• Wagenknecht: "Dialog mit Russland ist im europäischen Interesse"
""Der Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras in Moskau sollte Anlass sein, auch die deutsche und europäische Politik gegenüber Russland zu überprüfen und wieder eine Ostpolitik zu entwickeln, die auf Dialog statt auf Konfrontation setzt. Statt gemeinsam mit den USA eine massive Aufrüstung der Ukraine zu finanzieren, sollte die Bundesregierung lieber dafür sorgen, dass die Gespräche im NATO-Russland-Rat wieder aufgenommen und die Sanktionen gegenüber Russland aufgehoben werden. Ein sensibler Umgang mit der deutschen Geschichte würde außerdem beinhalten, dass Kanzlerin Merkel an der offiziellen Feier anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus in Moskau teilnimmt und sich einer Debatte über Entschädigungen für Nazi-Verbrechen nicht länger verweigert", erklärt Sahra Wagenknecht anlässlich des Staatsbesuches von Alexis Tsipras in Moskau.
Die Erste Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE weiter: "Die Drohgebärden deutscher Politiker gegenüber Athen sind nicht nur peinlich, sondern auch gefährlich. Wer ein gemeinsames Europa will, muss die europäischen Nachbarländer mit Respekt behandeln und deren Souveränität achten. ..." (Pressemitteilung MdB Sahra Wagenknecht, Linksfraktion, 9.4.15)
• Tsipras für Ende der Sanktionen gegen Russland
"... Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat sich bei seinem Moskau-Besuch erneut für ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland stark gemacht, ohne jedoch russischen Beistand in der Schuldenmisere seines Landes zu fordern. Dies sei ein "europäisches Problem", für das eine "europäische Lösung" gefunden werden müsse, sagte er am Mittwoch nach einem Treffen mit Präsident Wladimir Putin. Dieser stellte Athen Investitionen in Aussicht - aber keine Lockerung des Landwirtschaftsembargos.
EU-Vertreter hatten befürchtet, Tsipras werfe sich Putin in die Arme, um die Pleite abzuwenden - und spalte zugleich die EU in der Frage der Sanktionen, die die Europäer wegen der Ukraine-Krise gegen Moskau verhängt haben. Die Kritik, die unter anderen EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) geäußert hatte, wies Tsipras energisch zurück. "Griechenland ist ein souveräner Staat und hat das uneingeschränkte Recht auf eine eigene, vielschichtige Außenpolitik." ..." (Euractiv, 9.4.15)
• Geschützdonner in der Ostukraine
Ulrich Heyden berichtet auf Seite 3 der Ausgabe vom 9.4.15 der Tageszeitung Neues Deutschland aus der Ostukraine: "Die Menschen in der ostukrainischen Großstadt Donezk freuen sich auf das russische Osterfest, das eine Woche nach dem Osterfest in Westeuropa stattfindet. Der 48-jährige Igor, der Inhaber mehrerer Schönheitssalons ist, hat sich streng an die russisch-orthodoxen Fastenregeln gehalten. Sechs Wochen lang trinkt man nichts Hochprozentiges - nur Bier -, und verzichtet auf Fleisch. Nach dieser langen Pause ist die Vorfreude auf das Osterfest besonders groß. Schon jetzt, in Deutschland wird gerade Ostern gefeiert, malt Igor sich aus, was er seinen Gästen alles auftischen wird. Wenn in der Ferne die Geschütze grollen, soll das die festliche Stimmung nicht dämpfen. ...
Die Regierung in Kiew tut alles, um den Menschen in der DNR das Leben schwer zu machen. Offenbar handelt sie nach dem Motto, wer sich mit Russland verbündet, soll bleiben, wo der Pfeffer wächst. Immer wieder werden die Lkw mit humanitärer Hilfe wie langlebigen Nahrungsmitteln, die der aus Donezk stammende Oligarch Rinat Achmetow aus Kiew schickt, an der Waffenstillstandslinie von der ukrainischen Nationalgarde aufgehalten. Die Soldaten verlangen Schmiergeld, erzählt man sich. ...
Die Rosenbeete von Donezk sind gepflegt und die Straßen sauber. Nur von Ferne trägt der Wind manchmal Geschützdonner herüber. Das Wummern kommt vom Flughafen, der immer noch von ukrainischen Truppen mit Artillerie und leichten Waffen beschossen wird, berichtet die Donezker Nachrichtenagentur DAN. Am unruhigsten ist es aber am südlichen Frontabschnitt, in der Nähe des Ortes Schirokino.
