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Dienstag, 10. Februar 2015

Nachrichtenmosaik Ukraine Folge 140

Gesammelte Nachrichten und Informationen zu den Ereignissen in der Ukraine und deren Hintergründen, ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit und fast ohne Kommentar (aktualisiert: 12:52 Uhr)

• Die Angst der Bundesregierung vor den Folgen ihrer Politik
Die beschreibt ein aktueller Text des Chefs des privaten US-Nachrichtendienstes Stratfor, George Friedman, vom 10.2.15. Der Autor erinnert daran, dass die Bundesregierung "eine bedeutende Rolle beim Sturz der Regierung des ukrainischen Präsident Viktor Janukowitsch" spielte. Die Bundesrepublik sei maßgeblich an dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine beteiligt gewesen, das Janukowitsch aber ablehnte. Die Deutschen hätten daraufhin die Anti-Janukowitsch-Demonstranten unterstützt, und insbesondere den heutigen Bpürgermeister von Kiew, Witali Klitschko. Dieser sei von der CDU gefördert worden, so Friedman, "von Merkels Partei". Deutschland sei ein wichtiger Akteur bei den Ereignissen gewesen, die dem Sturz Janukowitschs folgten.
Als die Bundesregierung bemerkte, dass die Angelegenheit einen "militärischen Geschmack" annahm, sei sie von ihrer bisherigen Hauptrolle in der Ukraine-Krise zurückgewichen. Der "schwierige Rückzug" habe zu einer komplexen Haltung geführt: "Sie waren gegen die Russen, aber wolltenauch keine direkte militärische Unterstützung für die Ukrainer bieten." Stattdessen beteiligten sich die Deutschen laut Friedman an den antirussischen Sanktionen und versuchten zugleich, eine versöhnliche Rolle zu spielen. Diese "zutiefst widersprüchliche Rolle" zu spielen, sei für die Bundeskanzlerin schwierig, aber sie sei angesichts der deutschen Geschichte "nicht unvernünftig". Die Unterstützung der Maidan-Demonstranten sei eine "Verpflichtung" gewesen, aber eine mögliche Beteiligung an einer militärischen Unterstützung Kiews wecke "Erinnerungen an Ereignisse im Zusammenhang mit Russland", mit denen Berlin nicht konfrontiert werden wolle. Deshalb spiele es eine widersprüchliche Rolle, unterstützte eine "letztlich antirussische Bewegung" und die antirussischen Sanktionen, wolle aber wie keine andere Macht nicht, dass der Konflikt zu einem militärischen werde. "... das Letzte, was Deutschland jetzt braucht, ist ein Krieg in seinem  Osten. Aktiv eingemischt in die Anfänge der Krise und nicht in der Lage, von ihr wegzutreten, versucht Deutschland nun, sie zu entschärfen."
Friedman verweist in seinem Text auch auf die Zusammenhänge mit der deutschen Politik gegenüber Griechenland. "Die Deutschen versuchen, Europa umzugestalten, aber sie fürchten ihre abnehmende Bedeutung. Die Deutschen versuchten, die Ukraine umzugestalten, wurden aber von der russischen Reaktion gefangen." Der Autor bezeichnet das als "altes deutsches Problem": "Die Deutschen sind zu stark, um ignoriert zu werden und zu schwach, um ihren Willen durchzusetzen."

