• OSZE: Neue Kämpfe in der Ostukraine
"In dem umkämpften Dorf Schirokin in der Ostukraine hat es nach Angaben der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erneut heftige Gefechte gegeben. Wie die OSZE in der Nacht auf Montag mitteilte, gab es dort am Sonntag die heftigsten Auseinandersetzungen seit Beginn der Kämpfe um Schirokin Mitte Februar.
Außerdem seien auch schwere Waffen in die Region gebracht worden. Schirokin liegt rund 20 Kilometer von der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol entfernt - der letzten großen Stadt im Kampfgebiet, die noch von den ukrainischen Regierungstruppen kontrolliert wird.
Am Sonntagnachmittag sei entlang der gesamten Strecke von Schirokin nach Mariupol Beschuss zu hören gewesen, erklärte die OSZE. Zwei laute Explosionen, vermutlich durch Artilleriebeschuss, ereigneten sich den Angaben zufolge nur 300 Meter von einem OSZE-Beobachterposten entfernt. ..." (Der Standard online, 27.4.15)
• Hunko: Hilfe für Kiew nur, wenn Minsk II erfüllt wird
"„Anstatt der Ukraine neoliberale Reformen abzuverlangen, sollte die EU jetzt auf die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens drängen", erklärt Andrej Hunko, Mitglied im Europausschuss für die Fraktion DIE LINKE, anlässlich des heute in Kiew stattfindenden EU-Ukraine-Gipfels. Hunko weiter: „Die Umsetzung des Minsk-II-Abkommens stockt, Oppositionelle werden von Paramilitärs erschossen und die soziale Lage verschlechtert sich dramatisch. EU und Bundesregierung dürfen diese Situation nicht durch die Forderung nach marktradikalen Reformen verschärfen. Stattdessen sollten sie das Assoziierungsabkommen aussetzen und Aufklärung der jüngsten Morde sowie der Massaker des letzten Jahres fordern. Auch jegliche Kooperation und Hilfen müssen an die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens gebunden werden.
In Griechenland können wir in aller Deutlichkeit sehen, wohin Austeritätspolitik als Antwort auf die Krise führt: in eine soziale Katastrophe. Dieser Fehler darf in der Ukraine nicht wiederholt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund des bewaffneten Konflikts im Osten des Landes sind Maßnahmen des Ausgleichs vonnöten. Die von IWF und EU verlangten Reformen als Bedingung für Kredite sind jedoch das genaue Gegenteil. Sie verschärfen die soziale Situation und gießen so Öl ins Feuer des Konfliktes.
Zugleich nimmt die politische Verfolgung Andersdenkender zu. Die jüngste Mordserie an Oppositionellen war ein deutliches Signal, dass sich nichts zum Besseren verändert. Im Gegenteil: Während bekannte Faschisten in Ämter berufen werden, müssen Oppositionelle um ihr Leben fürchten. Das ist untragbar."" (Pressemitteilung MdB Andrej Hunko, Linksfraktion, 27.4.15)
• Wachsende Armut in der Ukraine
"Wenn
heute Politiker der EU und der Ukraine bei ihrem Gipfel zusammenkommen,
geht es um große Themen wie Finanzhilfen, Reformvorhaben oder das
Friedensabkommen. Doch die meisten Ukrainer haben viel alltäglichere
Sorgen.
Von Jan Pallokat, ARD-Hörfunkstudio Moskau
Der Wochenmarkt "Priwos" im südukrainischen Odessa ist berühmt dafür, dass es hier wirklich alles gibt: BHs in Übergroße genauso wie Themen-T-Shirts, frisch gepressten Granatapfelsaft, Fleisch, Fisch und Gemüse aller Art. Im weitverzweigten System der engen Gänge des Marktes spürt man den Pulsschlag der ukrainischen Wirtschaft. "Die Preise ändern sich ständig", sagt eine Verkäuferin, die sich mit einem kleinen Gemüsestand ihre Rente aufbessert. "Vor den Osterfeiertagen lagen sie höher, jetzt sinken sie wieder ein bisschen."
Bei ihr gibt es Tomaten, Gurken und äußerst saftige Radieschen - alles aus heimischer Produktion. Das fällt an diesem Markt als erstes auf: Importware ist verschwunden. Gemüse aus der Türkei etwa können sich die Ukrainer nicht mehr leisten seit ihre Landeswährung Griwna verfallen ist auf Grund von Krieg und Krise. "Die Leute sind sehr arm geworden", sagt die Rentnerin. "Die Preise für Gas, Strom und kommunale Dienste steigen. Man möchte gern etwas kaufen, kann es sich aber nicht leisten."
Preiserhöhungen etwa beim Gas sind Folge der Reformen, die die westlichen Geldgeber von der Ukraine verlangen. Frühere Machthaber pflegten die Stimmung aufzuhellen, indem sie die Preise für Gas, Strom und Nahverkehr mit viel Geld heruntersubventionierten. Das kann sich die hochverschuldete Ukraine nun nicht mehr leisten, heißt es. ...
Viele Ukrainer haben zudem ihre Arbeit verloren oder verdienen viel weniger, denn in der Krise bekommen viele Betriebe kaum noch Aufträge. Der Handel mit Russland ist praktisch zusammengebrochen und in den Bergbauregionen im umkämpften Osten ist an normales Wirtschaften gar nicht mehr zu denken.
Das lässt sich gut im Stadthafen von Odessa beobachten, ein anderes Barometer der Wirtschaft. Ein Hafenkenner führt uns durch die riesige Anlage. "Dahinten, wo sie die Drehschieber sehen, ist das Containerterminal der Firma HPK", erklärt der Mann. "Früher war da alles voll, jetzt ist es fast leer. HPK hat eine Nennleistung von 800.000 Standardcontainereinheiten, ist aber momentan mit nur 300.000 Einheiten ausgelastet."
