Da dieser Text von Frank Elbe viele Leser verdient hat, sei er hier vollständig zitiert:
"In der Krise mit Russland wird eine Versteinerung spürbar. Außenminister Steinmeier doziert vor den Vereinten Nationen über den Bruch des Völkerrechts. Die Kanzlerin zeigt sich beim Besuch des finnischen Ministerpräsidenten in der Sanktionsfrage beinhart. Sie rückt die Aufhebung der Sanktionen in sehr weite Ferne und erinnert, um das Zeitmaß ihrer Vorstellungen plastisch zu machen, dass die DDR auch 40 Jahre bis zur Wiedervereinigung warten musste. Die von der Bundesregierung mitgetragene NATO-Gipfelerklärung von Wales erschöpft sich in einer rechthaberischen Basta-Politik des Bündnisses, das sich immer mehr von den ursprünglichen Zielsetzungen der NATO zu entfernen scheint, „eine dauerhafte und gerechte Friedensordnung in Europa zu schaffen“. In einer bedrohlichen Krise sollten jedoch alle Bemühungen auf Lösungen gerichtet werden. Deutschland ist klug beraten, an Traditionen anzuknüpfen und ausgleichend zwischen Russland und dem Westen zu wirken. Die gegenwärtige Situation erzeugt Ratlosigkeit und Ängste. In der Sanktionsfrage beginnt die Einheit der Mitgliedstaaten zu schwinden.
Helmut Schmidt und Helmut Kohl reagierten scharf und wirkungsvoll auf Moskauer Bedrohungen mit der Dislozierung von Cruise-Missiles und Pershing II. Sie gingen nicht herablassend und rechthaberisch mit den sowjetischen Führern um. Sie hielten die Tür zu Verhandlungen offen und wären nie auf den Gedanken gekommen, die Sowjetunion von Gesprächsforen auszuschließen. Ihre umsichtige Politik trug zum Fall der Mauer und den großen politischen Veränderungen in Europa bei, die wir mit und nicht gegen Russland erreicht haben.
Diplomatie funktioniert auf der Basis von Klarheit, Redlichkeit und Empathie. Klarheit gebietet, einen Bruch des Völkerrechts zu rügen. Das entspricht unserer Werteordnung, zu der auch die Erkenntnis aus dem Johannesevangelium gehört, dass nur der den ersten Stein werfe, der frei von Sünde ist. Die Liste der Verletzungen der territorialen Integrität ist stattlich. Sie umfasst auch Verstöße enger Verbündeter, deren Zynismus gelegentlich eigenartig war. Präsident Reagan verhöhnte die Verurteilung der Invasion in Grenada mit der Bemerkung, dass sie „in keiner Weise den Appetit auf sein Frühstück beeinträchtigt habe“. Die USA reklamieren auch offiziell einen doppelten Standard. Sie behalten sich das Recht zur Verletzung der territorialen Integrität durch ihre nationale Gesetzgebung vor, so durch den American Service-Members’ Protection Act von 2006. Dieser ermächtigt den Präsidenten, mit militärischen Mitteln gegen die Niederlande vorzugehen, um amerikanische Staatsbürger, die sich im Gewahrsam des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag befinden, „zu befreien“.
Es geht nicht darum, Präsident Putin von Verantwortung freizustellen, wohl aber darum, sich vor einer gesinnungsethischen Anwendung des Rechts als Mittel der Politik zu hüten. Wäre es schlimm gewesen, die russische Regierung mit ihren Sorgen vor einer Eingrenzungspolitik der NATO ernst zu nehmen? Sorgen, die der US-Regierung schon im Februar 2007 offiziell notifiziert wurden. Würde Russland die Krim übernommen haben, wenn der vom State Department der USA auf den Schild gehobene Ministerpräsident Jazenjuk auf die Ernennung von zwei rechtsradikalen, russlandfeindlichen Ministern verzichtet hätte, nicht sofort die Beschränkungen der russischen Sprache verfügt hätte und es keine Befürchtungen hinsichtlich des russischen Flottenstützpunktes in Sewastopol gegeben hätte? Wie würden die USA in dieser Lage gehandelt haben? Trifft Putin die ausschließliche Verantwortung für die Verhältnisse in der Ostukraine oder sind nicht schon lange jene marodierenden Ultras der Kontrolle der Kiewer Führung entglitten, die sie selbst geschaffen hat und die nun eine Lösung verhindern?
Das sind unzulässige Fragen aus der Sicht der Partner, die schon seit Langem klarmachen, dass in dem von Gorbatschow beschworenen „europäischen Haus“ kein Zimmer für Russland frei ist, dass Russland von der „dauerhaften und gerechten Friedensordnung in Europa“ besser ausgeschlossen wäre. Aber es sind wesentliche Fragen für diejenigen, die den Ausbau einer Partnerschaft mit Russland wünschen, weil sie sich von der Logik leiten lassen, dass Sicherheit in Europa nur mit und nicht gegen Russland zu haben ist."
