Gesammelte Nachrichten und Informationen zum Ukraine-Konflikt
und dessen Hintergründen, ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit
und fast ohne Kommentar
• Kiewer Truppen bringen angeblich schwere Kampftechnik zurück an Trennlinie
"Das
Verteidigungsministerium der selbst ernannten Republik Donezk hat der
ukrainischen Armee vorgeworfen, schwere Kampftechnik insgeheim zur
Trennlinie zurückzubringen. „Belege dafür haben wir in der Nacht zum
Mittwoch erhalten“, erklärte der Vize-Generalstabschef der Donezker
Volkswehr, Eduard Bassurin, am Mittwoch in Donezk.
„Am
südlichen Stadtrand der Siedlung Kurachowka, 13 Kilometer westlich von
Donezk und zwölf Kilometer von der Trennlinie, wurde ein
Mehrfachraketenwerfer des Typs ‚Grad‘ gesichtet. Drei Kilometer von
Kalinin, 20 Kilometer von der Trennlinie, sind drei ähnliche
Mehrfachraketenwerfer aufgestellt. Im Raum der Siedlung Nowomarkowka, 68
Kilometer nördlich von Donezk, wurden von uns zwei Batterien von
D30-Haubitzen nachgewiesen.“ ..." (Sputnik, 1.4.15)
• Jazenjuk wünscht mehr westliche Unterstützung
"Die
Ukraine hofft im Konflikt mit Moskau auf noch mehr westliche
Unterstützung. Dazu gehöre auch militärische Abschreckung, betonte
Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Mittwoch in einer Diskussionsrunde
bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Dies bedeute aber nicht,
dass er auf eine militärische Lösung des Konflikts setze. Dem russischen
Präsidenten Wladimir Putin warf der Regierungschef vor, er stecke noch
immer fest im „sowjetischen Denken“.
Gleichzeitig wies er
Berichte über eine Verletzung der Waffenruhe in der Ost-Ukraine durch
die ukrainische Armee zurück. Er sagte, seit Beginn der Waffenruhe seien
75 ukrainische Soldaten getötet worden. Moskau habe bereits 30.000
Soldaten und russische Zivilisten in das Kampfgebiet geschickt und wolle
die Feuerpause wahrscheinlich nutzen, um militärischen Nachschub
heranzuschaffen. „Putins Ziel ist es letztlich, die Ukraine als
unabhängigen Staat zu eliminieren.“ ...
Die Regierung in
Kiew wünscht sich auch mehr europäische Hilfe, um die wirtschaftlichen
Folgen ihres Konflikts mit Russland abzupuffern. „Die Ukraine kämpft
gegen die von Russland angeführten Terroristen, um Europa und die
Europäische Union zu schützen“, sagte der Ministerpräsident im Gespräch
mit der Deutschen Presse-Agentur. ..." (FAZ online, 1.4.15)
• Donezk: Kiewer Sonderstatusgesetz behindert Umsetzung von Minsk II
"Die
vom ukrainischen Parlament angenommene Version des Gesetzes über den
Sonderstatus für einzelne Gebiete in Donbass behindert die Umsetzung der
Minsker Abkommen, wie der Chef der Volksrepublik Donezk, Denis
Puschilin, geäußert hat.
„Wir haben ein blockiertes Gesetz
über den Sonderstatus bekommen. Dies widerspricht den Minsker Abkommen.
Wir haben Briefe an die Adresse der ‚Normandie-Vier‘ geschrieben,
in denen wir die Verletzungen aufgezählt haben, die dieses Gesetz
betreffen“, sagte Puschilin vor Journalisten. ...
Die von
Präsident Pjotr Poroschenko vorgeschlagenen Novellen zum früheren
Sonderstatus-Gesetz sehen vor, dass dieser Status erst nach örtlichen
Wahlen gewährt wird, die entsprechend den ukrainischen Gesetzen
durchgeführt werden sollen. Zudem wurden die von der Volkswehr
kontrollierten Territorien als „okkupiert“ eingestuft. Sie müssen
„befreit“ werden, bevor die Wahlen überhaupt stattfinden würden, hieß es
in Kiew." (Sputnik, 1.4.15)
• Lukaschenko: USA sollten Minsk II mit umsetzen
"Der
weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat sein Befremden
darüber geäußert, dass die USA nach dem Abschluss der Minsker Abkommen
im Normandie-Format nicht unmittelbar in den Prozess der friedlichen
Regelung in der Ukraine eingeschaltet wurden, wie der Pressedienst des
Staatschefs am Dienstag mitteilte.