Der Mann will wegen seiner kritischen Haltung zur Regierung anonym bleiben, schimpft dann aber umso mehr. Nichts habe sich verbessert seit der Revolution, die Korruption sei geblieben, dafür habe man nun zusätzlich mit Flaute, Krieg und Krise zu kämpfen. "Die Menschen hatten riesige Erwartungen, hofften auf weitreichende Änderungen. Aber es hat sich insgesamt nichts geändert. Neue Menschen sind an der Macht, hungrige, böse, arme Menschen, die jetzt reich werden wollen." ..." (ARD tagesschau.de, 27.4.15)
Von Jan Pallokat, ARD-Hörfunkstudio Moskau
Der Wochenmarkt "Priwos" im südukrainischen Odessa ist berühmt dafür, dass es hier wirklich alles gibt: BHs in Übergroße genauso wie Themen-T-Shirts, frisch gepressten Granatapfelsaft, Fleisch, Fisch und Gemüse aller Art. Im weitverzweigten System der engen Gänge des Marktes spürt man den Pulsschlag der ukrainischen Wirtschaft. "Die Preise ändern sich ständig", sagt eine Verkäuferin, die sich mit einem kleinen Gemüsestand ihre Rente aufbessert. "Vor den Osterfeiertagen lagen sie höher, jetzt sinken sie wieder ein bisschen."
Bei ihr gibt es Tomaten, Gurken und äußerst saftige Radieschen - alles aus heimischer Produktion. Das fällt an diesem Markt als erstes auf: Importware ist verschwunden. Gemüse aus der Türkei etwa können sich die Ukrainer nicht mehr leisten seit ihre Landeswährung Griwna verfallen ist auf Grund von Krieg und Krise. "Die Leute sind sehr arm geworden", sagt die Rentnerin. "Die Preise für Gas, Strom und kommunale Dienste steigen. Man möchte gern etwas kaufen, kann es sich aber nicht leisten."
Preiserhöhungen etwa beim Gas sind Folge der Reformen, die die westlichen Geldgeber von der Ukraine verlangen. Frühere Machthaber pflegten die Stimmung aufzuhellen, indem sie die Preise für Gas, Strom und Nahverkehr mit viel Geld heruntersubventionierten. Das kann sich die hochverschuldete Ukraine nun nicht mehr leisten, heißt es. ...
Viele Ukrainer haben zudem ihre Arbeit verloren oder verdienen viel weniger, denn in der Krise bekommen viele Betriebe kaum noch Aufträge. Der Handel mit Russland ist praktisch zusammengebrochen und in den Bergbauregionen im umkämpften Osten ist an normales Wirtschaften gar nicht mehr zu denken.
Das lässt sich gut im Stadthafen von Odessa beobachten, ein anderes Barometer der Wirtschaft. Ein Hafenkenner führt uns durch die riesige Anlage. "Dahinten, wo sie die Drehschieber sehen, ist das Containerterminal der Firma HPK", erklärt der Mann. "Früher war da alles voll, jetzt ist es fast leer. HPK hat eine Nennleistung von 800.000 Standardcontainereinheiten, ist aber momentan mit nur 300.000 Einheiten ausgelastet."
Der Mann will wegen seiner kritischen Haltung zur Regierung anonym bleiben, schimpft dann aber umso mehr. Nichts habe sich verbessert seit der Revolution, die Korruption sei geblieben, dafür habe man nun zusätzlich mit Flaute, Krieg und Krise zu kämpfen. "Die Menschen hatten riesige Erwartungen, hofften auf weitreichende Änderungen. Aber es hat sich insgesamt nichts geändert. Neue Menschen sind an der Macht, hungrige, böse, arme Menschen, die jetzt reich werden wollen." ..." (ARD tagesschau.de, 27.4.15)
• MH17: Bundesregierung war angeblich über Gefahr für Flugverkehr informiert
"Vor
dem Abschuss von Flug MH17 über der Ostukraine war der BND bereits
alarmiert über eine "neue Qualität" der Bedrohung im Luftraum.
Er teilte der Bundesregierung mit, dass es in den umkämpften Gebieten keine Luftsicherheit mehr gebe, aber am Ende warnte niemand die Fluggesellschaften.
Am Tag, als Flug MH17 abgeschossen wird, sind weitere 80 Flugzeuge auf der gefährlichen Route unterwegs. Auch Lufthansa-Maschinen.
Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen sagen, die Ukraine hätte ihren eigenen Luftraum unbedingt sperren müssen.
Der Drahtbericht vom 15. Juli 2014 unter "Top39 Ukraine " an das Auswärtige Amt in Berlin beschäftigte sich mit Sanktionen gegen Russland, trilateralen Gasverhandlungen, dem Austausch von Gefangenen und Geiseln und anderen Angelegenheiten, die alle einigermaßen wichtig zu sein schienen.
Ziemlich am Anfang des Berichts, unter Punkt zwei, stand eine Warnung: "Lage in der Ostukraine sehr besorgniserregend. Abschuss ukr. Transportmaschine in 6000 Metern Höhe stellt neue Qualität dar". Am Tag zuvor war eine ukrainische Transportmaschine vom Typ Antonow in gut sechs Kilometern Höhe von den Separatisten abgeschossen worden. ...
In Deutschland waren die Warner vom BND zwar sehr alarmiert und sie teilten der Bundesregierung in den Lageberichten auch mit, dass es über der Ukraine in den umkämpften Gebieten keine Luftsicherheit mehr gebe, aber am Ende warnte niemand die Fluggesellschaften vor der drohenden Gefahr. Auch der BND nicht. Er war dafür nicht zuständig.
"Zu einer etwaigen Verschärfung der Sicherheitslage für zivile Überflüge über die Ukraine" habe damals die Bundesregierung "keine Informationen gehabt", behauptet das zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. "Vor dem 17. Juli lagen uns keine Informationen von Seiten der Behörden vor", sagte in der vergangenen Woche ein Sprecher der Lufthansa. ...
"Todesflug MH 17 - warum mussten 298 Menschen sterben?" Dokumentation in der Reihe "Die Story im Ersten", ARD, 22.45 Uhr" (Süddeutsche Zeitung online, 27.4.15)
Er teilte der Bundesregierung mit, dass es in den umkämpften Gebieten keine Luftsicherheit mehr gebe, aber am Ende warnte niemand die Fluggesellschaften.
Am Tag, als Flug MH17 abgeschossen wird, sind weitere 80 Flugzeuge auf der gefährlichen Route unterwegs. Auch Lufthansa-Maschinen.
Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen sagen, die Ukraine hätte ihren eigenen Luftraum unbedingt sperren müssen.
Der Drahtbericht vom 15. Juli 2014 unter "Top39 Ukraine " an das Auswärtige Amt in Berlin beschäftigte sich mit Sanktionen gegen Russland, trilateralen Gasverhandlungen, dem Austausch von Gefangenen und Geiseln und anderen Angelegenheiten, die alle einigermaßen wichtig zu sein schienen.
