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Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Mittwoch, 26. August 2015

Nachhilfe für Wolfgang Thierse und andere

Waren und sind Politikdarsteller blind gegenüber der Fluchtbewegung nach Europa, während sie jetzt um so mehr Symbolpolitik betreiben? Es scheint so

Wolfgang Thierse im Interview mit dem dem Deutschlandfunk am 26.8.15: "... Die Heftigkeit der Zunahme dieser Herausforderung, der starke Anstieg des Zustroms, das war nicht wirklich vorhersehbar. Das konnten Politiker wie Wissenschaftler wie erst recht nicht Journalisten vorhersehen. Deswegen ist es klar, dass die Bewältigung jetzt praktische Probleme verursacht. Aber ich glaube, dass wir viel offensivere und so sachlich wie mögliche Informationen brauchen über die unterschiedlichen Flüchtlinge, ihre unterschiedliche Motivation. ..."
Wie blind waren bisher er und all die anderen bundesdeutschen Politikdarsteller samt Angela Merkel? Oder lügen sie gar ein weiteres Mal wider besseren Wissens? Stellen sie Unwissen zur Schau, um ihr bisheriges Nichtstun, aber auch ihre Mitverantwortung für die Entwicklung und deren Ursachen zu verschleiern?

Deshalb ein bisschen Nachhilfe mit Informationen:
• "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört" (Heinrich-Böll-Stiftung, 7.4.15)

• "Flucht und ihre Ursachen" (Netzwerk Flüchtlingsforschung, 19.8.15):
"Als Friedens- und KonfliktforscherInnen fällt auf der Suche nach den Ursachen der scheinbar plötzlichen Fluchtwelle eine fatale Parallele ins Auge. Unter den stärksten Herkunftsländern der aktuellen Fluchtbewegung finden sich Syrien, Afghanistan, Somalia, Sudan, Süd-Sudan, Demokratische Republik Kongo, Irak. Auch aus Libyen und dem Kosovo flohen viele Menschen. In all diesen Ländern bestanden oder bestehen jahrelange gewaltsame Konflikte. ...
Wenn nun die Bundesregierung und allen voran das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung Fluchtursachen bekämpfen möchte, dann steht für uns die Frage im Raum: Werden die Parallelen zwischen Konflikt und Flucht tatsächlich gesehen und angegangen? Mit Militärs wurden bei solchen komplexen Phänomenen höchst selten politische Probleme gelöst. Ganz im Gegenteil: Militär und Waffengewalt haben oft zum Anhalten der Gewalt beigetragen und neue Problemlagen geschaffen. Die umfassenden Erkenntnisse der Friedens- und Konfliktforschung zu Fragen der Friedensförderung und Konfliktbearbeitung sind dringend zu Rate zu ziehen, und auch die Zwangsmigrations- und Flüchtlingsforschung sollte über die Exilorientierung hinausgehen und Fluchtmotive berücksichtigen. ..."

• "Letzte Hoffnung Europa – Der Strom aus Afrika wird kaum nachlassen" (3sat, 16.10.13)

• "Globalisierung als Fluchtursache – Protektionismus, Subventionenund die Zerstörung nationaler Märkte" (Andrea Dallek, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein, 2007):
"Millionen von Menschen fliehen aus unterschiedlichen Gründen, seien es Krieg, Gewalt undpolitische Verfolung, Umweltkatastrophenoder Armut. Die Verbindung dieser unterschiedlichen Fluchtgründe liegt in der weltweiten Entwicklung einer blinden Globalisierung, die Ungleichheiten und Katastrophen nicht beseitigt, sondern verstärkt."

