Eine Expertenrunde beschäftigte sich am 25. Juni in Berlin mit dem EU-Fiskalpakt und seinen sozialen Folgen.
Die Auswirkungen des Fiskalpaktes auf die Daseinsvorsorge und die soziale Sicherung waren Thema der Veranstaltung. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) und die Volkssolidarität hatten dazu gemeinsam eingeladen.
Auf der Homepage der Volkssolidarität ist ein Bericht dazu zu finden:
"Prof. Dr. Gustav Horn, Wissenschaftlicher Direktor des Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, erläuterte Ursachen und Entstehung des Fiskalpaktes, den es ohne die Krise des Euro-Raumes nicht gegeben hätte. Die Krise, die fälschlich als 'Staatsschuldenkrise' interpretiert werde, sei wiederum eine Folge der Ungleichgewichte im innereuropäischen Handel, betonte Horn. Mit dem Pakt werde versucht, die Schulden der öffentlichen Haushalte abzubauen und neue Schulden zwangsweise zu verhindern. Ergebnis sei aber, dass die wirtschaftliche Entwicklung behindert werde, so der Ökonom, und die Sparpolitik ihr Ziel verfehle. Statt des starren Fiskalpaktes ohne demokratische Kontrolle sei eine gesamtwirtschaflich orientierte Politik notwendig. ...
Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) sei jetzt schon betroffen, erklärte Dr. Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Es komme zu einer "direkten Einwirkung der Fiskalpolitik auf die Sozialpolitik". Der Haushalt der Rentenversicherung gelte als Teil des öffentlichen Haushaltes und werde deshalb einbezogen, um das öffentliche Defizit abzubauen. Die GRV müsse ihre bisherige Nachhaltigkeitsrücklage um vier Milliarden Euro abbauen, meinte der DRV-Präsident. Er verwies auf Pläne der EU-Kommission, Mehrwertsteuervergünstigungen für öffentliche und gemeinnützige Einrichtungen abzuschaffen. Das könne für die Rentenversicherung im nächsten Jahr drei Milliarden Euro Mehrkosten bedeuten, so Rische, und für alle Sozialversicherungen bis zu 34 Milliarden Euro sowie einen Anstieg der Versicherungsbeiträge um drei Prozent. Der DRV-Präsident warnte vor einem möglichen Leistungsabbau und davor, dass die im Fiskalpakt vorgeschriebenen kurzen Berichterstattungszeiträume politisch genutzt werden könnten, beispielsweise das System der Rentenversicherung in Misskredit zu bringen. 'Die fiskalpolitische Perspektive darf die sozialpolitische Dimension nicht verdrängen.' ...
Für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) spiele der Fiskalpakt nicht die gleiche Rolle wie für die Rentenversicherung, so Prof. Dr. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO). Die GKV werde bisher nicht als Teil des öffentlichen Haushaltes behandelt. Damit trage sie auch nicht zum strukturellen Defizit des Gesamtstaates bei, das dieser dem Pakt gemäß abbauen muss. Trotzdem gebe aus Auswirkungen, so Jacobs, wie die sinkende Bereitschaft der Länder zu Investitionen im Krankenhausbereich, während gleichzeitig die von der GKV zu tragenden Betriebskosten stiegen. Auch die Mehrwertsteuerpläne der EU-Kommission würde die Kranken- und die Pflegeversicherung treffen mit Zusatzkosten bis zu insgesamt 29 Milliarden Euro, wenn die bisherige Vergünstigung bei Arzneimitteln wegfalle. Der Sozialwissenschaftler machte darauf aufmerksam, dass FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr de facto mit den Beiträgen der Krankenversicherten den Bundeshaushalt saniert und das mit dem Fiskalpakt begründet. Das geschehe, indem der gesetzlich auf rund 14 Milliarden Euro festgelegte Bundeszuschuss für die GKV für versicherungsfremde Leistungen 2013/14 um 4,5 Milliarden Euro gekürzt werde. Argument von Bahr und der FDP seien die derzeitigen hohen Rücklagen des Gesundheitsfonds von rund 28 Milliarden Euro, die nicht vorgesehen waren und laut Jacobs nicht dauerhaft sind. So würden die Steuerzahler begünstigt, statt die Beitragszahler der Krankenversicherung von hohen Beiträgen zu entlasten. ...