Ziemlich am Anfang des Berichts, unter Punkt zwei, stand eine Warnung: "Lage in der Ostukraine sehr besorgniserregend. Abschuss ukr. Transportmaschine in 6000 Metern Höhe stellt neue Qualität dar". Am Tag zuvor war eine ukrainische Transportmaschine vom Typ Antonow in gut sechs Kilometern Höhe von den Separatisten abgeschossen worden. ...
In Deutschland waren die Warner vom BND zwar sehr alarmiert und sie teilten der Bundesregierung in den Lageberichten auch mit, dass es über der Ukraine in den umkämpften Gebieten keine Luftsicherheit mehr gebe, aber am Ende warnte niemand die Fluggesellschaften vor der drohenden Gefahr. Auch der BND nicht. Er war dafür nicht zuständig.
"Zu einer etwaigen Verschärfung der Sicherheitslage für zivile Überflüge über die Ukraine" habe damals die Bundesregierung "keine Informationen gehabt", behauptet das zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. "Vor dem 17. Juli lagen uns keine Informationen von Seiten der Behörden vor", sagte in der vergangenen Woche ein Sprecher der Lufthansa. ...
"Todesflug MH 17 - warum mussten 298 Menschen sterben?" Dokumentation in der Reihe "Die Story im Ersten", ARD, 22.45 Uhr" (Süddeutsche Zeitung online, 27.4.15)
"Die Stimmung zwischen der Ukraine und der EU ist eingetrübt. An diesem Montag werden zwar EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk in Kiew zum EU-Russland-Gipfel erwartet, doch Gastgeber Petro Poroschenko hat sich mehr von diesem Gipfel erhofft. Der ukrainische Präsident erwartet von Brüssel Visa-Freiheit. Eigentlich war ursprünglich einmal vorgesehen, dass auf dem EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft Ende Mai in Riga die Reisefreiheit verkündet werden sollte. Doch daraus wird genauso wenig wie aus der von Kiew geforderten Zusage Brüssels, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland um ein Jahr, bis zum Sommer 2016, zu verlängern.
An diesem Montag werden nun lediglich Verlautbarungen abgegeben und eine engere Zusammenarbeit der EU mit den Ländern der östlichen Partnerschaft bekräftigt.
Die ukrainische Seite ist über die hinhaltende Haltung auf EU-Seite enttäuscht. Ein ukrainischer Diplomat sprach von „einer Hängepartie, die von Deutschland und Frankreich betrieben wird“, berichtete die ukrainische Nachrichtenagentur Unian. Nach den Angaben eines namentlich nicht genannten europäischen Diplomaten sollen diese beiden Länder die Ukraine zu rascheren Reformen drängen. „Ganz klar ist auch, dass die EU so schnell wie möglich ihre Wirtschaftsbeziehungen zu Russland wieder normalisieren will“, klagte der Diplomat. ..." (Der Tagesspiegel online, 27.4.15)
• Kiew folgt bereitwillig IWF-Vorgaben - Lob aus Berlin
"»Aus dem hybriden Krieg in der Ukraine ist ein hybrider Frieden geworden.« Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Stephan Steinlein, sah als Gastredner beim diesjährigen »east forum Berlin« des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft Hoffnungszeichen im Ukraine-Konflikt. Auch wenn sich die Europäische Union und Russland immer weiter voneinander entfernen - Minsk-II sei nun einmal das einzig Handfeste, was momentan auf dem Tisch liege. ...
Um den Staatsbankrott abzuwenden, ist das Land auf äußere Geldgeber wie den Internationalen Währungsfonds (IWF), die EU oder Staaten wie Deutschland angewiesen. Rund 40 Milliarden US-Dollar sollen in den nächsten Jahren fließen, allein der IWF hat 17,5 Milliarden US-Dollar davon fest zugesagt.
Weitere Mittel erhofft sich die Ukraine auf einer Geberkonferenz am morgigen Dienstag in Kiew. Die Hoffnungen der Regierung von Arseni Jazenjuk sind nicht unbegründet: Anders als beispielsweise die griechische Regierung unter SYRIZA setzt sie die Auflagen des IWF rigoros um: Aufhebung des festen Wechselkurses der Landeswährung Hryvnia, Reduzierung des Staatsdefizites und Aufhebung der Subventionen im Energiesektor. Zuletzt stiegen die Verbraucherpreise für Gas und Strom vonseiten der staatlichen Energieversorger drastisch.
Auch sonst verfolgt die Kiewer Regierung ein wirtschaftliches Programm, das an Schocktherapien neoliberaler Schule erinnert. Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung neben Korruptionsbekämpfung und der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit nennt dann auch Dmytro Shymkiv, stellvertretender Leiter der Administration des ukrainischen Präsidenten, während des Forums am Donnerstag in Berlin. Der 39-jährige Ex-Chef von Microsoft in der Ukraine ist zuständig für administrative, wirtschaftliche und soziale Reformen.
»Die beste Regierung, die die Ukraine seit der Unabhängigkeit hat«, lobt Johannes Regenbrecht, Kopf der Task Force zur Ukraine im bundesdeutschen Auswärtigen Amt. Deren größte Herausforderung sei neben der Überwindung postsowjetischer und oligarchischer Strukturen die Schaffung neuer Ordnungen. Die Bevölkerung müsse bei den harten Maßnahmen und Einschnitten wie den drastischen Gaspreiserhöhungen natürlich auch mitgenommen werden. ..." (Neues Deutschland, 27.4.15)
• Keine NATO-Einsätze ohne russisch-ukrainische Antonow-Transporter
"Ohne ukrainische Flugzeuge und eine russische Frachtgesellschaft fielen die globalen Einsätze aus
Am Flugplatz Leipzig/Halle bei Schkeuditz unterhält die russische Unternehmensgruppe Volga-Dnepr zwei Tochterfirmen. Sie sind wichtig auch für NATO-Kriegseinsätze. ...
Ildar Iliyasov, der Geschäftsführer der 2010 hierfür gegründeten Wartungsfirma Volga-Dnepr-Technics GmbH ... agiert damit in Schkeuditz in doppelter Funktion: Zugleich ist er Vizechef in einer weiteren Firma am Leipziger Airport - der schon 2006 gegründeten Ruslan Salis GmbH. Sie gehört zu gleichen Teilen den russischen Volga-Dnepr Airlines wie dem ukrainischen Konstruktionsbüro ANTK Antonow und wirkt so wie eine Insel der Seligen im frostigen Umfeld. Denn »Salis« steht für Strategic Airlift Interim Solution und der Salis-Vertrag mit der russisch-ukrainischen Gesellschaft für eine Kooperation, aus der 15 NATO- und EU-Staaten Nutzen ziehen - etwa durch Charterflüge im Rahmen friedenserhaltender und humanitärer Einsätze. Hierfür seien stets zwei Antonow 124-100 in Leipzig stationiert, berichtet Iliyasov, und bei Bedarf könne man diese auf sechs aufstocken.
Erst im Februar verlängerte die Logistikagentur der NATO den Kontrakt mit der Ruslan Salis GmbH um zwei Jahre. Denn ob der Westen will oder nicht, deren Flotte ist schlicht konkurrenzlos. In den letzten 15 Jahren landeten ihre fliegenden Großraumtransporter auf über 900 Flughäfen in 140 Ländern. Danach befragt, ob die NATO dieses Miteinander eines Tages aufkündigen könnte, schüttelt Iliyasov nur freundlich den Kopf: »Das kann ich mir nicht vorstellen. Unsere Flugzeuge sind einzigartig, sie werden weltweit gebraucht.« ...
Der größte Nutzer der Salis-Flüge sei übrigens Deutschland, so Iliyasow. Hierzu gehöre auch der Transport von Bundeswehrmaterial nach oder von Afghanistan oder zur Unterstützung der Kurden in Nordirak. Indirekt erklärt er damit auch ein wenig die Wahl Leipzigs als ständige Operationsbasis. ..." (Neues Deutschland, 27.4.15, S. 6)
• Russische Sportlerin gilt in Kiew als "Terroristin"
"Die 16-jährige russische Weltrekordlerin im Gewichtheben Marjana Naumowa kam im Frühjahr auch bei ihrem dritten Besuch der Ostukraine nicht mit leeren Händen. Die als »stärkstes Mädchen der Welt« gefeierte Kraftsportlerin brachte Sportgeräte für Schulen, warme Kleidung für Kinderheime und auch Süßigkeiten mit. Nicht zuletzt veranstaltete sie einen Wettbewerb im Bankdrücken. Darin wurde sie mehrfach Weltmeisterin und stellte über ein Dutzend Weltrekorde auf.
Die Kiewer Antwort auf das Engagement der Sportlerin ließ nicht auf sich warten. Wie Marjana berichtete, wurde sie beschuldigt, Terroristin und Schmugglerin zu sein. Die 16-Jährige steht nun auch noch auf der Terroristenliste einer Gruppe von Aktivisten, die dem ukrainischen Sicherheitsdienst nahe stehen. ...
Im Kriegsgebiet sah sie zerstörte Kontrollpunkte, ausgebrannte Panzer und zerstörte Häuser - für sie bald schon eine fast gewohnte Landschaft. Mit dem Leid mag sie sich nicht abfinden. »Doch die Menschen, die ich dort getroffen habe, sind unglaublich stark.« Sie würden ihr Land nicht verlassen und ihre Werte, Sprache und Geschichte nicht aufgeben. Von jedem Besuch blieben viele Erinnerungen und Fotos. ..." (Neues Deutschland, 27.4.15)
• Berlin und Warschau zittern vor russischen "Nachtwölfen"
""Für das Vaterland, für Stalin!" - mit Schlachtrufen der Roten Armee hat sich der nationalistische russische Motorradclub "Nachtwölfe" auf seine geplante Tour zum 70. Jahrestag des Kriegsendes gemacht. Unklar ist, wie die Biker ihr Ziel Berlin erreichen wollen. Deutschland und Polen wollen ihnen die Einreise verweigern. ...
Die "Nachtwölfe" wollen aus Anlass des Sieges über Hitler-Deutschland vor 70 Jahren den 6.000 Kilometer langen Weg der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg von Moskau quer durch Ost- und Mitteleuropa nachfahren. Am 9. Mai, dem Tag der Kapitulation Nazi-Deutschlands, soll die Tour in Berlin enden. Unterwegs wollen die Biker auch das von der Roten Armee befreite NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besuchen. Nach Veranstalterangaben geht es darum, "diejenigen zu ehren, die beim Kampf gegen den Faschismus gefallen sind".
Deutschland verweigert "führenden Mitgliedern" der "Nachtwölfe" die Einreise. "Wir glauben nicht, dass das dem Ziel dient, einen Beitrag zur Stärkung der deutsch-russischen Beziehungen zu leisten", hieß es in einer Erklärung von Auswärtigem Amt und Bundesinnenministerium. Der Jahrestag müsse "in Würde" begangen und dürfe nicht "instrumentalisiert" werden. Die Bundesregierung verwies überdies auf mögliche "Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung".
Am Vortag hatte bereits Polen dem Club die Durchreise verweigert. Zur Begründung hieß es, es fehlten genaue Angaben über das Programm sowie mögliche Unterkünfte der Teilnehmer, ohne die "deren Sicherheit nicht gewährleistet werden" könne. Russland reagierte "empört" auf die Entscheidung. Polens Ministerpräsidentin Ewa Kopacz hatte die Motorradtour zuvor als eine "einzige Provokation" bezeichnet. ..." (Der Tagesspiegel online, 26.4.15)
Die Sprache des Beitrages ist interessant: "Putins Biker-Club" weil der russsische Präsident die Motorradfahrer schon mehrmals traf und sie als seine "Freunde" bezeichnet haben soll. Der Club soll zu dem "ultranationalistisch" sein, also quasi faschistisch, so á la Asow-Bataillon wahrscheinlich. Und Bundesaußen- wie -innenministerium wollen den Russen vorschreiben, wie sie die Erinnerung an den Sieg über den deutschen Faschismus "in Würde" und ohne "die öffentliche Sicherheit und Ordnung" zu gefährden zu begehen haben. Ist das frech oder was ist das?
• Kiew ohne wirksame Opposition
"Spätestens seit den Morden an Oles Busina und Oleh Kalaschnikow (Mordanschläge gegen prorussischen Journalisten und Politiker in der Ukraine)
ist die Reaktion der ukrainischen Opposition gefragt. Sie bleibt aber
weitgehend still und versucht stattdessen, die aktuelle Krise politisch
und wirtschaftlich zu überleben. Das gelingt nicht allen.
Boris Kolesnikow war einst der wichtigste Nebenmann im System Janukowitsch. Der 52-jährige Unternehmer war als stellvertretender Regierungschef und Infrastrukturminister vor allem für die Vorbereitung der Fußball-Europameisterschaft 2012 verantwortlich. Das große Staatsprojekt sollte das internationale Image der Ukraine verbessern. Doch in der regierungsbildenden Partei der Regionen, die immer aus unterschiedlichen Interessengruppen bestand, war der persönliche Janukowitsch-Vertraute Kolesnikow nie unumstritten. Nach der Parlamentswahl im Herbst 2012 verlor er nach einem internen Machtkampf seinen Regierungsposten.
Während seine Opponenten zusammen mit Janukowitsch, Asarow und anderen großen Figuren der alten Zeit nach Moskau flohen, leitete Kolesnikow am vergangenen Montag schon wieder eine Regierungssitzung. In Charkiw trafen sich die Mitglieder der Oppositionsregierung, die im März vom Oppositionsblock, der aktuell einzigen regierungskritischen Parlamentspartei, gebildet wurde. Diese Vereinigung, ursprünglich schon 2010 gegründet, wurde im letzten September erneut von vielen ehemaligen Mitgliedern der Partei der Regionen ins Leben gerufen.
Nach den Morden an Oleh Kalaschnikow und Oles Busina, die international für Schlagzeilen sorgten, wurde vom Chef der Oppositionsregierung ein starkes Statement erwartet. Denn die Stimmung, die zuletzt in der politischen Landschaft herrscht, ist alles andere als optimal. In diesem Jahr sind außer Kalaschnikow und Busina ungefähr zehn prominente Personen wie Mychajlo Tschetschetow, ehemaliger Abgeordneter der Partei der Regionen, und Olexandr Pekluschenko, Ex-Gouverneur von Saporischschja, ums Leben gekommen. Laut offizieller Angaben handelt es sich dabei meistens um Selbstmorde. Wenn es aber auf einmal so viele Todesfälle gibt, kommen am Suizid als Grund große Zweifel auf (Eine "Ukrainische Aufständische Armee" will für die Mordanschläge verantwortlich sein).
Doch anstatt mit einem Statement begann Kolesnikow, der die Toten persönlich kannte, seinen Auftritt überraschend mit einem Lob für die aktuelle Regierung. "Seit der Gründung der Oppositionsregierung fühlen die Machtinhaber die Konkurrenz - und arbeiten viel intensiver. Dies ist ein gutes Zeichen für die Gesellschaft", betonte der informelle Anführer des Oppositionsblockes in Charkiw. ...
Heute kämpfen Kolesnikow und seine Kollegen in erster Linie um das politische Überleben. Klar positionieren konnte sich der Oppositionsblock bisher nicht. Man stellt sich zwar gegen die Politik der aktuellen Regierung und vor allem gegen das militärische Vorgehen im Donbass, gleichzeitig sind aber viele Themen, die früher Janukowitsch und seine Partei benutzt haben, einfach weg.
Eines der Themen ist die Freundschaft mit Russland: Unter den heutigen Umständen kommt man damit sogar in den früheren Stammregionen der Partei der Regionen wie Charkiw und Dnipropetrowsk nicht wirklich an. ...
Das bringt manch einen zum Nachdenken, denn ein demokratisches Land braucht eine Opposition. Die kann man in der Ukraine momentan kaum finden, was unter den gegebenen Umständen aber kaum überrascht. Einerseits unterstützen die meisten Parteien den europäischen Kurs, den Präsident Poroschenko und Ministerpräsident Jazenjuk gerade fahren. Anderseits ist die aktuelle Lage so unruhig, dass viele sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt raushalten wollen. Wer heute nach einer einflussreichen Opposition in der Ukraine sucht, befindet sich im falschen Land. Den ukrainischen Oppositionellen geht es trotzdem immer noch besser als den russischen Kollegen." (Telepolis, 25.4.15)
Eine interessante Feststellung des Autors am Schluß ...
Boris Kolesnikow war einst der wichtigste Nebenmann im System Janukowitsch. Der 52-jährige Unternehmer war als stellvertretender Regierungschef und Infrastrukturminister vor allem für die Vorbereitung der Fußball-Europameisterschaft 2012 verantwortlich. Das große Staatsprojekt sollte das internationale Image der Ukraine verbessern. Doch in der regierungsbildenden Partei der Regionen, die immer aus unterschiedlichen Interessengruppen bestand, war der persönliche Janukowitsch-Vertraute Kolesnikow nie unumstritten. Nach der Parlamentswahl im Herbst 2012 verlor er nach einem internen Machtkampf seinen Regierungsposten.
Während seine Opponenten zusammen mit Janukowitsch, Asarow und anderen großen Figuren der alten Zeit nach Moskau flohen, leitete Kolesnikow am vergangenen Montag schon wieder eine Regierungssitzung. In Charkiw trafen sich die Mitglieder der Oppositionsregierung, die im März vom Oppositionsblock, der aktuell einzigen regierungskritischen Parlamentspartei, gebildet wurde. Diese Vereinigung, ursprünglich schon 2010 gegründet, wurde im letzten September erneut von vielen ehemaligen Mitgliedern der Partei der Regionen ins Leben gerufen.
Nach den Morden an Oleh Kalaschnikow und Oles Busina, die international für Schlagzeilen sorgten, wurde vom Chef der Oppositionsregierung ein starkes Statement erwartet. Denn die Stimmung, die zuletzt in der politischen Landschaft herrscht, ist alles andere als optimal. In diesem Jahr sind außer Kalaschnikow und Busina ungefähr zehn prominente Personen wie Mychajlo Tschetschetow, ehemaliger Abgeordneter der Partei der Regionen, und Olexandr Pekluschenko, Ex-Gouverneur von Saporischschja, ums Leben gekommen. Laut offizieller Angaben handelt es sich dabei meistens um Selbstmorde. Wenn es aber auf einmal so viele Todesfälle gibt, kommen am Suizid als Grund große Zweifel auf (Eine "Ukrainische Aufständische Armee" will für die Mordanschläge verantwortlich sein).
Doch anstatt mit einem Statement begann Kolesnikow, der die Toten persönlich kannte, seinen Auftritt überraschend mit einem Lob für die aktuelle Regierung. "Seit der Gründung der Oppositionsregierung fühlen die Machtinhaber die Konkurrenz - und arbeiten viel intensiver. Dies ist ein gutes Zeichen für die Gesellschaft", betonte der informelle Anführer des Oppositionsblockes in Charkiw. ...
Heute kämpfen Kolesnikow und seine Kollegen in erster Linie um das politische Überleben. Klar positionieren konnte sich der Oppositionsblock bisher nicht. Man stellt sich zwar gegen die Politik der aktuellen Regierung und vor allem gegen das militärische Vorgehen im Donbass, gleichzeitig sind aber viele Themen, die früher Janukowitsch und seine Partei benutzt haben, einfach weg.
Eines der Themen ist die Freundschaft mit Russland: Unter den heutigen Umständen kommt man damit sogar in den früheren Stammregionen der Partei der Regionen wie Charkiw und Dnipropetrowsk nicht wirklich an. ...
Das bringt manch einen zum Nachdenken, denn ein demokratisches Land braucht eine Opposition. Die kann man in der Ukraine momentan kaum finden, was unter den gegebenen Umständen aber kaum überrascht. Einerseits unterstützen die meisten Parteien den europäischen Kurs, den Präsident Poroschenko und Ministerpräsident Jazenjuk gerade fahren. Anderseits ist die aktuelle Lage so unruhig, dass viele sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt raushalten wollen. Wer heute nach einer einflussreichen Opposition in der Ukraine sucht, befindet sich im falschen Land. Den ukrainischen Oppositionellen geht es trotzdem immer noch besser als den russischen Kollegen." (Telepolis, 25.4.15)
Eine interessante Feststellung des Autors am Schluß ...
• Konservative EU-Politiker bereit zu Krieg gegen Russland
"Die
Europäische Volkspartei ist das größte Parteienbündnis im Europäischen
Parlament. In ihr haben sich die konservativen Parteien, darunter CDU
und CSU, zusammengeschlossen. Die EVP stellt mit Donald Tusk den
Ratspräsidenten sowie mit Jean-Claude Juncker den Präsidenten der
Kommission. Abgeordnete der EVP haben am Dienstag eine Anhörung
über den Stand der EU-Russland- Beziehungen veranstaltet und angesichts
des Konflikts mit Russland propagiert, dass es die beste Verteidigung
sei, sich auf den Krieg vorzubereiten.
Der estnische Abgeordnete Tunne Kelam war der Leiter der Sitzung und hat nach einem Bericht von Euractive.org gleich einmal die Richtung vorgegeben, indem er sagte, Russland sei zum Feind der EU geworden. Das nächste Ziel Russlands seien die baltischen Staaten. Wenn dies geschehe, stünde die Glaubwürdigkeit des Westens auf dem Prüfstand. ...
Für die richtig scharfen Töne sorgte Roland Freudenstein, der stellvertretende Leiter des Martens Centre, eine Stiftung des EVP, die sich auch für TTIP stark macht. Gerade erst hat er den Bericht "The Renaissance of the West" zusammen mit Ulrich Speck von Carnegie Europe geschrieben, in dem die beiden Autoren deutlich machen, wie der Konflikt mit Russland instrumentalisiert wird, um erneut eine transatlantische Einheit zu schaffen. Durch die Begegnung der von Russland ausgehenden Bedrohung, so der Tenor, "können wir eine stärkere transatlantische Beziehung erreichen, die letztlich zu einer Renaissance des Westens führt und als Grundlage für eine Fortsetzung der globalen liberalen Ordnung dient". Die EU wird aufgefordert, die Abhängigkeit von Russland zu mindern, die Nato zu stärken, mehr für Verteidigung auszugeben, TTIP voranzubringen, also das nun schon bekannte Programm des Sinns der Konflikteskalation der interessierten Kreise im Westen, bei dem es vornehmlich um militärische und wirtschaftliche Dominanz geht. ...
Freudenstein gibt den Oberfalken, dürfte aber nur offen aussprechen, was die transatlantischen Kreise bei den konservativen Parteien mit der Ukraine-Politik anstreben: "Wir müssen klar machen, dass wir für die von uns als existentiell erachteten Prinzipien von Europas Zukunft in den Krieg ziehen werden", verkündete Freudenstein nach Euractive. Das schließe auch das Konzept der nuklearen Abschreckung aus dem Kalten Krieg ein. Schon seit einiger Zeit gibt es in den USA Stimmen, die gegen Russland eine Verlegung von Atomwaffen in die EU fordern. Dabei würde Deutschland im Visier stehen, wo es nicht nur genügend US-Stützpunkte, sondern auch die letzten Atomwaffen gibt, die die USA noch in Europa vorrätig hält. ..." (Telepolis, 24.4.15)
In Nebenbemerkungen zeigt Autor Florian Rötzer, dass er Russland nicht anders einschätzt, denn dort seien "ganz ähnliche Machtinteressen im Spiel". Das sind auch interessante Äußerungen, so kurz vor dem 9. Mai. Ob Rötzer auch schon zittert, dass die Russen bald wieder vor der Tür stehen?
Der estnische Abgeordnete Tunne Kelam war der Leiter der Sitzung und hat nach einem Bericht von Euractive.org gleich einmal die Richtung vorgegeben, indem er sagte, Russland sei zum Feind der EU geworden. Das nächste Ziel Russlands seien die baltischen Staaten. Wenn dies geschehe, stünde die Glaubwürdigkeit des Westens auf dem Prüfstand. ...
Für die richtig scharfen Töne sorgte Roland Freudenstein, der stellvertretende Leiter des Martens Centre, eine Stiftung des EVP, die sich auch für TTIP stark macht. Gerade erst hat er den Bericht "The Renaissance of the West" zusammen mit Ulrich Speck von Carnegie Europe geschrieben, in dem die beiden Autoren deutlich machen, wie der Konflikt mit Russland instrumentalisiert wird, um erneut eine transatlantische Einheit zu schaffen. Durch die Begegnung der von Russland ausgehenden Bedrohung, so der Tenor, "können wir eine stärkere transatlantische Beziehung erreichen, die letztlich zu einer Renaissance des Westens führt und als Grundlage für eine Fortsetzung der globalen liberalen Ordnung dient". Die EU wird aufgefordert, die Abhängigkeit von Russland zu mindern, die Nato zu stärken, mehr für Verteidigung auszugeben, TTIP voranzubringen, also das nun schon bekannte Programm des Sinns der Konflikteskalation der interessierten Kreise im Westen, bei dem es vornehmlich um militärische und wirtschaftliche Dominanz geht. ...
Freudenstein gibt den Oberfalken, dürfte aber nur offen aussprechen, was die transatlantischen Kreise bei den konservativen Parteien mit der Ukraine-Politik anstreben: "Wir müssen klar machen, dass wir für die von uns als existentiell erachteten Prinzipien von Europas Zukunft in den Krieg ziehen werden", verkündete Freudenstein nach Euractive. Das schließe auch das Konzept der nuklearen Abschreckung aus dem Kalten Krieg ein. Schon seit einiger Zeit gibt es in den USA Stimmen, die gegen Russland eine Verlegung von Atomwaffen in die EU fordern. Dabei würde Deutschland im Visier stehen, wo es nicht nur genügend US-Stützpunkte, sondern auch die letzten Atomwaffen gibt, die die USA noch in Europa vorrätig hält. ..." (Telepolis, 24.4.15)
In Nebenbemerkungen zeigt Autor Florian Rötzer, dass er Russland nicht anders einschätzt, denn dort seien "ganz ähnliche Machtinteressen im Spiel". Das sind auch interessante Äußerungen, so kurz vor dem 9. Mai. Ob Rötzer auch schon zittert, dass die Russen bald wieder vor der Tür stehen?
"Zweieinhalb Monate nach dem Friedensabkommen von Minsk hat der Vertrag kaum noch Auswirkungen. Offenbar hält sich im Konflikt zwischen der Regierung in Kiew und den Separatisten im Osten der Ukraine keine Seite an die Vereinbarungen. Separatistenführer Alexander Sachartschenko bestätigte dem SPIEGEL, dass seine Truppen nicht wie verlangt alle schweren Waffen zurückgezogen hätten. Da man das Feuer der ukrainischen Streitkräfte erwidern müsse, würden Waffen wieder in ihre alten Stellungen zurückgeführt. ...
Vor allem am Donezker Flughafen, bei Awdijiwka und vor der Hafenstadt Mariupol werde derzeit wieder heftiger gekämpft. Sachartschenko sagte dem SPIEGEL zudem, die "Volksrepublik" verfüge derzeit über mehr als 23.000 Soldaten und 60.000 Reservisten, die notfalls zu den Waffen greifen würden.
Der Chef der "Donezker Volksrepublik" und Oberbefehlshaber ihrer Truppen bekräftigte ein Ziel als unumstößlich: Die Separatisten wollen das gesamte frühere Donezker Gebiet besetzen, also auch jene Teile, die derzeit noch von der ukrainischen Armee "okkupiert" seien. Es wäre gut, so Sachartschenko, wenn das auf friedlichem Wege möglich wäre. Kiew habe jedoch keinen einzigen Punkt der in Minsk ausgehandelten Vereinbarung erfüllt. ..." (Spiegel online, 24.4.15)
In dem gedruckten Interview in der Ausgabe des Spiegel vom 25.4.15 sagt Sachartschenko gegenüber Christian Neef u.a., Kiew habe "von allen Punkten der Minsker Vereinbarung keinen einzigen erfüllt. Vor allem sollte ein direkter Kontakt zu uns hergestellt werden – aber das ist bis heute nicht geschehen.
... 90 Prozent der Forderungen im Minsker Abkommen betreffen Kiew. Wir haben alles nur Denkbare getan: die Militärtechnik abgezogen, der anderen Seite Gefangene übergeben. ...
Wenn wir unsere Waffen abziehen, und die andere Seite feuert auf uns – dann müssen wir doch antworten. Das ist logisch, oder? Deswegen kehren die schweren Waffen in ihre alten Stellungen zurück. ...
Unter 'unserem Territorium' verstehen wir das gesamte Donezker Gebiet in jenen Grenzen, wie es früher zur Ukraine gehörte. ...
Jenen Teil, der noch nicht in unseren Händen ist, sehen wir als widerrechtlich okkupiert an. Charkiw gehört nicht dazu.
Spiegel: Wann wollen Sie dieses restliche Gebiet einnehmen?
... Je schneller, desto besser. Möglichst auf friedlichem Wege. ..."
Reinhard Lauterbach meint dazu in der Tageszeitung junge Welt am 27.4.15: "... Wenig von dem, was Alexander Sachartschenko dem Spiegel sagte, ist für sich genommen neu. Die Forderung nach Übergabe des gesamten Donbass in der territorialen Gestalt der ukrainischen Verwaltungsbezirke Donezk und Lugansk wird auf seiten der »Volksrepubliken« seit Monaten erhoben. Realisierbar aber ist sie nur um den Preis eines neuen Krieges, und den können sich die »Volksrepubliken« ohne massive und offene russische Unterstützung nicht leisten." Diese sei aber nicht absehbar, selbst wenn stimmen sollte, dass Russland die Aufständischen zuletzt mit Flugzeugabwehrwaffen und Aufklärungsdrohnen belieferte, was beides keine Angriffswaffen seien, "nur geeignet, ein Kräftegleichgewicht zu wahren".
Sachartschenkos Eingeständnis, dass die zuvor nach Minsk II zurückgezogenen schweren Waffen wieder an die Frontlinie zurückgebracht würden, sei "die implizite Mitteilung, dass Donezk und Lugansk den Minsker Vertrag für tot halten. Das ist konsequent. Ein Abkommen, das auf einen »historischen Kompromiss« zwischen Kiew und den »Volksrepubliken« hinauslaufen sollte, aber von der ukrainischen Seite nur als Kapitulationsaufforderung buchstabiert wurde, muss irgendwann obsolet werden. Kiew wird diese Kapitulation auf friedlichem Wege ebensowenig erreichen können wie Sachartschenko die verlangten Gebietsgewinne."
• Kiew und Washington bluffen und drohen gegen Moskau
"Nach einigen Wochen relativer Ruhe hat Kiew das Thema »russische Truppen im Donbass« wieder aus der Schublade geholt. Generalstabschef Wiktor Muschenko behauptete dieser Tage, sein Land habe Beweise für die Anwesenheit mehrerer russischer Divisionen in der Ostukraine und nannte ihre Nummern.