• Russland keine Gefahr für Europa, aber Verlierer im Konflikt mit dem Westen
Das Onlineportal web.de hat am 10.2.15 einen Beitrag zum vom Westen angeheizten Konflikt mit Russland veröffentlicht, der bedenkenswert ist, weil er die westliche Perspektive offen wiedergibt: "In Amerika spricht man von einem neuen Kalten Krieg - mit dem Unterschied, dass die Fronten diesmal nicht in Berlin, sondern direkt an der russischen Grenze liegen. Der US-Politikwissenschaftler Stephen Cohen ist beileibe nicht der einzige, der so denkt. Doch wer einen dritten Weltkrieg heraufbeschwört, übertreibt. Denn mit dem einstigen Kräftemessen zwischen den Vereinigten Staaten und der früheren Sowjetunion hat der heutige Konflikt zwischen dem Westen und Moskau kaum etwas gemein. Die Glanzzeiten des russischen Militärs sind lange vorbei.
... Laut Karl-Heinz Kamp, Direktor der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, ist heute noch schwerer einzuschätzen, mit welcher militärischen Stärke Russland tatsächlich drohen kann, als während des Kalten Krieges.
Ein Szenario, in dem Russland einen Angriff auf Europa startet, hält der Experte für abwegig. "Das hätte Russland schon damals nicht gekonnt", sagt Kamp im Gespräch mit unserem Portal. "Und heute erst recht nicht". Dazu sei das Land wirtschaftlich viel zu marode. Stattdessen sieht die Informationsstelle der Bundesregierung eine ganz andere Gefahr, die Kamp "Sorgen macht": Russland habe aus seiner Georgien-Offensive gelernt. ...
Tatsächlich sei Moskau heute in der Lage, bis zu 40.000 Mann "mit einem Fingerschnipsen" in Stellung zu bringen. Allerdings nur an einem bestimmten Punkt: Für die ganze ukrainische Grenze reiche dies keinesfalls aus, betont Kamp. Und schon gar nicht, um das "Baltikum zu überrennen".
Der Strategieexperte ist sich allerdings sicher, dass das auch gar nicht das Ziel Moskaus ist. Vielmehr könne die Streitmacht an den Grenzen als Drohgebärde dienen, während anderswo verdeckte Operationen - etwa durch "Soldaten ohne Hoheitsabzeichen" - lokal Unruhe stiften können. "Das ist schon mit einer relativ kleinen Streitmacht zu erreichen", sagt Kamp.
Langfristig könnte Moskau aber auch mit dieser Taktik nichts gewinnen. "Den Konflikt mit dem Westen kann Russland nur verlieren", urteilt der Experte. Schon jetzt zahle die Föderation einen hohen wirtschaftlichen und politischen Preis. Die verhängten Sanktionen kosten das Land Milliarden. Das Beunruhigende: Offenbar ist der Kreml bereit, dies in Kauf zu nehmen. ...
Dass die Nato auf dem Hoheitsgebiet der Ukraine eingreift, hält der Militärexperte allerdings für ausgeschlossen: "Das steht nicht zur Debatte", stellt er klar. Dafür bräuchte es schon eine "smoking gun" – also einen klaren Beweis, dass das Militär unter russischer Flagge dort einmarschiert ist. Dass die Separatisten von Russland unterstützt würden, sei zwar völlig klar, "aber es rechtfertigt keine völkerrechtliche Intervention". Bliebe noch Russlands letzte Karte: seine Atomwaffen. Immer wieder warnte Putin den Westen: "Vergesst nicht, dass wir eine Nuklearmacht sind." ...
Rein kräftemäßig würde Russland der Nato in jedem Fall unterliegen: Gegen eine Million Streitkräfte, die Moskau mobilisieren könnte, stehen 3,5 Millionen des westlichen Bündnisses. Ganz ausschließen will Kamp eine konventionelle militärische Auseinandersetzung dennoch nicht: Ein Konflikt bleibe immer eine "mobile Sache"."
Zur von Kamp behaupteten "Georgien-Offensive" Russlands sei u.a. an das erinnert, worauf Reinhard Mutz in den Blättern für deutsche und internationale Politik 4/2014 aufmerksam machte: "... Dass russische Soldaten keinen Fuß auf fremdes Territorium setzten, galt allerdings nur bis zum 9. August 2008. An diesem Tag brachen sie zum ersten Mal ihre Abstinenz. Ort der Handlung war die zu Georgien gehörende, aber faktisch selbstverwaltete und politische Unabhängigkeit anstrebende Provinz Südossetien. Am Vortag waren nach vorbereitendem Artilleriefeuer georgische Streitkräfte in das umstrittene Gebiet vorgedrungen und hatten die Hauptstadt Zchinwali eingenommen. Die russischen Truppen schlugen sie zurück.
Doch während der „eingefrorene“ Regionalkonflikt augenblicklich zur internationalen Großkrise eskalierte, berichteten die Medien wenig bis gar nichts über Zweck und Anlass der russischen Militärpräsenz in Südossetien. Bereits seit dem Ende der Sowjetunion lieferte sich die abspaltungswillige Provinz einen blutigen Krieg gegen das georgische Mutterland. Erst ein Waffenstillstand im Juni 1992 konnte diesen beenden. Das Abkommen, von den Präsidenten Russlands und Georgiens unterschrieben und durch die KSZE-Mission in Georgien mitgezeichnet, setzte eine Kontrollkommission und eine multinationale Überwachungstruppe unter russischem Oberkommando ein. Deren Auftrag lautete, die Einhaltung der Waffenruhe zu gewährleisten.