In einer abschließenden Diskussionsrunde, moderiert von Prof. Dr. Ursula Engelen-Kefer, Vorsitzende des Arbeitskreises Sozialversicherung des SoVD, betonte die Experten, dass die Politik in der Pflicht stehe. Diese müsse die sozialen Auswirkungen des Fiskalpaktes beachten und entsprechende Korrekturen vornehmen. DRV-Präsident Rische betonte, dass es nicht sein könne, dass der Bundeshaushalt durch Beiträge der Sozialversicherungen saniert werde. Für ein einheitliches Krankenversicherungssystem und eine sichere Beitragsfinanzierung sprach sich WIdO-Geschäftsführer Jacobs aus. ... BA-Abteilungsleiter Schubert hielt mehr Investitionen in Bildung für erforderlich. Der Niedriglohnbereich sollte arbeitsmarktpolitisch wieder weniger gefördert werden.
'Jetzt geht die Arbeit weiter, im Einzelnen darüber zu reden, was das für uns bedeutet', schloß der Vizepräsident der Volkssolidarität Dr. Frank-Michael Pietzsch die Runde. Es gehe um mehr als nur die Finanzen. Der Fiskalpakt dürfe kein Thema nur für Stammtische werden, so Pietzsch. Er fügte hinzu, dass Sparen aber auch für den Sozialstaat eine Tugend sei und mehr Schulden machen keine Alternative sei."
Erstaunlich ist es schon, dass dem Bericht zu Folge ein Vertreter eines Sozialverbandes am Ende nach aller Kritik an der Sparpolitik aufgrund von deren Folgen das Sparen tatsächlich als "Tugend" bezeichnet und der "Schuldenbremse" das Wort redet. Zu verstehen ist das wahrscheinlich nur, wenn berücksichtigt wird, dass Pietzsch mal CDU-Sozialminister in Thüringen war. Seine Worte klingen so, als würde ihm selbst als Vizepräsident eines Sozialverbandes die Politik seiner Partei wichtiger scheint als das Soziale. Ob das für das soziale Anliegen seines Verbandes und dessen Glaubwürdigkeit passend ist, muss dieser selbst entscheiden.
aktualisiert: 17:38 Uhr
Auf der Homepage der Volkssolidarität ist ein Bericht dazu zu finden:
"Prof. Dr. Gustav Horn, Wissenschaftlicher Direktor des Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, erläuterte Ursachen und Entstehung des Fiskalpaktes, den es ohne die Krise des Euro-Raumes nicht gegeben hätte. Die Krise, die fälschlich als 'Staatsschuldenkrise' interpretiert werde, sei wiederum eine Folge der Ungleichgewichte im innereuropäischen Handel, betonte Horn. Mit dem Pakt werde versucht, die Schulden der öffentlichen Haushalte abzubauen und neue Schulden zwangsweise zu verhindern. Ergebnis sei aber, dass die wirtschaftliche Entwicklung behindert werde, so der Ökonom, und die Sparpolitik ihr Ziel verfehle. Statt des starren Fiskalpaktes ohne demokratische Kontrolle sei eine gesamtwirtschaflich orientierte Politik notwendig. ...
Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) sei jetzt schon betroffen, erklärte Dr. Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Es komme zu einer "direkten Einwirkung der Fiskalpolitik auf die Sozialpolitik". Der Haushalt der Rentenversicherung gelte als Teil des öffentlichen Haushaltes und werde deshalb einbezogen, um das öffentliche Defizit abzubauen. Die GRV müsse ihre bisherige Nachhaltigkeitsrücklage um vier Milliarden Euro abbauen, meinte der DRV-Präsident. Er verwies auf Pläne der EU-Kommission, Mehrwertsteuervergünstigungen für öffentliche und gemeinnützige Einrichtungen abzuschaffen. Das könne für die Rentenversicherung im nächsten Jahr drei Milliarden Euro Mehrkosten bedeuten, so Rische, und für alle Sozialversicherungen bis zu 34 Milliarden Euro sowie einen Anstieg der Versicherungsbeiträge um drei Prozent. Der DRV-Präsident warnte vor einem möglichen Leistungsabbau und davor, dass die im Fiskalpakt vorgeschriebenen kurzen Berichterstattungszeiträume politisch genutzt werden könnten, beispielsweise das System der Rentenversicherung in Misskredit zu bringen. 'Die fiskalpolitische Perspektive darf die sozialpolitische Dimension nicht verdrängen.' ...
