• Ukraine im Mittelpunkt der Münchner Sicherheitskonferenz
"Am Freitagnachmittag wird die 51. Münchner Sicherheitskonferenz eröffnet. Die dreitägige Veranstaltung ist auch heuer wieder Treffpunkt zahlreicher hochrangiger politischer Entscheidungsträger. Thematischer Schwerpunkt ist neben der Ukraine-Krise vor allem die Lage im Nahen und Mittleren Osten. Aus Österreich nehmen die Minister Sebastian Kurz (ÖVP) und Gerald Klug (SPÖ) teil.
Zur Eröffnung ergreift am Freitag um 15.00 Uhr zunächst Konferenzleiter Wolfgang Ischinger das Wort, der sich im Vorfeld gewünscht hatte, dass im Ukraine-Konflikt aus München ein "Impuls" ausgehen werde, "der es nicht nötig macht, über Waffenlieferungen weiter nachzudenken, dass man zurückkehrt an den Verhandlungstisch, dass man (die Vereinbarungen von) Minsk umsetzt". Dann werden die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprechen. Im Mittelpunkt des ersten Tages der Sicherheitskonferenz stehen nach Angaben der Veranstalter "Hybrid Warfare", europäische Verteidigungspolitik, Geopolitik im Pazifik und die globale Flüchtlingskrise. ..." (Die Presse online, 6.2.15)
"Neben dem »Chaos im Mittleren und Nahen Osten« (SIKO-Chef Wolfgang Ischinger) gehörte die NATO-Strategie mit Blick auf die Ukraine-Krise und den wiederentdeckten Lieblingsfeind Russland ohnehin zu den Hauptthemen der 51. Auflage der sogenannten Münchener Sicherheitskonferenz, zu der im Hotel »Bayerischer Hof« etwa 20 Staats- und Regierungschefs sowie rund 70 Außen- und Verteidigungsminister erwartet werden. Mit ihren Beschlüssen vom Donnerstag haben die NATO-Verteidigungsminister nun für eine zusätzliche Schärfung der Agenda gesorgt.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verkündete in Brüssel, dass die Allianz angesichts der angespannten Sicherheitslage eine deutliche Verstärkung ihrer Eingreiftruppe für weltweite Einsätze (NRF) plane. Diese sogenannte Speerspitze solle Präsident Wladimir Putin in Moskau demonstrieren, dass die NATO ihre osteuropäischen Mitglieder nicht im Stich lassen werde. ...
Berlin hat der NATO schon für die Testphase rund 2700 Soldaten zugesagt. Zu dem Panzergrenadierbataillon 371 aus Marienberg (Sachsen) und dem Deutsch-Niederländischen Korps aus Münster kämen damit in diesem Jahr rund 1000 weitere Soldaten etwa aus dem Bereich Luftwaffe oder der Marine, wie aus dem NATO-Hauptquartier zu hören ist.
Nicht nur in Moskau stößt dieser Kurs auf Kritik. »Die Bundesregierung drängelt sich in dem Konflikt nach vorn, um in Europa auch militärisch als Großmacht dazustehen«, kommentiert Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Das werde auch den Steuerzahler hierzulande teuer zu stehen kommen. Denn wenn die NATO-Forderungen nach Erhöhung des Militäretats umgesetzt werden, würde das den deutschen Staatshaushalt zusätzlich mit 20 Milliarden Euro belasten. ...
Ist das eher Zündstoff für die zivilgesellschaftlichen Gegenveranstaltungen in München, dürften andere Probleme auch die Konferenzteilnehmer im »Bayerischen Hof« spalten. Etwa die Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine - zumal auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow zu den Diskutanten am Wochenende gehört. Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und USA-Außenminister Joe Biden, die in München ein Dreiertreffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko planen, noch gegen eine Aufrüstung Kiews aussprechen, will ausgerechnet der zeitweilige Ukraine-Vermittler im Auftrag der OSZE und SIKO-Chef Ischinger mit Waffenlieferungen den Druck auf Russland erhöhen." (Neues Deutschland, 6.2.15) "Der russische Außenminister Sergej Lawrow dürfte bei der heute beginnenden Münchner »Sicherheitskonferenz« wenig Freude haben. Erst am Montag abend hatte sich der Leiter der vormaligen »Wehrkundetagung«, Wolfgang Ischinger, im ZDF-»heute journal« für eine direkte militärische Intervention des Westens in den ukrainischen Bürgerkrieg ausgesprochen. Die zur Zeit im US-Establishment diskutierten Pläne, Waffen im Wert von bis zu drei Milliarden US-Dollar an Kiew zu liefern, nannte er »angemessen und wichtig«.
Danach zog der sogenannte Spitzendiplomat eine Parallele zum jugoslawischen Bürgerkrieg der 1990er Jahre: Wie heute die Aufständischen in der Ostukraine hätten seinerzeit »die Serben« auf militärische »Geländegewinne« gesetzt, um die Lage zu ihren Gunsten zu beeinflussen – bis die NATO das »militärische Gleichgewicht« wieder hergestellt habe. Dass dies durch einen mörderischen Bombenkrieg unter Beteiligung der Bundeswehr geschah, focht Ischinger, damals Staatssekretär im Auswärtigen Amt, nicht an: »Manchmal braucht man Druck, um Frieden zu erzwingen.« Auf die daran anknüpfende Frage des ZDF-Journalisten Claus Kleber, ob das in Bezug auf die Ukraine nicht ein »Spiel mit dem Feuer« sei, gab sich sein von deutschen Militärs und Rüstungsindustriellen hoch geschätzter Interviewpartner ganz staatsmännisch: Es gebe nun einmal keinen anderen Weg, als der Ukraine zu helfen, sich vor den »aggressiven Vorstößen der Separatisten zu schützen«, erklärte Ischinger. Dazu gehörten Waffenlieferungen ebenso wie Verhandlungen; das sei die westliche »Arbeitsteilung«. ..." (junge Welt, 6.2.15)
• Sicherheitskonferenz als NATO-Selbstdarstellung
"„Wir werden die Friedensfrage nicht denen überlassen, die glauben machen wollen, die NATO sei ein Friedens- und Menschenrechtsbündnis. Die Münchner Sicherheitskonferenz dient nur der NATO-Selbstdarstellung und wird so zur Unsicherheitskonferenz“, so Alexander S. Neu, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz, an der er selbst teilnehmen wird. Neu weiter: „Zum 51. Mal beginnt heute die Sicherheitskonferenz in München. Deutsche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sponsern diese ‚Privatveranstaltung‘ in diesem Jahr mit rund 1 Millionen Euro. Insgesamt kostet die Veranstaltung rund 1,7 Mio. Euro. Damit wird deutlich, dass dieser Treff von 400 handverlesenen Teilnehmern, von denen 95 Prozent konsequent auf NATO-Kurs sind, mehrheitlich vom Staat und somit vom Steuerzahler finanziert wird und eine wirkliche Debatte über außen- und sicherheitspolitische Probleme jenseits der NATO-Kriegslogik nicht zu erwarten ist. Personen aus der Friedensbewegung sind nicht eingeladen. Deshalb ist die morgige Gegendemonstration, an der ich auch teilnehmen werde, umso wichtiger. Die Friedensbewegung wird gebraucht, gerade in diesen unsicheren Zeiten.“" (Pressemitteilung MdB Alexander Neu, Linksfraktion, 6.2.15)
• Bildt hält Krieg zwischen Russland und dem Westen für denkbar und Putin für den Schuldigen
"... Im Interview warnt der ehemalige schwedische Außenminister Carl Bildt vor Krieg mit unabsehbaren Folgen. ...
Ist ein Krieg zwischen dem Westen und Russland noch undenkbar?
Leider nicht. Wir sollten ihn mit allen Mitteln vermeiden. Aber die Lage ist sehr gefährlich. Der Konflikt hat eine sehr grundsätzliche Natur: Es geht nicht nur um die Zukunft der Ukraine, es geht um die Zukunft Russlands und die Zukunft Europas. Wenn wir es schaffen, die russische Aggression zu stoppen, eine souveräne und demokratische Ukraine zu erhalten, wird dies auch Russland mit der Zeit verändern. Wenn es dem Kreml aber gelingt, die Ukraine zu destabilisieren und es in eine Zone der Konfrontation zu verwandeln, wird das Militarismus und Revisionismus in der russischen Politik stärken. Und dann wird die Aggression auch nicht in der Ukraine enden. Deswegen entscheidet sich dort die Stabilität von Europa.
Ist zu diesem Zeitpunkt noch eine Diplomatie mit Russland möglich?
Irgendwann muss Diplomatie die Lösung bringen. Und es wird ja auf allen Wegen versucht, besonders durch Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Sie versuchen unermüdlich Putin zur Vernunft zu bringen, allerdings nicht gerade mit durchschlagendem Erfolg. Das liegt nicht an mangelndem Einsatz, sondern daran, dass Russland noch nicht bereit für Diplomatie ist. Wir alle hatten Hoffnung gefasst nach dem Minsker Treffen. Die hat sich verflüchtigt. Die härtesten Kämpfe sind derzeit um Debalzewe, wo die Rebellen mit russischen Raketen und Artillerie angreifen. Das ist 13 Kilometer weiter als die Waffenstillstandslinie. Wir reden also über eine Offensive. ..." (FAZ online, 6.2.15)
• Lugansker Aufständische wollen eigene Luftwaffe aufbauen
"... Es mag sich zwar etwas bizarr anhören, dennoch: Nicht nur in militärischen Fachmedien ist zur Zeit die Rede davon, dass die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine versuchen, so etwas wie eine eigene Luftwaffe auf die Beine zu stellen. Das zeigte sich zuletzt etwa an einem auf YouTube veröffentlichten Video, das auf dem Gelände des Luftfahrtmuseums der Stadt Luhansk, also mitten in Rebellenland, aufgenommen wurde: Darauf sind Separatisten, darunter angeblich Ingenieure und Piloten, zu sehen, die offenbar versuchen, Flugzeuge des Museums instandzusetzen und flugtauglich zu machen.
Besonders weit scheint man damit zwar noch nicht gekommen zu sein: Auf dem tief winterlichen und verschneiten Gelände sind Dutzende Flugzeuge und Hubschrauber zu sehen, aber keines davon im Fluge. Längere Zeit wird angesichts eines Erdkampfflugzeugs vom Typ Suchoi Su-25 "Frogfoot" verharrt, das mit den Hoheitsabzeichen des abtrünnigen Staates "Neurussland" versehen ist und Startbehälter für ungelenkte Luft-Boden-Raketen an den Tragflächenunterseiten trägt.
