Gesammelte Nachrichten und Informationen zum Ukraine-Konflikt und dessen
Hintergründen, ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit, und fast
ohne Kommentar
• MH17: “Abschuss nur aus Saroschenskoje”
"Der größte russische Rüstungskonzern Almas-Antei ist gestern in Moskau vor die internationale Presse getreten
und hat die Ergebnisse seiner Analyse des Absturzes der malaysischen
Passagiermaschine MH17 im Juli vergangenen Jahres präsentiert.
Almas-Antei
wurde 2002 als Staatsholding gegründet, unter deren Konzerndach sich
auch die Hersteller der BUK-Flugabwehrraketensysteme befinden.
Der
eigentliche Anlass für die interne Aufklärungsarbeit ist, dass das
Unternehmen unter die im vergangenen Jahr erlassenen westlichen
Sanktionen fällt und dagegen gerichtlich angeht. Die präsentierten
Erkenntnisse bilden die Basis für seine Argumentation vor Gericht. ...
Schon Anfang Mai (DRWN berichtete)
waren Elemente der Almas-Antei-These an die Öffentlichkeit geraten. Sie
bauen auf die Tatsache, dass sich die Schäden an der malaysischen
Boeing 777 auf der linken Seite der Pilotenkabine über das linke
Triebwerk bis hin zum linken Seitenruder erstrecken. Daraus schließen
die Experten des Unternehmens, dass die Boden-Luft-Rakete, die MH17 zum
Absturz brachte, nicht in der Ortschaft Snischne – wie im Westen
kolportiert – abgeschossen wurde.
Um die Erkenntnisse zu
untermauern, veröffentlicht das Unternehmen mit Zustimmung des
Verteidigungsministeriums jetzt auch bislang geheime Informationen über
die Wirkweise des BUK-Systems. Anhand der Trefferlage, so der
Almas-Antei-Experte Michail Malyschewski, könne man eindeutig
feststellen, welcher Raketentyp verwendet worden sei.
Im
vorliegenden Fall habe es sich um eine vor 1999 produzierte Rakete vom
Typ 9M38 BUK-M1 gehandelt (inzwischen verwendet die russische Armee das
System 9K40 BUK-M2, NATO-Code SA-17 Grizzly). Die 9M38 zeichne sich
dadurch aus, so Malyschewski, dass sie am Objekt der Zerstörung
vorbeifliege und im Moment des Vorbeiflugs explodiere. Bei einem
Abschuss in Snischne, genau lotrecht unter der Flugbahn des malaysischen
Liners, wäre die Rakete nicht links von, sondern unmittelbar vor MH17
explodiert.
Anhand der typischen Flugbahn einer 9M38-Rakete
nannte Malyschewski die Ortschaft Saroschenskoje 25 Kilometer
westsüdwestlich von Snischne als wahrscheinlichsten Abschussort.
Almas-Antej-Konzernchef
Jan Nowikow sagte anlässlich der Präsentation: „Wenn MH17 von einer
Boden-Luft-Rakete abgeschossen wurde, kann es nur eine 9M38 mit einer
BUK-M1-Plattform gewesen sein.“ Diese Rakete sei nach 1999 nicht mehr
hergestellt und alle Bestände ins Ausland verkauft worden. Die Ukraine
sei ein „großer Käufer“ dieser Waffen gewesen. Er ging so weit
anzubieten, auf Kosten seines Unternehmens einen MH17-Dummy — eine
ferngesteuerte Boeing 777 — durch eine BUK-Rakete vom Typ 9M38-M1
abschießen zu lassen.
Weder Nowikow noch Malyschewski
wollten Angaben dazu machen, welche der Bürgerkriegsparteien zum
fraglichen Zeitpunkt die Kontrolle über Saroschenskoje ausgeübt hätten.
Bekannt sind Aussagen russischer Militärs, wonach das fragliche Gelände
Mitte Juli 2014 von der Regierungsarmee beherrscht worden sei.
Unmittelbar
nach der Moskauer Pressekonferenz von Almas-Antei gab der ukrainische
Generalstab in Kiew eine Erklärung heraus, derzufolge Saroschenskoje
sich am 17. Juli 2014 nicht in Kiewer Hand befunden habe. ...