• "Wanderungs- und Flüchtlingsbewegungen - Zu Ursachen und Entwicklungen eines weltweiten Problems" (Friedrich-Ebert-Stiftung, 2003):
"... Seit Beginn der 70er Jahre hat sich nicht nur das Flüchtlingsproblem international dramatisch verschärft, auch die Ursachen, die zu Vertreibung und Flucht führten, sind vielfältiger und vielschichtiger geworden. ...
Seither hat sich die Situation keineswegs entspannt. Die Zahl der Flüchtlinge hat sich im Gegenteil mehr als verdreifacht: 17,6 Millionen Menschen wurden Ende 1992 vom UNHCR als Flüchtlinge registriert, wobei sowohl die Brennpunkte des Flüchtlingsgeschehens als auch die wichtigsten Aufnahmeländer nicht im wohlhabenden Westeuropa liegen, wie man angesichts der dort gesteigerten Abwehrmaßnahmen meinen möchte, sondern in der außereuropäischen Welt, insbesondere in Afrika. Dort hat sich in den letzten drei Dekaden die Zahl der Flüchtlinge mehr als verzehnfacht, von einer halben Million zu Beginn der 1960er Jahre auf 5,7 Millionen 1992. ...
Die Wahrscheinlichkeit, daß der Migrationsdruck in absehbarer Zeit nachlassen wird, ist gering. ...
Doch wird die Situation häufig auch dramatisiert. So werden in ganz Westeuropa Schranken gegen Flüchtlinge errichtet, obwohl die meisten Menschen Binnenflüchtlinge sind oder innerhalb der Dritten Welt wandern und somit nur eine kleine Gruppe unsere Grenzen überschreitet. Überdies will die große Mehrheit in der Heimat bleiben, wenn die Lebensbedingungen nur einigermaßen erträglich sind. Welche Maßnahmen können aber ergriffen werden, damit unfreiwillige Migration verhindert wird? ..."

• "In die Flucht getrieben – Ursachen in den Entwicklungsländern, Verantwortung der EU" (Thomas Gebauer, medico international 2013)
Derselbe 2010: "Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen – Eine Herausforderung für unser Handeln":
"Flucht und Migration zählen fraglos zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. ...
Einer der Hauptgründe für Flucht und Migration ist die sich weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich. Zwar ist die Welt ist im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung zwar näher zusammengerückt, doch sie ist heute gespaltener denn je. Hier der globale Norden mit seiner wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Vorherrschaft, dort der globale Süden mit den Zonen des Elends, der Ausgrenzung und Demütigung. Die Ungleichheit aber wächst nicht nur zwischen Nord und Süd, sondern auch innerhalb der einzelnen Länder. ..."

Ich mache an dieser Stelle Schluss, es gäbe noch mehr, aber zuviel Nachhilfe verhindert ja das eigene Nachschauen ..
Und ich muss meinen Würgereflex angesichts solcher Symbolpolitiker wie Thierse, Gabriel, Merkel und wie sie alle noch heißen mögen zügeln. Da sind auch noch jene, deren tatsächliche Macht diese Politikdarsteller verwalten und die von diesen Entwicklungen profitieren. Und es gilt auch: Wer von Kapitalismus nicht reden will, sollte zum Thema Flucht schweigen.

Nachtrag vom 27.8.15; 10:27 Uhr:
Und dazu gehört auch das:
"IW-Studie: Deutschland ist Globalisierungsgewinner" (Spiegel online, 6.1.15)
"Deutschland ist der Sieger der Globalisierung" (FAZ, 19.4.14)
"Abstieg, Unsicherheit, Verlust - die Globalisierung macht vielen Deutschen zunehmend Sorgen, weil in Schwellenländern billiger produziert wird als in Europa. Eine Studie zeigt aber: Vom vernetzten Weltmarkt profitieren vor allem die Industrieländer." (Süddeutsche, 24.3.14)
Wobei in dem Zusammenhang "Deutschland" und "die Industrieländer" unzulässige Verallgemeinerungen sind.