Für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) spiele der Fiskalpakt nicht die gleiche Rolle wie für die Rentenversicherung, so Prof. Dr. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO). Die GKV werde bisher nicht als Teil des öffentlichen Haushaltes behandelt. Damit trage sie auch nicht zum strukturellen Defizit des Gesamtstaates bei, das dieser dem Pakt gemäß abbauen muss. Trotzdem gebe aus Auswirkungen, so Jacobs, wie die sinkende Bereitschaft der Länder zu Investitionen im Krankenhausbereich, während gleichzeitig die von der GKV zu tragenden Betriebskosten stiegen. Auch die Mehrwertsteuerpläne der EU-Kommission würde die Kranken- und die Pflegeversicherung treffen mit Zusatzkosten bis zu insgesamt 29 Milliarden Euro, wenn die bisherige Vergünstigung bei Arzneimitteln wegfalle. Der Sozialwissenschaftler machte darauf aufmerksam, dass FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr de facto mit den Beiträgen der Krankenversicherten den Bundeshaushalt saniert und das mit dem Fiskalpakt begründet. Das geschehe, indem der gesetzlich auf rund 14 Milliarden Euro festgelegte Bundeszuschuss für die GKV für versicherungsfremde Leistungen 2013/14 um 4,5 Milliarden Euro gekürzt werde. Argument von Bahr und der FDP seien die derzeitigen hohen Rücklagen des Gesundheitsfonds von rund 28 Milliarden Euro, die nicht vorgesehen waren und laut Jacobs nicht dauerhaft sind. So würden die Steuerzahler begünstigt, statt die Beitragszahler der Krankenversicherung von hohen Beiträgen zu entlasten. ...
In einer abschließenden Diskussionsrunde, moderiert von Prof. Dr. Ursula Engelen-Kefer, Vorsitzende des Arbeitskreises Sozialversicherung des SoVD, betonte die Experten, dass die Politik in der Pflicht stehe. Diese müsse die sozialen Auswirkungen des Fiskalpaktes beachten und entsprechende Korrekturen vornehmen. DRV-Präsident Rische betonte, dass es nicht sein könne, dass der Bundeshaushalt durch Beiträge der Sozialversicherungen saniert werde. Für ein einheitliches Krankenversicherungssystem und eine sichere Beitragsfinanzierung sprach sich WIdO-Geschäftsführer Jacobs aus. ... BA-Abteilungsleiter Schubert hielt mehr Investitionen in Bildung für erforderlich. Der Niedriglohnbereich sollte arbeitsmarktpolitisch wieder weniger gefördert werden.
'Jetzt geht die Arbeit weiter, im Einzelnen darüber zu reden, was das für uns bedeutet', schloß der Vizepräsident der Volkssolidarität Dr. Frank-Michael Pietzsch die Runde. Es gehe um mehr als nur die Finanzen. Der Fiskalpakt dürfe kein Thema nur für Stammtische werden, so Pietzsch. Er fügte hinzu, dass Sparen aber auch für den Sozialstaat eine Tugend sei und mehr Schulden machen keine Alternative sei."
Erstaunlich ist es schon, dass dem Bericht zu Folge ein Vertreter eines Sozialverbandes am Ende nach aller Kritik an der Sparpolitik aufgrund von deren Folgen das Sparen tatsächlich als "Tugend" bezeichnet und der "Schuldenbremse" das Wort redet. Zu verstehen ist das wahrscheinlich nur, wenn berücksichtigt wird, dass Pietzsch mal CDU-Sozialminister in Thüringen war. Seine Worte klingen so, als würde ihm selbst als Vizepräsident eines Sozialverbandes die Politik seiner Partei wichtiger scheint als das Soziale. Ob das für das soziale Anliegen seines Verbandes und dessen Glaubwürdigkeit passend ist, muss dieser selbst entscheiden.
aktualisiert: 17:38 Uhr
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