im Verlag „edition ost“ das Buch „Der Überzeugungstäter“, in dem seine Gespräche mit dem Journalisten Peter Böhm über seine jahrzehntelange Tätigkeit für das MfS und dessen Auslandsaufklärung wiedergegeben werden.

zuerst veröffentlicht bei sputniknews.com am 19.5.2019

Serie DDR 1989/90: Mit Stolz und Ärger – Rückblick des letzten DDR-Chefaufklärers auf die DDR 1989. TEIL 1

Von Tilo Gräser

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR hat den Untergang des eigenen Landes nicht verhindern können. Auch dessen Kundschafter, heute Spione genannt, haben dabei nur zusehen können. Warum das so war, hat Generaloberst a.D. Werner Großmann, letzter DDR-Chefaufklärer, im Gespräch mit Sputnik versucht zu erklären.

Der Mauerfall vom 9. November 1989, die Öffnung der DDR-Grenze in der Nacht zum 10. November 1989, hat Werner Großmann überrascht. Der letzte Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) erinnerte sich im Gespräch mit Sputnik daran, dass das so nicht vorgesehen war. An dem historischen Tag sei im Zentralkomitee (ZK) der SED das neue Reisegesetz der DDR beraten worden. Das Ergebnis sollte erst am 10. November bekanntgegeben werden und in Kraft treten.

Der letzte DDR-Chefaufklärer bezeichnete die Art und Weise, wie SED-ZK-Mitglied Günter Schabowski am 9. November vor 30 Jahren die neue Reisefreiheit bekannt gab, als „holprig“. Und fügte hinzu: „Ich vermute, dass er nicht unbewusst gestammelt hat, sondern aus welchen Gründen auch immer es so gemacht hat, wie er es gemacht und damit die Öffnung der Grenze veranlasst hat. Das war ja die Folge dessen, was alle überrascht hat. Vorgesehen war das in dieser Form überhaupt nicht.“

„Bewusste Handlung“


Großmann meinte, das spätere Verhalten Schabowskis sei der Grund dafür, dass er selbst Absicht hinter der Geschichte mit dem Zettel vermute. „Das war eine bewusste Handlung“, worauf auch hindeute, was der SED-Funktionär darüber in Büchern schrieb. Das zeige, dass Schabowski etwas Anderes dachte und wollte, „als er in seiner Funktion hätte tun müssen“.

Nachdem er das im DDR-Fernsehen gesehen hatte, habe sein Telefon geklingelt. Das eigene Ministerium habe ihn informiert, dass viele Menschen zu den Grenzübergängen in Berlin kommen würden und nach West-Berlin wollten. „Meine Reaktion war, auch meiner Frau gegenüber: Um Gottes willen, das ist das Ende! Aber hoffentlich wird nicht geschossen!“

Er habe befürchtet, dass einer der Grenzoffiziere der DDR die Nerven verliert und die Schusswaffe einsetzt. „Das wäre ganz schlimm gewesen“, so Großmann. Das sei zum Glück nicht passiert. Aber es sei Chaos entstanden, weil niemand darauf vorbereitet war, die Grenzen so plötzlich zu öffnen. Das habe auch für das MfS und dessen Abwehrdienst-Einheiten gegolten, die die Grenze zu sichern hatten. Selbst Mielke sei überrascht worden von den Ereignissen, obwohl er an der vorherigen ZK-Beratung teilgenommen hatte. Niemand habe gewusst, was zu tun ist.

„Längere Entwicklung“


„Da ist mir eigentlich klargeworden, dass es der Beginn eines Prozesses ist, wie er auch immer ausgehen mag.“ Das Ende, die deutsche Einheit, habe er damals aber nicht so klar vorhergesehen, so der HVA-Chef. „Aber, dass es der Beginn einer neuen Ära sein wird, war mir klar.“

Für den Ex-HVA-Chef ist grundsätzlich klar, dass eine längere Entwicklung der DDR zu diesem historischen Datum führte. Aus seiner Sicht spielten bei der Implosion des eigenen Landes innere und äußere Faktoren eine Rolle. Im Inneren haben aus seiner Sicht die anwachsende Unzufriedenheit der eigenen Bevölkerung sowie die falsche Reaktion der Partei- und Staatsführung dazu beigetragen.

„Das war eigentlich abzusehen, dass ein Großteil der Bevölkerung unzufrieden war mit der Entwicklung bis dahin in der DDR. Gerade das Problem, reisen zu können, was immer eingeschränkter möglich war, selbst in die Ostblock-Länder, trug dazu bei.“ Die fehlende Reisefreiheit für DDR-Bürger sieht er als eines der Hauptprobleme des untergegangenen Landes.

„Falscher Umgang“


Das sei eine der Ursachen für viele der Ausreiseanträge in die BRD gewesen, meint Großmann im Rückblick. „Damit wurde wiederum aus meiner Sicht falsch umgegangen, weil sie nicht politisch, sondern strafrechtlich behandelt wurden. Auch das Ministerium für Staatssicherheit hatte ja die Aufgabe, diese Bürger zu überwachen und die Ausreise möglicherweise zu verhindern. Selbst Minister Mielke hat damals bei einer Besprechung, an der ich teilgenommen habe, gesagt, es sei eigentlich überhaupt nicht Aufgabe der Staatssicherheit, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen, sondern dass das politisch gelöst werden müsste.“

Das habe Mielke im internen Kreis gesagt, aber „sicher nicht gegenüber Honecker oder anderen verantwortlichen Funktionären, um da etwas zu verändern. Das war eine fehlerhafte Politik, die gemacht wurde.“

Der letzte DDR-Chefaufklärer sagte zudem: „Man hätte wirklich mal mit den Bürgerrechtlern, die kritisiert und Vorschläge gemacht haben, sprechen müssen. So haben wir das damals gesehen.“ Es sei ein „ganz entscheidender Fehler gewesen“, dass das ausblieb. „Der größte Teil dieser Leute, die sehr aktiv waren, wollten die DDR nicht abschaffen“, ist sich Großmann bis heute sicher. „Die wollten eine andere DDR. Eine andere DDR wäre schon noch möglich gewesen, aber nicht allein.“

„Kein Ende in Sicht“


Für Großmann spielen auch die wirtschaftlichen Probleme des Landes eine Rolle. Der ehemalige Chef-Aufklärer der DDR berichtete, dass bis Mitte 1989 alle Informationen der eigenen Agenten bzw. Kundschafter aus der Bundesrepublik zeigten, dass dort die Entwicklung der DDR mit Sorge betrachtet wurde.

Im Westen sei über Probleme und mögliche Aufstände im Osten gesprochen worden, „aber vom Ende der DDR hat man eigentlich nicht gesprochen“. So sei es in den weitergegebenen Informationen der HVA über das bundesdeutsche Meinungsbild darum gegangen, dass es Probleme gäbe, „aber das Ende ist nicht zu befürchten“.

Großmann antwortete auch auf die Frage, warum das MfS mit seinen Informationen aus der DDR selbst anscheinend machtlos war und die Implosion des Systems nicht verhindern konnte. Der frühere Generaloberst erinnerte sich an eine Sitzung des MfS-Kollegiums im Frühjahr 1989. An einer solchen nahmen einmal im Monat alle führenden Offiziere der Staatssicherheit teil.

Kein Putsch


Diese Sitzung sei anders als die vorherigen gründlich vorbereitet worden, mit einer vorab übermittelten Analyse der Situation in der DDR. Darin seien viele Probleme aufgelistet und noch größere Schwierigkeiten befürchtet worden. Ebenso habe es Vorschläge gegeben, was geändert werden müsste. „Das hat es vorher nie gegeben, soweit ich das einschätzen kann.“

In der Sitzung hätten alle Teilnehmer unterstützt, was in dem Material zusammengetragen war. Vor allem die eigenen Erfahrungen hätten dafür gesorgt, dass die vorgeschlagenen politischen Korrekturen begrüßt wurden. Er selbst habe die HVA-Informationen über die Sichten aus der Bundesrepublik wiedergegeben, berichtete Großmann. Er sagte zu der Analyse und der Sitzung: „Wenn man es ganz ernst genommen hätte, hätte man sagen müssen: Jetzt müssen wir wirklich auch was tun und das nicht nur zur Kenntnis nehmen!“

Am Ende der Sitzung hätten die MfS-Offiziere ihren Minister Mielke gebeten, das Material der DDR-Partei- und Staatsführung zu übergeben und Veränderungen einzuleiten. Doch Mielke habe darauf gesagt, die Gesamtanalyse müsse nach Themen aufgeteilt und das Wirtschaftsteil an das zuständige Politbüro-Mitglied Günter Mittag und das andere Teil an Honecker weitergegeben werden. Das war aus Großmanns Sicht „wieder ein ganz entscheidender Fehler“.

Ignoranz der SED-Spitze


Es stimme auch, dass viele Informationen der Abwehr-Abteilung des MfS, zuständig für das Inland, über die Lage in der DDR von der Partei- und Staatsführung ignoriert wurden. Darüber habe sich selbst Mielke empört. Dieses Vorgehen nach dem Prinzip „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“, sei ein ganz entscheidender Fehler gewesen, hob der letzte HVA-Chef hervor. Selbst der Honecker-Nachfolger und letzte SED-Generalsekretär Egon Krenz habe ihm vor kurzem, als er ihn danach gefragt habe, nicht erklären können, warum die DDR-Spitze so ignorant war.

„Die Parteiführung hatte sich so weit vom Volk entfernt und glaubte das nicht, was ihr gemeldet wurde. Sie hat selbst auch nicht begriffen, dass etwas geschehen muss. Es war eine schlimme Situation, dass alles, was sorgfältig geprüft und vorgeschlagen wurde, nicht ernst genommen wurde.“
Er habe von der eigenen Partei- und Staatsführung nie erfahren, wie dort mit den entsprechenden Informationen umgegangen wurde. Das sei aber nicht überraschend, sondern so üblich gewesen.

Zwar habe das MfS jeweils angegeben, an wen innerhalb der SED-Spitze und der DDR-Regierung die Informationen gehen sollten. Er wisse nicht, ob und in welcher Form sie durch Mielke tatsächlich weitergegeben wurden, gestand Großmann ein.

Bestätigung aus dem BND


Ihm sei bekannt, dass Geheimdienste aller Herren Länder mit dem Problem zu tun haben, dass ihre politischen Auftraggeber nur auf das reagieren, was ihnen passt. Er habe in den 1990er Jahren ein Gespräch mit dem leitenden Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) Volker Foertsch gehabt, der ihm das bestätigt habe.