In
der Tat ist es für viele Menschen schwer nachvollziehbar, dass
ausgerechnet die vom Westen unterstützte Regierungsseite im ukrainischen
Bürgerkrieg — also die „Guten“ in dem Konflikt — zu einer solchen
Provokation (im Angelsächsischen false flag operation genannt) in der
Lage gewesen sein könnte. Falls es aber doch so war, hätte sich der
Abschuss ausgezahlt. Nicht nur in Deutschland löste die Katastrophe mit
ihren 298 Opfern, zumeist Niederländern, einen massiven und rapiden
Umschwung der öffentlichen Meinung zugunsten der Kiewer Regierungsseite
aus." (Deutsch-Russische Wirtschaftsnachrichten, 3.6.15)
Zu
den Kiewer Behauptungen, dass das mutmaßliche Abschussgebiet nicht in
der Hand Kiewer Truppen gewesen sei, sei daran erinnert, dass am 16.7.14
eine Offensive genau dieser Truppen um die Schatjorsk-Region begann, in der Saroschenskoje liegt.
Ich hatte u.a. in meinem Beitrag "Die Schuldigen für MH17-Abschuss gefunden?" vom 9.1.15 darauf hingewiesen, dass der Frontverlauf alles andere als so klar war und ist wie auf den Karten aus Kiew von der "ATO-Zone" eingezeichnet.
• Zweifel an Bellingcat-"Erkenntnissen"
"...
An der Kritik der britischen Rechercheplattform »Bellingcat« an den
russischen Satellitenfotos vom Abschussgebiet aus dem vergangenen Juli
mehren sich inzwischen die Zweifel. Sowohl russische als auch
westeuropäische Experten für digitale Bildbearbeitung wiesen darauf hin,
dass allein die Aussage, eine Aufnahme sei nachträglich bearbeitet
worden, wenig bedeute. Jedes Originalbild werde vor seiner
Veröffentlichung zwangsläufig zugeschnitten, in einem geläufigen Format
gespeichert und datenreduziert. Dies sei kein hinreichender Hinweis auf
eine böswillige Manipulation. Das Programm »fotoforensics«, mit dem die
britischen Rechercheure Hinweise auf nachträgliche Bildbearbeitung
gefunden haben wollen, sei unprofessionell benutzt und die Ergebnisse
tendenziös interpretiert worden: Jedes neue Abspeichern einer Vorlage
erhöhe den Anzeigewert für Veränderungen am Originalbild.
Bei
der Bildserie angeblicher russischer Militärfahrzeuge im Konfliktgebiet
mit einer wachsenden Öllache an einem davon leistete sich »Bellingcat«
im übrigen einen Chronologiefehler. Die größte der unterstellten
Öllachen ist nicht auf dem zeitlich letzten der sechs Bilder zu sehen,
sondern auf einem aus der Mitte des Beobachtungszeitraums. Im übrigen
scheint es zweifelhaft, dass es Wochen braucht, bis das Motoröl aus
einem Fahrzeug ausgelaufen ist, das – wie Änderungen in seinem
Abstellwinkel gegenüber anderen Fahrzeugen zeigen – in der Zwischenzeit
bewegt worden sein muss.
Dafür wies ein niederländischer
Blogger darauf hin, dass eines der zentralen »Beweisfotos« für den
angeblichen BUK-Abschuss der Aufständischen ebenfalls nachträglich
bearbeitet worden war. Das auch in einem kürzlich ausgestrahlten
ARD-Film gesendete Bild zeigt eine Säule von Kondensationsgas vor
wolkenlosem blauem Himmel. Aus allen Wetteraufzeichnungen ergibt sich
jedoch, dass am Unglückstag der Himmel bedeckt war. Um dem Vorwurf einer
plumpen Fälschung zu entgehen, rechtfertigte sich »Bellingcat«
inzwischen damit, dass »zur Erhöhung des Kontrasts« die Blauwerte des
Himmels verändert worden seien. Wenn es mal nur die waren."" (junge Welt, 3.6.15)
Aus dem Anlass im Folgenden noch einmal ältere Informationen zum Thema:
• Ukrainische Buk-Einheit im Kriegsgebiet
Der ukrainische Blogger Anatolij Scharij machte in seinem Youtube-Kanal am 27.7.14 auf Aufnahmen des ukrainischen Militär-TV vom 16.7.14,
einen Tag vor dem mutmaßlichen Abschuss von MH17 am 17.7.14,
aufmerksam, auf denen eine Buk-Fla-Raketen-Einheit der Kiewer Truppen in
bzw. an der "ATO-Zone" in der Ostukraine gezeigt wird (ab 4:47 min).
