• Zivilisten durch Kiewer Truppen getötet
"Der Beschuss seitens ukrainischer Streitkräfte hat allein in der letzten Woche dreizehn Opfer unter den Einwohnern der selbsterklärten Volksrepublik Donezk gefordert, verlautete am Montag aus der Kanzlei des Menschenrechtsbeauftragten der Volksrepublik.
„Vom 18. bis zum 24. Juli 2015 sind bei Kampfhandlungen in der Region 13 Menschen (zwei Frauen und elf Männer) getötet worden. 18 Menschen wurden in Krankenhäuser gebracht. Unter ihnen waren zwei Kinder unter 18 Jahren“, verlautet aus der Kanzlei des Menschenrechtsbeauftragten von Donezk.
Die Volkswehr von Lugansk warf den ukrainischen Streitkräften außerdem zahlreiche Verstöße gegen die vereinbarte Waffenruhe vor.
„Die Waffenruhe wird von den ukrainischen Streitkräften nicht eingehalten, am Sonntag kam es zu acht Verstößen“, sagte ein Vertreter der Volkswehr Lugansk. Es sei mit Granatwerfern und Panzern auf zwei Ortschaften gefeuert worden.
„Unter den Beschuss sind OSZE-Beobachter geraten. Tote gab es nicht“, so die Volkswehr. Das OSZE-Beobachterteam bestätigte vorerst den Beschuss der Delegation am Sonntag in der Nähe von Stadt Schtschastje.
Die ukrainischen Streitkräfte haben ihrerseits den Aufständischen 86 Verstöße gegen die Waffenruhe allein am Sonntag vorgeworfen. Die Donezker Milizen hätten angeblich Ortschaften unter anderem mit schweren Waffen Kaliber 152 und 120 mm beschossen. Die Volksrepublik Donezk dementierte die Anschuldigungen.
„Unsere Kriegsgeräte mit einem Kaliber bis zu 100 mm wurden schon vor langer Zeit aus dem Kampfgebiet abgezogen“, sagte der Vizestabschef der Volkswehr Donezk, Eduard Bassurin. ..." (Sputnik, 27.7.15)
• Poroschenko: Keine Pufferzone bei Mariupol
"Laut dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko werden die im Donbass abzuziehenden schweren Waffen im Falle einer Eskalation des Konfliktes an ihre bisherigen Stellungen zurückgebracht.
Zuvor hatte Poroschenko bekannt gegeben, dass im Donbass eine Pufferzone eingerichtet und die Waffen mit einem Kaliber unter 100 Millimeter abgezogen werden sollen. Ein entsprechendes Abkommen soll bis zum 3. August unterzeichnet und innerhalb von zehn Tagen umgesetzt werden.
Der Präsident betonte am Montag in Kiew, dass es sich um keine Pufferzone bei Mariupol handeln könne. „Jede Kampfeinheit bleibt an ihrer Stelle. Nur schwere Artillerie und Mehrfachraketenwerfer-Systeme sollen abgezogen werden. Im Falle einer Eskalation des Konfliktes werden diese Waffen umgehend an ihre bisherigen Stellungen zurückverlegt“, so Poroschenko.
Die bei Mariupol im Süden des Gebietes Donezk stationierten Militärkräfte würden nicht abziehen, sondern im Gegenteil die Stadt verstärkt schützen, so Poroschenko. „Ein besonderer Message an die Einwohner von Mariupol: Der Präsident und die Streitkräfte — die Besten von ihnen, darunter die Landungs- und Marinelandetruppen, bleiben bei Euch – und die Artillerie ist gerade dort konzentriert“, so der Präsident.
Nach Medienberichten vom Wochenende sollten sich die ukrainischen Truppen von ihren Stellungen im Raum Schirokino bei Mariupol zurückziehen. Die Information über den Abzug des Bataillons „Asow“ aus Schirokino und des Bataillons „Aidar“ in Richtung Lugansk wurde im Stab der Kiewer Militäroperation zurückgewiesen. Es handle sich um eine planmäßige Rotation, hieß es. ..." (Sputnik, 27.7.15)
• US-Geheimdienstveteranen fordern Freigabe der US-Dokumente zu MH17
Die Tageszeitung junge Welt dokumentiert in ihrer Ausgabe vom 27.7.15 den offenen Brief der »Veteran Intelligence Professionals for Sanity« (Pensionierte Geheimdienstexperten für den gesunden Menschenverstand – VIPS) an US-Präsident Barack Obama mit Datum vom 22. Juli 2015:
"... Die Spannungen zwischen den USA und Russland betreffs der Ukraine nähern sich mit hohem Tempo einem gefährlichen Punkt. Einer der Hauptfaktoren für das negative Bild, das die US-amerikanische Öffentlichkeit von Moskau hat, ist der Abschus der Maschine von Flug MH17 der Malaysia Airlines. ...