Tatsächlich in Bewegung sieht man aber nur eine Aero L-29 "Delfin" (Nato-Code: "Maya"), ein leichtes, zweisitziges Trainingsflugzeug tschechischer Provenienz, das als bestenfalls leichtes Erdkampfflugzeug nur minimale 200 Kilogramm Waffenlast mitführen kann. Die Turbine der Delfin wird angeworfen, dann fahren seine zwei Insassen mit dem Jet, der auch zwei kleine Bomben unter den Flügeln trägt, ein wenig auf einer Piste und zwischen parkenden Fluggeräten herum. ..." (Die Presse online, 6.2.15)
• Zweifel, ob Merkel bei Obama Gehör findet
"Angela Merkel hält nichts von dramatischen Auftritten in der Weltpolitik, aber diesmal blieb der Bundeskanzlerin offenkundig keine bessere Wahl. Die Ukraine-Krise hat sich in den vergangenen Tagen auf allen Ebenen derart rasant verschärft, dass sich Merkel kurzfristig zur Intervention auf höchster Ebene entschloss. Am Freitag will sie gemeinsam mit dem französischen Präsidenten François Hollande nach Moskau zu Präsident Wladimir Putin reisen; bereits am Donnerstag flog das deutsch-französische Krisenduo nach Kiew. Es ist ein Versuch, die militärische und politische Eskalation zu stoppen, die angesichts der Schlacht im Donbass droht. ...
Außenminister Frank-Walter Steinmeier, eigentlich auch kein Mann dramatischer Worte, fürchtet schon einen "völligen Kontrollverlust". Wenn es jetzt nicht gelinge, den Konflikt einzudämmen, drohe er jeder politischen Steuerung zu entgleiten, warnte Steinmeier bei einem Besuch in Warschau.
Zu dieser Einschätzung beigetragen haben die Überlegungen in Washington, die Ukraine mit Militärgerät auszurüsten. Bei den Europäern hat dies Alarm ausgelöst, ungeachtet der Beteuerungen der Regierung in Washington, man werde solchen Schritte nicht ohne Rücksprache mit den Verbündeten unternehmen. Der designierte US-Verteidigungsminister Ashton Carter sprach sich kürzlich allerdings dafür aus. Mehrere US-Senatoren sowohl von der republikanischen als auch von der demokratischen Partei drängten Obama am Donnerstag erneut dazu, die Ukraine mit Waffen zu beliefern.
Ein Rüstungswettlauf in der Ostukraine, so die deutsche Einschätzung, wäre für den Westen nicht zu gewinnen, könnte aber alle Wege zu einer Verständigung mit Moskau auf absehbare Zeit zusperren – von der Gefahr eines Stellvertreterkriegs der Großmächte ganz zu schweigen.
Ob Merkel diese Sicht dem US-Präsidenten Barack Obama bei ihrem anstehenden Kurzbesuch in Washington vermitteln kann, ist nicht sicher. Die Kanzlerin dürfte sich noch gut erinnern, auf wie wenig Verständnis sie im Jahr 2008 bei den Amerikanern traf, als sie beim Nato-Gipfel in Bukarest die Aufnahme der Ukraine in das Bündnis blockierte – übrigens ebenfalls gemeinsam mit Frankreich.
Zugleich registrieren die Europäer mit Sorge, dass die amerikanischen Erwägungen in Kiew die Hoffnung nähren, eben doch militärisch wieder in Vorderhand zu kommen, nachdem die Regierungstruppen in den vergangenen Wochen unter massivem Druck zurückweichen mussten. ...
Poroschenko drohte, er werde im ganzen Land das Kriegsrecht verhängen, wenn die Kämpfe nicht abflauten. Im Parlament, der Werchowna Rada in Kiew, ist die Stimmung mehrheitlich für US-Waffenlieferungen und gegen weitere Versuche, die Minsker Waffenstillstandbemühungen wiederzubeleben. Die Parlamentarier begannen ihre Sitzung am Donnerstag mit einer Schweigeminute für die Opfer in der Ostukraine. ..." (Der Tagesspiegel online, 6.2.15)
• Anhaltende Kämpfe und Opfer - Parlament will hartes Vorgehen gegen Deserteure
"Die Kämpfe in der Ostukraine wurden Donnerstag fortgesetzt. Einwohner des Donbass starben oder wurden in die Flucht getrieben. ...
In Donezk mussten bei Artillerieangriffen erneut mindestens acht Menschen sterben. Mehr als 30 Zivilisten seien verletzt worden, teilte die Stadtverwaltung mit. Bei Gefechten seien fünf Soldaten getötet und 29 verletzt worden, teilte das Militär mit.
Aus Debalzewo bei Donezk wurden nach Darstellung der Separatisten etwa 1100 Menschen in Sicherheit gebracht. Nach Angaben von Regierungschef Arseni Jazenjuk halfen die Behörden zudem 2500 Menschen bei der Flucht. Medien zufolge sollen sich in Debalzewo noch bis 7000 Menschen aufhalten - ohne Wasser, Strom und Heizung.
Über die Rettung dreier Menschen aus den Trümmern ihres Hauses berichteten örtliche Medien. Vier Tage hatten in Debalzewo zwei ältere Menschen und ein Mädchen ohne Nahrung und Wasser in der Kälte überlebt, bevor sie von Milizionären geborgen wurden.
Insgesamt verzeichnete der Sprecher der »Anti-Terror-Operation«, Andrej Lyssenko, ein Nachlassen der Angriffe der Aufständischen, wie »Interfax-Ukraina« verbreitete. Es sei aber noch nicht wieder der während der vorherigen Waffenruhe herrschende Zustand erreicht. Den Grund für das Abflauen der Angriffe sah er darin, dass »unsere Kräfte dem Gegner ernste Schläge versetzt und ihm große Verluste zugefügt haben«. Seit Mittwoch seien 190 gegnerische Kämpfer »vernichtet« worden.
Die »Werchowna Rada« in Kiew verabschiedete am gleichen Tage ein Gesetz über verschärfte Mittel gegen Disziplinarverstöße in den Streitkräften. Kommandeuren wird darin der Einsatz von Waffengewalt gegen Unterstellte ausdrücklich gestattet. Befehlsverweigerung, unerlaubte Entfernung von der Truppe und Desertionen gehören zunehmend zum Alltag in der Armee. ..." (Neues Deutschland, 6.2.15)
• NATO doppelgleisig
"Erst aufrüsten, dann beschwichtigen: Am Donnerstag vormittag besiegelten die NATO-Verteidigungsminister formell die im Herbst 2014 beschlossene Ostverlagerung und Aufstockung der gegen Russland gerichteten schnellen Eingreiftruppe des Militärpaktes. Am Mittag teilten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande mit, dass sie auf Krisendiplomatie setzen und in Kiew und Moskau Gesprächen führen wollen.
Bei der Vergrößerung der NATO-Eingreifruppe bleibt es aber. Sie soll statt 13.000 nun 30.000 Soldaten umfassen, wovon 5.000 bis 7.000 eine sogenannte Speerspitze bilden sollen. Sie soll ab 2016 einsatzfähig sein und innerhalb von zwei bis drei Tagen in Konfliktregionen geschickt werden können. In diesem Jahr wird das neue Konzept getestet. Deutschland spielt dabei eine Führungsrolle: In der Testversion stellt die Bundeswehr 2.000 der 5.000 Soldaten – auch an der »Ostfront«. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verwies jedenfalls darauf, dass die geplanten sechs neuen Stützpunkte in den östlichen NATO-Ländern auch mit deutschen Soldaten besetzt werden sollen. ...
Die Ge- und Entschlossenheit war bereits in der Brüsseler Runde nicht ganz komplett. Denn die 28 Verteidigungsminister konnten sich nicht darüber einigen, ob einzelne NATO-Mitglieder den Streitkräften der Kiewer Regierung Waffen zur Verfügung stellen sollten. Von der Leyen bezeichnete dies als falschen Weg. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel vermied hingegen eine eindeutige Aussage und erklärte: »Welche Hilfe wir (...) der Ukraine liefern, muss ständig überprüft werden.« ...
Hintergrund der plötzlichen Verhandlungsbereitschaft ist offenbar die desolate Situation der Streitkräfte Kiews bei ihrem Krieg in der Ostukraine. Nach Medienberichten haben die bewaffneten Widerstandskräfte gegen die »Antiterroristische Operation«, wie Kiew den Einsatz von Kampfflugzeugen, Panzern und schwerer Artillerie gegen Wohngebiete nennt, das Territorium der international nicht anerkannten Volksrepublik Luhansk und Donezk seit Sommer 2014 um etwa 50 Prozent erweitert. ..." (junge Welt, 6.2.15)
• Washington gegen Moskau – bis zum letzten Ukrainer?
"Von 13.000 auf 30.000 Soldaten will die NATO ihre gegen Russland gerichtete schnelle Eingreiftruppe aufstocken. Dazu soll in den von hysterischem Russenhass besessenen baltischen Staaten und in Polen schweres Gerät wie Panzer und Artilleriegeschütze auf permanenten Basen bereitgestellt werden. Im Krisenfall müssen nur noch die Bedienungsmannschaften aus Deutschland, USA und anderen Bündnisstaaten einfliegen. Die neue Truppe der Angriffsallianz wurde auf Drängen der osteuropäischen »Eliten« von Washington nur zu gern durchgesetzt. Einerseits schafft das für Moskau zusätzlichen Druck, andererseits bindet es die Osteuropäer noch stärker an die USA. ...
Vielen brennt die Frage unter den Nägeln, ob der Westen dank des jüngsten NATO-Beschlusses ein Stück näher an den Abgrund eines großen Krieges gerückt ist. Das ist durchaus so, wenn z. B. irgendwo falsch kalkuliert wird, aber es gibt keinen Grund zur Panik. Aus wohlverstandenem Eigeninteresse haben die USA absolut keinen Bedarf an einer direkten bewaffneten Auseinandersetzung mit Russland. ...
Vor diesem Hintergrund ist ein permanenter Kleinkrieg in der Ostukraine, der nach Belieben geschürt werden kann, viel billiger und von weitaus größerem Nutzen für die Durchsetzung von Washingtons Interessen in Europa. Die sind: Berlins Führungsanspruch in der EU untergraben, die US-Hegemonie in Europa stärken, einen Keil zwischen Russland und EU treiben und Russland in die Knie zwingen. Dafür wird Washington notfalls bis zum letzten Ukrainer kämpfen. ..." (Rainer Rupp in junge Welt, 6.2.15, S. 8)
• Widersprüchliche Interessen
Die Tageszeitung junge Welt hat am 6.2.15 den zweiten Teil einer zweiteiligen Analyse von Sönke Hundt, emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bremen, über den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Politik im neuen antirussischen Kurs des Westens veröffentlicht:
"Nach anfänglich deutlicher Kritik an der jüngsten Russlandpolitik der BRD fügten sich deutsche Unternehmen und ihnen nahestehende Medien. Die US-Märkte waren wichtiger. Diesen Sinneswandel zeichnete der Autor im gestern erschienenen ersten Teil anhand von Beiträgen der Wirtschaftspresse nach. Das war der gewissermaßen empirische Teil. Heute ein wenig Theorie. (jW)
Zwischen den USA und den europäischen Ländern ist es bei der Verhängung von Sanktionen gegen Russland immer wieder zu Differenzen gekommen. So setzten Washington und Brüssel teils unterschiedliche »Strafmaßnahmen« durch. Beide einigten sich aber auch auf Kompromisse. Aber selbst ohne ein solches Vorgehen von seiten der Europäischen Kommission oder der Regierungen einzelner Länder wie Frankreich oder Deutschland mussten europäische Unternehmen fürchten, ebenfalls zur Befolgung der US-Boykottregeln gezwungen zu werden. ...