Das aus Vertretern der DNR und der ukrainischen Armee gebildete »Kontrollzentrum zur Überwachung des Waffenstillstandes« will diesen Grenzabschnitt demnächst inspizieren. Innerhalb von 24 Stunden habe es 16 Beschießungen von ukrainischer Seite gegeben: auf den Flughafen von Donezk und die Orte Grobunki, Gorlowka, Spartak, Schirokino, Nowaja Marewka und Wasilewka, meldet DAN.
Die Situation in Donezk sei zurzeit zwar »ruhig«, meint Aleksandr Hug, Sprecher der 350 Mann starken OSZE-Beobachtermission auf einer Pressekonferenz im Donezker Hotel Park Inn. Aber er sagt auch: »Der Frieden ist sehr zerbrechlich.« Schwere Waffen - von welcher Seite sagte Hug nicht - seien nach wie vor in »Verteidigungs- und Angriffspositionen« stationiert. Noch immer seien nicht alle schweren Waffen aus der Zone um die Waffenstillstandslinie zurückgezogen worden.
Auf die »nd«-Frage, ob man nicht die Regierung in Kiew auffordern müsse, das Grenzregime zu lockern, um den Menschen aus der DNR die Fahrt in die Zentralukraine zu erleichtern, meint Hug, dass die OSZE an weiteren Flüchtlingsströmen kein Interesse habe. Man wolle, »dass die Menschen im Gebiet Donezk bleiben«. Ziel müsse allerdings sein, dass die Grenze zwischen der DNR und dem ukrainischen Kernland »verschwindet«. ..."
• Überall nur "Putin-Trolle"?
"Seit
Beginn der Ukrainekrise und der Zunahme kritischer Leserkommentare wird
immer wieder über den Einfluss verdeckt arbeitender russischer
Lohnschreiber berichtet, die als vermeintliche deutsche Leser im Sinne
Moskaus hierzulande Propaganda verbreiten würden ("Putins Trolle" und der freie Fluss der Information). Soweit die These, vorgebracht nicht zuletzt von einigen der führenden Köpfe im deutschen Journalismus.
Zuletzt hatte etwa der stellvertretende Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, diesbezüglich von einer "Propagandamaschine im Internet" gesprochen (Medien: Der verdrängte Vertrauensverlust). Gleichen Sinnes vermutete Spiegel-Autor Christian Neef mit Blick auf die kritischen Leserkommentare unter seinen eigenen Ukraine-Artikeln "gesteuerte Propagandakampagnen". Auch FAZ-Mitherausgeber Günther Nonnenmacher sah in der Welle abweichender Lesermeinungen schon vor einiger Zeit eine "ganz offensichtlich eine konzertierte Aktion" (Leserkommentare abschalten?).
Und so werden die Genannten die in dieser Woche unter anderem in der FAZ, der Bild-Zeitung, dem Focus, der Welt und vielen anderen Zeitungen verbreitete Story der Nachrichtenagentur AFP wohl auch mit einem zufriedenen Nicken zur Kenntnis genommen haben.
Denn dort packt eine dieser russischen Online-Trolle, Ljudmilla Sawtschuk, nun aus und erklärt das System: Es gäbe 800 Euro pro Monat, die Lohnschreiber müssten dafür in Onlineforen und Blogs Putins Politik loben und "seine Gegner niedermachen". Die Arbeit selbst fände in einem "grauen Gebäude" in Sankt Petersburg statt und sei hart, wie die FAZ in einer Übersetzung der AFP-Story schreibt ...
Insgesamt scheint es zur Frage, ob russische Trolle im Regierungsauftrag in deutschen Leserforen schreiben, nach wie vor keine klaren Erkenntnisse zu geben. Eine Mitarbeiterin von Zeit Online sagte vor einigen Wochen gegenüber Telepolis zwar, dass es "zu Ukraine-Themen massive Manipulationsversuche in den Kommentarbereichen gegeben" habe, in der von ihr auf Nachfrage präsentierten Quelle, einem Artikel von Anfang 2014, hieß es aber nur: "Beweisen lässt sich die Vermutung, dass bezahlte Kommentatoren aktiv sind, allerdings nicht."