Wenn das Weiße Haus bezüglich MH17 über konkrete, beweiskräftige nachrichtendienstliche Informationen verfügt, dann finden wir, dass es höchste Zeit ist, ihre Freigabe zu genehmigen, bevor die Darstellung, »Russland ist schuld«, alles dominiert. Die US-Bevölkerung ist sehr wohl in der Lage, sich selbst ein Urteil darüber zu bilden, was passiert ist. Aber sie braucht dazu alle Informationen, die unvoreingenommen und ohne jeden Versuch unterbreitet werden sollten, unangenehme Schlussfolgerungen zu vermeiden. Und das sollte auch trotz des Risikos getan werden, dass dabei »Quellen und Methoden« gefährdet werden könnten, weil der größere Komplex von Krieg oder Frieden mit Russland ein vorrangiges Anliegen für jeden US-Amerikaner sein sollte.
Was wir brauchen, ist ein »Interagency Intelligence Assessment« – ein Mechanismus, den wir in der Vergangenheit angewendet haben, um signifikante Ergebnisse präsentieren zu können. Von einigen unserer ehemaligen Kollegen hörten wir auf indrektem Wege, dass der Entwurf des niederländischen Berichts im Widerspruch steht zu tatsächlich gesammelten nachrichtendienstlichen Informationen. Auf eine weitere Regierungs- (nicht Geheimdienst-) Einschätzung zurückzugreifen, um dem Problem der Verantwortung aus dem Weg zu gehen, das ist nicht angemessen und stellt für sich genommen eine Beleidigung für die Integrität und Professionalität der Geheimdienstler dar.
Mr. Präsident, wir glauben, dass es notwendig ist, dass Sie sich jetzt mit rechtschaffenen Geheimdienstanalysten zusammensetzen und ihnen zuhören, vor allem, wenn sie die vom Gruppendenken bestimmte vorherrschende Darstellung des Flugzeugabsturzes hinterfragen oder gar ablehnen. Diese Analysten könnten auch Sie überzeugen, Schritte zu unternehmen, um sich direkt mit dem Abschuss der Maschine von MH17 auseinanderzusetzen und das Risiko zu minimieren, dass die Beziehungen zu Russland in eine Wiederholung des Kalten Krieges mit der Drohung der Eskalation bis hin zum thermonuklearen Konflikt ausarten. In aller Offenheit sprechen wir die Vermutung aus, dass zumindest einige Ihrer Berater die Ungeheuerlichkeit dieser Gefahr unterschätzen.
Um Antwort wird gebeten. ..."
• Kiew geht weiter gegen Kommunisten vor
"Die ukrainische Regierung hält sich nicht einmal an ihre eigenen Prozeduren. So muss man die Entscheidung von Justizminister Pawlo Petrenko vom Freitag verstehen, die Registrierung kommunistischer Kandidaten für die im Oktober anstehenden Kommunalwahlen zu verbieten. Petrenko begründete es mit dem im Mai in Kraft getretenen Verbot der »Propagierung totalitärer Symbole« und erklärte, sie stehe im Einklang mit dem zu erwartenden Ergebnis des seit einem guten Jahr laufenden Verbotsverfahrens gegen die Kommunistische Partei der Ukraine (KPU). Letztere Äußerung spricht Bände über den Respekt, den der Justizminister gegenüber rechtsstaatlichen Prinzipien wie der Unabhängigkeit der Justiz und der Gewaltenteilung zeigt. Denn ein Urteil muss erst ergehen und wirksam werden, bevor sich Rechtsfolgen daraus ableiten lassen. Formal ist die KPU also derzeit nicht verboten. Im übrigen schleppt sich das Verbotsverfahren gegen die KPU von einer Vertagung zur nächsten und macht nicht den Eindruck, kurz vor dem Abschluss zu stehen. Mehrfach hatten sich Kiewer Verwaltungsrichter selbst für befangen oder unzuständig erklärt, um auf diese Weise gegen politischen Druck zu protestieren. ...