Obwohl die USA eine hegemoniale Position in der Welt innehaben und sie mit allen Mitteln verteidigen, sind sie weit davon entfernt, deren Behauptung strategisch planen oder gar steuern zu können. Denn der ökonomische Weltenlauf ist immer krisenhaft. Erschütterungen von Staaten und Währungen treten unvorhergesehen auf. Dabei bleibt das Ziel der Vereinigten Staaten unverrückbar: der Erhalt ihrer Währung als Weltgeld. Büßte der Dollar diesen Status ein, hätte das unübersehbare Folgen. Der Verlust hätte »das Potential, die Hegemonialordnung zu verändern, die politische Gemengelage der Welt durcheinanderzubringen. Das wäre nicht mehr Begleitmusik, sondern der Paukenschlag, der ein neues Zeitalter ankündigt«, schreibt Altvater in dem erwähnten Buch von 2010. Der Niedergang der US-Hegemonie ist zwar wiederholt vorausgesagt worden, »doch die Nation, die den Staffelstab im globalen Rennen um die Weltwährung und die Hegemonie übernehmen könnte, ist nicht in Sicht. China? Die EU? Oder bleibt er in den USA? Alles wäre möglich, und nichts ist sicher.« ...
Die ökonomischen Interessen der deutschen und europäischen »Wirtschaft« sind deshalb also widersprüchlich: Einerseits sind ihre Unternehmen weiterhin interessiert an guten Geschäften mit Russland und wünschen einen Abbau von politischen Spannungen, weil sie davon profitierten. Andererseits haben die Eigentümer volle Sympathie dafür, wenn die USA mit allen Mitteln die Hegemonie ihrer Währung sichern. Denn die Kapitalisten aller Länder brauchen den US-Dollar und profitieren von seiner Eigenschaft als Weltgeld, das ihnen, bis jetzt jedenfalls, am besten die globale Vermehrung ihres Kapitals garantiert."
• Bundesregierung dementiert angebliche Zugeständnisse an Aufständische
"Der Vorstoß von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande für Frieden in der Ukraine setzt einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Freitagausgabe) zufolge auf Zugeständnisse an die Separatisten. Kern sei, ein unmittelbarer Waffenstillstand sowie eine weitreichende Autonomie für die Separatisten in einem Gebiet, das größer als bisher verabredet sei. Ein klares Dementi kommt jedoch von Seiten der deutschen Regierung: "Dieser Bericht ist falsch", sagte ein Regierungssprecher am Donnerstag in Berlin der Deutschen Presse-Agentur.
Quellen hatte die SZ nicht genannt. Der Zeitung zufolge ist der neue Plan bereits seit Tagen von hohen Beamten der beteiligten Regierungen vorbereitet worden. Ukraines Präsident Petro Poroschenko wolle man klarmachen, dass die letzte Chance gekommen sei, die Ukraine vor einer dramatischen militärischen Niederlage und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu retten. ..." (Die Presse online, 5.2.15)
Der erwähnte Beitrag der Süddeutschen Zeitung "Neuer Friedensplan für die Ukraine" wird noch in Suchmaschinen angegeben, aber unter dem Link dazu erscheint inzwischen: "Server Fehler 404 Dokument nicht gefunden"
Hier ist der Text noch online zu lesen.
Bei Bild.de ist dazu Folgendes zu lesen: "... Welchen Friedensplan haben Merkel und Hollande im Gepäck?
Der Vorschlag (intern Minsk 2 genannt) sieht vor: Sofortige Waffenruhe, Rückzug schwerer Waffen, Austausch der Gefangenen. Außerdem: Eine Verfassungsreform in der Ukraine (mehr Rechte für die Regionen) und weitreichende Autonomie für die russischsprachigen Gebiete im Osten des Landes. ..."
• Die gewollte Destabilisierung der Ukraine
"... Die Absicht kann klar benannt werden: Destabilisierung durch gelenkte Unsicherheit!
Das Hüh und Hott, Ja und Nein, Rauf und Runter, sollte als zentraler und gezielter Part der gesamten Strategie im Ukraine-Konflikt erfasst werden! Die Unsicherheit ist eben nicht ein bedauernswerter Teil von sogenannt schlechtem politischem Handwerk, sondern die eigentliche und innerste Absicht in der bündnispartnerschaftlichen Setzung der Ukraine! Ob alle in der EU und im Bündnis wissen, worum es in der Tiefe der Sache eigentlich geht, sei dahingestellt. Wenn sie es nicht wissen, dann sind sie umso willfährigere Puppen in den Händen derer, die eben Strategien über Jahrzehnte anzulegen und ihre Durchführung abzusichern wissen. Stichwort: 'The Grand Chessboard'.
Daher ist im Ukraine-Konflikt nicht damit zu rechnen, dass er bald beendet werden kann. Denn dann hätte er seine innere strategische Funktion verfehlt. Darauf ist der Konflikt nicht angelegt. Auch nicht darauf, was man den Menschen in der Ukraine erzählt hat und noch erzählt von Freiheit und Wohlstand ...
Ziemlich schnell kam alles an Sehnsucht und Freiheitsdrang ins strategische Fahrwasser der ökonomischen Neuordnung durch den Westen. Natürlich, den eigentlichen Interessen entsprechend, mit Einbindung in das westliche Verteidigungsbündnis. Und das, obwohl man seit Jahren wusste, dass einer solchen West-Eingliederung der Ukraine ein eindeutig definiertes und unüberhörbares "Nein" Russlands gegenüberstand.
Was hat also den Westen, hier namentlich die USA, dazu gebracht, die Ukraine durch Überhören des russischen Vetos in eine Ja-oder-Nein-Position gegenüber der EU zu bringen? Entweder Beziehungen zur EU oder (!) Beziehungen zu Russland? Warum war die Option Westen immer mit dem Junktim der Trennung von Russland verbunden (obendrein noch mit der Freilassung von Julia Timoschenko)? Wusste man nicht, was das letztendlich für Folgen haben muss? Wusste man nicht in welche Zerreißprobe man die Ukraine damit bringt? Doch! Das wusste man! Jedenfalls dort, wo man nicht so agiert wie durch einen Präsidenten-Darsteller ... öffentlich inszeniert wird.
Nein, man wusste entweder exakt und genau, dass diese Zerreißprobe die Ukraine tatsächlich zerreißen wird ... Für so dumm sind jedenfalls die amerikanischen Eroberungs-und Unterwerfungs-Think-Tanks und ihre Statthalter in der Politik nicht zu halten. Auch nicht für so dumm, dass sie nicht von vorne herein wussten, oder zumindest sehr damit rechnen mussten, dass die Krim nicht glatt laufen wird. Wenn sie die Krim über die Ukraine noch unter ihren Einflussbereich kriegen sollten – gut. Wenn nicht – auch gut, da sie als langfristiger Zankapfel und Konfliktherd bestens geeignet ist.
Das ganze Ukraine-Desaster ist im inneren Kern funktional-destabilisierend angelegt: Zum Einen wird ein stets handhabbarer Konflikt an die Westgrenze Russlands gelegt und zum Anderen der Konkurrent (insbesondere: Währungskonkurrent) EU in das kapitalverzehrende Krisenmanagement eingebunden und so im Weltmarkt ausgebootet. ..." (Wilfried Michalski in Contra-Magazin, 5.2.15)
• Ischinger hält Sanktionen und angedrohte Waffenlieferungen für notwendig
"... Europa und Amerika haben gegenüber Moskau bislang auf Wirtschaftssanktionen gesetzt, statt Panzer an der Nato-Grenze aufrollen zu lassen. Ist das die falsche Strategie?
Nein. Aber es wäre eine Illusion zu glauben, dass Wirtschaftssanktionen kurzfristig zum Erfolg führen. Das dauert länger.
Diese Woche wurden Überlegungen Washingtons öffentlich, Kiew Waffen zu liefern. Im Kreml dürfte das so aufgenommen werden, als ob der Westen Russland in die Knie zwingen wolle. Was halten Sie von diesen Überlegungen?
Wer eine doppelte Nulllösung will – also keine Waffenlieferungen von Russland und dem Westen -, der wird kaum eine Chance haben, wenn er mit leeren Händen an den Verhandlungstisch tritt. Deshalb ist die Debatte über ein Pro und Kontra von Waffenlieferungen angesichts der Weigerung der Separatisten, auf der Basis des Minsker Protokolls zu verhandeln, nicht falsch. Ich gehe aber davon aus, dass in Russland derzeit intensiv debattiert wird, ob die derzeitige Ukraine-Politik russischen Interessen langfristig nützt oder schadet." (FAZ online, 5.2.15)
• Biden: Keine militärische Lösung, aber "russische Aggression"
"US-Vizepräsident Joe Biden hat eine Waffenlieferung an die Ukraine so gut wie ausgeschlossen und mit heftigen Vorwürfen an Russland die Verantwortung von Präsident Wladimir Putin in das Zentrum der Debatte geschoben. "Wir haben von Beginn an gesagt, dass es für diese Krise keine militärische Lösung gibt", sagte Biden in einem schriftlich geführten Interview mit der Süddeutschen Zeitung und deren Partnerblättern der Europa-Kooperation.
"Wir haben kein Interesse an einer militärischen Eskalation und dringen darauf, dass das Gegenteil eintritt." Russland warf er vor, ausschließlich eine militärische Lösung anzustreben.
Biden beendete damit eine Diskussion, die Washington für einige Tage beschäftigt hatte. Allerdings sprach der Vizepräsident der Ukraine jedes Recht zu, sich zu verteidigen. Auch stellten die USA weiter "Hilfe im Sicherheitsbereich" zur Verfügung - gemeint sind damit etwa Nachtsichtgeräte oder Ausrüstungsgegenstände, die bereits seit einiger Zeit geliefert werden.
Biden erhob in dem Interview schwerste Vorwürfe gegen Russland, sprach von "russischer Aggression" und prangerte den Unwillen Moskaus zu einem Waffenstillstand an. "Russland verletzt die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine", sagte er, "von Beginn an wurde dieser Konflikt durch die russische Aggression verursacht."
Viele der Separatisten würden in Russland rekrutiert, von Russland bezahlt und ausgerüstet. "Darüber hinaus sind russische Kampftruppen mit russischen Waffen und russischen Panzern über die Grenze vorgestoßen."
Biden kündigte die Bereitschaft seines Landes an, "den Preis für Russlands aggressives Verhalten" zu erhöhen. "Auf dem Spiel steht nicht weniger als Europas Sicherheit." ..." (Süddeutsche.de, 4.2.15)
• Kerry nur mit Trostpflaster für Kiew?
"Unterstützung für die Ukraine soll der Besuch von US-Außenminister John Kerry am Donnerstag in Kiew signalisieren. Doch wie weit geht diese Unterstützung, und schließt sie auch Waffenlieferungen ein? Kerry steht nach der Landung am Flughafen Borispol ein langer Tag voller Termine bevor. So unterschiedlich seine Gesprächspartner – Präsident Petro Poroschenko, Außenminister Pawlo Klimkin, Premier Arsenij Jazenjuk –, so eindeutig wird ihre Position zu einem Thema sein: Waffen für die Ukraine.