Mit ATO (Antiterroroperation) umschreibt die Kiewer Putsch-Führung ihren
Krieg gegen die Aufständischen in der Ostukraine seit April 2014.
Hier ist das Scharij-Video mit deutschen Untertiteln zu sehen.
Das
ukrainische 156. Fla-Raketen-Regiment, ausgerüstet mit Buk-M1-Systemen,
war im Kriegsgebiet eingesetzt, berichtete der Journalist Jurij Lukaschin bereits am 17.7.14 in einer Reportage aus der Ostukraine.
Die Kiewer Truppen hätten einige Tage zuvor Buk-Einheiten in die Region
Donezk verlegt, so der Journalist. Lukaschin machte auch auf die
schlecht koordinierte Kommunikation der ukrainischen Luftverteidigung
mit den zivilen Luftfahrtbehörden aufmerksam. Er schreibt von einer
möglichen Provokation, bei der das malaysische Flugzeug, das
bekanntermaßen die übliche Flugroute über der Ukraine verließ, über die
Kriegszone gelotst wurde von jemand, der wußte, dass dort Buk-Einheiten
stationiert sind, dazu "nur eine dumme Wache in Alarmbereitschaft" ...
Lukaschin
verwies auf die Frage, wem der mutmaßliche Abschuss nutzen konnte und
erinnerte u.a. daran, dass kurz nach der Katastrophe erneut
Forderungen aus Kiew nach westlicher Unterstützung im Krieg laut wurden.
• MH17 von ukrainischer Buk-Einheit ausversehen abgeschossen?
"Eine
unvorhergesehene Entwicklung bei der Übung einer Fla-Einheit der
ukrainischen Streitkräfte kann laut einer Quelle in den bewaffneten
Strukturen der Ukraine die Ursache der Boeing-Tragödie am 17. Juli
gewesen sein, erfuhr RIA Novosti.
Eine unvorhergesehene
Entwicklung bei der Übung einer Fla-Einheit der ukrainischen
Streitkräfte kann laut einer Quelle in den bewaffneten Strukturen der
Ukraine die Ursache der Boeing-Tragödie am 17. Juli gewesen sein, erfuhr
RIA Novosti.
„Dem Chef des 156. Fla-Raketenregiments war
befohlen worden, am 17. Juli eine Übung abzuhalten, bei der es um die
Deckung der Bodengruppierung in einem Vorort von Donezk ging“, hieß es.
Nach der Aufstellung der Divisionen bestand die Aufgabe, „Das
Beobachten von Zielen zu trainieren und die ganze Reihenfolge der
Begleitung und der Vernichtung von Zielen mit einer Rakete vom Typ
Buk-M1 im Trainingsmodus auszuführen.“
Die Chefs der
Batterien haben zwar laut der Quelle die Schlüssel zu den Startanlagen
bekommen, ein realer Start von Raketen 9M38M1 war aber nicht vorgesehen.
„Zur
Teilnahme an der Übung wurden zwei Kampfjets des Typs Su-25 vom
Luftwaffenstützpunkt der 229. Brigade der taktischen Fliegerkräfte
Kulbakino in Nikolajew nach Dnepropetrowsk geschickt. Ihnen wurde die
Aufgabe gestellt, eine Luftaufklärung durchzuführen und als
Kontrollziele im Raum der Konzentration der Gruppierung der
Antiterrortruppen westlich von Donezk zu dienen“, so die Quelle.
„Als
eines dieser Flugzeuge in den Erfassungsbereich des Fla-Raketensystems
Buk kam, wurde es von der Batterie in der Nähe des Ortes
Sarostschenskoje unter Kontrolle genommen. Der tragische Zufall könnte
dazu geführt haben, dass die Flugrouten der malaysischen Boeing und der
Su-25, die sich auf unterschiedlichen Höhen befanden, sich überkreuzten
und auf dem Bildschirm als ein großer Punkt erschienen, was für die
Zivilmaschine fatal wurde, weil sich das Beobachtungssystem in dem Fall
automatisch auf das größere Ziel umstellt“, teilte die Quelle mit.
