"Wenn heute an die Übergabe des Berichts
»Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« im Französischen Dom in
Berlin vor genau zehn Jahren erinnert wird, dann denken viele an Hartz
IV, jenes Grundsicherungssystem, in das Millionen Menschen samt Partnern
und Kindern ohne Rücksicht auf Qualifikation oder Berufserfahrung
hineingepreßt werden und das Hunderttausende in unterwertige
Arbeitsplätze gezwungen hat, ohne ihnen sozialen Schutz zu bieten." Das
schrieb Helga Spindler am 16. August in der jungen Welt. Die
Autorin arbeitet an der Fakultät für Bildungswissenschaften der
Universität Duisburg-Essen. In ihrem Beitrag analysiert sie die
Hintergründe der "Hartz-Reformen" und deren Zustandekommen. Dabei zeigen
sich alle Zutaten für eine veritable "Verschwörung" gegen den
Sozialstaat und die auf ihn Angewiesenen.
Im Folgenden einige Auszüge aus dem Text in der jW: "... Schon immer war auffällig, daß diejenigen, die die damaligen Vorgänge erforschen, weniger auf die Analyse von öffentlich zugänglichen Dokumenten zurückgreifen konnten, sondern auf die Auswertung von Insiderinformationen, meist anonymisierte Interviews mit Akteuren der damaligen Zeit, angewiesen waren. ...
Speziell Hartz IV sowie die verbliebene Restarbeitslosenversicherung und Restsozialhilfe haben wir nicht in erster Linie der Hartz-Kommission oder gar dem Namensgeber Peter Hartz persönlich zu verdanken, sondern einer geheimen Staatsaktion, einer recht undemokratischen, handstreichartigen Hintergrundarbeit aus dem Bundesarbeitsministerium (BMA) und dem Bundeskanzleramt – einverständlich koordiniert und gelenkt durch die Bertelsmann Stiftung. ...
»Tragende Akteure« dieses Prozesses seien im Bundeskanzleramt Frank Walter Steinmeier und im BMA Staatssekretär Gerd Andres gewesen. Walter Riester, damals Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, erinnert sich nach dem Vermittlungsskandal an ein Gespräch mit Steinmeier: »Walter, wir müssen das eigentlich mit einem massiven eigenen Schlag lösen. Wir stehen jetzt vor der Bundestagswahl. Und seine (Steinmeiers) erste Vorstellung war, McKinsey einzusetzen.« Vermutlich dachte Steinmeier schon damals an den befreundeten McKinsey-Berater Markus Klimmer, verantwortlich für den Bereich »Public Sector« und Promoter für technologiedominierte Verwaltung und Privatisierung, den er 2008 für sein Wahlkampfteam engagierte und der bis heute IZA Policy Fellow, Mitglied im Managerkreis der Ebert-Stiftung, in der SPD sowie in deren Wirtschaftsrat ist und neuerdings im gleichen Feld für das Managementberatungsunternehmen Accenture arbeitet.
Steinmeier teilte diese Vorliebe für die »Meckis« mit Peter Hartz, der aber wegen gemeinsamer Projekte bei VW den McKinsey-Direktor Peter Kraljic für seine Kommission vorzog. Später stießen Florian Gerster (heute ebenfalls Mitglied im Managerkreis der Ebert-Stiftung und in der SPD, IZA Policy Fellow, Präsident des Bundesverbands Briefdienste, Botschafter der »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« und Unternehmensberater; damals kurzzeitig Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit) und Wolfgang Clement (heute konsequenterweise bei der FDP) zu dieser Gruppe. ...
Das alles ist für sich genommen noch nicht anstößig. Nur wurde die weitere Arbeit nach außen und von demokratischer Auseinandersetzung und Kontrolle abgeschottet. Denn man baute nichtöffentlich mit der Bertelsmann-Stiftung einen Arbeitskreis »Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe« auf, der dann an zentraler Stelle an der Politikformulierung beteiligt wurde.
Ich selbst war dem breiten Akteursgeflecht, das die Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen hatte, nur mit viel Mühe auf die Spur gekommen, als ich den Aktivitäten der Bertelsmann-Stiftung und der von ihr beauftragten Mitarbeiter (Frank Frick, Werner Eichhorst, Helga Hackenberg) nachging, 2 deren Dokumente nur teilweise zugänglich und dann plötzlich auch im Netz verschwunden waren. ...
Die »Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe« war für sie von Anfang an die Chiffre für die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, erheblichen Leistungsabbau in der Arbeitslosenversicherung und ein neues System einer rechtloseren Sozialhilfe, die nicht mehr dem Ziel der Schaffung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse verpflichtet ist – was letztlich auch einer Abschaffung der bisherigen Sozialhilfe gleichkam. Die damals durchaus vorhandenen Schwachstellen bei der Verwaltung von Leistungen für Erwerbslose hätte man auch ohne eine Systemänderung beheben können. Konzeptionell zwingend war die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe nur für diejenigen, die den Druck auf arbeitserfahrene, deshalb oft selbstbewußtere und etwas teurere Arbeitslose verschärfen wollten. ..."
Mehr gibt es hier zum Lesen und Nachdenken.
Im Folgenden einige Auszüge aus dem Text in der jW: "... Schon immer war auffällig, daß diejenigen, die die damaligen Vorgänge erforschen, weniger auf die Analyse von öffentlich zugänglichen Dokumenten zurückgreifen konnten, sondern auf die Auswertung von Insiderinformationen, meist anonymisierte Interviews mit Akteuren der damaligen Zeit, angewiesen waren. ...
Speziell Hartz IV sowie die verbliebene Restarbeitslosenversicherung und Restsozialhilfe haben wir nicht in erster Linie der Hartz-Kommission oder gar dem Namensgeber Peter Hartz persönlich zu verdanken, sondern einer geheimen Staatsaktion, einer recht undemokratischen, handstreichartigen Hintergrundarbeit aus dem Bundesarbeitsministerium (BMA) und dem Bundeskanzleramt – einverständlich koordiniert und gelenkt durch die Bertelsmann Stiftung. ...
»Tragende Akteure« dieses Prozesses seien im Bundeskanzleramt Frank Walter Steinmeier und im BMA Staatssekretär Gerd Andres gewesen. Walter Riester, damals Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, erinnert sich nach dem Vermittlungsskandal an ein Gespräch mit Steinmeier: »Walter, wir müssen das eigentlich mit einem massiven eigenen Schlag lösen. Wir stehen jetzt vor der Bundestagswahl. Und seine (Steinmeiers) erste Vorstellung war, McKinsey einzusetzen.« Vermutlich dachte Steinmeier schon damals an den befreundeten McKinsey-Berater Markus Klimmer, verantwortlich für den Bereich »Public Sector« und Promoter für technologiedominierte Verwaltung und Privatisierung, den er 2008 für sein Wahlkampfteam engagierte und der bis heute IZA Policy Fellow, Mitglied im Managerkreis der Ebert-Stiftung, in der SPD sowie in deren Wirtschaftsrat ist und neuerdings im gleichen Feld für das Managementberatungsunternehmen Accenture arbeitet.
Steinmeier teilte diese Vorliebe für die »Meckis« mit Peter Hartz, der aber wegen gemeinsamer Projekte bei VW den McKinsey-Direktor Peter Kraljic für seine Kommission vorzog. Später stießen Florian Gerster (heute ebenfalls Mitglied im Managerkreis der Ebert-Stiftung und in der SPD, IZA Policy Fellow, Präsident des Bundesverbands Briefdienste, Botschafter der »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« und Unternehmensberater; damals kurzzeitig Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit) und Wolfgang Clement (heute konsequenterweise bei der FDP) zu dieser Gruppe. ...
Das alles ist für sich genommen noch nicht anstößig. Nur wurde die weitere Arbeit nach außen und von demokratischer Auseinandersetzung und Kontrolle abgeschottet. Denn man baute nichtöffentlich mit der Bertelsmann-Stiftung einen Arbeitskreis »Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe« auf, der dann an zentraler Stelle an der Politikformulierung beteiligt wurde.
Ich selbst war dem breiten Akteursgeflecht, das die Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen hatte, nur mit viel Mühe auf die Spur gekommen, als ich den Aktivitäten der Bertelsmann-Stiftung und der von ihr beauftragten Mitarbeiter (Frank Frick, Werner Eichhorst, Helga Hackenberg) nachging, 2 deren Dokumente nur teilweise zugänglich und dann plötzlich auch im Netz verschwunden waren. ...
Die »Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe« war für sie von Anfang an die Chiffre für die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, erheblichen Leistungsabbau in der Arbeitslosenversicherung und ein neues System einer rechtloseren Sozialhilfe, die nicht mehr dem Ziel der Schaffung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse verpflichtet ist – was letztlich auch einer Abschaffung der bisherigen Sozialhilfe gleichkam. Die damals durchaus vorhandenen Schwachstellen bei der Verwaltung von Leistungen für Erwerbslose hätte man auch ohne eine Systemänderung beheben können. Konzeptionell zwingend war die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe nur für diejenigen, die den Druck auf arbeitserfahrene, deshalb oft selbstbewußtere und etwas teurere Arbeitslose verschärfen wollten. ..."
Mehr gibt es hier zum Lesen und Nachdenken.
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