Militärische Unterstützung ist das Thema Nummer eins für Kiew. Und Kiew macht Druck. Am Dienstag hatte Präsident Poroschenko bei einem Besuch im nordöstlichen Charkiw erklärt, es bestehe „kein Zweifel“ an künftigen US-Waffenlieferungen – trotz des offiziellen Dementis aus dem Weißen Haus. „Der Ukraine muss geholfen werden“, sagt ein ukrainischer Diplomat zur „Presse“. „Alle verstehen den Ernst der Lage.“ Er gehe davon aus, dass das letzte Wort in der Sache „noch nicht gesprochen“ sei. ...
In den USA mehren sich indes Stimmen, die Waffenlieferungen fordern. Am Dienstag appellierten 15 Senatoren beider Parteien an Präsident Barack Obama, panzerbrechende Waffen, Geländewagen und Radaranlagen bereitzustellen. „Leider werden Sanktionen allein Putin nicht abschrecken. Die Ukraine braucht eine unmittelbare Zufuhr wirksamer defensiver Militärausrüstung“, heißt es in dem Brief. Der designierte Verteidigungsminister Ashton Carter sagte am Mittwoch bei seiner Anhörung im Senat, er neige Waffenlieferungen zu. ...
Doch in Kiew gibt es Kräfte, die eine schnellere Entscheidung herbeiführen wollen – und in den Washingtoner Interventions-Befürwortern die besseren Verbündeten sehen als in den Brüsseler Bürokraten. „Der Glaube ist: Die Amerikaner können helfen, ohne monatelange Konsultationen in Brüssel“, sagt ein europäischer Experte in Kiew. Insbesondere Premier Arsenij Jazenjuk und seine Partei Volksfront befürworten eine militärische Lösung des Konflikts. Während Präsident Petro Poroschenko angesichts der Eskalation – in Donezk starben gestern bis zu zehn Menschen beim Beschuss eines Spitals, aus der belagerten Stadt Debaltsewo müssen Zivilisten evakuiert werden – demonstrativ für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen eintritt, wünscht sich Jazenjuk eine härtere Gangart. ...
Kerry hat indes auch eine Boschaft für Kiew. Er wird die Regierung zur Umsetzung ihres Reformprogramms ermahnen, das angesichts des Krieges nicht vorwärtskommt. Der US-Botschafter in der Ukraine, Jeffrey Payette, warnte Poroschenko und Jazenjuk unlängst in einem Interview mit der Wochenzeitung „Zerkalo Nedeli“, sich nicht wie ihre Amtsvorgänger, Julia Timoschenko und Viktor Juschtschenko, in fatale Machtkämpfe zu verstricken. Die Umsetzung von Reformen in den Bereichen Wirtschaft, Energie und Anti-Korruption sei für das Land eine „Überlebensfrage“." (Die Presse online, 4.2.15)
• Komplott in Kiew gegen Poroschenko?
"Offenbar ist die neue regierende Clique in Kiew mit dem amtierenden Präsidenten nicht sehr zufrieden. Insbesondere Premierminister Arsenij Jazenjuk gilt als vehementer Gegner Poroschenkos, zumal dieser den Hardlinern in Kiew längst schon als zu gemäßigt gilt. Nun soll Jazenjuk mit seinen Komplizen schon daran arbeiten, Poroschenko aus dem Amt zu stürzen.
Poroschenkos Politik wirkte in den letzten Wochen und Monaten etwas schwankend. Einerseits unterstützte er den Kriegskurs der Rechtsregierung, andererseits ließ er immer wieder durchblicken, dass er diesen Krieg gegen die Rebellen im Donbass eigentlich gar nicht will. Ohne diesen Krieg könnte er seine Macht deutlich stärker ausspielen, doch so muss er den Hardlinern das Ruder überlassen. Er, der schon unter Janukowitsch politisch aktiv gewesen ist, war zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident stets das gemäßigte Aushängeschild einer radikalen Regierung. Umso mehr wirkte er stets von den Ereignissen getrieben, wenngleich er durch seine Waffenschmiede durchaus vom Krieg im Donbass profitierte.
Nun zeigt es sich, dass die Demontage Poroschenkos voll im Gange ist: Premierminister Jazenjuk hat offenbar schon eine Informationskampagne gegen den Präsidenten losgetreten, in der kompromittierendes Material gegen ihn gesammelt und veröffentlicht werden soll. Gegenüber dem russischen Portal "ridus.ru" (hier in deutscher Übersetzung) gab der ehemalige Präsidentschaftskandidat Oleg Tsarew ein Interview, in dem er einen Einblick in die ukrainische Innenpolitik gewährt.
So sagte Tsarew über die Differenzen zwischen Poroschenko, Jazenjuk, Turtschinow und Kolomojskij: "Poroschenko befindet sich seit Arsenij Jazenjuk Premier geworden ist, mit ihm und Alexander Turtschinow im Konflikt. Arsenij Petrowitsch hat angefangen, mit diesem Arbeitsfeld aktiv Geld zu verdienen und wollte es nicht teilen.
Petro Poroschenko hat begriffen, dass einer der beiden (Jazenjuk oder Turtschinow) seinen Präsidentensessel besetzen kann. Er tat alles, damit es in der Machtkoalition Jazenjuk nicht gibt. Aber dann kam der Vizepräsident der USA Joe Biden, und bestand auf die große Koalition. Vorher gab es ein Spiel. Jazenjuk wollte seinerseits eine Koalition ohne Poroschenko und Poroschenko wollte seinerseits keine Koalition mit Jazenjuk. Kolomojskij brauchte dringend Einsatzmittel, um sein Geschäft zu verbessern, das sich in einer schwierigen Lage befindet. Und Poroschenko gibt ihm keine Refinanzierung."
Nach Einschätzung Tsarews, der die ukrainische Innenpolitik sehr gut kennt, besitzt Poroschenko im Gegensatz zu seinen Gegenspielern kaum eine politische Hausmacht. Zwar hat sein "Block" bei den Parlamentswahlen gewonnen, doch Abgeordnete allein machen in der Ukraine keine Politik. Schlussendlich entscheiden die Oligarchen darüber, welchen Kurs das Land einschlägt. Doch innerhalb der jetzt regierenden Oligarchenclique besitzt Poroschenko kaum Rückhalt. Deshalb wird er sich auch nicht mehr lange auf dem Posten halten werden können. ..." (Contra-Magazin, 27.1.15)
Die Nationalgarde musste bereits den Präsidenten-Amtssitz schützen: "In Kiew haben mehrere Demonstranten laut Medienberichten versucht, die Administration des ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko zu stürmen. Die Nationalgarde konnte den Angriff vorerst abwehren.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass fordern die Demonstranten die Verhängung des Kriegszustandes, die Entlassung von Verteidigungsminister Stepan Poltorak und anderen Beamten sowie einen Truppenabzug aus Debalzewo, wo den Regierungstruppen eine Einkesselung droht. Die Angaben über die Zahl der Demonstranten sind widersprüchlich. Ein Tass-Korrespondent berichtete von mehreren Hundert Demonstranten, die Nachrichtenagenturen RIA Novosti und Interfax von mehreren Dutzend.
Nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums nehmen rund 50 Menschen an der behördlich genehmigten Kundgebung teil. Sie fordern einen Zugang zum Konferenzsaal des Präsidialamtes, um eine Erklärung zu machen. Ein Vertreter der Präsidentenadministration trat mit den Demonstranten in Verhandlungen. ..." (Sputnik, 3.2.15)
Die Organisatoren des Protestes wurden vom ukrainischen Geheimdienst SBU festgenommen, meldete die Nachrichtenagentur ITAR TASS am 4.2.15.
"Am Freitagnachmittag wird die 51. Münchner Sicherheitskonferenz eröffnet. Die dreitägige Veranstaltung ist auch heuer wieder Treffpunkt zahlreicher hochrangiger politischer Entscheidungsträger. Thematischer Schwerpunkt ist neben der Ukraine-Krise vor allem die Lage im Nahen und Mittleren Osten. Aus Österreich nehmen die Minister Sebastian Kurz (ÖVP) und Gerald Klug (SPÖ) teil.
Zur Eröffnung ergreift am Freitag um 15.00 Uhr zunächst Konferenzleiter Wolfgang Ischinger das Wort, der sich im Vorfeld gewünscht hatte, dass im Ukraine-Konflikt aus München ein "Impuls" ausgehen werde, "der es nicht nötig macht, über Waffenlieferungen weiter nachzudenken, dass man zurückkehrt an den Verhandlungstisch, dass man (die Vereinbarungen von) Minsk umsetzt". Dann werden die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprechen. Im Mittelpunkt des ersten Tages der Sicherheitskonferenz stehen nach Angaben der Veranstalter "Hybrid Warfare", europäische Verteidigungspolitik, Geopolitik im Pazifik und die globale Flüchtlingskrise. ..." (Die Presse online, 6.2.15)
"Neben dem »Chaos im Mittleren und Nahen Osten« (SIKO-Chef Wolfgang Ischinger) gehörte die NATO-Strategie mit Blick auf die Ukraine-Krise und den wiederentdeckten Lieblingsfeind Russland ohnehin zu den Hauptthemen der 51. Auflage der sogenannten Münchener Sicherheitskonferenz, zu der im Hotel »Bayerischer Hof« etwa 20 Staats- und Regierungschefs sowie rund 70 Außen- und Verteidigungsminister erwartet werden. Mit ihren Beschlüssen vom Donnerstag haben die NATO-Verteidigungsminister nun für eine zusätzliche Schärfung der Agenda gesorgt.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verkündete in Brüssel, dass die Allianz angesichts der angespannten Sicherheitslage eine deutliche Verstärkung ihrer Eingreiftruppe für weltweite Einsätze (NRF) plane. Diese sogenannte Speerspitze solle Präsident Wladimir Putin in Moskau demonstrieren, dass die NATO ihre osteuropäischen Mitglieder nicht im Stich lassen werde. ...
Berlin hat der NATO schon für die Testphase rund 2700 Soldaten zugesagt. Zu dem Panzergrenadierbataillon 371 aus Marienberg (Sachsen) und dem Deutsch-Niederländischen Korps aus Münster kämen damit in diesem Jahr rund 1000 weitere Soldaten etwa aus dem Bereich Luftwaffe oder der Marine, wie aus dem NATO-Hauptquartier zu hören ist.
Nicht nur in Moskau stößt dieser Kurs auf Kritik. »Die Bundesregierung drängelt sich in dem Konflikt nach vorn, um in Europa auch militärisch als Großmacht dazustehen«, kommentiert Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Das werde auch den Steuerzahler hierzulande teuer zu stehen kommen. Denn wenn die NATO-Forderungen nach Erhöhung des Militäretats umgesetzt werden, würde das den deutschen Staatshaushalt zusätzlich mit 20 Milliarden Euro belasten. ...
Ist das eher Zündstoff für die zivilgesellschaftlichen Gegenveranstaltungen in München, dürften andere Probleme auch die Konferenzteilnehmer im »Bayerischen Hof« spalten. Etwa die Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine - zumal auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow zu den Diskutanten am Wochenende gehört. Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und USA-Außenminister Joe Biden, die in München ein Dreiertreffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko planen, noch gegen eine Aufrüstung Kiews aussprechen, will ausgerechnet der zeitweilige Ukraine-Vermittler im Auftrag der OSZE und SIKO-Chef Ischinger mit Waffenlieferungen den Druck auf Russland erhöhen." (Neues Deutschland, 6.2.15) "Der russische Außenminister Sergej Lawrow dürfte bei der heute beginnenden Münchner »Sicherheitskonferenz« wenig Freude haben. Erst am Montag abend hatte sich der Leiter der vormaligen »Wehrkundetagung«, Wolfgang Ischinger, im ZDF-»heute journal« für eine direkte militärische Intervention des Westens in den ukrainischen Bürgerkrieg ausgesprochen. Die zur Zeit im US-Establishment diskutierten Pläne, Waffen im Wert von bis zu drei Milliarden US-Dollar an Kiew zu liefern, nannte er »angemessen und wichtig«.