Jeder Skatspieler weiß freilich: zu behaupten, Beweise zu haben, und sie zu präsentieren, ist zweierlei. Mit diesem Unterschied operierte Muschenkos Präsident schon im Februar auf der Münchener »Sicherheitskonferenz«: Er hielt ein Bündel von Ausweisen in die Kameras, die angeblich russischen Soldaten im Donbass abgenommen worden sein sollen. Mehr als die Außenseiten dieser Dokumente hat freilich kein Außenstehender zu Gesicht bekommen ...
Was im Falle der Ukraine ständig am Rande der Lächerlichkeit steht, machen ihre großen Brüder in Washington vor. Da präsentierte ein Senator aus Oklahoma angebliche Bilder russischer Panzer im Donbass vor einer Hochgebirgskulisse, die es dort schlicht nicht gibt. Der gute Mann hatte sich in Kiew Bilder aus dem russisch-georgischen Krieg von 2008 andrehen lassen. Und jetzt die nächste dieser Bluffnummern. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Mary Harf, warf Russland vor, das Minsker Abkommen zu verletzen, indem es an der Grenze zur Ukraine Truppen konzentriere. Dummerweise handelt das Minsker Abkommen aber gar nicht davon, was Russland auf seinem eigenen Territorium anstellen oder nicht anstellen soll.
Und wenn Washington Moskau beschuldigt, die Aufständischen mit Drohnen auszurüsten – woher hat dann die Ukraine ihre, die gelegentlich über Donezk abgeschossen werden? Russland vorzuwerfen, es eskaliere die Lage in der Ukraine, wenn man selbst gerade 300 Fallschirmjäger auf einen westukrainischen Truppenübungsplatz geschickt hat, um die Faschisten der Nationalgarde auszubilden, ist eine Form von Chuzpe, die sich nur derjenige leisten kann, der keine Beweise braucht, um seinen Worten Taten folgen zu lassen. ..." (Reinhard Lauterbach in junge Welt, 24.4.15)
• Bergarbeiter protestieren in Kiew
"Seit Mittwoch bietet das Kiewer Regierungsviertel ein Bild wie aus den 90er Jahren. Etwa 1.000 Bergleute schlagen ihre Helme gegen Müllcontainer oder auf das Straßenpflaster. Sie fordern die Auszahlung der seit Anfang des Jahres ausstehenden Löhne und einen Verzicht auf die Streichung von staatlichen Subventionen für die Branche. Vor dem Sitz des Energieministeriums haben sie Zelte aufgestellt und wollen nach eigenem Bekunden dort aushalten, bis der für sie zuständige Minister Wolodymyr Demtschyschyn zurückgetreten ist. Die Polizei hielt sich bisher zurück und lässt die Demonstranten gewähren.
Die schwere Wirtschaftskrise in der Ukraine und der Bürgerkrieg haben dazu geführt, dass derzeit nur etwa 30 von 95 ukrainischen Kohlegruben fördern. Für den Finanzminister ist das sogar gut, denn damit entfallen auch die jahrelang gezahlten Zuschüsse für die Branche. Diese Subventionen zu reduzieren, das ist auch eine der Forderungen der internationalen Gläubiger an Kiew. So wird der Bergbau von der Regierung vom Rückgrat der Volkswirtschaft zum Sorgenkind umdefiniert. Rund ein Drittel der in der Ukraine arbeitenden staatlichen Gruben gelten neuerdings als »perspektivlos« und sollen in den nächsten Jahren stillgelegt werden. Versprechen, es werde Sozialpläne geben, überzeugen die Bergleute und ihre Gewerkschaft nicht. ...
An der Spitze der Proteste stehen weniger Bergleute aus dem Donbass – von dem ein Teil ja ohnehin inzwischen mit der Ukraine nichts mehr zu tun haben will, was Kiew auch einige der mit der Reduktion der Förderkapazitäten verbundenen Probleme erspart. Es sind vielmehr Kumpel aus dem durch die Kürzungen besonders stark betroffenen kleinen Kohlerevier im Bezirk Wolhynien an der polnischen Grenze. Der Westen der Ukraine ist eine Hochburg der Nationalisten. Das schlägt auch auf die Proteste durch: die Flaggen der Demonstranten sind teils blau-gelb wie die Nationalfahne, teils auch schwarz-rot in den Farben der faschistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN). Dieser Chauvinismus auch bei sozialen Protesten ist in den letzten Monaten an verschiedenen Stellen in der Ukraine zu beobachten gewesen. Die »Swoboda«-Partei versucht offensichtlich, mit der Unterstützung und Einbindung sozialer Proteste ein Wählerpotential zu gewinnen, das sie bei den Parlamentswahlen im Oktober unter dem Eindruck des Krieges an die »Volksfront« von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk verloren hatte. So wehten bei Demonstrationen von der Entlassung bedrohter Lehrer und Krankenschwestern ihre Parteifahnen. ..." (junge Welt, 24.4.15)
Ich gestehe, dass mir die Mosaiksteine, so klein sie auch sein mögen, manchmal schwer im Magen liegen. Auch bei solchen wie dem Hinweis auf den BBC-Bericht in Folge 196, nach dem die Aufständischen bei Mariupol Kiewer Truppen mit Artillerie beschiessen. Der BBC-Korrespondent wird quasi zum Kronzeugen erklärt, dass die Aufständischen keinen Frieden wollten. Kein Wort von Tom Burridge, dass auf Kiewer Seite in und bei Mariupol das faschistische Asow-Bataillon eingesetzt ist, zu dessen Leitspruch gehört: "Nicht für den Frieden, aber für den Triumph der Wahrheit":
Quelle: VK-Account Asow-Bataillon
Bei diesen Truppen hielt sich Burridge auf. Auf dem BBC-Video ist neben Burridge einer der von ihm erwähnten internationalen Freiwilligen in Uniform der Bundeswehr zu sehen, samt deutscher Flagge am Ärmel.
Aber auch die ARD berichtet ungeniert und unkommentiert über die faschistischen "Verteidiger" Mariupols, worauf der Blog Spiegelkabinett am 15.4.15 aufmerksam machte.
→ hier geht's zu Folge 196
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
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