Allerdings habe es unter den DDR-Partei- und Staatsfunktionären Ausnahmen gegeben, wo es so war, „wie es in der Spitze hätte sein müssen“, und die auf die Informationen aus dem MfS reagiert hätten. Die Ignoranz der SED-Spitze gegenüber den Informationen der MfS-Aufklärer habe sich erst nach dem Wechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker 1971 herausgebildet, erklärte Großmann.

Werner Großmann, geboren 1929, leitete in der Nachfolge von Markus Wolf ab 1986 den Auslandsnachrichtendienst der DDR. Er gehörte dem Dienst seit dessen Gründung 1952 an. Der Generaloberst war zugleich auch stellvertretender Minister für Staatssicherheit der DDR. Von ihm erschien im Verlag „edition ost“ das Buch „Der Überzeugungstäter“, in dem seine Gespräche mit dem Journalisten Peter Böhm über seine jahrzehntelange Tätigkeit für das MfS und dessen Auslandsaufklärung wiedergegeben werden.

zuerst veröffentlicht auf sputniknews.com am 18.5.2019 

Donnerstag, 3. Oktober 2019

Serie DDR 1989/90: Wirtschaftshistoriker: „DDR war 1989 wirtschaftlich nicht am Ende und nicht pleite“

Von Tilo Gräser

Bis heute wird immer wieder behauptet: Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war 1989 pleite. Die Anhänger dieser These leugnen dabei Fakten und Untersuchungen, die dem widersprechen. Darauf hat der Wirtschaftshistoriker Jörg Roesler gegenüber Sputnik hingewiesen. Er sagt auch, wer tatsächlich für den DDR-Untergang verantwortlich ist.

„Was wir nicht gewusst haben vor der Wiedervereinigung, das war, wie schlimm es um die ostdeutsche Volkswirtschaft stand und wie bankrott der Staat war.“ Das hat der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) kürzlich im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) behauptet. Und hinzugefügt: „Soll mir heute niemand mit Ostalgie kommen, da war nichts gut in der DDR!“

Der CSU-Politiker veröffentlichte vor kurzem seine Erinnerungen als Buch. Im Interview mit der FAS meint er gar, angesprochen auf die von Kanzler Helmut Kohl einst angekündigten „blühenden Landschaften“ in Ostdeutschland: „Die sehe ich, wenn ich durch Ostdeutschland fahre.“ Leider wurde er nicht gefragt, was er damit meint.

Es könnte auch als ein Beleg für mögliche Wahrnehmungsstörungen Waigels verstanden werden. Das gilt auch für seine Einschätzung des Zustandes der DDR-Wirtschaft 1989/90. Oder Waigel setzt auf die verständliche Unkenntnis der Leser dieses und seiner anderen Interviews, die er aus Anlass seiner Memoiren gab.

Zweckbehauptung ohne Grundlage


Die frühzeitig aufgekommene Behauptung, die DDR sei 1989 „pleite“ gewesen, stimmt aus Sicht des Wirtschaftshistorikers Jörg Roesler nicht. Das erklärte er im Sputnik-Gespräch. Nur mit Blick auf die Verschuldung gegenüber dem damaligen sogenannten nichtkapitalistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) habe die DDR im Zahlungsrückstand gelegen. Die Verschuldung des Landes im Vergleich zu seinem Brutto-Inlandsprodukt (BIP) sei nicht höher gewesen als die Italiens zum Beispiel.

Für Roesler handelt es sich um eine Zweckbehauptung, um jenen, die durch die Zerstörung der DDR-Wirtschaft mehr als nur ihren Arbeitsplatz verloren, erklären zu können: Es ging nicht anders! Das Gegenbeispiel ist für ihn, dass heute Länder wie Italien mit vergleichbaren Schulden „nicht nur weiter existieren, sondern auch weiter mitmischen können“. Diese Staaten würden nicht zwangsläufig untergehen.

Bundesbank: DDR bis zum Schluss kreditwürdig


Die DDR hatte 1989 Nettoschulden gegenüber dem NSW von insgesamt rund 19,9 Milliarden Valuta-Mark (VM). Das hatte die Bundesbank bereits 1991 berechnet, aber erst 1999 veröffentlicht. Danach standen Devisenreserven der DDR von rund 28,96 Milliarden VM Verbindlichkeiten in Höhe von 48,84 Milliarden VM gegenüber. 1982 habe die DDR-Nettoverschuldung bei 25,15 Milliarden VM gelegen, worauf die politischen Entscheidungsträger ihre Verschuldungspolitik geändert hätten, so die Bundesbank vor 20 Jahren. 1985 habe sie nur noch bei 15,48 Milliarden VM gelegen, sei dann aber wieder angestiegen.

Die Bundesbank schrieb auch Folgendes: „Die internationalen Finanzmärkte sahen die Situation jedoch noch nicht als kritisch an. Sowohl im Jahre 1988 als auch 1989 konnten die DDR-Banken Rekordbeträge im Ausland aufnehmen.“

Wirtschaftshistoriker Roesler widersprach auch Aussagen, die DDR -Wirtschaft sei so „marode“ gewesen, das der Untergang kommen musste. Die Wirtschaft der DDR sei selbst nach westlichen Berechnungen in den 1980er Jahren gewachsen. Aber sie habe anders als noch in dem Jahrzehnt davor nicht mehr gegenüber der Bundesrepublik aufgeholt. Ihr Niveau habe bei etwas über 50 Prozent des westdeutschen BIP gelegen.

Warum die DDR-Wirtschaft abstürzte


Daraus zu schlussfolgern, dass die DDR-Wirtschaft „marode“ war, hält Roesler für „absurd“. Existenzielle Probleme habe sie erst mit der Grenzöffnung und der übereilten Anpassung an bundesdeutsche Vorgaben im Zuge der schnellen Einheit 1990 bekommen. Das wäre jedem anderen Land nicht anders gegangen, betonte der Experte.

Das Niveau der DDR bzw. Ostdeutschlands von 55 Prozent im Jahr 1989 im Vergleich zum westdeutschen BIP sei auf 33 Prozent im Jahr 1991 abgesackt. „Das hat nichts mit Pleite zu tun, sondern mit ihrer Behandlung mit Hilfe dieser Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion.“ Dieses Niveau von 1991 werde statt dem von 1989 als Ausgangspunkt für die Zwecklügen genommen, hob Roesler hervor.

Politische Vorgaben für Wirtschaft


Die Wirtschaft der DDR habe große Probleme bei notwendigen Investitionen gehabt, erklärte er. Das habe mit dem politischen Ziel zu tun gehabt, den sozialen und materiellen Wohlstand der Bürger des Landes zu sichern und auszubauen. Das habe sich besonders ausgeprägt, als 1971 Erich Honecker Walter Ulbricht als SED-Vorsitzenden ablöste. Vor allem ab den 1980er Jahren seien viele Industrieanlagen nicht mehr wie notwendig erneuert worden.

Es habe in der SED-Führung Streit darüber gegeben, ob der Lebensstandard zugunsten der Industrieentwicklung nicht weiter steigen dürfe. Entsprechende Vorschläge vom SED-Politbüromitglied Günter Mittag, verantwortlich für Wirtschaft, habe Partei- und Staatschef Honecker aber abgelehnt. „Wie hätten die Arbeiter reagiert, die die alten Anlagen beklagten, an denen sie arbeiteten, wenn ihre Löhne wegen der notwendigen Investitionen nicht steigen?“ Die Antwort auf diese Frage sei entscheidend gewesen, so Roesler.

Zugespitzte Warnung 1989


Nach dem Sturz Honeckers legte der DDR-Planungschef Gerhard Schürer gemeinsam mit anderen der DDR-Spitze im Oktober 1989 ein Papier vor, nachdem die Wirtschaft des Landes kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Das gilt bis heute für manche als Beweis dafür, dass die DDR 1989 „pleite“ war.  Dabei wird ignoriert, dass die Autoren um Schürer ihre Angaben für das SED-Zentralkomitee später selber korrigierten.

Die Analyse der ökonomischen Situation hatte Honecker-Nachfolger Egon Krenz in Auftrag gegeben. „Das Papier war keine Kapitulation, sondern ein Wegweiser, wie eine souveräne DDR mit den Schwierigkeiten aus eigener Kraft hätte fertig werden können.“ Das schrieb Krenz 2009 in der Neuausgabe seines Buches „Herbst ‘89“ dazu. Ziel der Autoren sei es gewesen, „die Partei- und Staatsführung zu einer sozialistischen Wirtschaftsreform zu drängen“.

Historiker Roesler meinte dazu: „Das war ein Aufruf: Macht es anders! Aber nicht: Wir sind pleite!“ Das Besondere sei gewesen, dass das Papier Ende 1989 an die Öffentlichkeit kam. „Hätten sie es zwei Jahre vorher zusammen gehabt, wäre es nicht rausgekommen.“

Die zehn Jahre später veröffentlichte Bundesbank-Analyse habe nüchtern gezeigt: „Es war im normalen Bereich, es war kein Zusammensturz.“ Es habe keinen Grund gegeben für die Annahme, dass die DDR wirtschaftlich zusammenbrechen würde. Ihre vorhandenen ökonomischen Probleme seien zum Teil weltwirtschaftlich bedingt gewesen, wie die Bundesbank gezeigt habe, so Roesler. Deren spätveröffentlichte Analyse sei zudem ein Beleg dafür, wie schwer es die Wahrheit gegenüber politischen Interessen habe.

Politik ignorierte Experten


Für Experten, auch solche aus der DDR, ist klar, dass die inneren Probleme in der Wirtschaft der DDR in beachtlichem Maß durch die politischen Vorgaben der SED-Führung bedingt waren. Dieses realitätsfremde Verhalten bestimmte aber ebenso das Verhalten der Bundesregierung, als es um die deutsche Einheit ging. Deren Umgang mit der Wirtschaft der DDR und die folgende Deindustrialisierung Ostdeutschlands mit Hilfe der Treuhand hätten jegliche fachliche Einwände von Wirtschaftsexperten ignoriert, bestätigte Roesler.