Lukaschenko habe sich in einem Interview für die Agentur „Bloomberg“
zu diesem Thema geäußert und mehrere Fragen nach der Regelung der
Situation in der Ukraine nach der Herbeiführung der Minsker Abkommen
beantwortet, so der Pressedienst.
„Besonders befremdlich ist
die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nicht direkt
in diesen Prozess eingeschaltet wurden. Meiner Meinung nach ist ohne die
Amerikaner keine Stabilität in der Ukraine möglich“, zitiert der
Pressedienst Lukaschenko. ...
„Ich weiß nicht, was die
Amerikaner hier in Osteuropa, insbesondere in der Ukraine, wollen. Wenn
die Amerikaner aber möchten, dass hier Frieden und Stabilität
einkehren, müssen sie sich unverzüglich diesem Prozess anschließen“,
betonte der weißrussische Staatschef." (Sputnik, 1.4.15)
• Zeugen für MH17-Abschuss gesucht
"Das
internationale Ermittlerteam zum Absturz von Flug MH17 hat Zeugen für
den möglichen Abschuss der Maschine mit einer Boden-Luft-Rakete über der
Ostukraine aufgerufen, sich zu melden. In einem am Montag international
verbreiteten Video werden Bilder vom Transport eines Buk-Raketensystems
in den Tagen um den Absturz vom 17. Juli 2014 gezeigt.
Bei
dem Absturz der Maschine der Malaysia Airlines waren alle 298 Menschen
an Bord getötet worden. Die meisten waren Niederländer.
Die
Ermittler gehen davon aus, dass die Maschine von einer Rakete
abgeschossen wurde. Der Zeugenaufruf heiße jedoch nicht, dass dies
bereits eindeutig feststehe, erklärte die leitende Staatsanwaltschaft in
Rotterdam. "Dafür sind mehr Untersuchungen notwendig." Die Niederlande
leiten die internationalen strafrechtlichen Ermittlungen. ..." (Der Standard online, 30.3.15)
Wenn ich mich nicht irre, wurde das verwendete Video vom angeblichen Buk-Transport zuerst vom Kiewer Innenministerium online gestellt, siehe auch hier etwas vom Geheimdienst SBU. Die irren sich bestimmt nicht. Allerdings behauptete der SBU schon am 19.7.14, dass nur die Russen MH 17 abgeschossen haben können. Was suchen die noch?
• US-Militärs trainieren auch faschistisches Asow-Bataillon
"Die
Ukraine erwartet am 20. April 290 Militärausbildner aus den Vereinigten
Staaten. Sie sollen das ukrainische Militär stärken, das durch den
Krieg im Donbass geschwächt wurde. "900 Kämpfer der Nationalgarde werden
die Ausbildung durchlaufen", teilte Innenminister Arsen Awakow am
Montag bei Facebook mit.
An dem Training auf dem
westukrainischen Stützpunkt Jaworiw sollen demnach auch Einheiten des
Freiwilligenbataillons Asow teilnehmen, das wegen rechtsextremer
Tendenzen in der Kritik steht.
Drei Gruppen von je 300 Mann
sollen Awakow zufolge acht Wochen lang für den Kampf gegen die
prorussischen Separatisten in den Gebieten Donezk und Luhansk (Lugansk)
trainiert werden. Abschließend ist eine gemeinsame Übung geplant. Zudem
erhalten die Nationalgardisten Spezialmunition und Kommunikationsgeräte.
..." (Die Presse online, 30.3.15)
• US-Generäle: Aufständische bereiten neue Offensive vor und Russland eine Invasion auf dem Seeweg
Thomas Gutschker von der FAZ hat mit einem US-Soldaten gesprochen, "keiner dieser Militärs, die das Messer zwischen den Zähnen haben",
mit Generalleutnant Ben Hodges, Befehlshaber der US-Heerestruppen in
Europa. Und Gutschker berichtet in der Onlineausgabe der FAZ vom 29.3.15 von des Generals täglichen Sorgen über das Geschehen in der Ostukraine: "Ist
die Waffenruhe brüchig, weil beide Seiten einander nicht über den Weg
trauen? Oder bereiten die Separatisten im Schatten der Waffenruhe schon
den nächsten Großangriff vor? Und falls ja, wo wird er stattfinden?"