Danach zog der sogenannte Spitzendiplomat eine Parallele zum jugoslawischen Bürgerkrieg der 1990er Jahre: Wie heute die Aufständischen in der Ostukraine hätten seinerzeit »die Serben« auf militärische »Geländegewinne« gesetzt, um die Lage zu ihren Gunsten zu beeinflussen – bis die NATO das »militärische Gleichgewicht« wieder hergestellt habe. Dass dies durch einen mörderischen Bombenkrieg unter Beteiligung der Bundeswehr geschah, focht Ischinger, damals Staatssekretär im Auswärtigen Amt, nicht an: »Manchmal braucht man Druck, um Frieden zu erzwingen.« Auf die daran anknüpfende Frage des ZDF-Journalisten Claus Kleber, ob das in Bezug auf die Ukraine nicht ein »Spiel mit dem Feuer« sei, gab sich sein von deutschen Militärs und Rüstungsindustriellen hoch geschätzter Interviewpartner ganz staatsmännisch: Es gebe nun einmal keinen anderen Weg, als der Ukraine zu helfen, sich vor den »aggressiven Vorstößen der Separatisten zu schützen«, erklärte Ischinger. Dazu gehörten Waffenlieferungen ebenso wie Verhandlungen; das sei die westliche »Arbeitsteilung«. ..." (junge Welt, 6.2.15)
• Sicherheitskonferenz als NATO-Selbstdarstellung
"„Wir werden die Friedensfrage nicht denen überlassen, die glauben machen wollen, die NATO sei ein Friedens- und Menschenrechtsbündnis. Die Münchner Sicherheitskonferenz dient nur der NATO-Selbstdarstellung und wird so zur Unsicherheitskonferenz“, so Alexander S. Neu, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz, an der er selbst teilnehmen wird. Neu weiter: „Zum 51. Mal beginnt heute die Sicherheitskonferenz in München. Deutsche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sponsern diese ‚Privatveranstaltung‘ in diesem Jahr mit rund 1 Millionen Euro. Insgesamt kostet die Veranstaltung rund 1,7 Mio. Euro. Damit wird deutlich, dass dieser Treff von 400 handverlesenen Teilnehmern, von denen 95 Prozent konsequent auf NATO-Kurs sind, mehrheitlich vom Staat und somit vom Steuerzahler finanziert wird und eine wirkliche Debatte über außen- und sicherheitspolitische Probleme jenseits der NATO-Kriegslogik nicht zu erwarten ist. Personen aus der Friedensbewegung sind nicht eingeladen. Deshalb ist die morgige Gegendemonstration, an der ich auch teilnehmen werde, umso wichtiger. Die Friedensbewegung wird gebraucht, gerade in diesen unsicheren Zeiten.“" (Pressemitteilung MdB Alexander Neu, Linksfraktion, 6.2.15)
• Bildt hält Krieg zwischen Russland und dem Westen für denkbar und Putin für den Schuldigen
"... Im Interview warnt der ehemalige schwedische Außenminister Carl Bildt vor Krieg mit unabsehbaren Folgen. ...
Ist ein Krieg zwischen dem Westen und Russland noch undenkbar?
Leider nicht. Wir sollten ihn mit allen Mitteln vermeiden. Aber die Lage ist sehr gefährlich. Der Konflikt hat eine sehr grundsätzliche Natur: Es geht nicht nur um die Zukunft der Ukraine, es geht um die Zukunft Russlands und die Zukunft Europas. Wenn wir es schaffen, die russische Aggression zu stoppen, eine souveräne und demokratische Ukraine zu erhalten, wird dies auch Russland mit der Zeit verändern. Wenn es dem Kreml aber gelingt, die Ukraine zu destabilisieren und es in eine Zone der Konfrontation zu verwandeln, wird das Militarismus und Revisionismus in der russischen Politik stärken. Und dann wird die Aggression auch nicht in der Ukraine enden. Deswegen entscheidet sich dort die Stabilität von Europa.
Ist zu diesem Zeitpunkt noch eine Diplomatie mit Russland möglich?
Irgendwann muss Diplomatie die Lösung bringen. Und es wird ja auf allen Wegen versucht, besonders durch Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Sie versuchen unermüdlich Putin zur Vernunft zu bringen, allerdings nicht gerade mit durchschlagendem Erfolg. Das liegt nicht an mangelndem Einsatz, sondern daran, dass Russland noch nicht bereit für Diplomatie ist. Wir alle hatten Hoffnung gefasst nach dem Minsker Treffen. Die hat sich verflüchtigt. Die härtesten Kämpfe sind derzeit um Debalzewe, wo die Rebellen mit russischen Raketen und Artillerie angreifen. Das ist 13 Kilometer weiter als die Waffenstillstandslinie. Wir reden also über eine Offensive. ..." (FAZ online, 6.2.15)
• Lugansker Aufständische wollen eigene Luftwaffe aufbauen
"... Es mag sich zwar etwas bizarr anhören, dennoch: Nicht nur in militärischen Fachmedien ist zur Zeit die Rede davon, dass die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine versuchen, so etwas wie eine eigene Luftwaffe auf die Beine zu stellen. Das zeigte sich zuletzt etwa an einem auf YouTube veröffentlichten Video, das auf dem Gelände des Luftfahrtmuseums der Stadt Luhansk, also mitten in Rebellenland, aufgenommen wurde: Darauf sind Separatisten, darunter angeblich Ingenieure und Piloten, zu sehen, die offenbar versuchen, Flugzeuge des Museums instandzusetzen und flugtauglich zu machen.
Besonders weit scheint man damit zwar noch nicht gekommen zu sein: Auf dem tief winterlichen und verschneiten Gelände sind Dutzende Flugzeuge und Hubschrauber zu sehen, aber keines davon im Fluge. Längere Zeit wird angesichts eines Erdkampfflugzeugs vom Typ Suchoi Su-25 "Frogfoot" verharrt, das mit den Hoheitsabzeichen des abtrünnigen Staates "Neurussland" versehen ist und Startbehälter für ungelenkte Luft-Boden-Raketen an den Tragflächenunterseiten trägt.
Tatsächlich in Bewegung sieht man aber nur eine Aero L-29 "Delfin" (Nato-Code: "Maya"), ein leichtes, zweisitziges Trainingsflugzeug tschechischer Provenienz, das als bestenfalls leichtes Erdkampfflugzeug nur minimale 200 Kilogramm Waffenlast mitführen kann. Die Turbine der Delfin wird angeworfen, dann fahren seine zwei Insassen mit dem Jet, der auch zwei kleine Bomben unter den Flügeln trägt, ein wenig auf einer Piste und zwischen parkenden Fluggeräten herum. ..." (Die Presse online, 6.2.15)
• Zweifel, ob Merkel bei Obama Gehör findet
"Angela Merkel hält nichts von dramatischen Auftritten in der Weltpolitik, aber diesmal blieb der Bundeskanzlerin offenkundig keine bessere Wahl. Die Ukraine-Krise hat sich in den vergangenen Tagen auf allen Ebenen derart rasant verschärft, dass sich Merkel kurzfristig zur Intervention auf höchster Ebene entschloss. Am Freitag will sie gemeinsam mit dem französischen Präsidenten François Hollande nach Moskau zu Präsident Wladimir Putin reisen; bereits am Donnerstag flog das deutsch-französische Krisenduo nach Kiew. Es ist ein Versuch, die militärische und politische Eskalation zu stoppen, die angesichts der Schlacht im Donbass droht. ...
Außenminister Frank-Walter Steinmeier, eigentlich auch kein Mann dramatischer Worte, fürchtet schon einen "völligen Kontrollverlust". Wenn es jetzt nicht gelinge, den Konflikt einzudämmen, drohe er jeder politischen Steuerung zu entgleiten, warnte Steinmeier bei einem Besuch in Warschau.
Zu dieser Einschätzung beigetragen haben die Überlegungen in Washington, die Ukraine mit Militärgerät auszurüsten. Bei den Europäern hat dies Alarm ausgelöst, ungeachtet der Beteuerungen der Regierung in Washington, man werde solchen Schritte nicht ohne Rücksprache mit den Verbündeten unternehmen. Der designierte US-Verteidigungsminister Ashton Carter sprach sich kürzlich allerdings dafür aus. Mehrere US-Senatoren sowohl von der republikanischen als auch von der demokratischen Partei drängten Obama am Donnerstag erneut dazu, die Ukraine mit Waffen zu beliefern.
Ein Rüstungswettlauf in der Ostukraine, so die deutsche Einschätzung, wäre für den Westen nicht zu gewinnen, könnte aber alle Wege zu einer Verständigung mit Moskau auf absehbare Zeit zusperren – von der Gefahr eines Stellvertreterkriegs der Großmächte ganz zu schweigen.
Ob Merkel diese Sicht dem US-Präsidenten Barack Obama bei ihrem anstehenden Kurzbesuch in Washington vermitteln kann, ist nicht sicher. Die Kanzlerin dürfte sich noch gut erinnern, auf wie wenig Verständnis sie im Jahr 2008 bei den Amerikanern traf, als sie beim Nato-Gipfel in Bukarest die Aufnahme der Ukraine in das Bündnis blockierte – übrigens ebenfalls gemeinsam mit Frankreich.
Zugleich registrieren die Europäer mit Sorge, dass die amerikanischen Erwägungen in Kiew die Hoffnung nähren, eben doch militärisch wieder in Vorderhand zu kommen, nachdem die Regierungstruppen in den vergangenen Wochen unter massivem Druck zurückweichen mussten. ...
Poroschenko drohte, er werde im ganzen Land das Kriegsrecht verhängen, wenn die Kämpfe nicht abflauten. Im Parlament, der Werchowna Rada in Kiew, ist die Stimmung mehrheitlich für US-Waffenlieferungen und gegen weitere Versuche, die Minsker Waffenstillstandbemühungen wiederzubeleben. Die Parlamentarier begannen ihre Sitzung am Donnerstag mit einer Schweigeminute für die Opfer in der Ostukraine. ..." (Der Tagesspiegel online, 6.2.15)
• Anhaltende Kämpfe und Opfer - Parlament will hartes Vorgehen gegen Deserteure
"Die Kämpfe in der Ostukraine wurden Donnerstag fortgesetzt. Einwohner des Donbass starben oder wurden in die Flucht getrieben. ...
In Donezk mussten bei Artillerieangriffen erneut mindestens acht Menschen sterben. Mehr als 30 Zivilisten seien verletzt worden, teilte die Stadtverwaltung mit. Bei Gefechten seien fünf Soldaten getötet und 29 verletzt worden, teilte das Militär mit.