Die regierenden Politikdarsteller sind nicht nur mitverantwortlich für die Flüchtlingsströme und deren Ursachen, sondern auch für die Lage der Kommunen, aber auch für die der dort Lebenden. Diejenigen, die gegen die Aufnahme von Flüchtlingen protestieren sind nicht nur einfach Rassisten. Kein Mensch ist per se Rassist. Zu solch einem zu werden hat mit Erziehung und Bildung zu tun, mit Familie und Gesellschaft. Und Fremdenfeindlichkeit gibt es in jeder menschlichen Gesellschaft, egal ob Familie, Dorf, Stamm, Region, Nation usw. Früher habe sich die Menschen geprügelt, weil sie aus verschiedenen Dörfern kam. Die Anderen, die Fremden verunsichern, egal aus welcher Entfernung sie kommen. Manchmal sind es nur die "Langhaarigen", die "Bunten", usw. Die Frage ist, welche Chance Menschen bekamen, zu lernen, mit dieser Verunsicherung umzugehen, sie auch als Chance begreifen zu können, Neues kennzulernen, den eigenen Horizont zu erweitern. Arno Gruen hat dazu Wichtiges geschrieben, auch über den "Fremden in uns", nachlesbar u.a. hier. Es geht um Chancen für Menschen, die eigene Empathie leben und entwickeln zu können.
Aber natürlich müssen Rassisten als solche behandelt werden, mit Aufklärung und Widerstand. Wenn sie erwachsen sind und für ihr eigenes Tun verantwortlich, können sie nicht mit ihrer Kindheit und den dabei verpassten Chancen entschuldigt werden.
Und was die Kommunen und deren finbanziele Ausstattung angeht, das gilt auch für die Menschen dort. Insbesondere in Ostdeutschland erleben viele, zu viele, dass sie anscheinend wenig wert sind, kaum Arbeit finden, wenn sie arbeitslos sind, sich für alles rechtfertigen müssen, dass kein Geld für sie da ist, als Einzelen, aber auch als Gemeinschaft, dass für alle sozialen Leistungen kein oder kaum Geld da ist, dass der soziale Bereich zum Großteil als "freiwillige Leistung" gilt und deshalb dort zuerst gespart wird. Und dann wird ohne mit ihnen vorher zu sprechen, sie auch aufzuklären, ein Aufnahmelager für Flüchtlingslager in ihrem Ort eröffnet, dass anscheinend dafür plötzlich Geld da ist, egal woher. Das führt zu Ärger und Frust, egal ob berechtigt oder unbegründet. Vor vielen Jahren erklärte mir ein afrikanischer Freund: Erzähle den Menschen nichts von Demokratie, wenn sie hungern. Nun hungern die Bürger in Heidenau, Freiberg, und anderswo nicht, auch nicht die zugereisten Neonazis. Aber zumindest die Einwohner der Orte erleben oftmals, dass der Staat, dessen Bürger sie vor 25 Jahren wurden, ob gewollt oder ungewollt, für sie immer weniger übrig hat, dass sie kaum Chancen haben, aus ihrem Leben etwas zu machen, wenn sie nicht weggehen, dass es kaum perspektiven gibt und sie um jede Unterstützung betteln müssen. Sie erleben eine Politik, die sich nicht für sie interessiert, für die der Profit deutscher Konzerne wichtiger ist als die Interessen der eigenen Bürger, die anscheinend erst aufmerksam wird, wenn sie auf andere einschlagen, andere beschimpfen und bedrohen.
Eine Kommunikationstrainerin, die für einen Sozialverband Gespräche im Umfeld eines geplanten Flüchtlingsaufnahmelagers mit den dortigen Bürgern führt, um sie aufzuklären, berichtete mir, dass diese Menschen sich freuten, dass ihnen endlich mal jemand zuhört, dass sie von ihren Sorgen und Befürchtungen sprechen können. Und dass sie manchmal mit Verständnis reagierten, wenn ihnen erklärt wurde, warum in ihrer Nähe Flüchtlinge aufgenommen werden und dass ihre Sorgen unbegründet sind, von wegen steigende Kriminalität und all solche Vorurteile. Doch auch diese Sprechstunden wurden erst eingeführt, als es zu bösartigen Demonstrationen kam. Und diese Menschen forderten immer wieder, dass die Politikdarsteller doch mit ihnen reden sollten.
Doch die kommen erst, wenn es brennt, wenn Menschen leiden müssen, wenn die Wut hochkocht und diejenigen, die am wenigsten dafür können, darunter leiden müssen, nach all dem Leid, das sie schon erleben mussten.
Mich macht all das wütend. Aber ich kann auch nichts weiter tun, als gegen diese Politik und diesen Hass zu schreiben, auf Demonstrationen zu gehen, die sich für Menschen einsetzen, die zu uns fliehen und in meinem kleinen Umfeld mich als Mensch gegenüber jenen zu zeigen, die hoffen, hier als Mensch leben zu können, ohne Angst, ohne Hunger, ohne Krieg, ohne Folter, usw. Aber auch gegen jene Politik des Sozialabbaus und der Profitmaximierung zu protestieren, die zu den Ursachen all dessen gehört.
Arno Gruen hat sich in seinen Büchern immer wieder auch mit dem Verlust des Mitgefühls beschäftigt. Einiges dazu ist in einer Rezension des Schweizer Rundfunks SRF vom 11.6.13 zu erfahren.

Und Jürgen Todenhöfers "Brief im Zorn" ist in dem Zusammenhang wicht und richtig.

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