Ließe
sich fragen, ob den US-Soldaten in der Ukraine kämpfen? Aber dem ist
offiziell nicht so. Hodges macht sich trotzdem Sorgen, denn er "ist
für die amerikanischen Soldaten verantwortlich, die vor einem Jahr in
die östlichen Nato-Staaten verlegt worden sind. Auch die Ausbildung der
ukrainischen Armee fällt in seinen Bereich."
Der US-General sorgt sich laut FAZ-Bericht
ob der gemeldeten Kämpfe nahe Mariupol. Dort hat das faschistische
Asow-Bataillon das Sagen, dessen Kämpfer demnächst auch von Hogdes'
Unterstellten trainiert werden. Aber nicht das faschistische Freikorps
("Heute die Ukraine, morgen Europa") sei daran schuld, sondern: "Die
Russen und die Rebellen nutzen jede Kampfpause, um sich neu
aufzustellen. Sie führen den Konflikt auf kleiner Flamme fort, um die
ukrainischen Streitkräfte zu binden. Dann folgt irgendwann der nächste
große Angriff."
FAZ-Schreiber Gutschker erinnert daran, dass vor
einer Woche ein anderer US-General, Philip Breedlove, Oberbefehlshaber
der Nato und der amerikanischen Streitkräfte in Europa, schon vor dem
Treiben der Russen undd er Aufständischen warnte: „Wir sehen
weiterhin, wie besorgniserregende Teile der Luftverteidigung, Nachschub
für Kommando- und Kontrolleinrichtungen und andere Ausrüstung über eine
vollständig löchrige Grenze kommen.“ Breedlove habe sich auf das Auswertungszentrum der Nato berufen. Und sein direkter Unterstellter Hodges legt gegenüber der FAZ nach : „Sie holen mehr gepanzerte Fahrzeuge herein.“ Im Klartext: In der Ostukraine wird nicht abgerüstet, es wird aufgerüstet."
Die US-Militärs gehen weiter als deutsche Sicherheitskreise. Die meinen laut FAZ,
dass die Aufständischen in der Schlacht von Debalzewe viele
Gefechtsfahrzeuge erbeutet haben, was sie schlagkräftiger mache. Aus
deutscher Sicht gebe es keine Beweise für die US-amerikanischen
Behauptungen
über reguläre russische Einheiten in der Ostukraine. "Aber sie
teilen eine Sorge, die Hodges und seine Leute umtreibt: Der nächste
große Angriff dürfte auf Mariupol zielen, die Stadt mit 450.000
Einwohnern am Asowschen Meer." ...
Hodges geht laut Gutschker davon aus, dass die Aufständischen Mariupol mit "massiver russische Unterstützung, mehr noch als bei der Schlacht um Debalzewe" erobern wollen. "Insgesamt
vielleicht 30.000 Mann – so viele Kämpfer waren bisher maximal im
gesamten Separatistengebiet im Einsatz. Hodges rechnet mit einer
Invasion über den Seeweg, die Russen könnten Marineinfanteristen
einsetzen, wie bei ihrer Eroberung der Krim. ..." (FAZ online, 29.3.15)
• Plünderer nutzen angeblich Situation in der Ostukraine aus
"In
die Ostukraine sickern kriminelle Banden ein – sie wollen sich in den
verlassenen und umkämpften Gebieten bereichern. Unterdessen harren noch
immer Menschen im Niemandsland zwischen den Fronten aus. Sie sind nicht
geflüchtet. ...
Im Hauptquartier des Anti-Terror-Einsatzes
der ukrainischen Streitkräfte sieht man eine neue Gefahr heraufziehen.
Die derzeitigen Konfrontationen in Süd-Donezk und der Region Luhansk
gingen nur zu einem Teil auf das Konto der Separatisten, zudem würden
sich „kriminelle Banden Gefechte mit der ukrainischen Armee liefern“,
schreibt die „Ukrainska Prawda“. Am Bahnhof von Illowaisk sei am
Donnerstag beobachtet worden, wie 600 „russische Söldner burjatischen
Aussehens“ aus einem Zug aus Russland ausgestiegen seien. Diese Kämpfer
„interessieren sich nur für ihre persönliche Bereicherung und ziehen
plündernd durch die besetzten Gebiete“, schreibt die Zeitung. ..." (Der Tagesspiegel online, 29.3.15)
• Verweigert Steinbrück doch den Dienst für Oligarchen?