Aus Debalzewo bei Donezk wurden nach Darstellung der Separatisten etwa 1100 Menschen in Sicherheit gebracht. Nach Angaben von Regierungschef Arseni Jazenjuk halfen die Behörden zudem 2500 Menschen bei der Flucht. Medien zufolge sollen sich in Debalzewo noch bis 7000 Menschen aufhalten - ohne Wasser, Strom und Heizung.
Über die Rettung dreier Menschen aus den Trümmern ihres Hauses berichteten örtliche Medien. Vier Tage hatten in Debalzewo zwei ältere Menschen und ein Mädchen ohne Nahrung und Wasser in der Kälte überlebt, bevor sie von Milizionären geborgen wurden.
Insgesamt verzeichnete der Sprecher der »Anti-Terror-Operation«, Andrej Lyssenko, ein Nachlassen der Angriffe der Aufständischen, wie »Interfax-Ukraina« verbreitete. Es sei aber noch nicht wieder der während der vorherigen Waffenruhe herrschende Zustand erreicht. Den Grund für das Abflauen der Angriffe sah er darin, dass »unsere Kräfte dem Gegner ernste Schläge versetzt und ihm große Verluste zugefügt haben«. Seit Mittwoch seien 190 gegnerische Kämpfer »vernichtet« worden.
Die »Werchowna Rada« in Kiew verabschiedete am gleichen Tage ein Gesetz über verschärfte Mittel gegen Disziplinarverstöße in den Streitkräften. Kommandeuren wird darin der Einsatz von Waffengewalt gegen Unterstellte ausdrücklich gestattet. Befehlsverweigerung, unerlaubte Entfernung von der Truppe und Desertionen gehören zunehmend zum Alltag in der Armee. ..." (Neues Deutschland, 6.2.15)
• NATO doppelgleisig
"Erst aufrüsten, dann beschwichtigen: Am Donnerstag vormittag besiegelten die NATO-Verteidigungsminister formell die im Herbst 2014 beschlossene Ostverlagerung und Aufstockung der gegen Russland gerichteten schnellen Eingreiftruppe des Militärpaktes. Am Mittag teilten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande mit, dass sie auf Krisendiplomatie setzen und in Kiew und Moskau Gesprächen führen wollen.
Bei der Vergrößerung der NATO-Eingreifruppe bleibt es aber. Sie soll statt 13.000 nun 30.000 Soldaten umfassen, wovon 5.000 bis 7.000 eine sogenannte Speerspitze bilden sollen. Sie soll ab 2016 einsatzfähig sein und innerhalb von zwei bis drei Tagen in Konfliktregionen geschickt werden können. In diesem Jahr wird das neue Konzept getestet. Deutschland spielt dabei eine Führungsrolle: In der Testversion stellt die Bundeswehr 2.000 der 5.000 Soldaten – auch an der »Ostfront«. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verwies jedenfalls darauf, dass die geplanten sechs neuen Stützpunkte in den östlichen NATO-Ländern auch mit deutschen Soldaten besetzt werden sollen. ...
Die Ge- und Entschlossenheit war bereits in der Brüsseler Runde nicht ganz komplett. Denn die 28 Verteidigungsminister konnten sich nicht darüber einigen, ob einzelne NATO-Mitglieder den Streitkräften der Kiewer Regierung Waffen zur Verfügung stellen sollten. Von der Leyen bezeichnete dies als falschen Weg. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel vermied hingegen eine eindeutige Aussage und erklärte: »Welche Hilfe wir (...) der Ukraine liefern, muss ständig überprüft werden.« ...
Hintergrund der plötzlichen Verhandlungsbereitschaft ist offenbar die desolate Situation der Streitkräfte Kiews bei ihrem Krieg in der Ostukraine. Nach Medienberichten haben die bewaffneten Widerstandskräfte gegen die »Antiterroristische Operation«, wie Kiew den Einsatz von Kampfflugzeugen, Panzern und schwerer Artillerie gegen Wohngebiete nennt, das Territorium der international nicht anerkannten Volksrepublik Luhansk und Donezk seit Sommer 2014 um etwa 50 Prozent erweitert. ..." (junge Welt, 6.2.15)
• Washington gegen Moskau – bis zum letzten Ukrainer?
"Von 13.000 auf 30.000 Soldaten will die NATO ihre gegen Russland gerichtete schnelle Eingreiftruppe aufstocken. Dazu soll in den von hysterischem Russenhass besessenen baltischen Staaten und in Polen schweres Gerät wie Panzer und Artilleriegeschütze auf permanenten Basen bereitgestellt werden. Im Krisenfall müssen nur noch die Bedienungsmannschaften aus Deutschland, USA und anderen Bündnisstaaten einfliegen. Die neue Truppe der Angriffsallianz wurde auf Drängen der osteuropäischen »Eliten« von Washington nur zu gern durchgesetzt. Einerseits schafft das für Moskau zusätzlichen Druck, andererseits bindet es die Osteuropäer noch stärker an die USA. ...
Vielen brennt die Frage unter den Nägeln, ob der Westen dank des jüngsten NATO-Beschlusses ein Stück näher an den Abgrund eines großen Krieges gerückt ist. Das ist durchaus so, wenn z. B. irgendwo falsch kalkuliert wird, aber es gibt keinen Grund zur Panik. Aus wohlverstandenem Eigeninteresse haben die USA absolut keinen Bedarf an einer direkten bewaffneten Auseinandersetzung mit Russland. ...
Vor diesem Hintergrund ist ein permanenter Kleinkrieg in der Ostukraine, der nach Belieben geschürt werden kann, viel billiger und von weitaus größerem Nutzen für die Durchsetzung von Washingtons Interessen in Europa. Die sind: Berlins Führungsanspruch in der EU untergraben, die US-Hegemonie in Europa stärken, einen Keil zwischen Russland und EU treiben und Russland in die Knie zwingen. Dafür wird Washington notfalls bis zum letzten Ukrainer kämpfen. ..." (Rainer Rupp in junge Welt, 6.2.15, S. 8)
• Widersprüchliche Interessen
Die Tageszeitung junge Welt hat am 6.2.15 den zweiten Teil einer zweiteiligen Analyse von Sönke Hundt, emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bremen, über den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Politik im neuen antirussischen Kurs des Westens veröffentlicht:
"Nach anfänglich deutlicher Kritik an der jüngsten Russlandpolitik der BRD fügten sich deutsche Unternehmen und ihnen nahestehende Medien. Die US-Märkte waren wichtiger. Diesen Sinneswandel zeichnete der Autor im gestern erschienenen ersten Teil anhand von Beiträgen der Wirtschaftspresse nach. Das war der gewissermaßen empirische Teil. Heute ein wenig Theorie. (jW)
Zwischen den USA und den europäischen Ländern ist es bei der Verhängung von Sanktionen gegen Russland immer wieder zu Differenzen gekommen. So setzten Washington und Brüssel teils unterschiedliche »Strafmaßnahmen« durch. Beide einigten sich aber auch auf Kompromisse. Aber selbst ohne ein solches Vorgehen von seiten der Europäischen Kommission oder der Regierungen einzelner Länder wie Frankreich oder Deutschland mussten europäische Unternehmen fürchten, ebenfalls zur Befolgung der US-Boykottregeln gezwungen zu werden. ...
Obwohl die USA eine hegemoniale Position in der Welt innehaben und sie mit allen Mitteln verteidigen, sind sie weit davon entfernt, deren Behauptung strategisch planen oder gar steuern zu können. Denn der ökonomische Weltenlauf ist immer krisenhaft. Erschütterungen von Staaten und Währungen treten unvorhergesehen auf. Dabei bleibt das Ziel der Vereinigten Staaten unverrückbar: der Erhalt ihrer Währung als Weltgeld. Büßte der Dollar diesen Status ein, hätte das unübersehbare Folgen. Der Verlust hätte »das Potential, die Hegemonialordnung zu verändern, die politische Gemengelage der Welt durcheinanderzubringen. Das wäre nicht mehr Begleitmusik, sondern der Paukenschlag, der ein neues Zeitalter ankündigt«, schreibt Altvater in dem erwähnten Buch von 2010. Der Niedergang der US-Hegemonie ist zwar wiederholt vorausgesagt worden, »doch die Nation, die den Staffelstab im globalen Rennen um die Weltwährung und die Hegemonie übernehmen könnte, ist nicht in Sicht. China? Die EU? Oder bleibt er in den USA? Alles wäre möglich, und nichts ist sicher.« ...
Die ökonomischen Interessen der deutschen und europäischen »Wirtschaft« sind deshalb also widersprüchlich: Einerseits sind ihre Unternehmen weiterhin interessiert an guten Geschäften mit Russland und wünschen einen Abbau von politischen Spannungen, weil sie davon profitierten. Andererseits haben die Eigentümer volle Sympathie dafür, wenn die USA mit allen Mitteln die Hegemonie ihrer Währung sichern. Denn die Kapitalisten aller Länder brauchen den US-Dollar und profitieren von seiner Eigenschaft als Weltgeld, das ihnen, bis jetzt jedenfalls, am besten die globale Vermehrung ihres Kapitals garantiert."
• Bundesregierung dementiert angebliche Zugeständnisse an Aufständische
"Der Vorstoß von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande für Frieden in der Ukraine setzt einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Freitagausgabe) zufolge auf Zugeständnisse an die Separatisten. Kern sei, ein unmittelbarer Waffenstillstand sowie eine weitreichende Autonomie für die Separatisten in einem Gebiet, das größer als bisher verabredet sei. Ein klares Dementi kommt jedoch von Seiten der deutschen Regierung: "Dieser Bericht ist falsch", sagte ein Regierungssprecher am Donnerstag in Berlin der Deutschen Presse-Agentur.
Quellen hatte die SZ nicht genannt. Der Zeitung zufolge ist der neue Plan bereits seit Tagen von hohen Beamten der beteiligten Regierungen vorbereitet worden. Ukraines Präsident Petro Poroschenko wolle man klarmachen, dass die letzte Chance gekommen sei, die Ukraine vor einer dramatischen militärischen Niederlage und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu retten. ..." (Die Presse online, 5.2.15)
Der erwähnte Beitrag der Süddeutschen Zeitung "Neuer Friedensplan für die Ukraine" wird noch in Suchmaschinen angegeben, aber unter dem Link dazu erscheint inzwischen: "Server Fehler 404 Dokument nicht gefunden"
Hier ist der Text noch online zu lesen.
Bei Bild.de ist dazu Folgendes zu lesen: "... Welchen Friedensplan haben Merkel und Hollande im Gepäck?
Der Vorschlag (intern Minsk 2 genannt) sieht vor: Sofortige Waffenruhe, Rückzug schwerer Waffen, Austausch der Gefangenen. Außerdem: Eine Verfassungsreform in der Ukraine (mehr Rechte für die Regionen) und weitreichende Autonomie für die russischsprachigen Gebiete im Osten des Landes. ..."
• Die gewollte Destabilisierung der Ukraine
"... Die Absicht kann klar benannt werden: Destabilisierung durch gelenkte Unsicherheit!
Das Hüh und Hott, Ja und Nein, Rauf und Runter, sollte als zentraler und gezielter Part der gesamten Strategie im Ukraine-Konflikt erfasst werden! Die Unsicherheit ist eben nicht ein bedauernswerter Teil von sogenannt schlechtem politischem Handwerk, sondern die eigentliche und innerste Absicht in der bündnispartnerschaftlichen Setzung der Ukraine! Ob alle in der EU und im Bündnis wissen, worum es in der Tiefe der Sache eigentlich geht, sei dahingestellt. Wenn sie es nicht wissen, dann sind sie umso willfährigere Puppen in den Händen derer, die eben Strategien über Jahrzehnte anzulegen und ihre Durchführung abzusichern wissen. Stichwort: 'The Grand Chessboard'.
Daher ist im Ukraine-Konflikt nicht damit zu rechnen, dass er bald beendet werden kann. Denn dann hätte er seine innere strategische Funktion verfehlt. Darauf ist der Konflikt nicht angelegt. Auch nicht darauf, was man den Menschen in der Ukraine erzählt hat und noch erzählt von Freiheit und Wohlstand ...
Ziemlich schnell kam alles an Sehnsucht und Freiheitsdrang ins strategische Fahrwasser der ökonomischen Neuordnung durch den Westen. Natürlich, den eigentlichen Interessen entsprechend, mit Einbindung in das westliche Verteidigungsbündnis. Und das, obwohl man seit Jahren wusste, dass einer solchen West-Eingliederung der Ukraine ein eindeutig definiertes und unüberhörbares "Nein" Russlands gegenüberstand.
Was hat also den Westen, hier namentlich die USA, dazu gebracht, die Ukraine durch Überhören des russischen Vetos in eine Ja-oder-Nein-Position gegenüber der EU zu bringen? Entweder Beziehungen zur EU oder (!) Beziehungen zu Russland? Warum war die Option Westen immer mit dem Junktim der Trennung von Russland verbunden (obendrein noch mit der Freilassung von Julia Timoschenko)? Wusste man nicht, was das letztendlich für Folgen haben muss? Wusste man nicht in welche Zerreißprobe man die Ukraine damit bringt? Doch! Das wusste man! Jedenfalls dort, wo man nicht so agiert wie durch einen Präsidenten-Darsteller ... öffentlich inszeniert wird.
Nein, man wusste entweder exakt und genau, dass diese Zerreißprobe die Ukraine tatsächlich zerreißen wird ... Für so dumm sind jedenfalls die amerikanischen Eroberungs-und Unterwerfungs-Think-Tanks und ihre Statthalter in der Politik nicht zu halten. Auch nicht für so dumm, dass sie nicht von vorne herein wussten, oder zumindest sehr damit rechnen mussten, dass die Krim nicht glatt laufen wird. Wenn sie die Krim über die Ukraine noch unter ihren Einflussbereich kriegen sollten – gut. Wenn nicht – auch gut, da sie als langfristiger Zankapfel und Konfliktherd bestens geeignet ist.
Das ganze Ukraine-Desaster ist im inneren Kern funktional-destabilisierend angelegt: Zum Einen wird ein stets handhabbarer Konflikt an die Westgrenze Russlands gelegt und zum Anderen der Konkurrent (insbesondere: Währungskonkurrent) EU in das kapitalverzehrende Krisenmanagement eingebunden und so im Weltmarkt ausgebootet. ..." (Wilfried Michalski in Contra-Magazin, 5.2.15)
• Kämpfe um Debalzewo und Beschuss von Donezk halten an
"Die
nordöstlich von Donezk gelegenen Stadt Uglegorsk liegt im Zentrum der
Kämpfe in der Ost-Ukraine. Inzwischen sollen Soldaten der
"Volksrepublik" Donezk (DNR) die Stadt eingenommen haben. Ein am
Dienstag aufgenommenes Video
der Aufständischen soll beweisen, dass die DNR-Soldaten bei einem
Rundgang durch Teile der Stadt auf keinen nennenswerten Wiederstand
treffen. Am Dienstag gingen die Aufständischen durch die Keller der
Wohnhäuser und boten den Menschen, die dort Zuflucht gesucht hatten, die
Evakuierung an.
"Wir essen Brot und alle drei Tage versuchen wir eine Suppe oder einen Brei zu kochen, damit es etwas Warmes gibt, das Kind hat sich erkältet, wir haben keine Medikamente", erzählt die Anwohnerin Alena dem Korrespondenten des Moskauer Kommersant. "Gas, Wasser und Strom gibt es nicht. Für die Toilette müsse wir Wasser aus einer Pfütze holen."
In den Kellern von Uglegorsk leben seit neun Tagen vor allem alte Menschen, die keine Verwandten mehr haben, und auch viele Frauen und sogar Kinder. Nach der Aufforderung durch die DNR-Soldaten stellten sich 600 Menschen in langen Schlangen an und wurde mit Kamas-Lastwagen und Mini-Bussen nach Gorlowka gefahren. Die Stadt liegt außerhalb des direkten Kampfgebietes, ist aber auch immer wieder vom Beschuss der ukrainischen Artillerie betroffen.
Die Städte Debalzewo und Uglegorsk (ukrainisch Wuhlehirsk) liegen in dem Gebiet, in dem die Kämpfer der Donezk-Armee einen Kessel schließen wollen. Falls die Schließung des Kessels gelingt, wären dort acht- bis zehntausend ukrainische Soldaten eingeschlossen.
Die Aufständischen sind seit zwei Wochen in der Offensive. Sie konnten an der Nord-Front der DNR Gelände gewinnen. Die Ausweitung des Territoriums sei nötig, um die großen Städten, wie Donezk, Gorlovka und Lugansk aus der Schussweite der ukrainischen Artillerie zu bringen, argumentieren die Vertreter der "Volksrepubliken".
Die Kampfmoral der ukrainischen Soldaten im Gebiet Debalzewo ist offenbar nicht immer die beste. Wie der ukrainische Fernsehkanal 1+1 am Montag berichtete, wurde der Kommandeur des Bataillons "Kiewer Rus", Jewgeni Tkatschuk, wegen Nichtausführung eines Befehls in Charkow verhaftet. Ein Gericht verhängte eine Haftstrafe. Tkatschuk soll 55 ukrainische Soldaten aus dem Gebiet Debalzewo herausgeführt haben. ...
Die erneute taktische Unfähigkeit der ukrainischen Militärführung hat zu heftiger Kritik in der Armee geführt. Es gibt sogar Spekulationen, die ukrainische Führung wolle mit einer erneuten Niederlage Waffenlieferungen durch die USA provozieren. ...
Die Stadt Donezk lag am Mittwoch unter heftigem Beschuss durch die ukrainische Artillerie. Beschossen wurden vor allem der Kirow-Bezirk und der Rayon Tekstiltschik. Wie das Außenministerium der Donezk-"Republik" mitteilte, trafen Geschosse die Poliklinik Nr. 27, die Schule Nr. 22, einen Kindergarten, einige Wohnhäuser sowie Versorgungseinrichtungen. Beim Beschuss der Poliklinik sollen fünf Menschen umgekommen sein. Das DNR-Außenministerium forderte, "die Verantwortlichen für diese Tragödie auf internationaler Ebene zur Verantwortung zu ziehen".
Trotz der Verwüstungen in der Stadt gibt es noch Krankenhäuser, die arbeiten. Gram Phillips, ein britischer Reporter, der auch für Russia Today arbeitet, hat Frauen in einem Krankenhaus von Donezk besucht , die Ende Januar von Geschossen an den Beinen und am Becken verletzt wurden. Eine Frau wurde bei der Arbeit in einem Büro, eine andere auf der Straße und eine dritte in einem Trolleybus von Geschoss-Splittern getroffen." (Telepolis, 5.2.15)
"Wir essen Brot und alle drei Tage versuchen wir eine Suppe oder einen Brei zu kochen, damit es etwas Warmes gibt, das Kind hat sich erkältet, wir haben keine Medikamente", erzählt die Anwohnerin Alena dem Korrespondenten des Moskauer Kommersant. "Gas, Wasser und Strom gibt es nicht. Für die Toilette müsse wir Wasser aus einer Pfütze holen."
In den Kellern von Uglegorsk leben seit neun Tagen vor allem alte Menschen, die keine Verwandten mehr haben, und auch viele Frauen und sogar Kinder. Nach der Aufforderung durch die DNR-Soldaten stellten sich 600 Menschen in langen Schlangen an und wurde mit Kamas-Lastwagen und Mini-Bussen nach Gorlowka gefahren. Die Stadt liegt außerhalb des direkten Kampfgebietes, ist aber auch immer wieder vom Beschuss der ukrainischen Artillerie betroffen.
Die Städte Debalzewo und Uglegorsk (ukrainisch Wuhlehirsk) liegen in dem Gebiet, in dem die Kämpfer der Donezk-Armee einen Kessel schließen wollen. Falls die Schließung des Kessels gelingt, wären dort acht- bis zehntausend ukrainische Soldaten eingeschlossen.
Die Aufständischen sind seit zwei Wochen in der Offensive. Sie konnten an der Nord-Front der DNR Gelände gewinnen. Die Ausweitung des Territoriums sei nötig, um die großen Städten, wie Donezk, Gorlovka und Lugansk aus der Schussweite der ukrainischen Artillerie zu bringen, argumentieren die Vertreter der "Volksrepubliken".
Die Kampfmoral der ukrainischen Soldaten im Gebiet Debalzewo ist offenbar nicht immer die beste. Wie der ukrainische Fernsehkanal 1+1 am Montag berichtete, wurde der Kommandeur des Bataillons "Kiewer Rus", Jewgeni Tkatschuk, wegen Nichtausführung eines Befehls in Charkow verhaftet. Ein Gericht verhängte eine Haftstrafe. Tkatschuk soll 55 ukrainische Soldaten aus dem Gebiet Debalzewo herausgeführt haben. ...
Die erneute taktische Unfähigkeit der ukrainischen Militärführung hat zu heftiger Kritik in der Armee geführt. Es gibt sogar Spekulationen, die ukrainische Führung wolle mit einer erneuten Niederlage Waffenlieferungen durch die USA provozieren. ...
Die Stadt Donezk lag am Mittwoch unter heftigem Beschuss durch die ukrainische Artillerie. Beschossen wurden vor allem der Kirow-Bezirk und der Rayon Tekstiltschik. Wie das Außenministerium der Donezk-"Republik" mitteilte, trafen Geschosse die Poliklinik Nr. 27, die Schule Nr. 22, einen Kindergarten, einige Wohnhäuser sowie Versorgungseinrichtungen. Beim Beschuss der Poliklinik sollen fünf Menschen umgekommen sein. Das DNR-Außenministerium forderte, "die Verantwortlichen für diese Tragödie auf internationaler Ebene zur Verantwortung zu ziehen".
Trotz der Verwüstungen in der Stadt gibt es noch Krankenhäuser, die arbeiten. Gram Phillips, ein britischer Reporter, der auch für Russia Today arbeitet, hat Frauen in einem Krankenhaus von Donezk besucht , die Ende Januar von Geschossen an den Beinen und am Becken verletzt wurden. Eine Frau wurde bei der Arbeit in einem Büro, eine andere auf der Straße und eine dritte in einem Trolleybus von Geschoss-Splittern getroffen." (Telepolis, 5.2.15)
"... Europa und Amerika haben gegenüber Moskau bislang auf Wirtschaftssanktionen gesetzt, statt Panzer an der Nato-Grenze aufrollen zu lassen. Ist das die falsche Strategie?