Das war noch immer die Mandatslage im Sommer 2008. Das russische Vorgehen war somit rechtskonform. ..." Mit dem Zusatz: "Für die gegenteilige, in Tiflis verbreitete Version, die Rückeroberung Zchinwalis sei die georgische Antwort auf eine unmittelbar vorausgegangene Invasion Südossetiens durch russischen Streitkräfte gewesen, konnte die von der EU eingesetzte unabhängige Expertenkommission keine Anhaltspunkte finden. Vgl. Independent International Fact Finding Mission on the Conflict in Georgia, Report, Volume I, 30.9.2009, S. 19 ff."

• US-Waffen bringen mehr Zerstörung statt Frieden
Unter der Überschrift "Guck mal, John McCain! So mies läuft es, wenn die USA die Welt mit Waffen fluten" macht ein Beitrag der beiden FOCUS-Online-Autorinnen Pia Kienel und Bettina Künzler vom 9.2.15 auf die Folgen von US-Waffenlieferungen aufmerksam: "US-Hardliner wie John McCain sehen für den Ukraine-Konflikt nur noch eine Lösung: Waffenlieferungen an das ukrainische Militär. Doch vier Beispiele zeigen: Wenn die USA ihre Waffen in die Welt schicken, führt das meist zu nichts – oder zur Verschärfung des Konflikts. Lieferungen an die Ukraine könnten Europa endgültig in einen großen Krieg stürzen.
Waffen sollen die erneute Eskalation der Ukraine-Krise stoppen – dieser Meinung ist zumindest US-Senator John McCain. „Putin will keine diplomatische Lösung, er will die Ukraine und die anderen Nachbarstaaten Russlands dominieren“, begründete er seine Forderung auf der Münchener Sicherheitskonferenz.
US-Präsident Barack Obama lehnt trotz des großen innenpolitischen Drucks bisher ab, Waffen in die Ukraine zu schicken. Diese, im Blick der Republikaner, passive Haltung, teilt die Obama-Administration mit der Regierung Merkel „Wenn man sich die Haltung der deutschen Regierung ansieht, könnte man meinen, sie hat keine Ahnung oder es ihr egal, dass Menschen in der Ukraine abgeschlachtet werden“, attackierte McCain die Bundeskanzlerin.
Dabei sollte sich der ehemalige Präsidentschaftskandidat mit seiner Forderung nicht zu weit aus dem Fenster lehnen: Ein CIA-Bericht enthüllte in den Jahren 2012/2013, dass die Waffenlieferungen der USA meist nicht den gewünschten Erfolg erzielt hatten. Laut der Studie ist die Bewaffnung von Rebellen selten erfolgreich, eine Ausstattung der Milizen mit Waffen sei sogar wirkungslos. Laut der „New York Times“ wollte Barack Obama durch die Erhebung herausfinden, ob die Vereinigten Staaten sich in den Syrien-Krieg einmischen sollten. Trotz der geringen Erfolgsaussichten entschied sich US-Präsident Barack Obama damals, die syrischen Rebellen mit Waffen auszustatten. ..."
Die beiden Autorinnen erinnern an den Irak, Libyen, Syrien und Afghanistan als "Beispiele, bei denen die Waffenlieferungen der USA schief gegangen sind und den Konflikt zum Teil noch verschärft haben."

• Obama: Erst reden lassen, dann Waffen liefern
Nach einem Bericht der Onlineausgabe der New York Times vom 9.1.15 will US-Präsident Barack Obama die Friedensgespräche abwarten, bevor er über mögliche Waffenlieferungen an Kiew entscheidet. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel habe er sich optimistisch geäußert, dass die Sanktionen gegen Russland dessen Präsident Wladimir Putin zu einer diplomatischen Lösung bewegen würden. Sollten die Gespräche der Europäer aber keinen Frieden bringen, würden die USA darüber nachdenken, "Defensivwaffen" an Kiew zu liefern.
Er habe sein Team aufgefordert alle Optionen zu prüfen, so der US-Präsident. Merkel sagte dem Bericht zufolge, dass die Europäer weiter eine diplomatische Lösung anstrebten, trotz der erlittenen Rückschläge. Sie sehe keine militärische Lösung des Konfliktes, wiederholte sie. Sollte die US-Regierung dennoch Waffen liefern, werde das aber nicht zu einem Bruch zwischen Berlin und Washington führen.
Dass der US-Präsident mitten in den aktuellen Bemühungen um eine friedliche Lösung von möglichen Waffenlieferungen an Kiew redet, darauf macht ein Beitrag vom 9.1.15 im Onlinemagazin Common Dreams aufmerksam. Auf die Frage eines deutschen Reporters an Merkel auf der Pressekonferenz, was denn die "rote Linie" für Waffenlieferungen sei und was der Friedensnobelpreisträger Obama für eine friedliche Lösung tun könne, habe es keine Antwort gegeben.
Siehe auch den Beitrag der Bloggerin Magda auf freitag.de vom 10.2.15: "Warnung vor Illusionen und Waffen"