Der ehemalige Vize-Chef der DDR-Plankommission Siegfried Wenzel, beteiligt an den Verhandlungen zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der BRD, hat bereits 2000 eine Analyse „Was war die DDR wert?“ veröffentlicht. In der aktualisierten Ausgabe von 2015 zitierte Wirtschaftshistoriker Roesler Wenzels Aussagen in einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema: „Die DDR war im Jahre 1989 weder wirtschaftlich am Ende noch war sie pleite.“

Wenzel belegte diese Aussage in seinem Buch mit Zahlen und Fakten und verwendete dabei auch Vergleichsdaten anderer europäischer Staaten. Seine These, nicht der staatssozialistische Wirtschaftstyp sei das Problem der DDR gewesen, „sondern die fehlende Flexibilität der SED-Führung in der Preispolitik“, unterstützt Roesler.

Fehler im System der DDR


Die DDR hat es bei allen Bemühungen und entsprechenden Parolen wie der vom „Überholen ohne einzuholen“ nicht geschafft, den Rückstand zur BRD-Wirtschaft einzuholen. Der Wirtschaftshistoriker dazu in seinem Vorwort: „Als Hauptursache dafür benennt Wenzel ‚die grundlegenden, die ‚genetischen‘ Fehler des politischen und Gesellschaftssystems selbst‘. Darunter versteht er die Beanspruchung des Wahrheits- und Weisheitsmonopols durch die SED, die Negierung einer pluralistischen Demokratie und die bedingungslose Unterordnung der Wirtschaft unter das Primat einer voluntaristischen Politik sowie die Negierung ihrer Eigengesetzlichkeit.“

Zu den Ursachen zählen für Roesler aber ebenso die Belastungen durch die Reparationsleistungen an die Sowjetunion. „Es handelte sich um die höchsten Reparationen, die ein Land im 20. Jahrhundert zu zahlen hatte“, stellte Roesler fest. Das habe zu deutlich schlechteren wirtschaftlichen Ausgangs- und Entwicklungsbedingungen für die 1949 gegründete DDR geführt im Vergleich zu jenen für die im selben Jahr gegründete BRD.

Funktionsfähige Planwirtschaft


Der Wirtschaftshistoriker verweist im Vorwort zu Wenzels Buch auf die Untersuchungen von Gerhard Heske vom Kölner Zentrum für Historische Sozialforschung aus den Jahren nach 2005. Dieser hatte mit Hilfe der vorhandenen Daten einen deutsch-deutschen ökonomischen Leistungsvergleich vorgenommen. Roesler fasst das so zusammen: „Der heute jedem Interessierten mögliche Nachvollzug des Produktivitätswettbewerbs zwischen DDR und BRD ist gewissermaßen der wirtschaftsstatistische Beweis der von Siegfried Wenzel mehrmals getroffenen Feststellung, dass die DDR-Planwirtschaft sicherlich viele Fehler und Mängel gehabt habe, dass sie aber nichtsdestotrotz funktionsfähig gewesen sei.“

„Aufholen, ohne einzuholen!“ heißt Roeslers eigenes Buch über „Ostdeutschlands rastlosen Wettlauf 1965 – 2015“. Darin stellte er 2016 fest, dass die DDR-Wirtschaft 1989 vor der Aufgabe grundlegender Reformen stand. Diese seien unter dem SED-Generalsekretär Erich Honecker nicht möglich gewesen. Erst nach dessen Rücktritt im Oktober 1989 und mit der neuen DDR-Regierung unter Hans Modrow ab November des Jahres seien Reformen möglich geworden. Doch das dafür von der neuen Wirtschaftsministerin Christa Luft gemeinsam mit anderen Experten vorgelegte Konzept hatte am Ende keine Chance mehr. Das Ende der DDR kam am 2. Oktober 1990 schneller, als es viele noch im Herbst 1989 für möglich hielten.

zuerst veröffentlicht am 11.5.2019 auf sputniknews.com

Montag, 30. September 2019

Serie DDR 1989/90: 30. September '89 in Prag – Vorspiel zum "Mauerfall"

Von Tilo Gräser

Am 30. September 1989 hat sich die Ohnmacht der damaligen DDR-Partei- und Staatsführung unter Erich Honecker auf eine dramatische und deutliche Weise gezeigt. Im Rückblick darauf erscheint der Weg zur Grenzöffnung am 9. November folgerichtig und unaufhaltsam. Die Ereignisse haben auch klar gemacht: Moskau hilft nicht mehr.
Der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher erklärte am 30. September 1989 gegen 19 Uhr auf dem Balkon der BRD-Botschaft in Prag mehreren tausend DDR-Bürgern, dass sie in die Bundesrepublik ausreisen dürfen. Mit laut den Augenzeugen unbeschreiblichem Jubel reagierten die Menschen darauf. Genau das hatten sie erreichen wollen, als sie im Frühjahr 1989 begannen, die Botschaften der BRD in Prag, Budapest, Warschau und selbst die ständige Vertretung der BRD in Ost-Berlin zu besetzen.

Der Tag vor 30 Jahren zeigte endgültig, dass die SED-Führung mit dem Generalsekretär Erich Honecker nur noch reagieren kann und das Heft des Handelns längst verloren hat. Inzwischen gibt es eine umfangreiche Literatur mit Aussagen von Zeitzeugen sowie mit Dokumenten zu den Ereignissen. Sie belegt, wie ohnmächtig und hilflos die DDR-Vertreter einschließlich des Ministeriums für Staatssicherheit reagierten. Ihnen liefen die eigenen Bürger weg, enttäuscht von der Unbeweglichkeit der politischen Führung und deren Unwillen zu Reformen.

„Landsleute“ angelockt


Zugleich wurden sie angelockt: Die BRD-Regierung weigerte sich bis zuletzt, die DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen. Artikel 116 des Grundgesetzes machte alle DDR-Bürger zu Deutschen unter bundesdeutscher Hoheit. So wurde die Fluchtbewegung in diesem Maß möglich, auch wenn die Ursachen dafür DDR-gemacht waren. Bezeichnenderweise sprach Genscher die Botschaftsbesetzer aus der DDR mit „Liebe Landsleute“ an.

Zum anderen wurden in Ungarn, wahrscheinlich nicht anders in Polen und der ČSSR, DDR-Bürger auf verschiedene Weise eingeladen, die Botschaften und eingerichtete Aufnahmelager zur Flucht zu nutzen. So sprachen beispielsweise im Sommer 1989 in Budapest Mitarbeiter der „Malteser“ gezielt erkennbare DDR-Touristen an, die Chance zur Flucht zu nutzen. Die katholische Hilfsorganisation organisierte im Auftrag der ungarischen Regierung die Lager für DDR-Bürger. Nicht alle gingen damals darauf ein, wie der Autor damals erfuhr.

Nicht mehr die SED-Spitze entschied den Gang der Dinge, sondern andere. Dabei spielte eine wichtige Rolle, was eine kleine Episode aus dem September 1989 deutlich macht. Über die berichtete der ehemalige DDR-Staatsrechtler Ekkehard Lieberam Ende August dieses Jahres in der Tageszeitung „junge Welt“: „Noch vor der ‚Wende‘ gab es, um den 10. September 1989 herum, ein Angebot des Außenministeriums der Bundesrepublik an die Regierung der DDR, miteinander ‚über die Vereinigung‘ zu verhandeln.“ Die von Lieberam zitierte Begründung der Bonner Vertreter ist interessant: „Die Voraussetzungen der Zweistaatlichkeit, ‚Jalta und die Stärke der Sowjetunion‘, seien entfallen.“

Schwäche ausgenutzt


Zur selben Zeit, am 11. September 1989, öffnete das noch sozialistische Ungarn seine Grenze zu Österreich für Bürger aus dem „Bruderland“ DDR. Laut dem ehemaligen DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow bedankte sich Bonn bei Budapest mit rund drei Milliarden D-Mark Finanzhilfe. Die von Lieberam erwähnte Episode ist ein kleiner Beleg dafür, was führende Kreise des Westens dachten: Der Ostblock pfeift auf dem sprichwörtlichen letzten Loch.

Davon kündete bereits die Tatsache, dass im April 1989 US-CIA-General Vernon A. Walters als Botschafter der USA in Bonn akkreditiert wurde. Der hatte nach eigenen Worten die „Wiedervereinigung“ vorausgesehen. Die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zitierte den reaktivierten CIA-Putsch-Veteran am 10. Januar 1989 mit dem Satz: „Eine meiner Hauptaufgaben ist es, die Letzte Ölung zu geben, kurz bevor der Patient stirbt.“ Der einstige US-Experte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), Klaus Eichner, betonte, dass sich die "Ölung" durch Walters nicht auf die BRD bezog. Er schrieb dazu in der Zeitschrift „Ossietzky“ im Jahr 2014: „Die Analyse der US-Strategen besagte: Die Supermacht UdSSR und ihre mehr oder weniger sicheren Bündnispartner in Osteuropa sind sturmreif. Jetzt und hier geht es also ums Ganze!“

Die sowjetische Führung unter dem im Frühjahr 1985 ins Amt gekommenen KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow wusste zumindest um die eigenen Probleme. Sie suchte den Ausweg in Reformen und indem die anderen realsozialistischen Länder aus der Moskauer Vormundschaft entlassen wurden, neben der weitgehenden Annäherung an den Westen, auf Hilfe vom einstigen Gegner hoffend. So kam es, dass es bereits gegen die bekannten vorsichtigen Pläne Ungarns, die Grenze zum Westen zu öffnen, keinen sowjetischen Widerspruch gab.

Hilfe nicht für jeden


Als Bundesaußenminister Genscher Ende September in New York mit Polizei-Blaulicht zu seinem sowjetischen Amtskollegen Eduard Schewardnadse fuhr und um Hilfe bat, die Situation der völlig überfüllten Prager BRD-Botschaft zu klären, wurde er nicht abgewiesen. Das berichtete kürzlich Frank Elbe im Sputnik-Interview, der Büroleiter von Genscher war. In den Erinnerungen des verstorbenen Bundesaußenministers wird Schewardnadses Antwort so wiedergegeben: „Ich helfe ihnen.“ Die Außenminister waren damals gerade zur UN-Vollversammlung in New York.

Dort war ebenfalls DDR-Außenminister Oskar Fischer anwesend. Der bat bei seinem sowjetischen Amtskollegen erfolglos um Hilfe „gegen Westdeutschlands revanchistische Intentionen“. Nachzulesen ist das in dem Buch „Zündfunke aus Prag“ über die damaligen Ereignisse. Schewardnadse soll geantwortet haben, „dass diese früher so [gewesen sei], heute aber nicht mehr geh[e], denn heute hab[e] man Demokratie“. Er habe empfohlen, die Ausreisewilligen ziehen zu lassen.

