Die Vorbereitungen für neue Verhandlungen in Genf, um den
Krieg in und gegen Syrien zu beenden, stocken. Die Kriegstreiber
überrascht das Vorrücken der syrischen Armee.
„Multilaterale Konflikt-Mediation verliert ihren Sinn, wenn sie vom stummen Tumult eines unsichtbaren Krieges erfüllt ist und die Konfliktparteien glauben, den Gegner früher oder später doch schlagen zu können.“ Das hat Freitag-Redakteur Lutz Herden am 30. Mai 2013 mit Blick auf die geplanten neuen Verhandlungen in Genf zum syrischen Konflikt geschrieben. „Wer handeln will, muss verhandeln“, stellte er fest. Am 3. Juni 2013 war in einem Text von ihm zu lesen: "Je klarer die Optionen, je eindeutiger das Kräfteverhältnis, desto zielführender kann in Genf verhandelt werden." Und Herden meinte: „Dabei dürften Amerikaner und Russen letzten Endes vom gleichen Blatt singen.“
Doch alles, was derzeit geschieht und gemeldet wird, deutet daraufhin, dass es den gemeinsamen Chor und ein gemeinsames Friedenslied für Syrien gar nicht geben soll, weil es nicht gewollt ist. Dagegen scheint die Vermutung von FAZ-Redakteur Thomas Gutschker vom 11. Mai 2013 leider zutreffend ist: „„Vieles deutet darauf hin, dass das Weiße Haus mit seiner Friedensinitiative lediglich Zeit gewinnen will.“ Doch diese scheint den US-amerikanischen Regimewechslern davon zu laufen, nachdem die syrische Armee immer mehr Positionen von der „Rebellen“ zurückerobert. „Die US-Administration wird angesichts des schnellen Vorrückens der syrischen Regierungstruppen voraussichtlich noch in dieser Woche einen Beschluss über technische und finanzielle Unterstützung der bewaffneten Regimegegner treffen sowie die Notwendigkeit der Herstellung einer Flugsperre über Syrien erneut prüfen.“ Das berichtete RIA Novosti am 10. Juni 2013, sich auf eine Meldung der Nachrichtenagentur AP vom selben Tag berufend. AP stützt seine Meldung auf Aussagen von Beamten der US-Regierung, denen zufolge sich US-Präsident Barack Obama einer Waffenlieferung an die bedrängten „Rebellen“ „annähere“. Ein Einsatz von US-Soldaten am Boden werde weiter ausgeschlossen, der Einsatz der US-Luftwaffe und anderer luftgestützter Waffen sei aber ein „Option“.
Die vom Westen und seinen arabischen Verbündeten wie Saudi-Arabien und Katar unterstützte „Opposition“ will keinen Frieden für Syrien, sondern nur den Regimewechsel auf friedlichem Weg. Das hatten diese Kräfte zuvor klar gemacht weshalb es nicht überraschend ist, dass sie nun ankündigten, erst nach Genf zu kommen, wenn sie vorher neue Waffen und Munition bekommen. Das erklärte laut New York Times vom 8. Juni 2013 der Chef des Obersten Militärrates der „Freien Syrischen Armee“ (FSA), Salim Idris. Die Zeitung beschreibt als Strategie von US-Außenminister John Kerry, durch die Verhandlungen in Genf den Abtritt des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und die Machtübergabe an eine „Übergangsregierung“ zu erreichen. Während Idris in dem Bericht behauptet, die FSA als bewaffneter Arm der vom Westen zusammengezimmerten „Nationalen Koalition“ sei weiterhin schlagkräftig, gilt die Koalition selbst als zerstritten, so die New York Times.
In den von der syrischen Armee entschiedenen Kämpfen um Al Kusair hätten die „Rebellen“ nur leichte Waffen, darunter Maschinenpistolen, Maschinengewehre, 120-Millimeter-Mörser und Panzerfäuste einsetzen können, gibt die Zeitung den FSA-Vertreter wieder. Die syrischen Regimegegner hätten in Al-Kusair Artillerie und Luftabwehrsysteme eingesetzt, erklärte dagegen der russische Außenminister Sergej Lawrow laut RIA Novosti vom 11. Juni 2013 in einem Interview mit dem TV-Sender CBS am Vortag.
Ein Bericht der US-Onlinezeitung World Tribune vom 31. Mai 2013 deutet daraufhin, dass die westlichen und arabischen Regimewechsler und deren als „Rebellen“ bezeichneten Bodentruppen inzwischen anscheinend nicht nur militärisch zunehmend das Nachsehen haben. Danach gewinne Assad den Krieg um die Köpfe und Herzen der Syrer, wie NATO-Untersuchungen zeigten. Das Material stütze sich auf Angaben vom Westen unterstützter Aktivisten und Organisationen, die in Syrien bei Hilfsprojekten arbeiteten. Danach würden bis zu 70 Prozent der Syrer inzwischen Assad und die syrische Regierung unterstützen, vor allem, nachdem islamistische Terrorgruppen die Oberhand bei den „Rebellen“ gewannen. Selbst Sunniten fänden inzwischen die Islamisten „weit schlimmer als Assad“ und hätten genug vom Krieg. Immer mehr von ihnen würden das Vorgehen der syrischen Armee gegen die „Rebellen“ unterstützen.