"In der Krise mit Russland wird eine Versteinerung spürbar. Außenminister Steinmeier doziert vor den Vereinten Nationen über den Bruch des Völkerrechts. Die Kanzlerin zeigt sich beim Besuch des finnischen Ministerpräsidenten in der Sanktionsfrage beinhart. Sie rückt die Aufhebung der Sanktionen in sehr weite Ferne und erinnert, um das Zeitmaß ihrer Vorstellungen plastisch zu machen, dass die DDR auch 40 Jahre bis zur Wiedervereinigung warten musste. Die von der Bundesregierung mitgetragene NATO-Gipfelerklärung von Wales erschöpft sich in einer rechthaberischen Basta-Politik des Bündnisses, das sich immer mehr von den ursprünglichen Zielsetzungen der NATO zu entfernen scheint, „eine dauerhafte und gerechte Friedensordnung in Europa zu schaffen“. In einer bedrohlichen Krise sollten jedoch alle Bemühungen auf Lösungen gerichtet werden. Deutschland ist klug beraten, an Traditionen anzuknüpfen und ausgleichend zwischen Russland und dem Westen zu wirken. Die gegenwärtige Situation erzeugt Ratlosigkeit und Ängste. In der Sanktionsfrage beginnt die Einheit der Mitgliedstaaten zu schwinden.
Helmut Schmidt und Helmut Kohl reagierten scharf und wirkungsvoll auf Moskauer Bedrohungen mit der Dislozierung von Cruise-Missiles und Pershing II. Sie gingen nicht herablassend und rechthaberisch mit den sowjetischen Führern um. Sie hielten die Tür zu Verhandlungen offen und wären nie auf den Gedanken gekommen, die Sowjetunion von Gesprächsforen auszuschließen. Ihre umsichtige Politik trug zum Fall der Mauer und den großen politischen Veränderungen in Europa bei, die wir mit und nicht gegen Russland erreicht haben.
Diplomatie funktioniert auf der Basis von Klarheit, Redlichkeit und Empathie. Klarheit gebietet, einen Bruch des Völkerrechts zu rügen. Das entspricht unserer Werteordnung, zu der auch die Erkenntnis aus dem Johannesevangelium gehört, dass nur der den ersten Stein werfe, der frei von Sünde ist. Die Liste der Verletzungen der territorialen Integrität ist stattlich. Sie umfasst auch Verstöße enger Verbündeter, deren Zynismus gelegentlich eigenartig war. Präsident Reagan verhöhnte die Verurteilung der Invasion in Grenada mit der Bemerkung, dass sie „in keiner Weise den Appetit auf sein Frühstück beeinträchtigt habe“. Die USA reklamieren auch offiziell einen doppelten Standard. Sie behalten sich das Recht zur Verletzung der territorialen Integrität durch ihre nationale Gesetzgebung vor, so durch den American Service-Members’ Protection Act von 2006. Dieser ermächtigt den Präsidenten, mit militärischen Mitteln gegen die Niederlande vorzugehen, um amerikanische Staatsbürger, die sich im Gewahrsam des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag befinden, „zu befreien“.
Es geht nicht darum, Präsident Putin von Verantwortung freizustellen, wohl aber darum, sich vor einer gesinnungsethischen Anwendung des Rechts als Mittel der Politik zu hüten. Wäre es schlimm gewesen, die russische Regierung mit ihren Sorgen vor einer Eingrenzungspolitik der NATO ernst zu nehmen? Sorgen, die der US-Regierung schon im Februar 2007 offiziell notifiziert wurden. Würde Russland die Krim übernommen haben, wenn der vom State Department der USA auf den Schild gehobene Ministerpräsident Jazenjuk auf die Ernennung von zwei rechtsradikalen, russlandfeindlichen Ministern verzichtet hätte, nicht sofort die Beschränkungen der russischen Sprache verfügt hätte und es keine Befürchtungen hinsichtlich des russischen Flottenstützpunktes in Sewastopol gegeben hätte? Wie würden die USA in dieser Lage gehandelt haben? Trifft Putin die ausschließliche Verantwortung für die Verhältnisse in der Ostukraine oder sind nicht schon lange jene marodierenden Ultras der Kontrolle der Kiewer Führung entglitten, die sie selbst geschaffen hat und die nun eine Lösung verhindern?
Das sind unzulässige Fragen aus der Sicht der Partner, die schon seit Langem klarmachen, dass in dem von Gorbatschow beschworenen „europäischen Haus“ kein Zimmer für Russland frei ist, dass Russland von der „dauerhaften und gerechten Friedensordnung in Europa“ besser ausgeschlossen wäre. Aber es sind wesentliche Fragen für diejenigen, die den Ausbau einer Partnerschaft mit Russland wünschen, weil sie sich von der Logik leiten lassen, dass Sicherheit in Europa nur mit und nicht gegen Russland zu haben ist."
Die Zeitschrift WeltTrends aus Potsdam ist der internationalen Politik gewidmet und erscheint zweimonatlich.
Die Ausgabe 99 (November/Dezember 2014) ist dem Schwerpunktthema "Südkorea und seine Nachbarn" gewidmet.
Der Beitrag von Frank Elbe ist hier als PDF-Datei zu finden.
Der Diplomat war langjähriger deutscher Botschafter in Polen (1999–2003), Indien (1993–1997), Japan (1997–1999) und der Schweiz (2003–2005).
Die Ausgabe 99 (November/Dezember 2014) ist dem Schwerpunktthema "Südkorea und seine Nachbarn" gewidmet.
Der Beitrag von Frank Elbe ist hier als PDF-Datei zu finden.
Der Diplomat war langjähriger deutscher Botschafter in Polen (1999–2003), Indien (1993–1997), Japan (1997–1999) und der Schweiz (2003–2005).
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