Buchautor Karel Vodička zufolge hat Fischer gegenüber DDR-Partei- und Staatschef Honecker festgestellt, dass die BRD für die sowjetische Führung wichtiger geworden sei als das „Bruderland“ DDR. Man habe „vermehrt mit nachlassender Unterstützung aus Moskau zu rechnen“. Vodička weiter: „Honecker ist ab diesem Moment auf sich allein gestellt. Künftig kann er nicht mehr ohne weiteres auf die Unterstützung der Sowjetunion, in militärischer und politischer Hinsicht, bauen.“

Hilflose DDR-Reaktion


Moskau habe auf die Informationen von Schewardnadse hin Druck auf Ost-Berlin ausgeübt, berichtete unlängst der ehemalige Staatsekretär im bundesdeutschen Auswärtigen Amt, Jürgen Sudhoff, bei einer Veranstaltung. Er gehörte damals zu jenen, die versuchten, die Lage in den Botschaften im Sinne Bonns zu klären. Das Ergebnis: Der Ständige Vertreter der DDR in Bonn, Horst Neumann, informierte am 30. September morgens die Bundesregierung, die Botschaftsbesetzer aus der DDR dürften in die Bundesrepublik ausreisen. Mit der Nachricht flog dann Genscher am Abend nach Prag, wo er sie auf dem Botschaftsbalkon verkündete.

Zu den hilflosen Reaktionen der DDR-Führung gehörte, dass die Ausreisewilligen nur in Sonderzügen über das eigene Territorium in die BRD fahren durften. Damit wollte die SED-Spitze noch einmal die längst verlorene DDR-Souveränität unter Beweis stellen. Sie erreichte aber nur noch mehr Aufmerksamkeit für die Fluchtbewegung selbst im eigenen Land. Das führte zu Sympathiebekundungen an den Fahrstrecken und zu gewalttätigen Protesten wie denen am 4. und 5. Oktober 1989 in Dresden.

In Genschers Erinnerungen ist zu lesen, dieser habe bereits am 27. September 1989 DDR-Außenminister Fischer zwei Varianten vorgeschlagen: Erstens die direkte Ausreise von Prag in die BRD oder zweitens in Zügen über das DDR-Gebiet. DDR-Vertreter Neubauer habe dann am 30. September in Bonn mitgeteilt, dass Ost-Berlin sich für die zweite Variante entschieden habe.

Grenzöffnung als Ventil


Und so nahmen gewissermaßen in einer letzten souveränen Zuckung MfS-Mitarbeiter den ausreisenden DDR-Bürgern in den Zügen die Personalausweise ab und gaben sie nicht zurück. Eigentlich sollten sie verabredungsgemäß nur mit Stempeln die Ausreise bestätigen. Das geschah im Beisein von jeweils zwei Beamten aus dem Auswärtigen Amt und dem Kanzleramt, die in den Sonderzügen als Sicherheit mitfuhren.

Was noch in der Nacht des 30. September in Prag entsprechend der Zusagen der DDR begann, geschah zur gleichen Zeit in Warschau. Dort kümmerten sich Staatssekretär Sudhoff und Franz Bertele, Ständiger Vertreter der BRD in der DDR, um die Ausreisewilligen. Die kampierten in der bundesdeutschen Botschaft und im Warschauer Stadtgebiet. Am Ende fuhren in der Nacht zum 1. Oktober 1989 809 „Deutsche aus der DDR“, wie sie offiziell genannt wurden, in einem Sonderzug von Warschau in die Bundesrepublik. Nachzulesen ist das in einem Bericht des BRD-Botschafters Franz Jochen Schoeller in Polen, der in einer Dokumentensammlung zur deutschen Einheit veröffentlicht wurde.

Kaum waren die Züge in der Nacht zum 1. Oktober 1989 abgefahren, kamen neue ausreisewillige DDR-Bürger in die BRD-Botschaften. In Prag versuchten die tschechoslowakischen Behörden noch, das zu verhindern, scheiterten aber am Ende. Die DDR-Regierung beklagte sich, Bonn halte sich nicht an Absprachen, niemand mehr in die eigenen Botschaften zu lassen. Am Ende half das alles nichts mehr. Der letzte hilflose Befreiungsschlag der neuen SED-Führung unter Egon Krenz – ein Reisegesetz mit Reisefreiheit für alle DDR-Bürger – führte nur zur überraschenden unkontrollierten Grenzöffnung am 9. November 1989.

zuerst veröffentlicht auf sputniknews.com

Freitag, 20. September 2019

Serie DDR 1989/90: „Eine nicht notwendige Dummheit“ – Wie die DDR-Kommunalwahl 1989 gefälscht wurde

Von Tilo Gräser

Die DDR-Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 hatten vorgegebene Ergebnisse. Diese Wahlfälschung gilt allgemein als einer der Auslöser vor 30 Jahren für die Proteste der DDR-Bürger gegen die Partei- und Staatsführung. Zeitzeugen haben in Berlin daran erinnert. Dabei wurde auch ein hohes Maß an subjektivem Empfinden offenbar.


Stefan Müller wurde 1989 von der DDR-Staatssicherheit mehrmals verhaftet. Er hat damals gemeinsam mit Freunden und anderen Aktivisten in Berlin auf die gefälschte Kommunalwahl vom 7. Mai des Jahres in der DDR aufmerksam gemacht. Das geschah an jedem 7. der Folgemonate und im September 1989 auf dem Alexanderplatz. Dort wurden sie von Mitarbeitern der Staatssicherheit wieder verhaftet, was laut Müller ziemlich brutal geschah. Ihm wurde der rechte Arm gebrochen, wie er sich am 7. Mai 2019 erinnerte.

Gemeinsam mit Evelyn Zupke, einer Aktivistin aus Berlin-Weißensee, berichtete der Berliner, wie er vor 30 Jahren auf die Wahlfälschung aufmerksam zu machen versuchte. Beide sprachen mit der Historikerin Anja Schröter und dem „Spiegel“-Journalisten Peter Wensierski auf einer Veranstaltung der Robert-Havemann-Gesellschaft über die letzten DDR-Kommunalwahlen in Berlin und deren Folgen.

„Keinen Bock mehr auf den Mist“


Der heutige Sozialarbeiter Stefan Müller sagte, er habe damals jede Möglichkeit gesucht, um das „marode System“ der DDR zu ärgern. „Wir sind junge Leute gewesen, wollten an den Veränderungen beteiligt werden und sind ausgegrenzt worden.“ So beschrieb er die damalige Stimmung in seinem Freundeskreis, der vor allem aus Wehrdienst-Totalverweigerern bestanden habe. „Wir hatten keinen Bock mehr auf den Mist.“ Sie hätten den DDR-Funktionären und —Mächtigen zeigen wollen: „Ihr nervt uns und habt das Land runtergeritten!“

Er sei nicht kirchlich gewesen, obwohl sein Vater Pastor war. Aber da die Kirchen in der DDR der einzige Ort waren, wo sich oppositionelle Gruppen treffen konnten, sei er mit zum „Friedenskreis“ in Berlin-Weißensee gegangen. Den hatte Evelyn Zupke mit anderen organisiert, wo die beiden dann aufeinander trafen.

Mit anderen, unter ihnen ein „Inoffizieller Mitarbeiter“ (IM) der Staatssicherheit, haben sie sich damals darauf vorbereitet, die Stimmauszählungen am 7. Mai 1989 zu beobachten. Das war nach dem DDR-Wahlgesetz möglich, wurde ihnen aber mit zum Teil absurden Begründungen erschwert. Gemeinsam organisierten sie danach die Proteste gegen die offiziell verkündeten, falschen Ergebnisse.

Offensichtlich falsches Ergebnis


Was beide aus ihrer Erinnerung berichteten, das gehörte zu den DDR-weiten Protesten nach der Kommunalwahl im Mai 1989. Die war, laut Historikerin Schröter, ein Katalysator für die gestiegene Unzufriedenheit und die zunehmenden Proteste in der DDR-Bevölkerung. Dazu trug bei, dass Egon Krenz, Leiter der zentralen Wahlkommission, am Abend des 7. Mai 1989 verkündete, 98,85 Prozent der Wahlberechtigten hätten mit Ja für die Einheitsliste der „Nationalen Front“ gestimmt, und es hätte nur 1,15 Prozent Nein-Stimmen gegeben.

Doch das war eine offensichtliche Falschmeldung, denn Wahlbeobachter in zahlreichen DDR-Städten hatten festgestellt, dass es bis zu zehn Prozent Nein-Stimmen gab. In Berlin-Weißensee wurden beispielsweise amtlich 1.011 Nein-Stimmen bei 42.007 gültigen Stimmen für den Wahlvorschlag verkündet, wie Müller und Zupke am Dienstag berichteten. Sie präsentierten ihre damalige Auswertung, nach der es in 66 von 67 Wahllokalen 2261 Nein-Stimmen und 25.797 Ja-Stimmen gegeben hatte. Auch sei offiziell die Wahlbeteiligung deutlich höher angegeben worden, als sie tatsächlich war.

Wahlkabinen im Abseits


Moderator Wensierski ließ sich im „Stasi-Unterlagenarchiv“ im ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit (MfS) von den beiden Aktivisten erklären, wie diese Wahl nach bewährtem DDR-Muster funktionierte. Dazu habe es einen Wahlzettel mit einer Einheitsliste von Kandidaten der „Nationalen Front“ gegeben. In dieser waren die fünf Parteien der DDR, allen voran die SED, zusammengefasst.

Traditionell mussten und konnten die Wähler auch im Mai 1989 nicht zwischen verschiedenen Kandidaten wählen. Sie sollten eigentlich nur den Wahlzettel falten und in die Wahlurne einwerfen, was als Ja-Stimme gewertet wurde. Zwar habe es in den Wahllokalen auch Wahlkabinen gegeben, erinnerte Zupke. Aber die hätten so gestanden, dass alle, die sie benutzen wollten, einen längeren Weg vor den Augen der offiziellen Wahlhelfer bewältigen mussten.

Das habe dazu geführt, dass viele die Kabinen gar nicht erst benutzten, so Zupke. Dazu habe „eine gehörige Portion Mut“ gehört, behauptete Moderator Wensierski. Zupke meinte, wer das tat, hätte danach Ärger bekommen. Der Autor dieser Zeilen hat das nach der Wahl am 7. Mai 1989 nicht erlebt, nachdem er die Wahlkabine benutzte und in dieser mit „Nein“ stimmte. Allerdings lag dafür in der Kabine tatsächlich nur ein Bleistift aus.


Wahlergebnis auf Anordnung von oben


Allerdings war es nicht so einfach, eine gültige Nein-Stimme abzugeben. Wer nicht alle Namen der Kandidaten einzelnen durchgestrichen hatte und sein „Nein“ anders kundtat, dessen Wahlzettel wurde als Ja-Stimme gezählt, berichteten die Zeitzeugen am Dienstag. Sie wollten damals mit ihrer vorbereiteten Wahlbeobachtung und ihren Protesten bei den DDR-Behörden danach auf den Betrug an den Wählern aufmerksam machen und die DDR-Bürger wachrütteln, wie sie erklärten.

Die falschen offiziellen Ergebnisse kamen auf Anordnung von oben zustande. In Ost-Berlin hatte der damalige Oberbürgermeister Erhard Krack von der SED den Stadtbezirken bereits vor dem Wahltag die Prozente der Ja-Stimmen vorgegeben. Ähnliches ist aus den anderen DDR-Bezirken bekannt geworden. Auch die Reaktionen auf die erwarteten Proteste gegen die Ergebnisse seien vorbereitet worden, berichteten die Podiumsteilnehmer am Dienstag. So habe Staatssicherheitsminister Erich Mielke persönlich vorgegeben, wie die Antworten auf die Eingaben von Bürgern zu formulieren seien.

Krenz heute: „Nicht notwendige Dummheit“


„Das war natürlich eine Dummheit, die wir selbst zu verantworten hatten.“ So kommentierte 30 Jahre später der damalige Leiter der DDR-Wahlkommission Egon Krenz gegenüber Sputnik die Wahlfälschung. Er verwies darauf, dass das DDR-Wahlgesetz noch aus den 1950er Jahren stammte und nicht mehr zeitgemäß war.

„Die Sache wäre überhaupt nicht notwendig gewesen. Ein anderes Ergebnis hätte überhaupt nichts an den Machtverhältnissen in der DDR geändert.“ Das sei zwar korrigierbar gewesen, habe aber die Stimmung in der DDR negativ verändert, gestand Krenz ein. Er habe aber nicht zur Wahlfälschung angestiftet, sagte er. Das habe ein entsprechendes Strafverfahren gegen ihn bewiesen, das ohne Urteil gegen ihn endete. Insgesamt seien 20 DDR-Funktionäre wegen der gefälschten Wahlergebnisse vom 7. Mai 1989 in der vereinigten Bundesrepublik angeklagt und verurteilt worden, hieß es am Dienstag.

Freie Wahlen ohne Sieg der Bürgerbewegung


Die beiden damaligen Wahlbeobachter Zupke und Müller meinten, sie seien enttäuscht gewesen, dass dann bei den letzten und freien Wahlen der DDR am 18. März 1990 zur Volkskammer die Bürgerbewegten so schlecht abschnitten. Ihre Vertreter in verschiedenen Gruppen bekamen damals insgesamt nur knapp über fünf Prozent. Großer Sieger war die ehemalige Blockpartei CDU mit 40,8 Prozent, bereits von der bundesdeutschen Schwester-Partei gleichen Namens unterstützt. Damit wurde der Weg in die schnelle Einheit geebnet.

„Die Stimmung war: Da sind wir wieder fünf Prozent unter uns“, erinnerte sich Müller an den Wahlausgang. Aber ihm und seinen Freunden sei auch klar gewesen, dass es eine demokratische Entscheidung war, bei der sich die Mehrheit der DDR-Wähler für den Westen entschieden habe. Er habe gedacht: „Das ist immer noch besser, als den Osten zu behalten.“ 

Immer noch Angst vorm Sozialismus? 


Der einstige Bürgerbewegte aus der DDR betonte wie seine Mitstreiterin Zupke, mit Blick auf die Wahlen in diesem Jahr, es sei wichtig, wählen zu können und zu gehen. Und fügte hinzu, dass er neben rechten Parteien auch die aus der SED hervorgegangene Partei Die Linke für weiterhin „unwählbar“ halte. In deren zweiter Reihe „sitzt noch die alte Garde“, behauptete Müller tatsächlich.

Ein ähnlich eigenartiges politisches Urteilsvermögen hatte die einstige Aktivistin Zupke am selben Tag, Stunden vorher, in einem Interview mit dem Sender „Deutschlandfunk“ gezeigt. Dessen Moderator hatte sie gefragt, was sie von den Ideen des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert halte, Konzerne wie BMW zu kollektivieren – obwohl es um die DDR-Kommunalwahl vor 30 Jahren ging. Zupke sieht solche Gedanken als „Verhöhnung weiter Teile der Gesellschaft der ehemaligen DDR“. Sie wollte Kühnert am liebsten „ein Ticket nach Venezuela, Nordkorea oder Kuba schenken, damit er sich ein Bild machen kann über die realen Konsequenzen seiner Fantasien“.

zuerst erschienen auf sputniknews.com am 8.5.2019


Donnerstag, 19. September 2019

Serie DDR 1989/90: Vor 30 Jahren in der DDR – Außer „Mauerfall“ nichts gewesen?

von Tilo Gräser

Die DDR 1989, in ihrem vierzigsten und letzten Jahr, ist 30 Jahre später Thema für Medien, Politik und Gesellschaft der 1990 vereinigten Bundesrepublik. Oftmals wird der Blick dabei auf den 9. November 1989 reduziert, als wie nebenbei die deutsch-deutsche Grenze geöffnet wurde. Doch in dem Jahr geschah in der DDR viel mehr.

„Wenn man den Mauerfall, der  ja tatsächlich eine Maueröffnung gewesen ist, in den Mittelpunkt stellt und ausblendet, was sich sonst noch zwischen Oktober 1989 und Oktober 1990 vollzogen hat, dann kann man wunderbar den Zusammenbruch der DDR beschreiben.“ So erklärte der Historiker Stefan Bollinger gegenüber Sputnik die vorherrschende Sicht auf die Ereignisse in der DDR vor 30 Jahren. „Da kann man sagen, dieser Staat war vermutlich von Anfang an so marode und zersetzt, dass das ganz folgerichtig war.“

Es handle sich um den „nicht ganz erfolglosen Versuch“, die Geschichte eines Landes von ihrem Ende her zu erzählen, so Bollinger. Dabei werde ausgelassen, was am Anfang war. Für den ostdeutschen Historiker ist die Frage wichtig, was im Herbst 1989 das Ziel jener war, die in der DDR für Veränderungen eintraten – auf den Straßen, in der Bürgerbewegung und auch in der Staatspartei SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands).

Das Land habe im Sommer und Frühherbst 1989 in einer tiefen Krise gesteckt, wirtschaftlich und vor allem politisch. Die politische Führung, das Politbüro der SED, habe es nicht mehr verstanden, die Fragen der DDR-Bürger zu beantworten und auf deren Wunsch, dass sich etwas ändert, zu reagieren. Dazu seien die Kräfte um SED-Generalsekretär Erich Honecker nicht mehr in der Lage gewesen, „geschweige denn, einen irgendwie gearteten Reformkurs einzuleiten“.

Reformstau im Realsozialismus


Diese Situation habe eine Vorgeschichte gehabt, wozu der Allmachtanspruch einer angeblichen Avantgarde-Partei gehört habe. Dazu habe ein „sehr eingeschränktes Verständnis von Demokratie“ gehört, hob der Historiker hervor. Es habe sich eine Gesellschaft herausgebildet, die nicht verstanden habe, dass sie sich nur entwickeln kann, wenn sie sich selbst immer wieder in Frage stellt und in Diskussionen versucht, Probleme zu lösen und neue Wege zu finden.

Die Entwicklung in der DDR in den letzten Jahren bis 1989 sei eingebunden gewesen in eine veränderte internationale Lage. Zu dieser habe gehört, dass es zu Veränderungen in der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern kam. Bollinger verwies dabei auf den „zwanzigjährigen Entwicklungsverlust“ seit den 1960er Jahren, seitdem der „Prager Frühling“ 1968 niedergewalzt wurde.

Das habe vor allem für die wissenschaftlich-technische Entwicklung der realsozialistischen Wirtschaften gegolten. Damalige Versuche seien aus Angst vor den politischen Konsequenzen abgebrochen worden, wodurch es einen Reformstau gegeben habe. In der DDR sei die unter Ulbricht mit dem „Neuen Ökonomischen System“ eingeleitete Wirtschaftsreform Opfer dieser Ängste der Dogmatiker in Moskau und Berlin geworden.

Fluchtwelle als Antwort der DDR-Bürger


Die DDR-Bürger hätten mit der Zeit festgestellt, „die eigene Gesellschaft entwickelt sich nicht mehr so erfolgreich, wie das im ‚Neuen Deutschland‘ jeden Tag drin steht“. Die wachsenden Erwartungen seien nicht mehr befriedigt worden, während gleichzeitig in den anderen sozialistischen Staaten anscheinend politisch Einiges in Bewegung geriet. Selbst ein Parteiführer wie Michail Gorbatschow in der Sowjetunion habe erklärt, dass der Sozialismus die Demokratie wie die Luft zum Atmen benötige, erinnerte der Historiker.

Dieses gesellschaftliche Gemisch habe sich im Sommer 1989 zuerst in der Flucht von zehntausenden vor allem jüngerer Menschen aus der DDR entladen. Aus Sicht von Bollinger gab es im Herbst vor 30 Jahren noch die allerdings immer mehr schwindende Alternative, die DDR weiter zu entwickeln und zu erneuern. Das hätten selbst viele Bürgerbewegte sowie Reformkräfte in der SED und in der DDR-Partei- und Staatsführung gewollt. Dafür stehe das Datum 4. November 1989, als rund 500.000 Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz für eine veränderte DDR demonstrierten statt aus ihr wegzulaufen. Bollinger hat dies in einer Reihe von Publikationen beleuchtet.

Die andere Alternative, vertreten damals noch nur von einer Minderheit, sei gewesen, dieses „Experiment DDR“ zu beenden und den Weg in die Bundesrepublik zu nehmen. Wer das wollte, habe sich durch den 9. November, die Öffnung der DDR-Grenzen, bestätigt gefühlt, meinte der Historiker rückblickend.

„Kalter Staatsstreich“ am 9. November 1989


Er hat kürzlich in einem Beitrag in der Zeitschrift „Ossietzky“ die Öffnung der Grenzen vor 30 Jahren als „kalten Staatsstreich“ bezeichnet. Damit habe die SED-Führung für Ruhe auf den eigenen Straßen sorgen wollen. Das sei geschehen, nachdem sie sich vorher nur mühsam dazu durchgerungen habe, endlich etwas zu verändern und Honecker abzulösen, sagte Bollinger auf Nachfrage. Doch die neuen reformorientierten Kräfte um Egon Krenz hätten nicht genau gewusst, „was sie eigentlich wollten, geschweige denn, wie sie es wollten“.

Die Gesellschaft der DDR habe sich nach dem Personalwechsel und den angekündigten Reformen im Oktober nicht beruhigt. Ebenso sei die Fluchtwelle über die ČSSR und Ungarn nicht abgeebbt. Der schnell vorgelegte Gesetzentwurf für Reisefreiheit habe sein Ziel verfehlt. Das Zentralkomitee (ZK) der SED habe nach einem „Befreiungsschlag“ gesucht, als es vom 8. bis 10. November tagte, erinnerte der Historiker.

Der dabei diskutierte Entwurf eines neuen Reisegesetzes habe das Ziel gehabt, den DDR-Bürgern zu ermöglichen, legal in den Westen zu reisen und wieder zurückzukommen. Davon habe sich die neue Parteiführung versprochen, „den Druck aus dem Kessel zu nehmen“, vermutete Bollinger. Statt weiter montags auf die Straßen zu gehen, hätten sich die Bürger bei den Behörden nach Visa angestellt und wären in die Bundesrepublik gefahren, beschrieb er die Hoffnungen in der SED-Spitze.
Das sei der tiefere Grund für das gewesen, was SED-Politbüromitglied Günter Schabowski auf der legendären Pressekonferenz am 9. November 1989 „auf sehr seltsame Art und Weise“ verkündete. Bollinger hält für die Geschichte mit dem Zettel „handwerkliches Ungeschick“ des SED-Funktionärs ebenso für möglich wie „großes Kalkül“. „Vermutlich kommt dort Unfähigkeit und politisches Kalkül zusammen.“

DDR-Grenzer mit gesundem Menschenverstand


Für den Historiker bleibt „unentschuldbar“, dass durch Schabowskis anscheinend unüberlegtes Handeln die Sicherheitskräfte der DDR vor eine eigentlich unlösbare Aufgabe gestellt wurden. Ihre Aufgabe sei es gewesen, die Grenze zu sichern und „zuzuhalten“. Bollinger sprach von einem „großen Glück und der hohen Intelligenz sowie dem persönlichen Mut vieler Grenz- und Staatssicherheitsoffiziere der DDR, dass die den gesunden Menschenverstand eingeschaltet haben“.

Sie hätten aus der Einsicht heraus gehandelt, dass das Land im Umbruch ist und die eigene Führung nicht mehr wusste, was sie tut. Deshalb hätten sie die Menschen an den Grenzübergangsstellen in der Nacht vom 9. November nicht mehr aufgehalten. „Ein durchgeknallter Leutnant, der seine zwei Kalaschnikow-Magazine durchgejagt hätte, hätte dabei ein Blutbad anrichten können“, erinnerte er an die damalige Gefahr.

Bollinger verwies zudem darauf, dass die DDR-Führung beschlossen habe, die Grenze zu öffnen, ohne sich mit den Verbündeten im Osten zu verständigen. Ebenso sei nicht mit der Bundesrepublik darüber vorab gesprochen worden. Allerdings erklärte Krenz kürzlich gegenüber Sputnik, das neue Reisegesetz sei mit Moskau abgesprochen gewesen.

Vorgespräche vor der Maueröffnung


Politbüromitglied Schabowski hatte sich am 29. Oktober 1989 mit Walter Momper, damals Regierender Bürgermeister von Westberlin, im Ostteil der Stadt getroffen. Dabei hatte er die volle Reisefreiheit für DDR-Bürger am Dezember angekündigt. Das hat Momper in seinen Erinnerungen an die Ereignisse im Herbst 1989 beschrieben. Die West-Berliner Verwaltung habe sich daraufhin auf einen baldigen Ansturm aus dem Osten vorbereitet, war dann überrascht worden, wie schnell der kam.

Allerdings habe die DDR-Spitze versäumt, von Bonn einen ökonomischen Preis für die geöffnete Grenze auszuhandeln, so Historiker Bollinger. Er erwähnte, dass Alexander Schalck-Golodkowski sich im Auftrag von Krenz am 6. November in Bonn geheim mit Bundeskanzleramtsminister Rudolf Seiters und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble getroffen habe.

Der DDR-Vertreter schlug den beiden laut dem Online-Portal „Chronik der Mauer“ neue Milliardenkredite für die DDR und mehr Wirtschaftskooperation vor, wofür die Grenze schrittweise geöffnet werden solle. Ebenso bat er die Bonner Vertreter darum, die Folgen des neuen Reisegesetzes finanziell zu unterstützen. Online wird das so zusammengefasst: „Seiters und Schäuble zeigen sich gesprächs- und verhandlungsbereit, taktieren jedoch hinhaltend. Schalck erkennt, dass er keinen Verhandlungsspielraum mehr hat.“ Interessant ist dabei, welche politischen Vorgaben Schäuble damals dem DDR-Vertreter machte.

Schabowskis „Schlag gegen die Souveränität der DDR“


Aus Sicht von Bollinger handelte es sich bei der übereilten, leichtfertigen Grenzöffnung um einen „Schlag gegen die Massenbewegung“ sowie um „einen Schlag gegen die Souveränität der DDR als eigenständigem Staat“. Er könne nicht einschätzen, ob der 2015 verstorbene Schabowski seine Unwissenheit auf der Pressekonferenz am 9. November 1989 nur vorgetäuscht hatte.

Im vergangenen Jahr wurde in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ der Frage nachgegangen, ob sich der SED-Mann nur versprochen hatte. Dagegen hatte 2014 Schabowskis Frau Irina bereits gegenüber der „Bild“-Zeitung erklärt: „Als er den Zettel vorlas, wollte er, dass die Mauer sofort geöffnet wird.“

„Für die kritischen Geister war am Abend des 9. November klar gewesen, dass damit die Bewegung für eine veränderte eigenständige DDR scheitern wird“, so Bollinger zu den Folgen. In seinem „Ossietzky“ Beitrag schrieb er dazu, dass „viele ihrer treibenden Akteure das zunächst nicht wahrhaben wollten und der Zentrale Runde Tisch eine Reformagenda erarbeitete, gegossen in diesen Verfassungsentwurf, während die Entwicklung in der DDR längst fremdbestimmt war, das heißt westdeutsch“.

Ende der eigenständigen DDR-Entwicklung


Mit der geöffneten Mauer sei eine Schleuse geöffnet worden, sagte er im Sputnik-Gespräch, die nicht mehr zu schließen gewesen sei. Der Historiker verwies darauf, dass durch die geöffnete Grenze nicht nur LKW aus dem Westen Bananen in den Osten brachten. Fast unmittelbar mit dem 10. November 1989 hätten sich die politischen Kräfte der Bundesrepublik in die weitere Entwicklung der DDR eingemischt.

Deutliches Zeichen dafür sei der Auftritt von Bundeskanzler Helmut Kohl am 19. Dezember 1989 in Dresden gewesen. „Man muss davon ausgehen, dass das eine mit den USA abgestimmte Entwicklung gewesen ist“, so Bollinger. Spätestens als am 6. Februar 1990 von Kohl angekündigt wurde, die D-Mark in der DDR einzuführen, sei deren eigenständige Entwicklung beendet gewesen.

Für „Linsengericht“ eigenes Land aufgegeben


Folge der geöffneten Mauer vor 30 Jahren sei der „zügige Übergang vom zunächst basisdemokratisch geprägten ‚Wir sind das Volk!‘ zu dem deutsch-nationalistischen ‚Wir sind ein Volk!‘, der Weg von der Selbstermächtigung der Bürger der DDR zur politischen Selbstentleibung der gerade mündig gewordenen DDR-Bürger“ gewesen. Das schrieb Bollinger in „Ossietzky“:

„Die Akteure ließen sich ihren demokratisch-sozialistischen Schneid der ersten Tage mit einer gut gewürzten Linsensuppe westlicher Freiheiten zum Reisen und zum Profitscheffeln abkaufen. Wie gesagt, verständlich und berechtigt Freiheiten einfordernd, aber schlussendlich gegen die eigenen Interessen gerichtet.“

Die Bundesrepublik heute, 30 Jahre später, sei weiterhin „ein Land mit zwei Gesellschaften“, stellte er fest. „Das wird uns langfristig erhalten bleiben.“ Aus den Ostdeutschen würden weiter nur schwer Westdeutsche zu machen sein. Viele Ostdeutsche würden glauben, sie hätten sich in die bundesdeutsche Gesellschaft hineingearbeitet, „aber für die breite Masse wird das nicht stattfinden“.

Beachtenswertes aus 40 Jahren DDR


Für den Historiker ist das aber „das normale Schicksal und Problem von Anschlüssen“, wie er mit Blick auf die Beispiele der Katalanen und der Franko-Kanadier sagte. Er forderte zum Nachdenken darüber auf, was im 41. Jahr der DDR von Oktober 1989 bis Sommer 1990 politisch und gesellschaftlich möglich wurde. Da seien Freiräume entstanden, „die man sich so weder für den Realsozialismus noch für den Realkapitalismus vorstellen konnte“.

Bollinger verwies auf die „breite Form der Mitbestimmung“ im Wirtschaftsbereich wie in der Gesellschaft. Dazu zählten die „Runden Tische“, an denen gemeinsam Lösungen für Probleme gesucht wurden. Davon künde auch der Verfassungsentwurf des Runden Tisches der DDR vom April 1990. Das sei für künftige gesellschaftliche Entwicklungen „nicht uninteressant“, so der Historiker.

Aus seiner Sicht bleibt der Versuch in 40 Jahren DDR beachtenswert, eine nichtkapitalistische Gesellschaft mit einem hohen Grad der Vergesellschaftung und kollektiver Lösungen für Probleme aufzubauen. Der Kapitalismus in seinem aktuellen Zustand werfe Fragen auf, welche die Existenz der Gesellschaft betreffen. Dabei könnten die realsozialistischen Erfahrungen hilfreich sein, ohne wiederholen zu wollen, was war und auf Dauer nicht funktionierte.

„Das hat wenig mit Ostalgie oder Nostalgie zu tun, sondern mit dem Versuch, aus der Geschichte zu lernen“, hob Bollinger hervor. „Es hat mit der Erkenntnis zu tun, dass auch die vereinigte, neue Bundesrepublik mit einer ganzen Reihe von Problemen behaftet ist, die sie vielleicht schon vor der Vereinigung hatte. Die vereinigte Bundesrepublik nach 1990 ist der Versuch, das mit einem neoliberalen System zu lösen. Ostdeutschland war das Experimentierfeld für diese Entwicklung.“

zuerst erschienen auf sputniknews.com am 8.5.19

Serie DDR 1989/90: Untergang der DDR-Wirtschaft ab 1990 – Unvermeidbar oder politisch gewollt?

Von Tilo Gräser

Die Deindustrialisierung des DDR-Gebietes ab 1990 hat bis heute Folgen – von anhaltender Abwanderung gut qualifizierter Ostdeutscher bis zur unzureichenden Wirtschaftsentwicklung. Der Wirtschaftshistoriker Jörg Roesler hat auf Alternativen aufmerksam gemacht und ein Gegenbeispiel genannt, wie es anders geht.

Die Wiedervereinigung Deutschlands ab 1990 hätte anders verlaufen können, wenn der politische Wille dazu dagewesen wäre. Das gilt laut dem Wirtschaftshistoriker Jörg Roesler vor allem für die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands nach dem Untergang der DDR und dessen sozialer Folgen. Für ihn ist die frühere britische Kolonie Hongkong das Beispiel dafür, dass ein solcher Prozess anders gestaltet werden kann.

Roesler sprach am 22. Januar 2019 in Berlin über das Thema „War das Vorgehen der Treuhand alternativlos?“. Bei der Linkspartei-nahen Berliner Stiftung „Helle Panke“ widerlegte er den Mainstream der Zeitgeschichtsschreibung, dem zufolge das Vorgehen der Treuhandanstalt alternativlos war. Diese Institution hatte das Gebiet der DDR deindustrialisiert und für einen Arbeitsplatzabbau historischen Ausmaßes gesorgt.

Der Wirtschaftshistoriker erinnerte dabei nicht nur an alternative Vorstellungen der seit November 1989 amtierenden DDR-Regierung unter Hans Modrow für einen Umbau der bisherigen zentralen Plan-Wirtschaft des Landes. Die damalige Wirtschaftsministerin Christa Luft hatte im Februar 1990 ein Konzept für eine radikale  Wirtschaftsreform entwickelt, um die strukturellen Defizite der DDR-Ökonomie zu beheben, Plan und Markt zu verbinden und eine schrittweise wirtschaftliche Kopplung der beiden deutschen Staaten zu ermöglichen.

Warnungen vor Schock-Therapie

Das stand dem Plan einer schnellen Währungs- und Wirtschaftsunion entgegen. Mit der Wahl vom 18. März 1990 war das Konzept aber nur noch eines für die Archive. Solche Vorstellungen spielten in der Folge kaum eine Rolle für die Umsetzung des vom Runden Tisch in der DDR im Februar 1990 vorgelegten „Vorschlag zur umgehenden Bildung einer Treuhandgesellschaft (Holding) zur Wahrung der Anteilsrechte der Bürger mit DDR-Staatsbürgerschaft am Volkseigentum der DDR“. Die Treuhand wurde entgegen den ursprünglichen Zielen benutzt, um die DDR-Wirtschaft zu zerstören.

Auch in der alten Bundesrepublik sei vor einer Schock-Therapie für die DDR-Wirtschaft, wie sie umgesetzt wurde, gewarnt worden, erinnerte Roesler. So habe Bundesbank-Direktor Günter Storch im Dezember 1989 die Studie „Ansätze für eine Wirtschaftsreform in der DDR und begleitende Hilfsmaßnahmen der Bundesrepublik“ vorgelegt. Darin sei der Umbau der DDR-Wirtschaft in eine Marktwirtschaft als „Neuland“ bezeichnet worden, für den es keine brauchbare Theorie und keinerlei praktische Handlungsanweisungen gebe.

Storch habe geschrieben, dass das nicht zwangsläufig bedeute, die bisherigen Staatsbetriebe zu privatisieren. Diese könnten in einer Marktwirtschaft gleichfalls eigenverantwortlich handeln. Der Bundesbank-Direktor, einer von sieben, habe es abgelehnt, die DDR-Wirtschaft in einem Schritt vollständig zu liberalisieren. Er warnte laut Roesler, dass „mit einer schockartigen Anpassung beträchtliche Übergangsprobleme wie Arbeitslosigkeit und Unternehmenszusammenbrüche verbunden seien“. Deshalb habe Storch sich für einen schrittweisen Umbau ausgesprochen, „um soziale Härten möglichst gering zu halten“.

Klare Vorhersagen der Folgen

Doch darauf wurde ebenso wenig gehört wie auf andere warnende Stimmen. Zu diesen habe Roland Götz-Coenenberg vom Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien Köln gehört. Dieser habe sich im Februar 1990 gegen die damalige öffentliche Stimmungsmache für eine schnelle Währungsunion gewandt. Er habe für einen solchen Fall „die Wahrscheinlichkeit des wirtschaftlichen Zusammenbruchs weiter Teile der DDR-Wirtschaft“ vorausgesagt, „die der plötzlich einsetzenden Weltmarktkonkurrenz nicht gewachsen seien“.

Der Wissenschaftler habe ebenfalls davor gewarnt, dass die bisherige DDR-Industrie auch ihre wichtigen Absatzmärkte in Ost- und Mitteleuropa verliere, wenn die D-Mark schnell eingeführt werde. Die bisherigen Kunden könnten dann die gestiegenen Preise in Devisen nicht bezahlen. „Die rasche Währungsunion, die als kluger Schachzug gelte, wird sich in sein Gegenteil verkehren“, zitierte Roesler die Vorhersage von Götz-Coenenberg. Dieser habe sich ebenfalls für eine stufenweise Anpassung der Wirtschaftsstrukturen der DDR an die der BRD ausgesprochen.

Doch solche Stimmen der wirtschaftlichen Vernunft seien gegen den politischen Willen der Regierenden um Kanzler Helmut Kohl und seiner Verbündeten in der Noch-DDR nicht angekommen. Eine Reihe der warnenden, aber ignorierten Experten hätte sich danach enttäuscht zurückgezogen. Roesler erinnerte dabei neben dem Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl, der im Februar 1990 vor den Kosten einer schnellen Währungsunion gewarnt hatte, auch an den 1991 ermordeten Treuhand-Chef Detlev Rohwedder. Der habe Mitte 1990 erklärt, 70 bis 80 Prozent der Ost-Betriebe könnten überleben.

Wahlergebnis vom März 1990 als Argument

Später sei der Treuhand-Chef vorsichtiger geworden und habe sich nur noch für ein behutsames Schließen, Sanieren und Privatisieren der DDR-Betriebe ausgesprochen. Roesler zitierte aus einem Brief von Rohwedder an alle Treuhand-Mitarbeiter vom März 1991, der nach seiner Ermordung in seinem Schreibtisch entdeckt worden sei:

„Privatisierung ist die wirksamste Sanierung. Die Treuhandanstalt darf nicht das Ziel ändern, aber sie hat das Tempo im Einzelfall und insgesamt unter Berücksichtigung der sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Folgen abzuwägen.“

Rohwedder habe die von ihm angestrebte rücksichtsvolle Vorgehensweise nicht mehr umsetzen können, so der Wirtschaftshistoriker. Er sagte, dass die Wahlergebnisse vom 18. März 1990 mit einer großen CDU-Mehrheit von den Befürwortern einer schnellen Währungsunion für ihren Kurs genutzt wurden. Damit sei die geplante kompromisslose Transformation der DDR-Wirtschaft umgesetzt worden. Die versprochenen positiven Folgen seien aber nicht eingetreten – bis heute nicht.

Warnungen bestätigt

Dagegen sei es zu einer flächendeckenden Deindustrialisierung des Gebietes der DDR gekommen. Roesler belegte das mit Analysen des Ökonomen Jan Priewe über die sozialen Folgen der Schocktherapie für Ostdeutschland. So seien rund 11.000 ostdeutsche Unternehmen und Betriebsteile vom Juli 1990 bis Dezember 1992 privatisiert worden.

Dabei seien 68 Prozent der Arbeitsplätze abgebaut worden: Von mehr als vier Millionen Beschäftigten im „Treuhand-Imperium“ 1990 seien nur 1,3 Millionen in den privatisierten sowie noch von der Treuhand kontrollierten Unternehmen übriggeblieben. Von über 3,2 Millionen Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe der einstigen DDR 1989 hätten drei Jahre späte nur noch rund 750.000 Arbeit gehabt.

So seien die düsteren Vorhersagen bundesdeutscher Wirtschaftsexperten wie Storch und Götz-Coenenberg „in hohem Maße erfüllt“ worden. Roesler beantwortete die „berechtigte Frage, was wäre geschehen, wenn sich nicht die Befürworter, sondern die Warner vor einer raschen und rücksichtslosen Transformation durchgesetzt hätten“, mit dem Beispiel Hongkong.

Reales Gegenbeispiel

Die ehemalige britische Kronkolonie wird seit 1997 mit China wiedervereinigt, auf Grundlage eines Abkommens von Peking und London von 1984. Darin sei eine Übergangzeit von 50 Jahren nach dem Prinzip „Ein Land – zwei Systeme“ vereinbart worden, hob der Historiker hervor. Die Entwicklung Hongkongs seit der offiziellen Rückkehr zu China 1997 zeige die positiven Wirkungen für beide Seiten durch den schrittweisen Übergang, im wirtschaftlichen wie im sozialen Bereich.

Die kommunistische Führung in Peking hätte auch den Kapitalismus in der Kronkolonie plattmachen können, antwortete Roesler auf zweifelnde Fragen aus dem Publikum zu dem Beispiel. Daran sei vor allem wichtig, dass ein entsprechender politischer Wille alternative Wege bei einer Wiedervereinigung ermögliche.

Bewusste Zerschlagung der DDR-Wirtschaft

In der Diskussion in der Veranstaltung bei der „Hellen Panke“ erinnerten Zeitzeugen an die Vorgänge unter der Regie der Treuhand und daran, dass die bundesdeutschen Unternehmen keine ostdeutsche Konkurrenz wollten. So stellte unter anderem Eckhard Netzmann, 1990 Vorstand der Kraftwerksanlagenbau AG, klar, dass es sich nicht um eine Wiedervereinigung gehandelt habe, sondern die DDR der BRD beigetreten sei. Er habe der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ 1992 erklärt, wie die Treuhand arbeite, „dass in allen Positionen vorgeschobene Pharisäer, trojanische Pferde der westdeutschen Konzerne sitzen“. Und fügte hinzu: „Die kannte ich zum Teil.“

„Die Wirtschaft der DDR wurde bewusst zerschlagen, filetiert“, sagte Netzmann unter Zustimmung aus dem Publikum, aber auch von Roesler. „88 Prozent sind in den Händen der BRD gelandet,  sechs Prozent im Ausland. Und dann waren noch sechs Prozent tollkühne Ossis, die aus der Reparaturabteilung eine Werkstatt für Elektro oder ähnliches gemacht haben.“

Der Zeitzeuge erinnerte an eine weitere Folge: „Zwei Millionen ausgebildete Arbeitskräfte der verschiedenen Berufe des Ostens zogen nach dem Westen und bringen dort ihre Steuern ein. Im ganz schlechten Tausch haben wir eine Million Beamte, Juristen, Politiker und so weiter übernommen.“ Netzmann äußerte Zweifel am Nutzen alternativer Überlegungen zu historischen Vorgängen.

Kein Freispruch für Verantwortliche

Er sagte voraus, dass die Lage der ostdeutschen Wirtschaft mit ihren selbst von der Bundesregierung eingestandenen Defiziten sich in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern werde. In einem anderen Interview habe er 1992 bereits vor den Folgen gewarnt, die damals schon absehbar gewesen seien: „In Deutschland ewig die Ossis!“

Der von Roesler zitierte Ökonom Priewe bestätigte in der Debatte zum Vortrag, dass nach den März-Wahlen 1990 klar war, dass die DDR-Wirtschaft keine Chance hatte. Das hätten damals viele nicht verstanden. Die DDR hätte theoretisch nur als „extremes Niedriglohn-Gebiet im Verhältnis zu Westdeutschland“ bestehen können. Doch mit der einheitlichen Währung und wegen der  offenen Grenzen – „ökonomisch teuflisch“ – sei das praktisch unmöglich gewesen.

Priewe stimmte aber zu, dass die Bundesregierung bei entsprechendem politischem Willen „viel mehr“ für die ostdeutsche Wirtschaftsentwicklung hätte tun können. Was möglich ist, habe später die Bankenrettung ab 2008 gezeigt. In der untergehenden DDR und dann Ostdeutschland habe aber eine politische Kraft gefehlt, die sich dafür hätte einsetzen können, während vereinzelter Protest einiges bewirkt habe.

Wirtschaftshistoriker Roesler erklärte zum Abschluss der Veranstaltung, das erste Quartal 1990 sei für die weitere Entwicklung Ostdeutschlands entscheidend gewesen. Es hätten in Bonn andere Entscheidungen fallen müssen – „Das ist die Anklage!“ Die damals in der BRD Verantwortlichen Wie Kohl und Wolfgang Schäuble trügen die „eindeutige moralische Schuld“ für das, was geschah und die Folgen: „Es hätte nicht so kommen müssen! Es gibt keinen Freispruch für die Entscheidung, die die Bundesregierung im März 1990 gefällt hat.“

Lesetipp:
Jörg Roesler: „Aufholen, ohne einzuholen! Ostdeutschlands rastloser Wettlauf 1965-2015. Ein ökonomischer Abriss“
Verlag Edition Berolina 2016. 192 Seiten. ISBN: 9783958410428. 14,99 Euro

Beitrag zuerst erschienen bei sputniknews.com am 23.1.19

Donnerstag, 6. Juni 2019

Kürzeres Leben und weniger Rente durch geringeres Lohneinkommen - Studie - GASTBEITRAG

Von Tilo Gräser

Als Binsenweisheit gilt: Wer mehr hat, bekommt mehr. Das gilt auch für den Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung sowie Rente, wie eine aktuelle Studie zeigt. Danach wächst infolge der Einkommensunterschiede die soziale Ungleichheit im Alter überproportional. Die Studie bestätigt ähnliche Untersuchungen und verweist auf Alternativen. 

Höheres Einkommen sorgt für längeres Leben – diese Erkenntnis bestätigt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Doch danach lebt nicht nur länger, wer mehr verdient, sondern bekommt auch überproportional mehr Rente im Verhältnis zu den geleisteten Beiträgen. Laut der am Mittwoch veröffentlichten Studie nimmt die Ungleichheit in den letzten Jahren zu. Die DIW-Forscher sprechen sich dafür aus, die Rentenansprüche von Geringverdienern aufzuwerten. 


„Wer in seinem Leben ein niedriges Erwerbseinkommen erwirtschaftet hat, ist nicht nur einem erhöhten Altersarmutsrisiko ausgesetzt, sondern lebt auch noch kürzer als Besserverdienende“, gab das DIW die Studienergebnisse wieder. Menschen aus den unteren Lohngruppen würden überproportional weniger Rentenzahlungen im Verhältnis zu den eingezahlten Beiträgen erhalten. „Und der Abstand bei den Lebenserwartungen zu den Besserverdienenden nimmt auch noch zu.“


Abstand wächst

Die DIW-Forscher Peter Haan, Daniel Kemptner und Holger Lüthen haben für die Studie Daten der Deutschen Rentenversicherung ausgewertet, wie das Institut mitteilt. Die Lebenserwartung der Geburtsjahrgänge zwischen 1926 und 1949, also der heutigen Rentenbezieher, im Verhältnis zum Lebenslohneinkommen seien untersucht worden. Allerdings haben sie sich den Angaben nach nur auf die Angaben westdeutsche Männer konzentriert, die am ehesten durchgängige Erwerbsbiographien aufweisen.

„Es zeigt sich nicht nur, dass die Lebenserwartung mit höheren Lebenslohneinkommen steigt. Auffällig ist auch, dass der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen dem obersten und dem untersten Lebenslohndezil [Dezil bedeutet ein Zehntel in einer Tabelle – Anm. d. Red.] im Zeitverlauf zunimmt. Lag er für die ältesten Geburtsjahrgänge noch bei vier Jahren, erhöht er sich für die Jahrgänge 1947 bis 1949 auf sieben Jahre.“

Die Forscher rechnen damit, dass sich diese Entwicklung künftig auch bei Frauen zeigen wird. „Bei der Lebenserwartung ab Geburt beträgt die Differenz zwischen der niedrigsten und höchsten Einkommensgruppe für Frauen 4,4 Jahre und für Männer 8,6 Jahre“, stellte das Robert-Koch-Institut im März dieses Jahres in einer ähnlichen Untersuchung für die gesamte Bundesrepublik fest.

Schock im Osten

Die größeren Einbrüche nach der Wiedervereinigung seien in Ostdeutschland zu finden, hatte das Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock im April dieses Jahres mitgeteilt. Im Osten habe sich die sozioökonomische Zusammensetzung der Bevölkerung im Rentenalter stark verändert: „Der Anteil jener Männer, die in die unterste Einkommensgruppe fallen, hat sich von 2005 bis 2016 beinahe verdoppelt.“

Einer der Rostocker Forscher stellte fest: „Die 65-jährigen Männer im Osten verlieren über die Zeit durchschnittlich ein potentielles Lebensjahr, das sie hinzugewonnen hätten, wenn die sozioökonomische Struktur der Bevölkerung gleich geblieben wäre.“ Das Zurückfallen der unteren Einkommensgruppe im Osten könne „weitgehend als ‚Schock der Wiedervereinigung‘ interpretiert werden“. Auch wenn sich die sozioökonomische Situation erst relativ spät im Leben verschlechtert, könne das also einen erheblichen Einfluss auf die Lebenserwartung haben.

Die DIW-Forscher stellten dazu am Mittwoch fest: „Menschen mit niedrigem Lebenslohneinkommen beziehen also nicht nur weniger, sondern auch kürzer Rente, was dem Äquivalenzprinzip der Gesetzlichen Rentenversicherung widerspricht. Und diese Ungleichheit steigt.“ Die Idee dieses Prinzips sei eigentlich, dass jeder relativ zu seinen eingezahlten Beiträgen gleich viel aus der Rentenversicherung ausbezahlt bekommt. Allerdings wird dabei laut DIW angenommen, dass die Lebenserwartung innerhalb eines Jahrgangs gleich ist und sich nicht nach Einkommen unterscheidet. 


Grundrente könnte helfen

Die realen Fakten widersprechen der Studie zufolge dem Prinzip: Die Arbeitnehmer erhalten danach relativ zu ihren geleisteten Beiträgen umso mehr Rentenzahlungen, je höher ihr Lebenseinkommen war. „Dies hat insofern eine Verteilungswirkung, als die Lebenseinkommen nun insgesamt, einschließlich des Renteneinkommens, ungleicher werden“, so Studienautor Daniel Kemptner.

„Diese Ergebnisse machen deutlich, dass das Äquivalenzprinzip in der GRV nicht gilt und nicht als Argument gegen eine Aufwertung von geringen Rentenansprüchen überzeugt“, stellen die DIW-Forscher fest. Sie sprechen sich dafür aus, die Rentenansprüche von Geringverdienern aufzuwerten, um Altersarmut zu verhindern. Dazu könne auch die gegenwärtig diskutierte Grundrente beitragen, meinen sie.

Grundsätzlich könne mit der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) nicht allein Armut verhindert werden. Dabei handele es sich um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, so das DIW. Die Löhne in Deutschland müssen kräftig steigen, forderten kürzlich die Ökonomen Hartmut Elsenhans und Hannes Warnecke-Berger. Damit kann aus ihrer Sicht auch die zunehmende soziale Ungleichheit bekämpft werden. 

zuerst erschienen bei Sputniknews.com