Auch in einem anderen Zeit-Artikel vom vergangenen Frühjahr musste der Autor einräumen: "Vor allem in Deutschland, England und den USA hat eine Debatte über manipulierte Kommentare begonnen, doch so vielfältig die Verdachtsmomente sind, so dürftig sind die Beweise. Und nicht alle Wege führen nach Moskau. (…) International haben vor allem der britische Guardian und die NZZ aus der Schweiz versucht, die prorussische Kommentarflut redaktionell aufzuarbeiten, in Deutschland beispielsweise die FAZ. Außer den Indizien, die in Richtung Moskau zeigen, mussten alle Medien jedoch auch bestätigen, dass zahlreiche Beiträge, die eher dem Westen als Russland die Schuld für die Ukraine-Krise zusprechen, von altgedienten Kommentatoren stammen, die ihre Argumente sprachlich einwandfrei vortragen."
Was bleibt, ist wohl das Unbehagen vieler Journalisten in den Leitmedien, die mit der Masse von Leserkritik offenbar überfordert sind. Doch die Debatte zur Einseitigkeit der Russland-Berichterstattung und dem daraus resultierenden Vertrauensverlust vieler Leser und Zuschauer muss geführt werden - unabhängig davon, wo und wie russische Trolle nun ihr Unwesen treiben.
Naiv wäre in jedem Fall die Annahme, dass nur eine Konfliktseite solche Methoden anwendet - siehe Radio Free Europe, dessen Rolle in den aktuellen Berichten zur "Trollfabrik" sicher noch gründlicher analysiert werden sollte, gerade auch von den vermeintlich so um Objektivität bemühten Leitmedien. Erinnert sei an die - übrigens bestätigten - Berichte zu den massiven Aktivitäten des US-Militärs, mithilfe falscher Online-Identitäten pro-amerikanische Propaganda in den sozialen Netzwerken zu verbreiten und so den Anschein eines Konsenses unter den Lesern vorzutäuschen. Die Rechtfertigung des US-Militärs gegenüber Kritikern seinerzeit: Man würde nur das Ausland mit der manipulativen Propaganda beglücken." (Paul Schreyer auf Telepolis, 8.4.15)
Zuletzt hatte etwa der stellvertretende Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, diesbezüglich von einer "Propagandamaschine im Internet" gesprochen (Medien: Der verdrängte Vertrauensverlust). Gleichen Sinnes vermutete Spiegel-Autor Christian Neef mit Blick auf die kritischen Leserkommentare unter seinen eigenen Ukraine-Artikeln "gesteuerte Propagandakampagnen". Auch FAZ-Mitherausgeber Günther Nonnenmacher sah in der Welle abweichender Lesermeinungen schon vor einiger Zeit eine "ganz offensichtlich eine konzertierte Aktion" (Leserkommentare abschalten?).
Und so werden die Genannten die in dieser Woche unter anderem in der FAZ, der Bild-Zeitung, dem Focus, der Welt und vielen anderen Zeitungen verbreitete Story der Nachrichtenagentur AFP wohl auch mit einem zufriedenen Nicken zur Kenntnis genommen haben.
Denn dort packt eine dieser russischen Online-Trolle, Ljudmilla Sawtschuk, nun aus und erklärt das System: Es gäbe 800 Euro pro Monat, die Lohnschreiber müssten dafür in Onlineforen und Blogs Putins Politik loben und "seine Gegner niedermachen". Die Arbeit selbst fände in einem "grauen Gebäude" in Sankt Petersburg statt und sei hart, wie die FAZ in einer Übersetzung der AFP-Story schreibt ...
Insgesamt scheint es zur Frage, ob russische Trolle im Regierungsauftrag in deutschen Leserforen schreiben, nach wie vor keine klaren Erkenntnisse zu geben. Eine Mitarbeiterin von Zeit Online sagte vor einigen Wochen gegenüber Telepolis zwar, dass es "zu Ukraine-Themen massive Manipulationsversuche in den Kommentarbereichen gegeben" habe, in der von ihr auf Nachfrage präsentierten Quelle, einem Artikel von Anfang 2014, hieß es aber nur: "Beweisen lässt sich die Vermutung, dass bezahlte Kommentatoren aktiv sind, allerdings nicht."