Die
Ursache eines eventuellen nicht vorgesehenen Raketenstarts konnte der
anonyme Sprecher nicht erklären. „Mit dieser Frage befassen sich
Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Ukraine, die den Chef und die
Mannschaft der Batterie gegen halb zehn Uhr abends abgeholt haben.“ ..." (Sputnik, 25.7.14)
"Das ukrainische Militär hat die
malaysische Boeing wohl durch ein Versehen abschießen können, mutmaßt
der russische Militärexperte Konstantin Siwkow. Aus Militärkreisen in
Kiew hatte es zuvor geheißen, dass ein Fehler bei einer Flugabwehrübung die Ursache des Absturzes vom 17. Juli gewesen sein könnte.
Der
ukrainischen Arme mangle es an geschultem Personal, so Siwkow, Doktor
der militärischen Wissenschaften und Präsident der Moskauer Akademie der
geopolitischen Probleme, am Freitag zu RIA Novosti. Beim Training
hätten die Soldaten eines der Buk-Systeme wohl auf Gefechtsmodus
schalten und statt eines Übungsstarts einen Kampfstart der Rakete
auslösen können. ...
Am Montag veröffentlichte der russische Generalstab seine Radardaten.
Daraus geht unter anderem hervor, dass ein ukrainischer Kampfjet kurz
vor der Katastrophe unweit von der malaysischen Verkehrsmaschine
geflogen war und dass das ukrainische Militär am Absturztag deutlich
mehr Radare als gewöhnlich betrieben hat. Satellitenaufnahmen
zeigten Buk-Batterien in der Region. Der Generalstab übergab das
gesammelte Material an die internationalen Ermittler und rief die USA
auf, ebenfalls ihre Satellitenaufnahmen und andere Angaben offenzulegen.
2001 hatte die ukrainische Armee bei einer Übung
versehentlich ein russisches Passagierflugzeug vom Typ Tupolew 154 mit
66 Passagieren und zwölf Besatzungsmitgliedern mit einer Rakete
abgeschossen. Niemand überlebte." (Sputnik, 25.7.14)
• Hat ein mysteriöser ukrainischer Überläufer für die Aufständischen auf den Raketenstartknopf gedrückt?
Robert Parry schreibt in einem weiteren Beitrag auf consortiumnews.com am 22.7.14
zum Absturz von MH 17, dass die US-Geheimdienste jetzt vermuten, dass
ein ukrainischer Überläufer die Boden-Luft-Rakete für die Aufständischen
gestartet haben könnte. Damit solle vielleicht erklärt werden, meint
Parry, warum CIA-Analytiker auf den Satellitenbildern von den
Raketenstartanlagen Bedienungspersonal in ukrainischen Uniformen
entdeckten. Darauf habe ihn ein Informant aus Geheimdienstkreisen aufmerksam gemacht, schrieb Parry bereits am 19.7.14.
Auf den US-Satellitenbildern wären auch Bierflaschen um die
Buk-Startanlage zu sehen. Deshalb würde die US-Regierung nun
verschiedene Verrenkungen machen, um eine Schuld der ostukrainischen
Rebbelen konstruieren zu können. Parry verwies auf einen Beitrag der Los Angeles Times vom 22.7.14, in dem es heißt, dass die Identität der Bedienungsmannschaft nicht festgestellt werden könne: "U.S.
intelligence agencies have so far been unable to determine the
nationalities or identities of the crew that launched the missile. U.S.
officials said it was possible the SA-11 was launched by a defector from
the Ukrainian military who was trained to use similar missile systems." "Aber es gibt eine andere naheliegende Erklärung", so der US-Journalist, welche die US-Geheimdienste anscheinend nicht akzeptieren wollen: "dass die Rakete von jemand gestartet wurde, der für das ukrainische Militär arbeitet."
Parry stellt fest, dass es so aussieht, dass wie im Vorfeld des
Irak-Krieges 2003 ein weiteres Mal Geheimdiensterkenntnisse in die
politisch gewünschte Richtung gedreht würden.
→ hier geht's zu Folge 214
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen