• Führt das Ukraine-Abenteuer der USA zur europäischen Unabhängigkeit?
Die Luftpost aus Kaiserlautern hat am 25.2.15 die deutsche Übersetzung eines Beitrages des US-Ökonomen Michael Hudson veröffentlicht, der der Meinung, dass die US-Regierung mit ihrer Ukraine-Politik ihren Einfluss auf Europa und die Existenz der NATO aufs Spiel setzt: "Das Schicksal der Ukraine wird nicht militärisch, sondern auf dem wichtigsten Schlachtfeld entschieden: auf dem der internationalen Finanzen. Kiew ist pleite; es hat seine Devisen für einen Krieg verschwendet, der seine für den Export wichtige Industrie und seinen Kohlenbergbau im Donbass zerstört und seinen Haupthandelspartner Russland vergrault hat, der bisher 38 Prozent der ukrainischen Exporte abnahm. Tief verschuldet – am 20. Dezember werden allein für die Schulden bei Russland 3 Milliarden Euro fällig – steht die Ukraine vor der Zahlungsunfähigkeit, wenn der IWF und die EU ihr im nächsten Monat keine neuen Kredite gewähren, damit sie ihre Importe bezahlen und die alten russischen und andere ausländische Kredite bedienen kann.
Finanzministerin Natalia Jaresko gab am Freitag bekannt, sie hoffe, dass Anfang März neues Geld zu fließen beginne. Die Ukraine muss allerdings Bedingungen akzeptieren, die eigentlich unzumutbar sind: Sie muss einen ehrlichen Haushaltsplan vorlegen und ihre korrupten Oligarchen, die nicht nur die Rada (das ukrainische Parlament), sondern auch die Bürokratie kontrollieren, zur Kasse bitten; sie muss noch mehr sparen, ihre Umweltschutzbestimmungen lockern, ihre Industrie "attraktiv" für ausländische Investoren machen und ihnen auch ukrainisches Land, Bodenschätze und andere Vermögenswerte zugänglich machen und das – wegen der katastrophalen Wirtschaftslage – auch noch zu Dumpingpreisen.
Das IWF-Darlehen ist durch die militärische Situation gefährdet. Am 28. Januar sagte Christine Lagarde, der IWF werde kein weiteres Geld freigeben, so lange in der Ukraine Krieg herrsche. ...
Wie viel Geld aus dem Haushalt der Ukraine wird für Waffen ausgegeben werden? Deutschland und Frankreich haben sich nicht nur gegen weitere militärische Abenteuer der USA in der Ukraine, sondern auch gegen eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ausgesprochen. Aber wird Deutschland nötigenfalls auch Sanktionen gegen Kiew verhängen, um eine Wiederaufnahme der Kämpfe zu verhindern? Wenn es den USA gelänge, die Ukraine in die NATO aufnehmen zu lassen, wäre das der Todesstoß für die Schaffung einer eurasischen Wirtschaftszone – bestehend aus Deutschland und anderen europäischen Ländern, einschließlich Russlands.
Die Obama-Regierung pokert hoch und riskiert viel, in der Hoffnung Europa habe keine Alternative und werde sich schließlich wieder fügen. Aber diese Strategie droht fehlzuschlagen. Mit dem Versuch, Russland aus Europa herauszudrängen, könnten die USA zu hoch gepokert haben und das Gegenteil erreichen. Mit ihrem Abenteuer Ukraine könnten die USA den ersten Schritt auf einem Weg gemacht haben, der zum Verlust Europas führt. Dieses Abenteuer könnte sogar damit enden, dass sich die Europäer aus wirtschaftlichem Eigeninteresse aus der NATO zurückziehen, wenn Moskau die Welt davon überzeugen kann, dass die Ära der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Industriestaaten vorbei ist und Russland niemand militärisch bedroht. Warum sollte sich Europa dann noch in einen zweiten Kalten Krieg hineinziehen lassen?
Damit die geopolitische Strategie der USA Erfolg hat, müssten die Ukraine, Russland und das übrige Europa gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen handeln. Wie lange wären sie wohl bereit, dieses Opfer zu bringen? An welchem Punkt werden die wirtschaftlichen Interessen eine Entscheidung zwischen alten geopolitischen Militärbündnissen und politischer Loyalität gegenüber dem eigenen Staat erzwingen?
Dazu wird es bald kommen, weil Europa – wenn wir Jugoslawien einmal beiseite lassen – (nach 70 Jahren ) zum ersten Mal wieder mit einem großen Krieg auf diesem Kontinent rechnen müsste. Welchen Vorteil hätte Europa davon, wenn es für eine der korruptesten Oligarchien nördlich des Äquators Krieg führen würde?
Das ukrainische Abenteuer der USA, das unter Hillary Clinton von Victoria Nuland begonnen wurde und unter John Kerry von ihr fortgesetzt und von der NATO unterstützt wird, zwingt die EU dazu, gemeinsame Sache mit den USA zu machen oder eine unabhängige eigene Linie zu verfolgen. .."
Kommentar: Möglich ist alles, aber ich bin weniger optimistisch. Die EU und Deutschland sind längst Kumpane der USA bei deren "ukrainischen Abenteuer" und tief verstrickt in dieses, wie u.a. das Titelbild der FAZ vom 23.2.15 deutlich machte (Scan von mir):
• US-"Warzenschweine" wieder in Deutschland, um Einsatz gegen russische Panzer zu üben
Die nach Spangdahlem zurückgekehrten A-10-Erdkampfflugzeuge sollen in osteuropäischen NATO-Ländern die Bekämpfung russischer Panzer üben. Darauf macht die Luftpost aus Kaiserlsautern am 24.2.15 aufmerksam, indem sie einen Beitrag der US-Militärzeitung Stars and Stripes vom 19.2.15 in deutscher Übersetzung veröffentlicht: "Weil die Kämpfe in der Ukraine trotz der vereinbarten neuen Waffenruhe andauern, haben Offiziere der US Air Forces in Europa/USAFE am Mittwoch ein Relikt aus dem Kalten Krieg willkommen geheißen.
A-10 "Warzenschweine" zur Erdkampfunterstützung, die in 1970er Jahren zur Ausschaltung sowjetischer Panzer entworfen wurden, sind nach Deutschland zurückgekehrt.
In der letzten Woche sind rund 300 Soldaten und 12 Kampfjets des Typs A-10 Thunderbolt II von der Davis-Monthan Air Force Base in Arizona für sechs Monate nach Spangdahlem in der Eifel verlegt worden; sie sollen von dort aus eine Region beruhigen, die durch die politische Krise in Osteuropa verunsichert ist.
"Stellen Sie sich auf einige Reisen ein," empfahl Lt. Gen. Darryl Roberson, der Kommandeur der 3rd Air Force (die auf der Air Base Ramstein stationiert ist, s. http://www.usafe.af.mil/library/factsheets/factsheet.asp?id=19996), den 300 Soldaten der 354th Expeditionary Fighter Squadron, die sich zusammen mit einheimischen Gästen in einem Hangar zu einer kurzen Zeremonie versammelt hatten, bei der das erste so genannte "Theater Security Package" für Europa präsentiert wurde. ...
"Die zeitweilige Stationierung der A-10-Staffel in Spangdahlem ermöglicht es uns, auf Herausforderungen in ganz Europa und bei Bedarf auch in Afrika angemessen reagieren zu können," fügte er hinzu.
"Die Jets werden von Spangdahlem aus in NATO-Ländern entlang der russischen Grenze operieren – vor allem in Litauen, Estland, Rumänien und Bulgarien," sagte Roberson. "Sie werden mit deren Streitkräften zusammen trainieren und kooperieren, damit sie, wenn etwas passiert, zum gemeinsamen Kämpfen bereit sind."
Die A-10 werden an Routineübungen teilnehmen, die im Rahmen der Operation Atlantic Resolve, einer Reaktion auf die Ukraine-Krise, schon länger geplant sind. ..."
Und US-Panzer fuhren am 25.2.15 im estnischen Narva schon mal an einem Grenkontrollpunkt zu Russland vorbei (Screenshot junge Welt, 25.2.15 von mir):
• Obamas Umweg, um Kiew zu helfen
US-Präsident Barack Obama habe einen Weg gefunden, gegen Russland gerichtete NATO-Raketen in der Ukraine zu stationieren und dabei die Warnungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin vor solchen US-Waffen zu umgehen. Das schreibt der US-amerikanische investigative Journalist Eric Zuesse in seinem Beitrag „What’s Behind Ukraine’s Secret Weapons Deal with UAE“ vom 24.2.15 auf Washington’s Blog. Damit erfülle Obama die Forderungen von Republikanern und Demokraten nach Waffenhilfe für Kiew, ohne diese direkt zu liefern und dem vermeintlichen Widerstand aus dem Weißen Haus zu widersprechen.
Dem dienten die Waffenkäufe, die der Kiewer Präsident Petro Poroschenko am 24.2.15 in Abu Dhabi abschloß, so Zuesse. Es handele sich um US-Waffen, die Poroschenko via Vereinigte Arabische Emirate (VAE) bekomme, auch Waffen europäischer Rüstungskonzerne, bezahlt von den westlichen Steuerzahlern über die IWF-Kredite für Kiew, das diese gar nicht zurückzahlen könne. Der Rüstungsdeal sei zwar öffentlich gewesen, aber die Details seien nur vage berichtet worden, stellt der US-Journalist fest. Poroschenko habe die Verhandlungen in Abu Dhabi als „sehr wichtig“ bezeichnet, aber sich geweigert, Einzelheiten zu den Waffenkäufen zu nennen. Laut Zuesse dienen die Scheichs der VAE als Mittelsmänner, um westliche Waffen an die Ukraine zu liefern. Diese Rolle hatten und haben die arabischen Herrscherfamilien übrigens schon im Krieg in und gegen Syrien, wo sie halfen und helfen, die sogenannten Rebellen zu finanzieren und auszurüsten. Diese Arbeitsteilung erfolgte schon Jahrzehnte zuvor in Afghanistan. Auch darauf macht Zuesse in seinem Beitrag aufmerksam. Insofern sind die Nachrichten über den Kiewer Waffendeal mit den VAE nicht überraschend.
Obama setze die Politik seiner Vorgänger George Bush, William Clinton, und George W. Bush fort, Russland mit Waffen und Stützpunkten einzukreisen, mit Unterstützung der arabischen Scheichs, so der US-Journalist. Die Übernahme der Ukraine, um die Schrauben gegen Russland anzudrehen, und die Hilfe der Ölscheichs seien Schlüsselkomponenten, um das Ziel zu erreichen: Den russischen Widerstand gegen die amerikanische Vorherrschaft zu zerstören. Das umständliche Art, mit der Ukraine Waffen geliefert werden, sei so konzipiert, dass eine Kriegserklärung von Putin vermieden werden könne, oder aber nicht offensichtlich der Öffentlichkeit zugänglich machen, warum er damit gerechtfertigt werden.
• Die Geheimnisse des Barack Obama und ihre Tradition
US-Präsident Barack Obama habe zu Beginn seiner Amtszeit Offenheit versprochen, aber seine Präsidentschaft sei „eine der undurchsichtigsten und trügerischsten in der modernen Geschichte“. Die Kriege in Syrien und in der Ukraine seien Beispiele dafür. Das schreibt der US-amerikanische investigative Journalist Robert Parry in einem Beitrag vom 16.2.15 im Online-Magazin Consortiumnews. Obama verhalte sich wie Gollum in „Herr der Ringe“. Er habe eine transparente Politik versprochen im Gegensatz zur Geheimhaltung seines Vorgängers George W. Bush, doch das Gegenteil getan. Er habe u.a. den „Anti-Terror-Krieg“ fortgesetzt und Whistleblower verfolgen lassen, stellt Parry fest. Der US-Präsident habe in Fällen wie dem Sarin-Angriff vom 21.8. 13 bei Damaskus oder den Schlüsselereignissen der Ukraine-Krise wie den Scharfschützen in Kiew am 20.2. 14 und der MH17-Katastrophe vom 17.7.14 Geheimdienst-Beweise zurückgehalten, die die Propaganda der ersten Vorwürfe gegen die syrische und die russische Regierung widerlegt hätten. Analytiker der Geheimdienste hätten mit ihren Erkenntissen den Anschuldigungen gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin widersprochen. Doch Obama habe die Vorwürfe nicht zurückgenommen, obwohl er es besser wußte, kritisiert Parry.
Ein Regierungsmitarbeiter habe dem Journalist erklärt, dass die USA ihren einzigen Vorteil gegenüber Russland, die „Informationskriegführung“ (Information Warfare), nicht aufgeben wolle. Information, einschließlich falscher oder irreführender Propaganda, könnte für geopolitische Zwecke eingesetzt werden, so Parry, einschließlich insbesondere der Täuschung der amerikanischen Öffentlichkeit. Er beschreibt die Methode als „Wahrnehmungsmanagement“ ("Perception Management"). Diese Einstellung, die eigene Bevölkerung zu manipulieren, anstatt zu informieren, habe „eine lange und düstere Geschichte“. Parry erinnert u.a. an die Lüge vom Tonkin-Zwischenfall, mit der Lyndon B. Johnson die Eskalation des verheerenden Vietnam-Kriegs begründete. Nach der US-Niederlage habe US-Präsident Ronald Reagan Arbeitsgruppen einrichten lassen, die das "Perception Management" einsetzen sollten, um das „Vietnam-Syndrom“ in der US-Bevölkerung zu überwinden und diese wieder auf US-Militärinterventionen im Ausland einzustimmen. Das sei erfolgreich gewesen: Die Lügen über irakische Massenvernichtungswaffen 2003 führten „zu einem weiteren katastrophalen Krieg, der fortgesetzt bis zum heutigen Tag Chaos und Tod über den Mittleren Osten verbreitet“, stellt Parry fest.
„Im Großen und Ganzen hat Obama die übermäßige Geheimhaltung des Präsidenten George W. Bush fortgesetzt.“ Er habe sich geweigert, der Öffentlichkeit in den USA Zugang zu ermöglichen zu aktuellen Geheimdienstanalysen zu aktuellen Krisen wie denen in Syrien und in der Ukraine, einschließlich des drohenden direkten Kriegseintrittes gegen Syrien 2013 und der Gefahren eines Nuklearkriegs mit Russland in der Ukraine 2014. Ein Senator aus Illinois und Bekannter von Obama habe Parry erklärt, dass der US-Präsident befürchte, wenn er die Wahrheit offenlege, werde er für die negativen Folgen verantwortlich gemacht. Eine andere Erklärung sei Obamas elitäre Einstellung, sich gern mit Geheimnissen zu umgeben, gegenüber den normalen Bürgern, die bewußt im Dunkeln gehalten würden. Das habe er mit Gollum gemeinsam, der von der Macht des Rings besessen ist und sie zwanghaft verfolgt. „In dieser Analogie kann Obama seine kostbaren Geheimnisse nicht teilen trotz seiner Versprechen an das amerikanische Volk über die Offenheit der Regierung.“ So habe der US-Präsident wichtige Erkenntnisse über die Krisen in Syrien und in der Ukraine den Bürgern vorenthalten und trotz umfassender Daten nur bruchstückhafte Informationen an die Öffentlichkeit gegeben (siehe auch Parrys Beiträge “The Collapsing Syria-Sarin Case” und “The Danger of an MH-17 Cold Case”). Ähnlich wie beim „Tonkin-Zwischenfall“ hätten die Falken in der US-Regierung die Fehldeutungen für nützlich gehalten, um den ausländischen Gegnern einen Schlag zu versetzen und die Wahrnehmung der eigenen Bevölkerung zu steuern.
weil es dazu passt noch einmal:
• "Game on: Ost gegen West"
"Vor einem Jahr, am 28. Februar 2014, brachten russische Truppen die Krim unter ihre Kontrolle. Zwei Tage später prangerte Mike Rogers, republikanischer Kongressabgeordneter und Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, die schwache Reaktion der Obama-Administration auf „Fox News Sunday“ an: „Putin spielt Schach und wir, wie mir scheint, spielen Murmeln! Wie so was ausgeht, kann man sich ja denken.“
Kurz darauf lud er zu einem Fundraiser-Frühstück in Washington ein. Als Aufseher über das fast 70 Mrd. US-Dollar schwere Geheimdienstbudget der Nation hatte Rogers, wie sich denken lässt, keine Mühe, eine Menge zahlender Gäste anzulocken, größtenteils Lobbyisten von Rüstungslieferanten. Ich war neugierig, wie der Militärisch-Industrielle Komplex auf die überseeischen Vorgänge reagiert und fragte einen befreundeten Lobbyisten nach der Stimmungslage bei Rogers‘ Frühstücks-Meeting. „Euphorisch bis hysterisch, würde ich sagen“, antwortete mein Freund (der allerdings keinesfalls seine Identität und damit die Tatsache, dass er mit einem linksliberalen Magazin in Verbindung stand, erwähnt wissen wollte).
Nur ein paar Monate vorher hatte es für die Rüstungsszene noch ziemlich düster ausgesehen. Der Krieg in Afghanistan lief aus. Amerikas Wähler ließen bei Meinungsfragen regelmäßig wissen, sie wünschten, dass ihr Land sich in der Weltpolitik „um seinen eigenen Kram kümmert“. Im Jahr 2013 war der gefürchtete „Sequester“, der die langfristigen Militär- und Rüstungsausgaben um eine halbe Billion Dollar zu kürzen drohte, durch geschicktes Verhandeln zeitweilig abgewendet worden, aber ohne weitere Verhandlungsrunden würden die Kürzungspläne wahrscheinlich 2016 mit aller Macht wieder hochkommen. Man hörte hässliche Gerüchte, dass einer der atomgetriebenen Flugzeugträger der U. S. Navy eingemottet, die Army auf nur noch 420 000 Köpfe geschrumpft, Drohnenprogramme aufgegeben, Kommandostäbe verschlankt werden sollten usw. usf. ..."
Diese Geschichte erzählt Andrew Cockburn, Redakteur der US-Zeitschrift Harper's Magazine, in deren Ausgabe 1/2015. Die Zeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik veröffentlicht in ihrer Ausgabe 2/2015 eine deutsche Übersetzung von Cockburns Text, in dem der Autor nachzeichnet, wie US-amerikanische Rüstungslobbyisten nach dem Ende des Kalten krieges mit dem Einbruch ihrer Umsätze kämpften. Gemeinsam mit den Neocons hätten sie die NATO-Osterweiterung vorangetrieben, neue Märkte erschlossen und dadurch die Auseinandersetzung mit Russland eskalieren lassen. Cockburn gibt interessante Einblicke in die entsprechenden Vorgänge und die dabei handelnden Personen, auch in die Rolle von Zbigniew Brzezinski dabei.
Am Ende seines Beitrages stellt er fest: "... In den Augen vieler ihrer Urheber erweist sich die Nato-Expansion als lupenreiner Erfolg. „Ich kann keinen empirischen Beleg dafür erkennen, dass die Ausweitung für Russland bedrohlich war“, sagte mir Jackson mit Nachdruck. „Das lässt sich nicht beweisen.“ Andererseits ist er über den Wirtschaftskrieg gegen Russland, den die Obama-Administration zur Unterstützung der Ukraine betreibt, durchaus nicht begeistert. „Die moralische Rechtfertigung des internationalen Eingreifens besteht darin, Freiheit und Wohlstand des betreffenden Volkes zu fördern“, schrieb Jackson mir kürzlich. „Ich fürchte, die Sanktionen werden zur Verarmung aller Beteiligten führen, ganz besonders der Ukrainer, welche die Sanktionspolitik angeblich verteidigen.“
Wie dem auch sei, die Vision Augustines und seiner Mitstreiter von dem ergiebigen Markt, den eine erweiterte Nato bilden könnte, ist wahr geworden. Bis 2014 hatten die zwölf neuen Mitglieder amerikanische Waffen im Wert von fast 17 Mrd. US-Dollar gekauft, und im vergangenen Oktober feierte Rumänien das Eintreffen des ersten Raketenabwehrsystems in Osteuropa. Lockheed Martins „Aegis Ashore“-System kostet 134 Mio. Dollar pro Stück.
Die überschwängliche Begeisterung der Rüstungslobbyisten bei Mike Rogers‘ eingangs erwähntem Spenderfrühstück im März 2014 erweist sich im Rückblick als durchaus berechtigt. „Wladimir Putin hat das Sequester-Problem für uns gelöst, weil er bewiesen hat, dass man Bodentruppen braucht, um Russland von einer Aggression abzuschrecken“, erklärte Mike Turner, republikanisches Kongressmitglied aus Ohio und Vorsitzender eines wichtigen Verteidigungs-Unterausschusses, im Oktober 2014. ...
Ende Oktober 2014 waren Europas Volkswirtschaften, teilweise aufgrund des sanktionsbedingten Rückgangs ihres Russlandhandels, ins Flattern geraten. Die Vereinigten Staaten hingegen konnten einen erfreulichen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 3,5 Prozent vermelden. Bewirkt hatte diesen Auftrieb, wie Regierungsökonomen berichteten, ein scharfer Anstieg der Militärausgaben."
→ Nachrichtenmosaik Ukraine extra 1
Die Luftpost aus Kaiserlautern hat am 25.2.15 die deutsche Übersetzung eines Beitrages des US-Ökonomen Michael Hudson veröffentlicht, der der Meinung, dass die US-Regierung mit ihrer Ukraine-Politik ihren Einfluss auf Europa und die Existenz der NATO aufs Spiel setzt: "Das Schicksal der Ukraine wird nicht militärisch, sondern auf dem wichtigsten Schlachtfeld entschieden: auf dem der internationalen Finanzen. Kiew ist pleite; es hat seine Devisen für einen Krieg verschwendet, der seine für den Export wichtige Industrie und seinen Kohlenbergbau im Donbass zerstört und seinen Haupthandelspartner Russland vergrault hat, der bisher 38 Prozent der ukrainischen Exporte abnahm. Tief verschuldet – am 20. Dezember werden allein für die Schulden bei Russland 3 Milliarden Euro fällig – steht die Ukraine vor der Zahlungsunfähigkeit, wenn der IWF und die EU ihr im nächsten Monat keine neuen Kredite gewähren, damit sie ihre Importe bezahlen und die alten russischen und andere ausländische Kredite bedienen kann.
Finanzministerin Natalia Jaresko gab am Freitag bekannt, sie hoffe, dass Anfang März neues Geld zu fließen beginne. Die Ukraine muss allerdings Bedingungen akzeptieren, die eigentlich unzumutbar sind: Sie muss einen ehrlichen Haushaltsplan vorlegen und ihre korrupten Oligarchen, die nicht nur die Rada (das ukrainische Parlament), sondern auch die Bürokratie kontrollieren, zur Kasse bitten; sie muss noch mehr sparen, ihre Umweltschutzbestimmungen lockern, ihre Industrie "attraktiv" für ausländische Investoren machen und ihnen auch ukrainisches Land, Bodenschätze und andere Vermögenswerte zugänglich machen und das – wegen der katastrophalen Wirtschaftslage – auch noch zu Dumpingpreisen.
Das IWF-Darlehen ist durch die militärische Situation gefährdet. Am 28. Januar sagte Christine Lagarde, der IWF werde kein weiteres Geld freigeben, so lange in der Ukraine Krieg herrsche. ...
Wie viel Geld aus dem Haushalt der Ukraine wird für Waffen ausgegeben werden? Deutschland und Frankreich haben sich nicht nur gegen weitere militärische Abenteuer der USA in der Ukraine, sondern auch gegen eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ausgesprochen. Aber wird Deutschland nötigenfalls auch Sanktionen gegen Kiew verhängen, um eine Wiederaufnahme der Kämpfe zu verhindern? Wenn es den USA gelänge, die Ukraine in die NATO aufnehmen zu lassen, wäre das der Todesstoß für die Schaffung einer eurasischen Wirtschaftszone – bestehend aus Deutschland und anderen europäischen Ländern, einschließlich Russlands.
Die Obama-Regierung pokert hoch und riskiert viel, in der Hoffnung Europa habe keine Alternative und werde sich schließlich wieder fügen. Aber diese Strategie droht fehlzuschlagen. Mit dem Versuch, Russland aus Europa herauszudrängen, könnten die USA zu hoch gepokert haben und das Gegenteil erreichen. Mit ihrem Abenteuer Ukraine könnten die USA den ersten Schritt auf einem Weg gemacht haben, der zum Verlust Europas führt. Dieses Abenteuer könnte sogar damit enden, dass sich die Europäer aus wirtschaftlichem Eigeninteresse aus der NATO zurückziehen, wenn Moskau die Welt davon überzeugen kann, dass die Ära der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Industriestaaten vorbei ist und Russland niemand militärisch bedroht. Warum sollte sich Europa dann noch in einen zweiten Kalten Krieg hineinziehen lassen?
Damit die geopolitische Strategie der USA Erfolg hat, müssten die Ukraine, Russland und das übrige Europa gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen handeln. Wie lange wären sie wohl bereit, dieses Opfer zu bringen? An welchem Punkt werden die wirtschaftlichen Interessen eine Entscheidung zwischen alten geopolitischen Militärbündnissen und politischer Loyalität gegenüber dem eigenen Staat erzwingen?
Dazu wird es bald kommen, weil Europa – wenn wir Jugoslawien einmal beiseite lassen – (nach 70 Jahren ) zum ersten Mal wieder mit einem großen Krieg auf diesem Kontinent rechnen müsste. Welchen Vorteil hätte Europa davon, wenn es für eine der korruptesten Oligarchien nördlich des Äquators Krieg führen würde?
Das ukrainische Abenteuer der USA, das unter Hillary Clinton von Victoria Nuland begonnen wurde und unter John Kerry von ihr fortgesetzt und von der NATO unterstützt wird, zwingt die EU dazu, gemeinsame Sache mit den USA zu machen oder eine unabhängige eigene Linie zu verfolgen. .."
Kommentar: Möglich ist alles, aber ich bin weniger optimistisch. Die EU und Deutschland sind längst Kumpane der USA bei deren "ukrainischen Abenteuer" und tief verstrickt in dieses, wie u.a. das Titelbild der FAZ vom 23.2.15 deutlich machte (Scan von mir):
• US-"Warzenschweine" wieder in Deutschland, um Einsatz gegen russische Panzer zu üben
Die nach Spangdahlem zurückgekehrten A-10-Erdkampfflugzeuge sollen in osteuropäischen NATO-Ländern die Bekämpfung russischer Panzer üben. Darauf macht die Luftpost aus Kaiserlsautern am 24.2.15 aufmerksam, indem sie einen Beitrag der US-Militärzeitung Stars and Stripes vom 19.2.15 in deutscher Übersetzung veröffentlicht: "Weil die Kämpfe in der Ukraine trotz der vereinbarten neuen Waffenruhe andauern, haben Offiziere der US Air Forces in Europa/USAFE am Mittwoch ein Relikt aus dem Kalten Krieg willkommen geheißen.
A-10 "Warzenschweine" zur Erdkampfunterstützung, die in 1970er Jahren zur Ausschaltung sowjetischer Panzer entworfen wurden, sind nach Deutschland zurückgekehrt.
In der letzten Woche sind rund 300 Soldaten und 12 Kampfjets des Typs A-10 Thunderbolt II von der Davis-Monthan Air Force Base in Arizona für sechs Monate nach Spangdahlem in der Eifel verlegt worden; sie sollen von dort aus eine Region beruhigen, die durch die politische Krise in Osteuropa verunsichert ist.
"Stellen Sie sich auf einige Reisen ein," empfahl Lt. Gen. Darryl Roberson, der Kommandeur der 3rd Air Force (die auf der Air Base Ramstein stationiert ist, s. http://www.usafe.af.mil/library/factsheets/factsheet.asp?id=19996), den 300 Soldaten der 354th Expeditionary Fighter Squadron, die sich zusammen mit einheimischen Gästen in einem Hangar zu einer kurzen Zeremonie versammelt hatten, bei der das erste so genannte "Theater Security Package" für Europa präsentiert wurde. ...
"Die zeitweilige Stationierung der A-10-Staffel in Spangdahlem ermöglicht es uns, auf Herausforderungen in ganz Europa und bei Bedarf auch in Afrika angemessen reagieren zu können," fügte er hinzu.
"Die Jets werden von Spangdahlem aus in NATO-Ländern entlang der russischen Grenze operieren – vor allem in Litauen, Estland, Rumänien und Bulgarien," sagte Roberson. "Sie werden mit deren Streitkräften zusammen trainieren und kooperieren, damit sie, wenn etwas passiert, zum gemeinsamen Kämpfen bereit sind."
Die A-10 werden an Routineübungen teilnehmen, die im Rahmen der Operation Atlantic Resolve, einer Reaktion auf die Ukraine-Krise, schon länger geplant sind. ..."
Und US-Panzer fuhren am 25.2.15 im estnischen Narva schon mal an einem Grenkontrollpunkt zu Russland vorbei (Screenshot junge Welt, 25.2.15 von mir):
• Obamas Umweg, um Kiew zu helfen
US-Präsident Barack Obama habe einen Weg gefunden, gegen Russland gerichtete NATO-Raketen in der Ukraine zu stationieren und dabei die Warnungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin vor solchen US-Waffen zu umgehen. Das schreibt der US-amerikanische investigative Journalist Eric Zuesse in seinem Beitrag „What’s Behind Ukraine’s Secret Weapons Deal with UAE“ vom 24.2.15 auf Washington’s Blog. Damit erfülle Obama die Forderungen von Republikanern und Demokraten nach Waffenhilfe für Kiew, ohne diese direkt zu liefern und dem vermeintlichen Widerstand aus dem Weißen Haus zu widersprechen.
Dem dienten die Waffenkäufe, die der Kiewer Präsident Petro Poroschenko am 24.2.15 in Abu Dhabi abschloß, so Zuesse. Es handele sich um US-Waffen, die Poroschenko via Vereinigte Arabische Emirate (VAE) bekomme, auch Waffen europäischer Rüstungskonzerne, bezahlt von den westlichen Steuerzahlern über die IWF-Kredite für Kiew, das diese gar nicht zurückzahlen könne. Der Rüstungsdeal sei zwar öffentlich gewesen, aber die Details seien nur vage berichtet worden, stellt der US-Journalist fest. Poroschenko habe die Verhandlungen in Abu Dhabi als „sehr wichtig“ bezeichnet, aber sich geweigert, Einzelheiten zu den Waffenkäufen zu nennen. Laut Zuesse dienen die Scheichs der VAE als Mittelsmänner, um westliche Waffen an die Ukraine zu liefern. Diese Rolle hatten und haben die arabischen Herrscherfamilien übrigens schon im Krieg in und gegen Syrien, wo sie halfen und helfen, die sogenannten Rebellen zu finanzieren und auszurüsten. Diese Arbeitsteilung erfolgte schon Jahrzehnte zuvor in Afghanistan. Auch darauf macht Zuesse in seinem Beitrag aufmerksam. Insofern sind die Nachrichten über den Kiewer Waffendeal mit den VAE nicht überraschend.
Obama setze die Politik seiner Vorgänger George Bush, William Clinton, und George W. Bush fort, Russland mit Waffen und Stützpunkten einzukreisen, mit Unterstützung der arabischen Scheichs, so der US-Journalist. Die Übernahme der Ukraine, um die Schrauben gegen Russland anzudrehen, und die Hilfe der Ölscheichs seien Schlüsselkomponenten, um das Ziel zu erreichen: Den russischen Widerstand gegen die amerikanische Vorherrschaft zu zerstören. Das umständliche Art, mit der Ukraine Waffen geliefert werden, sei so konzipiert, dass eine Kriegserklärung von Putin vermieden werden könne, oder aber nicht offensichtlich der Öffentlichkeit zugänglich machen, warum er damit gerechtfertigt werden.
• Die Geheimnisse des Barack Obama und ihre Tradition
US-Präsident Barack Obama habe zu Beginn seiner Amtszeit Offenheit versprochen, aber seine Präsidentschaft sei „eine der undurchsichtigsten und trügerischsten in der modernen Geschichte“. Die Kriege in Syrien und in der Ukraine seien Beispiele dafür. Das schreibt der US-amerikanische investigative Journalist Robert Parry in einem Beitrag vom 16.2.15 im Online-Magazin Consortiumnews. Obama verhalte sich wie Gollum in „Herr der Ringe“. Er habe eine transparente Politik versprochen im Gegensatz zur Geheimhaltung seines Vorgängers George W. Bush, doch das Gegenteil getan. Er habe u.a. den „Anti-Terror-Krieg“ fortgesetzt und Whistleblower verfolgen lassen, stellt Parry fest. Der US-Präsident habe in Fällen wie dem Sarin-Angriff vom 21.8. 13 bei Damaskus oder den Schlüsselereignissen der Ukraine-Krise wie den Scharfschützen in Kiew am 20.2. 14 und der MH17-Katastrophe vom 17.7.14 Geheimdienst-Beweise zurückgehalten, die die Propaganda der ersten Vorwürfe gegen die syrische und die russische Regierung widerlegt hätten. Analytiker der Geheimdienste hätten mit ihren Erkenntissen den Anschuldigungen gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin widersprochen. Doch Obama habe die Vorwürfe nicht zurückgenommen, obwohl er es besser wußte, kritisiert Parry.
Ein Regierungsmitarbeiter habe dem Journalist erklärt, dass die USA ihren einzigen Vorteil gegenüber Russland, die „Informationskriegführung“ (Information Warfare), nicht aufgeben wolle. Information, einschließlich falscher oder irreführender Propaganda, könnte für geopolitische Zwecke eingesetzt werden, so Parry, einschließlich insbesondere der Täuschung der amerikanischen Öffentlichkeit. Er beschreibt die Methode als „Wahrnehmungsmanagement“ ("Perception Management"). Diese Einstellung, die eigene Bevölkerung zu manipulieren, anstatt zu informieren, habe „eine lange und düstere Geschichte“. Parry erinnert u.a. an die Lüge vom Tonkin-Zwischenfall, mit der Lyndon B. Johnson die Eskalation des verheerenden Vietnam-Kriegs begründete. Nach der US-Niederlage habe US-Präsident Ronald Reagan Arbeitsgruppen einrichten lassen, die das "Perception Management" einsetzen sollten, um das „Vietnam-Syndrom“ in der US-Bevölkerung zu überwinden und diese wieder auf US-Militärinterventionen im Ausland einzustimmen. Das sei erfolgreich gewesen: Die Lügen über irakische Massenvernichtungswaffen 2003 führten „zu einem weiteren katastrophalen Krieg, der fortgesetzt bis zum heutigen Tag Chaos und Tod über den Mittleren Osten verbreitet“, stellt Parry fest.
„Im Großen und Ganzen hat Obama die übermäßige Geheimhaltung des Präsidenten George W. Bush fortgesetzt.“ Er habe sich geweigert, der Öffentlichkeit in den USA Zugang zu ermöglichen zu aktuellen Geheimdienstanalysen zu aktuellen Krisen wie denen in Syrien und in der Ukraine, einschließlich des drohenden direkten Kriegseintrittes gegen Syrien 2013 und der Gefahren eines Nuklearkriegs mit Russland in der Ukraine 2014. Ein Senator aus Illinois und Bekannter von Obama habe Parry erklärt, dass der US-Präsident befürchte, wenn er die Wahrheit offenlege, werde er für die negativen Folgen verantwortlich gemacht. Eine andere Erklärung sei Obamas elitäre Einstellung, sich gern mit Geheimnissen zu umgeben, gegenüber den normalen Bürgern, die bewußt im Dunkeln gehalten würden. Das habe er mit Gollum gemeinsam, der von der Macht des Rings besessen ist und sie zwanghaft verfolgt. „In dieser Analogie kann Obama seine kostbaren Geheimnisse nicht teilen trotz seiner Versprechen an das amerikanische Volk über die Offenheit der Regierung.“ So habe der US-Präsident wichtige Erkenntnisse über die Krisen in Syrien und in der Ukraine den Bürgern vorenthalten und trotz umfassender Daten nur bruchstückhafte Informationen an die Öffentlichkeit gegeben (siehe auch Parrys Beiträge “The Collapsing Syria-Sarin Case” und “The Danger of an MH-17 Cold Case”). Ähnlich wie beim „Tonkin-Zwischenfall“ hätten die Falken in der US-Regierung die Fehldeutungen für nützlich gehalten, um den ausländischen Gegnern einen Schlag zu versetzen und die Wahrnehmung der eigenen Bevölkerung zu steuern.
weil es dazu passt noch einmal:
• "Game on: Ost gegen West"
"Vor einem Jahr, am 28. Februar 2014, brachten russische Truppen die Krim unter ihre Kontrolle. Zwei Tage später prangerte Mike Rogers, republikanischer Kongressabgeordneter und Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, die schwache Reaktion der Obama-Administration auf „Fox News Sunday“ an: „Putin spielt Schach und wir, wie mir scheint, spielen Murmeln! Wie so was ausgeht, kann man sich ja denken.“
Kurz darauf lud er zu einem Fundraiser-Frühstück in Washington ein. Als Aufseher über das fast 70 Mrd. US-Dollar schwere Geheimdienstbudget der Nation hatte Rogers, wie sich denken lässt, keine Mühe, eine Menge zahlender Gäste anzulocken, größtenteils Lobbyisten von Rüstungslieferanten. Ich war neugierig, wie der Militärisch-Industrielle Komplex auf die überseeischen Vorgänge reagiert und fragte einen befreundeten Lobbyisten nach der Stimmungslage bei Rogers‘ Frühstücks-Meeting. „Euphorisch bis hysterisch, würde ich sagen“, antwortete mein Freund (der allerdings keinesfalls seine Identität und damit die Tatsache, dass er mit einem linksliberalen Magazin in Verbindung stand, erwähnt wissen wollte).
Nur ein paar Monate vorher hatte es für die Rüstungsszene noch ziemlich düster ausgesehen. Der Krieg in Afghanistan lief aus. Amerikas Wähler ließen bei Meinungsfragen regelmäßig wissen, sie wünschten, dass ihr Land sich in der Weltpolitik „um seinen eigenen Kram kümmert“. Im Jahr 2013 war der gefürchtete „Sequester“, der die langfristigen Militär- und Rüstungsausgaben um eine halbe Billion Dollar zu kürzen drohte, durch geschicktes Verhandeln zeitweilig abgewendet worden, aber ohne weitere Verhandlungsrunden würden die Kürzungspläne wahrscheinlich 2016 mit aller Macht wieder hochkommen. Man hörte hässliche Gerüchte, dass einer der atomgetriebenen Flugzeugträger der U. S. Navy eingemottet, die Army auf nur noch 420 000 Köpfe geschrumpft, Drohnenprogramme aufgegeben, Kommandostäbe verschlankt werden sollten usw. usf. ..."
Diese Geschichte erzählt Andrew Cockburn, Redakteur der US-Zeitschrift Harper's Magazine, in deren Ausgabe 1/2015. Die Zeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik veröffentlicht in ihrer Ausgabe 2/2015 eine deutsche Übersetzung von Cockburns Text, in dem der Autor nachzeichnet, wie US-amerikanische Rüstungslobbyisten nach dem Ende des Kalten krieges mit dem Einbruch ihrer Umsätze kämpften. Gemeinsam mit den Neocons hätten sie die NATO-Osterweiterung vorangetrieben, neue Märkte erschlossen und dadurch die Auseinandersetzung mit Russland eskalieren lassen. Cockburn gibt interessante Einblicke in die entsprechenden Vorgänge und die dabei handelnden Personen, auch in die Rolle von Zbigniew Brzezinski dabei.
Am Ende seines Beitrages stellt er fest: "... In den Augen vieler ihrer Urheber erweist sich die Nato-Expansion als lupenreiner Erfolg. „Ich kann keinen empirischen Beleg dafür erkennen, dass die Ausweitung für Russland bedrohlich war“, sagte mir Jackson mit Nachdruck. „Das lässt sich nicht beweisen.“ Andererseits ist er über den Wirtschaftskrieg gegen Russland, den die Obama-Administration zur Unterstützung der Ukraine betreibt, durchaus nicht begeistert. „Die moralische Rechtfertigung des internationalen Eingreifens besteht darin, Freiheit und Wohlstand des betreffenden Volkes zu fördern“, schrieb Jackson mir kürzlich. „Ich fürchte, die Sanktionen werden zur Verarmung aller Beteiligten führen, ganz besonders der Ukrainer, welche die Sanktionspolitik angeblich verteidigen.“
Wie dem auch sei, die Vision Augustines und seiner Mitstreiter von dem ergiebigen Markt, den eine erweiterte Nato bilden könnte, ist wahr geworden. Bis 2014 hatten die zwölf neuen Mitglieder amerikanische Waffen im Wert von fast 17 Mrd. US-Dollar gekauft, und im vergangenen Oktober feierte Rumänien das Eintreffen des ersten Raketenabwehrsystems in Osteuropa. Lockheed Martins „Aegis Ashore“-System kostet 134 Mio. Dollar pro Stück.
Die überschwängliche Begeisterung der Rüstungslobbyisten bei Mike Rogers‘ eingangs erwähntem Spenderfrühstück im März 2014 erweist sich im Rückblick als durchaus berechtigt. „Wladimir Putin hat das Sequester-Problem für uns gelöst, weil er bewiesen hat, dass man Bodentruppen braucht, um Russland von einer Aggression abzuschrecken“, erklärte Mike Turner, republikanisches Kongressmitglied aus Ohio und Vorsitzender eines wichtigen Verteidigungs-Unterausschusses, im Oktober 2014. ...
Ende Oktober 2014 waren Europas Volkswirtschaften, teilweise aufgrund des sanktionsbedingten Rückgangs ihres Russlandhandels, ins Flattern geraten. Die Vereinigten Staaten hingegen konnten einen erfreulichen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 3,5 Prozent vermelden. Bewirkt hatte diesen Auftrieb, wie Regierungsökonomen berichteten, ein scharfer Anstieg der Militärausgaben."
→ Nachrichtenmosaik Ukraine extra 1
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