• "Dem Grauen ein Ende setzen"
Das fordert Zita Affentranger vom Schweizer Tages-Anzeiger in einem Beitrag vom 7.2.15: "... Die USA drohen nun, die ukrainische Armee gegen Russland zu bewaffnen. Das Land kämpfe um seine Existenz, sagte der amerikanische Vizepräsident Joe Biden gestern, die USA und die Europäer müssten zusammenstehen gegen ein Russland, das die Karte Europas neu zeichnen wolle. Will heissen: Die Zeit für Gespräche sei abgelaufen, die Europäer sollten sich der härteren amerikanischen Gangart anschliessen und ihre naiven Vermittlungsmissionen einstellen.
Doch es führt kein Weg vorbei an Verhandlungen mit Russland. Die Folgen einer Bewaffnung der Ukraine wären unabsehbar. Der Westen könnte sehr schnell in die Auseinandersetzungen verstrickt werden, und ein direkter Schlagabtausch mit Russland wäre nicht auszuschliessen – eine Aussicht, die jedes Vorstellungsvermögen sprengt. Der Kreml würde amerikanische Waffenlieferungen in die Ukraine ohne Zweifel als Kriegserklärung auffassen. Für das russische Volk würde sich damit die weit verbreitete Überzeugung bestätigen, dass die USA auch 24 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Untergang der Sowjetunion noch immer Staatsfeind Nummer 1 sind. Und die Waffenlieferungen würden der ukrainischen Armee wohl noch nicht mal etwas nützen. Russland dürfte die Rebellen ebenfalls entsprechend aufrüsten, mit Waffen und Soldaten. Die Folgen: noch mehr Tote, noch mehr Leid, noch mehr Zerstörung und noch mehr Hass.
Angela Merkel ist deshalb auf dem richtigen Weg, wenn sie versucht, die verhängten Sanktionen mit Gesprächen zu ergänzen, auch wenn selbst sie nun fürs Erste kapitulieren musste. Ein Frieden in der Ukraine wird nicht plötzlich und mit Pauken und Trompeten erreicht werden, denn dafür müsste Putin, ohne dessen Hilfe die Rebellen nicht lang überleben würden, über Nacht seine Strategie in der Ukraine ändern. Und das ist trotz aller Sanktionen bis auf weiteres nicht in Sicht. Gefragt sind deshalb stilles Verhandeln und Feilschen in Moskau, aber auch in Kiew. Die inzwischen total verhärteten Fronten zwischen den Konfliktparteien müssen Stück für Stück aufgeweicht werden. Auch einen neuen, hehren Friedensplan, wie ihn Berlin Mitte Woche versprochen hat, braucht es nicht, denn alle Kernpunkte eines Friedensabkommens wurden letzten September in Minsk bereits vereinbart. Das wichtigste bleibt eine Waffenruhe, die diesen Namen verdient, damit die verzweifelten Menschen den Winter überleben. ...
Dennoch gibt es keine Alternative zu bitteren Konzessionen und damit einer faktischen Kapitulation Kiews, denn die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen. Dem Grauen muss ein Ende gesetzt werden, auch wenn der politische Preis auf den ersten Blick hoch erscheint. Geht der aussichtslose und sinnlose Kampf um jede Ortschaft, jede Strasse und jeden Hügel weiter, steigt nur der Preis für einen Waffenstillstand. Auch Merkel hat in Kiew nochmals betont, dass es keine militärische Lösung für diesen Konflikt geben könne. Wenn die USA der Ukraine nun Waffen in Aussicht stellen, setzen sie ein falsches Zeichen. ..."

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alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen


die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine  

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