Auch in einem anderen Zeit-Artikel vom vergangenen Frühjahr musste der Autor einräumen: "Vor allem in Deutschland, England und den USA hat eine Debatte über manipulierte Kommentare begonnen, doch so vielfältig die Verdachtsmomente sind, so dürftig sind die Beweise. Und nicht alle Wege führen nach Moskau. (…) International haben vor allem der britische Guardian und die NZZ aus der Schweiz versucht, die prorussische Kommentarflut redaktionell aufzuarbeiten, in Deutschland beispielsweise die FAZ. Außer den Indizien, die in Richtung Moskau zeigen, mussten alle Medien jedoch auch bestätigen, dass zahlreiche Beiträge, die eher dem Westen als Russland die Schuld für die Ukraine-Krise zusprechen, von altgedienten Kommentatoren stammen, die ihre Argumente sprachlich einwandfrei vortragen."
Was bleibt, ist wohl das Unbehagen vieler Journalisten in den Leitmedien, die mit der Masse von Leserkritik offenbar überfordert sind. Doch die Debatte zur Einseitigkeit der Russland-Berichterstattung und dem daraus resultierenden Vertrauensverlust vieler Leser und Zuschauer muss geführt werden - unabhängig davon, wo und wie russische Trolle nun ihr Unwesen treiben.
Naiv wäre in jedem Fall die Annahme, dass nur eine Konfliktseite solche Methoden anwendet - siehe Radio Free Europe, dessen Rolle in den aktuellen Berichten zur "Trollfabrik" sicher noch gründlicher analysiert werden sollte, gerade auch von den vermeintlich so um Objektivität bemühten Leitmedien. Erinnert sei an die - übrigens bestätigten - Berichte zu den massiven Aktivitäten des US-Militärs, mithilfe falscher Online-Identitäten pro-amerikanische Propaganda in den sozialen Netzwerken zu verbreiten und so den Anschein eines Konsenses unter den Lesern vorzutäuschen. Die Rechtfertigung des US-Militärs gegenüber Kritikern seinerzeit: Man würde nur das Ausland mit der manipulativen Propaganda beglücken." (Paul Schreyer auf Telepolis, 8.4.15)
Deutschlands Beruf sei es, der Welt Genesung zu bringen, schrieb einst Emanuel Geibel. Das dachten sich wohl auch deutsche und ukrainische Geschichtsschreiber bzw. -umdeuter: "... Die Geschichte der Ukraine soll „ohne politische Voreingenommenheit“ mit Hilfe der deutsch-ukrainischen Kommission neu erforscht werden. Die Kommission wurde auf Betreiben von deutschen Historikern ins Leben gerufen. Zu der Kommission gehören zehn Professoren – jeweils fünf von jeder Seite.
Laut deutschen Medien hat sich die Kommission zum Ziel gesetzt, der Ukraine zu einer eigenständigen politischen Gestalt zu verhelfen sowie der Ideologisierung der historischen Ereignisse und den Manipulationen der Putin-Propaganda entgegen zu wirken.
Wie der Vorsitzende des Deutschen Historikerverbandes, Martin Schulze Wessel, betonte, wurde die Ukraine in der deutschen Wahrnehmung, teilweise auch in der Fachwissenschaft, allzu lange nur als Zwischenraum oder als Einflusssphäre ohne eigene Geschichte wahrgenommen.
Die Historiker wollen den Holodomor (Hungersnot), mehrere Gewalterscheinungen von 1930 bis 1940 sowie die „einseitige Darstellung der historischen Persönlichkeiten wie Stepan Bandera” erforschen. ..." (Sputnik, 8.4.15)
Deutsche und Ukrainer können ja mit Geibels besungener "schwerterprobter Hand" die Geschichte zurecht biegen:
"... Macht und Freiheit, Recht und Sitte,
Klarer Geist und scharfer Hieb
Zügeln dann aus starker Mitte
Jeder Selbstsucht wilden Trieb,
Und es mag am deutschen Wesen
Einmal noch die Welt genesen."
Dabei halfen Deutsche schon immer gern.
• Peinliches Theater um Tsipras-Besuch in Moskau
Das hysterische Theater, das deutsche Politiker und andere wegen des Besuches des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Russland aufführen, ist mindestens peinlich und zeigt, wessen Geistes Kind diese Politikdarsteller und -marionetten und ihre medialen Lakaien sind.
Ich stimme zu Albrecht Müller zu, der dazu am 8.4.15 auf den Nachdenkseiten schrieb: "„Umstrittener“ Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Moskau
So hieß es im Deutschlandfunk heute um 13:00 Uhr zu Beginn der Nachrichtensendung und dann noch einmal beim Übergang zur anschließenden Sendung. Ganz selbstverständlich und ohne An- und Abführung: umstrittener. Und dann wundern sich unsere Hauptmedien, dass ein paar wache Köpfe diese kaltblütige Propaganda nicht mehr mitmachen und auf den Foren der Meinungsbildungseliten Kritik üben. Offenbar haben die Hauptmacher der Propaganda nicht einmal mehr eine kleine Ahnung davon, wie eine demokratische Berichterstattung aussehen müsste. Selbstverständlich müsste über die Moskaureise eines griechischen Ministerpräsidenten ohne das zitierte Adjektiv berichtet werden und dann meinetwegen negativ kommentiert werden. Im konkreten Fall ist die unterschwellige negative Kommentierung auch die Folge der Kommentare, mit denen deutsche und ausländische, zum Beispiel ukrainische, Politiker den Besuch von Tsipras in Russland begleiten; ihr Grundtenor wird einfach in die Texte der Nachrichtensendungen übernommen.Der sozialdemokratische Präsident des europäischen Parlaments Schulz zum Beispiel warnt den griechischen Ministerpräsidenten davor, die Einheit des Westens in Sachen Sanktionen zu gefährden. Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung Gernot Erler (SPD) warnt, er rät jedoch zugleich zu mehr Gelassenheit. Immerhin. Aber es wäre zu fragen: Warum erinnern sich nicht wenigstens die Sozialdemokraten daran, dass insbesondere sie es waren, die das Ende des Konfliktes zwischen West und Ost, auch zwischen Westen und Russland angestrebt und erreicht haben.
Das Konzept, daran muss man immer wieder erinnern, hieß: Abbau der Konfrontation und der Einsatz „vertrauensbildender Maßnahmen“, wie es in einer etwas holprigen Sprache hieß. Jetzt geschieht das Gegenteil: die Konfrontation wird wieder aufgebaut, die NATO rückt an die Grenzen Russlands heran und der Westen verhängt Sanktionen. Damit wird auch riskiert, dass sich die innenpolitische Lage in Russland verschärft, dass rechte Kräfte mehr Einfluss gewinnen, usw.
Insgesamt eine Politik ohne Konzeption, und die Medien machen alles mit."
• Putin droht der NATO angeblich mit Atomwaffen
Die BILD meldete am 2.4.15, der russische Präsident Wladimir Putin wolle der NATO mit Atomwaffen drohen, falls diese ihre Truppen an der russischen Grenze weiter verstärkt. Das Blatt berief sich auf einen Bericht der britischen Zeitung The Times vom selben Tag: "... Russische Geheimdienstexperten sollen US-Kollegen bei einem Geheimtreffen in Deutschland im März gewarnt haben, Putin sei bereit, auf eine weitere Aufrüstung der Nato im Baltikum energisch zu reagieren.
Die aufgezeigte „Bandbreite von Antworten“ reiche „von nuklear bis nicht-militärisch“, berichtet die „Times“ und beruft sich auf amerikanische Aufzeichnungen.
Die bei dem Treffen anwesenden russischen Generäle hätten mit Billigung Putins gesprochen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow habe sie instruiert, welche Botschaft sie überbringen sollten.
Die Russen hätten mindestens drei Krisenherde genannt, die zu einer direkten und möglicherweise sogar nuklearen Konfrontation zwischen Russland und den USA führen könnten.
► Die Krim: Jeder Versuch, die von Russland annektierte Halbinsel Krim wieder der Ukraine anzugliedern, will Russland dem Bericht zufolge „entschlossen, inklusive Einsatz der Atomstreitmacht“ begegnen.
► Die Ost-Ukraine: Dort werde die Unterstützung der ukrainische Regierung in Kiew mit Waffen durch die Nato als „weiteres Vordringen der Nato zur russischen Grenze“ gewertet. Darauf werde „die russische Bevölkerung eine energische Antwort“ verlangen.
► Das Baltikum: Dort herrschten, wie die „Times“ berichtet, nach russischer Darstellung „die gleichen Bedingungen wie in der Ukraine, die Russland veranlasst hätten, aktiv zu werden“. ..."
Das Blatt ergänzt am Ende immerhin: "... Westliche Experten sind allerdings mehrheitlich überzeugt, dass Putin es nicht wagen wird, sich militärisch an Nato-Staaten zu vergreifen. Auch er habe kein Interesse an einem Krieg mit der westlichen Allianz hat oder gar an einer letztlich für alle Beteiligten selbstmörderischen atomaren Auseinandersetzung."
Auch die britische Daily Mail gab den Bericht am 2.4.15 wieder.
Interessant ist, dass die angebliche Drohung Putins nur durch die Times-Überschrift suggeriert wird. Das wird aber durch den Bericht nicht belegt, auch nicht durch den zweiten Times-Beitrag zum Thema "Putin: try to take Crimea away and there’ll be a nuclear war". Eine deutsche Übersetzung ist u.a. hier zu finden. Das laut BILD ach so geheime Treffen war eines der „Elbe-Gruppe“ in Torgau. Das Gremium besteht aus pensionierten hochrangigen russischen und US-Militärs, die einen offenen und kontinuierlichen Kanal für die Kommunikation über sensible Themen der amerikanisch-russischen Beziehungen aufrecht erhalten sollen, und erinnert u.a. an die Begegnung sowjetischer und US-amerikanischer Soldaten an der Elbe 1945. Die Times beruft sich nur auf die Aufzeichnungen eines US-Teilnehmers, der wiedergibt, was die russischen Teilnehmer gesagt haben sollen und gemeint haben können. Dmitri Peskow, der Pressesprecher des russischen Präsidenten, erklärte u.a. laut der Nachrichtenagentur TASS vom 2.4.15, dass Moskau nie mit Atomwaffen gedroht habe. "... „Natürlich nicht“, antwortete Peskow auf die Frage eines Journalisten, ob Russland mit Atomwaffen gedroht habe, um die Krim zu verteidigen.
Peskow zufolge hat der Präsident bereits im Dokumentarfilm „Krim. Der Weg in die Heimat“, der unterschiedlich interpretiert werde, darüber gesprochen. „Man braucht dort nicht einmal etwas zu interpretieren. Man muss sich einfach an die erste Quelle, und zwar an die Worte des Präsidenten wenden“, sagte der Pressesprecher des russischen Staatschefs. ..." (Sputnik, 2.4.15)
Interessant finde ich in dem Zusammenhang, dass ein nuklearer Erstschlag gegen einen Gegner, der als Bedrohung gesehen wird, Teil der offiziellen Atomwaffen-Strategie der US-Administration ist. US-Präsident Barack Obama habe den Verzicht darauf abgelehnt, berichtete u.a. Zeit online vor fünf Jahren. Eine seit dem vorgenommene Änderung ist mir nicht bekannt.
Dagegen ist der atomare Erstschlag in der neuen russischen Militärstregie, die Putin Ende 2014 verkündete, nicht zu finden. Danach "behält sich die Russische Föderation das Recht auf eine Anwendung von Atomwaffen nur für den Fall vor, wenn sie oder ihre Verbündeten mit atomaren oder anderen Massenvernichtungswaffen angegriffen worden sind oder auch als Reaktion auf einen Angriff auf die Russische Föderation unter Einsatz konventioneller Waffen, wenn dabei die Existenz des Staates gefährdet ist." (Sputnik, 26.12.14) Über die neue Militärstrategie, der zufolge die NATO als Bedrohung für Russland gesehen wird, wurde in westlichen Medien viel geschrieben, aber kaum über den darin enthaltenen Verzicht auf den nuklearen Erstschlag. Zumindest die gar nicht russlandfreundliche Kyivpost hatte es bemerkt und gemeldet.
Es bleibt ein Beispiel für Meinungs- und Angstmache durch Weglassen von Informationen und Zusammenhängen.
• Kurs auf Lösung der Probleme der Ukraine nicht in Sicht
"Vor einem Jahr kam es in Kiew nach wochenlangen Massenprotesten gegen die Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU zum gewaltsamen Sturz des Janukowitsch-Regimes. Mit massiver Unterstützung der USA und anderer westlicher Staaten übernahmen konservativ-nationalistische Kräfte die Macht und vollzogen einen grundlegenden Kurswechsel in der Politik des Landes. Seither ist es aber nicht gelungen, die innenpolitische Lage zu stabilisieren und Kurs auf die Lösung der Probleme des Landes zu nehmen. Im Gegenteil: Heute befindet sich die Ukraine in der tiefsten politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Krise seit Erlangung der Unabhängigkeit 1991. Das Fortbestehen eines einheitlichen ukrainischen Staates ist durch militärische Auseinandersetzungen zwischen der Staatsmacht und Regierungsgegnern im Osten und Südosten des Landes ernsthaft bedroht.
Daran ändert sich auch nichts durch die Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar 2015, die zu einem dauerhaften Ende der militärischen Auseinandersetzungen in den Gebieten Donezk und Luhansk führen sollen, jedoch die tieferen Ursachen des Konflikts nicht beseitigen. Dazu bedarf es der grundsätzlichen Bereitschaft zu Kompromisslösungen aller am Konflikt beteiligten inneren Kräftegruppierungen und ihrer ausländischen Unterstützer für eine Neugestaltung der Verfassungsordnung der Ukraine, für die einvernehmliche Einbindung der Ukraine in europäische und eurasische Integrationsstrukturen sowie für eine grundlegende Erneuerung des Verhältnisses zu Russland und dem Westen. Die Minsker Vereinbarungen können in dieser Richtung ein erster Schritt sein. Ihre konsequente Umsetzung und Weiterführung müssen aber für lange Zeit von der EU und Russland sowie den USA politisch und wirtschaftlich begleitet werden. Einseitige Parteinahmen und Sanktionen oder zusätzliche Waffenlieferungen gefährden nicht nur die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, sondern führen zur Verschärfung des Konflikts mit der Gefahr einer Ausweitung der militärischen Auseinandersetzungen über das Konfliktgebiet hinaus. Das belegt nicht zuletzt die gesamte Entwicklung seit dem Sturz des Janukowitsch-Regimes vor einem Jahr.
Die innen- und außenpolitischen Auseinandersetzungen um das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zielten von Anfang nicht nur auf den Sturz des korrupten Janukowitsch-Regimes, sondern auf einen grundsätzlichen politischen Kurswechsel zur dauerhaften Bindung der Ukraine an EU und NATO sowie zur Absage an die Bestrebungen Russlands, die Ukraine in eurasische Integrationsstrukturen einzubinden. Die diesen Kurswechsel tragenden Herrschaftsgruppierungen (Oligarchen und national-patriotische Kräfte) setzten dabei auf die seit Langem bestehenden Widersprüche in der ukrainischen Gesellschaft über das Verhältnis zum Westen und zu Russland, deren Wurzeln in der Geschichte des Landes sowie in kulturell-ethnischen und sozial-ökonomischen Unterschieden liegen. ...
Mit dem vor einem Jahr vollzogenen Macht- und Kurswechsel in der Ukraine sind die großen wirtschaftlichen, politischen und zivilgesellschaftlichen Probleme des Landes nicht gelöst. Durch die Kampfhandlungen in den industriellen Ballungszentren des Donbass, in denen ca. 16 Prozent des BIP und 20 Prozent der Gesamtexporte erbracht wurden, und durch die weitgehende Reduzierung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu Russland hat sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Landes weiter dramatisch verschlechtert. ...
Die existenziellen Herausforderungen, vor denen die Ukraine steht, erfordern zwingend die konsequente und dauerhafte Einhaltung der in Minsk vereinbarten Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine, dauerhafte Regelungen für den Verbleib der ostukrainischen Regionen im ukrainischen Staatsverband und eine einvernehmliche Klärung des Verhältnisses zu Russland. Da militärische Lösungen für eine Konfliktbeilegung ausgeschlossen
sind, bleibt nur der Weg, in Verhandlungen zwischen allen Beteiligten (ukrainische Regierung, Separatisten, Russland, EU und USA) Kompromisslösungen für den Ukraine-Konflikt im Kontext des Gesamtverhältnisses zwischen EU und Eurasischer Union zu vereinbaren, die für einen längeren Zeitraum Frieden und Stabilität in der Region sichern. Die Minsker Erklärung der Präsidenten Russlands, der Ukraine und Frankreichs sowie der deutschen Bundeskanzlerin kann dafür eine Grundlage bieten." (Manfred Schünemann, Verband für Internationale Politik und Völkerrecht e. V. Berlin (VIP), 15.2.15)
→ hier geht's zu Folge 184
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
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