Gründe für diese Entwicklung scheint es genug zu geben. Der Terror der Islamisten wie der jüngste Mord an einem 14jährigen in Aleppo hat dazu beigetragen. Die brutale Vorgehensweise der Rebellen habe die Regierungsseite gestärkt, sagte der Nahostwissenschaftler Günter Meyer dem Schweizer Tages-Anzeiger am 23. Mai 2013. "Meldungen wie das Horrorvideo, das einen Aufständischen zeigt, wie er die Leiche eines Soldaten schändet, fördern die Unterstützung des Regimes." Dazu kommt das Verhalten der angeblich "gemäßigten" Gruppen, wie u.a. ein Bericht der Schweizer Wochenzeitung (WOZ) am 16. Mai 2013 zeigte: "In den kurdischen Gebieten im Norden Syriens investiert die syrische Opposition lieber in Waffen als in die Rettung von Menschenleben. Die geplante Aufhebung des EU-Ölembargos wird daran nichts ändern." Ein Arzt aus der nordsyrischen Stadt Ras al-Ayn berichtete darin, dass seine Notklinik nicht unterstützt werde von der FSA. Diese verspreche zwar stets, die Klinik zu unterstützen, aber die Gewinne, die sie aus dem Verkauf konfiszierter Waren erziele, würden ganz anders eingesetzt. "Die syrische Opposition beschlagnahmte Ölquellen genauso wie Geflügel und Kühe", wird der Arzt zitiert, "doch wir können uns in der Klinik nicht einmal einen Stromgenerator für 8000 Pfund leisten. Mit nur tausend Pfund von jedem Kämpfer könnten wir die Klinik gut betreiben, aber die FSA gibt ihr Geld lieber für Zigaretten, Bankette, Autos und Waffen aus." Sowohl die Al-Nusra-Front als auch der FSA-Militärrat hätten Krankenwagen, die er aber nicht benutzen dürfe. Schon im Januar hatte das Informationsprojekt Naher nund Mittlerer Osten (Inamo) auf seiner Website Nachrichten wiedergegeben, wonach allein in Aleppo 1000 Fabriken in Aleppo von den "Rebellen" und Milizen demontiert und in die Türkei verkauft worden seien. Im Dezember 2012 wurde berichtet, dass die FSA-"Rebellen" Weizensilos plündern und das Getreide in die Türkei verkaufen.
Der „entscheidende Fehler“ des Westens sei es, die Ergebnisse der ersten Verhandlungen in Genf im Juni 2012 nicht umgesetzt zu haben, stellte Nahost-Wissenschaftler Meyer in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 6. Juni 2013 fest. „Damals waren sich die Veto-Staaten im UNO-Sicherheitsrat über eine klare Marschrichtung zur friedlichen Beilegung des Konfliktes einig, alle waren bereit, Kompromisse einzugehen.“ Die auf Basis dieser Vereinbarungen von Russland vorgelegt Resolution im Sicherheitsrat habe auch die Beteiligung der syrischen Regierung an den Friedensverhandlungen vorgesehen, erinnert Meyer. „Die USA ebenso wie Grossbritannien und Frankeich lehnten jedoch damals die zuvor vereinbarte Teilnahme Assads ab – das war der entscheidende Fehler.“ Der Wissenschaftler setzt darauf, dass nun den USA wie Russland „ein demokratischer Übergang nach den Wahlen 2014“ wichtiger sei als eine Machtübernahme durch radikale „Rebellen“. Es bleibt abzuwarten, ob das im Weißen Haus auch so gesehen wird und was bei den Beratungen in dieser Woche über Waffenlieferungen und eine mögliche Flugverbotszone herauskommt.
Statt einer klassischen Flugverbotszone mit hohen Kosten sei auch ein zeitlich begrenzter Angriff mit 250 Marschflugkörpern möglich, um die syrische Luftwaffe am Boden zu zerstören. Das hatte Christopher Harmer vom Institute for the Study of War in Washington am 7. Mai 2013 gegenüber der Zeitschrift Foreign Policy erklärt. Er hatte mit einer Gruppe von Wissenschaftlern die Kapazitäten der syrischen Luftwaffe und die Möglichkeiten, sie zu zerstören, untersucht. Innerhalb einer Stunde sei das möglich, behauptete Harmer gegenüber Foreign Policy, ohne dass die US-Bomber syrischen Luftraum überfliegen müssten. Die Zeitschrift meinte, es sei alles nur eine Frage der Kosten. Ob sich die US-Regimewechsler und ihre Partner diese anscheinend verlockenden Aussichten entgehen lassen, um die syrische Armee zu schwächen und die "Rebellen" zu unterstützen, wie 2011 in Libyen?
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