"Die Anfang März unter großem Medieninteresse präsentierte "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" des Oligarchen Dmitry Firtasch
löst sich in ihre Bestandteile auf: Nach dem deutschen
Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz erwägt auch Ex-Kanzlerkandidat
Peer Steinbrück, seine Zusage zurückzuziehen. Er hätte eigentlich den
Posten eines "Senior Adviser" bekleiden sollen.
"Anders als ursprünglich gedacht, hat die Ukraine kein Defizit an Reformplänen, sondern an deren Umsetzung", sagte Steinbrück dem deutschen Nachrichtenmagazin "Spiegel".
Bei einem Besuch in Kiew in der kommenden Woche will er nun
herausfinden, ob die Organisation tatsächlich auf die Unterstützung der
ukrainischen Regierung zählen kann. ...
Hauptgeldgeber der Agentur ist der Oligarch Firtasch, der auch Vorsitzender des ukrainischen Arbeitgeberverbands ist. ...
Firtasch
galt als enger Vertrauter des gestürzten Präsidenten Wiktor
Janukowitsch. Nach dessen Sturz stellte er sich hinter die neue Führung." (Der Standard online, 27.3.15)
• Deutsche Wirtschaftsverluste durch Sanktionen
"Um
eine Milliarde Euro ist das deutsche Exportvolumen nach Russland im
Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. Es ist der heftigste
Einbruch seit 2009, den selbst Experten so nicht erwartet hatten.
Die
deutschen Exporte nach Russland brechen wegen der westlichen Sanktionen
immer stärker ein. Die Warenausfuhren summierten sich im Januar auf nur
noch 1,44 Milliarden Euro - das sind gut eine Milliarde Euro oder 35,1
Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Das geht aus Daten des Statistischen
Bundesamtes hervor, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegen. Einen
stärkeren Rückgang gab es zuletzt im Oktober 2009, als die weltweite
Finanzkrise die Ausfuhren drosselte.
"Damit schlägt die
politische Krise infolge des Ukraine-Konflikts nunmehr voll auf die
Wirtschaft und die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen durch", sagte
der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard
Cordes.
Er forderte angesichts des "rekordverdächtigen
Rückgangs" verstärkte diplomatische Anstrengungen, damit der
Ukraine-Konflikt entschärft werde. "Eine zunehmende wirtschaftliche
Entflechtung Russlands von Deutschland und der EU kann nicht in unserem
Interesse liegen", sagte Cordes. ..." (Wirtschaftswoche online, 24.3.15)
Siehe auch "Die Unsinnigkeit und die Unmoral der Russland-Sanktionen" (Blog Der Unbequeme, 29.3.15): "Die jüngste Meldung, dass Putins Beliebtheit in Russland nicht fällt, sondern auf ein Rekordhoch
gestiegen ist, dürften die europäischen Sanktionsbefürworter wohl mit
wenig Freude registriert haben. Das Hauptkalkül der Sanktionen, die
russische Bevölkerung gegen Putin aufzubringen und ihn dadurch zum
"Einlenken" in der Ukraine-Politik zu bewegen, scheint nicht aufzugehen.
Wie so oft, erweisen sich Sanktionen nicht nur wirtschaftlich als
zweischneidiges Schwert, der den Initiator mitschädigt, sondern bewirken
auch politisch genau das Gegenteil des Gewünschten: die Konsolidierung
der Bevölkerung rund um die nationale Führung und eine nachhaltige
Entfremdung gegenüber den Ländern, die die als feindselig empfundenen
Sanktionen verhängt haben. ...
Indes formiert sich innerhalb der EU Widerstand
gegen die Russland-Sanktionen. Länder wie Österreich, Ungarn, Slowakei,
Griechenland, Zypern, Italien und Spanien sind immer weniger bereit,
die finanziellen Einbußen der Sanktionen zu tragen, die ihnen aus
Brüssel gegen ihren Willen aufgebürdet wurden. Da zudem immer mehr
Verständnis für den wahren Charakter der Ereignisse in der Ukraine
aufkommt, werden sie jegliche Ausweitung der unmoralischen Sanktionen
sowie ihre Verlängerung zu verhindern versuchen. Demnächst wird die
US-Vasallin und Statthalterin Merkel bei der Umsetzung von US-Interessen
innerhalb der EU deutlich mehr ins Schwitzen kommen und noch bedeutend
mehr Gegenleistungen zum Schaden Deutschlands in die Wagschale werfen
müssen, als es ohnehin schon der Fall ist."