Nein. Aber es wäre eine Illusion zu glauben, dass Wirtschaftssanktionen kurzfristig zum Erfolg führen. Das dauert länger.
Diese Woche wurden Überlegungen Washingtons öffentlich, Kiew Waffen zu liefern. Im Kreml dürfte das so aufgenommen werden, als ob der Westen Russland in die Knie zwingen wolle. Was halten Sie von diesen Überlegungen?
Wer eine doppelte Nulllösung will – also keine Waffenlieferungen von Russland und dem Westen -, der wird kaum eine Chance haben, wenn er mit leeren Händen an den Verhandlungstisch tritt. Deshalb ist die Debatte über ein Pro und Kontra von Waffenlieferungen angesichts der Weigerung der Separatisten, auf der Basis des Minsker Protokolls zu verhandeln, nicht falsch. Ich gehe aber davon aus, dass in Russland derzeit intensiv debattiert wird, ob die derzeitige Ukraine-Politik russischen Interessen langfristig nützt oder schadet." (FAZ online, 5.2.15)
• Biden: Keine militärische Lösung, aber "russische Aggression"
"US-Vizepräsident Joe Biden hat eine Waffenlieferung an die Ukraine so gut wie ausgeschlossen und mit heftigen Vorwürfen an Russland die Verantwortung von Präsident Wladimir Putin in das Zentrum der Debatte geschoben. "Wir haben von Beginn an gesagt, dass es für diese Krise keine militärische Lösung gibt", sagte Biden in einem schriftlich geführten Interview mit der Süddeutschen Zeitung und deren Partnerblättern der Europa-Kooperation.
"Wir haben kein Interesse an einer militärischen Eskalation und dringen darauf, dass das Gegenteil eintritt." Russland warf er vor, ausschließlich eine militärische Lösung anzustreben.
Biden beendete damit eine Diskussion, die Washington für einige Tage beschäftigt hatte. Allerdings sprach der Vizepräsident der Ukraine jedes Recht zu, sich zu verteidigen. Auch stellten die USA weiter "Hilfe im Sicherheitsbereich" zur Verfügung - gemeint sind damit etwa Nachtsichtgeräte oder Ausrüstungsgegenstände, die bereits seit einiger Zeit geliefert werden.
Biden erhob in dem Interview schwerste Vorwürfe gegen Russland, sprach von "russischer Aggression" und prangerte den Unwillen Moskaus zu einem Waffenstillstand an. "Russland verletzt die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine", sagte er, "von Beginn an wurde dieser Konflikt durch die russische Aggression verursacht."
Viele der Separatisten würden in Russland rekrutiert, von Russland bezahlt und ausgerüstet. "Darüber hinaus sind russische Kampftruppen mit russischen Waffen und russischen Panzern über die Grenze vorgestoßen."
Biden kündigte die Bereitschaft seines Landes an, "den Preis für Russlands aggressives Verhalten" zu erhöhen. "Auf dem Spiel steht nicht weniger als Europas Sicherheit." ..." (Süddeutsche.de, 4.2.15)
• Kerry nur mit Trostpflaster für Kiew?
"Unterstützung für die Ukraine soll der Besuch von US-Außenminister John Kerry am Donnerstag in Kiew signalisieren. Doch wie weit geht diese Unterstützung, und schließt sie auch Waffenlieferungen ein? Kerry steht nach der Landung am Flughafen Borispol ein langer Tag voller Termine bevor. So unterschiedlich seine Gesprächspartner – Präsident Petro Poroschenko, Außenminister Pawlo Klimkin, Premier Arsenij Jazenjuk –, so eindeutig wird ihre Position zu einem Thema sein: Waffen für die Ukraine.
Militärische Unterstützung ist das Thema Nummer eins für Kiew. Und Kiew macht Druck. Am Dienstag hatte Präsident Poroschenko bei einem Besuch im nordöstlichen Charkiw erklärt, es bestehe „kein Zweifel“ an künftigen US-Waffenlieferungen – trotz des offiziellen Dementis aus dem Weißen Haus. „Der Ukraine muss geholfen werden“, sagt ein ukrainischer Diplomat zur „Presse“. „Alle verstehen den Ernst der Lage.“ Er gehe davon aus, dass das letzte Wort in der Sache „noch nicht gesprochen“ sei. ...
In den USA mehren sich indes Stimmen, die Waffenlieferungen fordern. Am Dienstag appellierten 15 Senatoren beider Parteien an Präsident Barack Obama, panzerbrechende Waffen, Geländewagen und Radaranlagen bereitzustellen. „Leider werden Sanktionen allein Putin nicht abschrecken. Die Ukraine braucht eine unmittelbare Zufuhr wirksamer defensiver Militärausrüstung“, heißt es in dem Brief. Der designierte Verteidigungsminister Ashton Carter sagte am Mittwoch bei seiner Anhörung im Senat, er neige Waffenlieferungen zu. ...
Doch in Kiew gibt es Kräfte, die eine schnellere Entscheidung herbeiführen wollen – und in den Washingtoner Interventions-Befürwortern die besseren Verbündeten sehen als in den Brüsseler Bürokraten. „Der Glaube ist: Die Amerikaner können helfen, ohne monatelange Konsultationen in Brüssel“, sagt ein europäischer Experte in Kiew. Insbesondere Premier Arsenij Jazenjuk und seine Partei Volksfront befürworten eine militärische Lösung des Konflikts. Während Präsident Petro Poroschenko angesichts der Eskalation – in Donezk starben gestern bis zu zehn Menschen beim Beschuss eines Spitals, aus der belagerten Stadt Debaltsewo müssen Zivilisten evakuiert werden – demonstrativ für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen eintritt, wünscht sich Jazenjuk eine härtere Gangart. ...
Kerry hat indes auch eine Boschaft für Kiew. Er wird die Regierung zur Umsetzung ihres Reformprogramms ermahnen, das angesichts des Krieges nicht vorwärtskommt. Der US-Botschafter in der Ukraine, Jeffrey Payette, warnte Poroschenko und Jazenjuk unlängst in einem Interview mit der Wochenzeitung „Zerkalo Nedeli“, sich nicht wie ihre Amtsvorgänger, Julia Timoschenko und Viktor Juschtschenko, in fatale Machtkämpfe zu verstricken. Die Umsetzung von Reformen in den Bereichen Wirtschaft, Energie und Anti-Korruption sei für das Land eine „Überlebensfrage“." (Die Presse online, 4.2.15)
• Komplott in Kiew gegen Poroschenko?
"Offenbar ist die neue regierende Clique in Kiew mit dem amtierenden Präsidenten nicht sehr zufrieden. Insbesondere Premierminister Arsenij Jazenjuk gilt als vehementer Gegner Poroschenkos, zumal dieser den Hardlinern in Kiew längst schon als zu gemäßigt gilt. Nun soll Jazenjuk mit seinen Komplizen schon daran arbeiten, Poroschenko aus dem Amt zu stürzen.
Poroschenkos Politik wirkte in den letzten Wochen und Monaten etwas schwankend. Einerseits unterstützte er den Kriegskurs der Rechtsregierung, andererseits ließ er immer wieder durchblicken, dass er diesen Krieg gegen die Rebellen im Donbass eigentlich gar nicht will. Ohne diesen Krieg könnte er seine Macht deutlich stärker ausspielen, doch so muss er den Hardlinern das Ruder überlassen. Er, der schon unter Janukowitsch politisch aktiv gewesen ist, war zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident stets das gemäßigte Aushängeschild einer radikalen Regierung. Umso mehr wirkte er stets von den Ereignissen getrieben, wenngleich er durch seine Waffenschmiede durchaus vom Krieg im Donbass profitierte.
Nun zeigt es sich, dass die Demontage Poroschenkos voll im Gange ist: Premierminister Jazenjuk hat offenbar schon eine Informationskampagne gegen den Präsidenten losgetreten, in der kompromittierendes Material gegen ihn gesammelt und veröffentlicht werden soll. Gegenüber dem russischen Portal "ridus.ru" (hier in deutscher Übersetzung) gab der ehemalige Präsidentschaftskandidat Oleg Tsarew ein Interview, in dem er einen Einblick in die ukrainische Innenpolitik gewährt.
So sagte Tsarew über die Differenzen zwischen Poroschenko, Jazenjuk, Turtschinow und Kolomojskij: "Poroschenko befindet sich seit Arsenij Jazenjuk Premier geworden ist, mit ihm und Alexander Turtschinow im Konflikt. Arsenij Petrowitsch hat angefangen, mit diesem Arbeitsfeld aktiv Geld zu verdienen und wollte es nicht teilen.
Petro Poroschenko hat begriffen, dass einer der beiden (Jazenjuk oder Turtschinow) seinen Präsidentensessel besetzen kann. Er tat alles, damit es in der Machtkoalition Jazenjuk nicht gibt. Aber dann kam der Vizepräsident der USA Joe Biden, und bestand auf die große Koalition. Vorher gab es ein Spiel. Jazenjuk wollte seinerseits eine Koalition ohne Poroschenko und Poroschenko wollte seinerseits keine Koalition mit Jazenjuk. Kolomojskij brauchte dringend Einsatzmittel, um sein Geschäft zu verbessern, das sich in einer schwierigen Lage befindet. Und Poroschenko gibt ihm keine Refinanzierung."
Nach Einschätzung Tsarews, der die ukrainische Innenpolitik sehr gut kennt, besitzt Poroschenko im Gegensatz zu seinen Gegenspielern kaum eine politische Hausmacht. Zwar hat sein "Block" bei den Parlamentswahlen gewonnen, doch Abgeordnete allein machen in der Ukraine keine Politik. Schlussendlich entscheiden die Oligarchen darüber, welchen Kurs das Land einschlägt. Doch innerhalb der jetzt regierenden Oligarchenclique besitzt Poroschenko kaum Rückhalt. Deshalb wird er sich auch nicht mehr lange auf dem Posten halten werden können. ..." (Contra-Magazin, 27.1.15)
Die Nationalgarde musste bereits den Präsidenten-Amtssitz schützen: "In Kiew haben mehrere Demonstranten laut Medienberichten versucht, die Administration des ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko zu stürmen. Die Nationalgarde konnte den Angriff vorerst abwehren.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass fordern die Demonstranten die Verhängung des Kriegszustandes, die Entlassung von Verteidigungsminister Stepan Poltorak und anderen Beamten sowie einen Truppenabzug aus Debalzewo, wo den Regierungstruppen eine Einkesselung droht. Die Angaben über die Zahl der Demonstranten sind widersprüchlich. Ein Tass-Korrespondent berichtete von mehreren Hundert Demonstranten, die Nachrichtenagenturen RIA Novosti und Interfax von mehreren Dutzend.
Nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums nehmen rund 50 Menschen an der behördlich genehmigten Kundgebung teil. Sie fordern einen Zugang zum Konferenzsaal des Präsidialamtes, um eine Erklärung zu machen. Ein Vertreter der Präsidentenadministration trat mit den Demonstranten in Verhandlungen. ..." (Sputnik, 3.2.15)
Die Organisatoren des Protestes wurden vom ukrainischen Geheimdienst SBU festgenommen, meldete die Nachrichtenagentur ITAR TASS am 4.2.15.
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→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
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