• Oligarch Firtasch will Investitionen statt Panzer
"Der
ukrainische Oligarch Dmitro Firtasch spricht im Interview über die
Situation seiner Chemiefabriken im Kriegsgebiet und die von ihm
mitfinanzierte Beratertruppe für die Reformierung des Landes. ...
Wie
sollen die Menschen in der Ostukraine wieder Vertrauen in Kiew
gewinnen? Sie sind seit Monaten der russischen Propaganda ausgesetzt,
wonach in der Hauptstadt die Faschisten am Werk sind.
Bevor
die bewaffneten Kämpfe im Mai 2014 begannen, waren 80 Prozent der
Meinung, dass sie zur Ukraine gehören. Jetzt ist das eher umgekehrt, die
meisten wollen mit Kiew nichts mehr zu tun haben. Aber wenn wir ihnen
mehr Selbstständigkeit geben, werden sie sich Kiew wieder annähern. Die
Wunden werden heilen.
Wie haben Sie als Unternehmer die Maidan-Proteste erlebt?
Das
war ein sehr wichtiges Ereignis, denn die Menschen haben ihrer
Enttäuschung Luft gemacht. Aber sie haben dafür einen sehr hohen Preis
gezahlt, Dutzende sind ums Leben gekommen. Geblieben ist die
Enttäuschung. Denn eine schlechte Regierung hat eine andere abgelöst,
die Korruption ist schlimmer geworden. Jetzt wissen viele Ukrainer
nicht, ob es das wert war.
Was lief falsch?
Schuld
sind die Führer der Opposition. Sie hätten den Ex-Präsidenten Viktor
Janukowitsch nicht stürzen sollen. Und musste es sein, dass sie danach
die russische Sprache verbieten wollten? Mit etwas mehr Geduld und
Diplomatie hätte die Eskalation verhindert werden können.
Auf
Ihre Initiative hin soll jetzt die „Agentur für Modernisierung“ der
ukrainischen Regierung quasi als Aufsichtsrat auf die Sprünge helfen.
Warum trauen Sie der proeuropäischen Regierung in Kiew nicht zu, dass
sie selbst Reformen vorantreibt?
Weil sich nichts
tut. Seit einem Jahr spricht die Regierung von Reformen, aber der Umbau
in ein modernes europäisches Land kommt nicht voran. Die Ukraine ist in
einem fürchterlichen Zustand, die Politik geht wie eh und je der
Korruption nach. Als Unternehmer wollen wir zeigen, dass sich jetzt
etwas grundlegend ändern muss. ...
Und wenn sich nichts ändert? Droht dann ein neuer Maidan, ein Volksaufstand?
Schlimmer.
Viele Menschen misstrauen ihrem Land und verlassen es. Die Unternehmen
leiden darunter schon, manche machen dicht. So blutet die Ukraine aus.
Solch eine Schwächung kann nach zwei, drei Jahren zu einer großen Gefahr
werden. ...
Premierminister Arseni Jazenjuk meint,
dass erst der Krieg im Osten des Landes gewonnen werden müsse, bevor das
Land reif für Reformen sei. Hat er recht?
Nein.
Die Ukraine braucht Investitionen und keine Panzer, wie sie die
Politiker vom Westen fordern. Auch mit noch so vielen Waffen werden wir
den Krieg nicht gewinnen. Europa sollte einen Marshallplan in Höhe von
300 Milliarden Euro auflegen. Das ist viel Geld, aber es würde die
Ukraine voranbringen. Und die EU bekäme einen neuen Markt und ein
Reservoir an Arbeitskräften. So war es doch mit der deutschen
Wiedervereinigung. ..." (Wirtschaftswoche online, 12.3.15)
Ja,
das sehe ich auch so, aber doch anders: Ostdeutschland ist ein "gutes"
Beispiel dafür, was die Ukraine erwartet, wenn ihr die EU samt USA und
IWF das Heil gebracht haben. Dort hat die Deindustrialisierung, das
zielgerichtete Zerstören potenzieller ostdeutscher Konkurrenz für
westdeutsche Firmen und Konzerne, u.a. zu einem deutlichen
Bevölkerungsschwund geführt, der sogar größer ist, als offiziell bisher
eingestand, wie Die Welt online am 5.3.15 meldete. Das sieht nicht danach aus, als würde es für die Menschen, für deren Mehrheit, besser werden als es jetzt schon schlecht ist.
→ hier geht's zu Folge 180
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
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