Das Wählerpotential der ukrainischen Kommunisten ist ohnehin gering. Die KPU, die noch 2010 13 Prozent der Stimmen bekommen hatte, landete bei der letzten Parlamentswahl bei knapp vier Prozent. Umso wahrscheinlicher ist, dass das Verbot, Kandidaten irgendwelcher kommunistischen Gruppen auch nur zu registrieren, präventiven Charakter hat. Denn die Sympathie für die in Kiew Regierenden hat abgenommen. ..." (junge Welt, 27.7.15)
• Angeblich russischer Offizier festgenommen
"Der ukrainische Grenzschutz meldet die Festnahme eines russischen Majors. Er soll einen Munitions-Lkw der Rebellen begleitet haben, als er am Kontrollpunkt Beresowoje im Gebiet Donezk abgefangen wurde. Während ein ebenfalls festgenommener Separatistenkämpfer einen Ausweis der "Donezker Volksrepublik" (DVR) bei sich trug, wird die Identität des Russen bislang dokumentarisch nicht bestätigt; die Behörden präsentierten lediglich eine russische Fahrerlaubnis.
Über die Zugehörigkeit zu den russischen Streitkräften will der Grenzschutz "aus eigenen Worten" des Verdächtigen erfahren haben. Kiew werde die Identität des Mannes überprüfen, teilte der Vertreter der Präsidialverwaltung, Alexander Motusjanik, mit. Der Vorfall könnte den von Präsident Petro Poroschenko angekündigten Abzug schwerer Waffen bis Mitte August verzögern.
Die Rebellen nannten die Konfiskation des Munitionslasters bereits "Inszenierung der ukrainischen Geheimdienste". Der Kontrollpunkt Beresowoje sei extra dafür ausgewählt worden, weil er nicht von den Rebellen kontrolliert werde. ..." (Der Standard online, 26.7.15)
Und immer, wenn sich Bewegung in Richtung Frieden andeutet, passiert etwas, dass das verhindern kann und soll ...
• Poroschenko kündigt entmilitarisierte Zone an
"Im ostukrainischen Kriegsgebiet sollen die schweren Waffen nach Angaben von Präsident Petro Poroschenko bis Mitte August von der Front abgezogen werden. Nach der Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens durch die Regierung und die prorussischen Separatisten gelte eine Frist von zehn Tagen, sagte der ukrainische Staatschef dem TV-Sender STB.
Trotz der geplanten Friedensschritte nahmen sich die Konfliktparteien am Wochenende unter Beschuss. Zwar hatten sich Kiew und die Aufständischen bereits am Dienstag geeinigt, eine 30 Kilometer breite entmilitarisierte Zone im Donbass einzurichten, doch lässt die Unterschrift des Abkommens auf sich warten. Die Vereinbarung solle bis spätestens 3. August besiegelt sein, bestätigte Poroschenko frühere Berichte. ..." (Der Standard online, 26.7.15)
• "Geburt des Donbass: Ein "wildes Feld" für Magnaten und Sowjets"
Die österreichische Tageszeitung Die Presse veröffentlichte in ihrer Onlineausgabe am 25.7.15 einen interessanten Beitrag von Jutta Sommerbauer über die Geschichte des Donbass
• Ukraine vorm Absturz
"Machtkämpfe mit Schmugglern, neue Kämpfe im Osten, Einflussnahme aus Russland und den USA: Die Ukraine muss derzeit an mehreren Fronten kämpfen. Es wächst die Angst vor dem endgültigen Chaos.
Aus den großen Schlagzeilen ist die Ukraine zuletzt verschwunden. Doch das heißt nicht, dass sich die Lage im Land wirklich beruhigt hätte. Die Regierung liefert sich einen Machtkampf mit Vertretern des paramilitärischen „Rechten Sektors“, die Dezentralisierung und der Sonderstatus des Donbass sorgt für Streit und im Osten wird trotz Waffenstillstands weiter gekämpft. Hinzu kommt eine Wirtschafts- und Finanzkrise, die immer bedrohlicher wird. Viele fürchten, dass nach dem Krieg in der Ost-Ukraine auch andere Landesteile destabilisiert werden und das Land vollends ins Chaos stürzt. ...
In der Westukraine hat die Regierung von Präsident Petro Poroschenko inzwischen Probleme, die Kontrolle zu behalten. In der Grenzstadt Mukatschewe liefern sich seit über einer Woche Kämpfer des als ultranational geltenden „Rechten Sektors“ Kämpfe mit der Polizei und dem ukrainischen Militär. ...
Doch Poroschenko will die ukrainische Armee nicht auch noch im Westen einsetzen und so weiter aufreiben. Die Soldaten sind im Osten des Landes schließlich noch genug beschäftigt. Dort wo eigentlich seit dem 15. Februar eine Waffenruhe gelten soll, kam es in den vergangenen Wochen zu den intensivsten Kämpfen seit der Einigung von Minsk, bei der sich alle Konfliktparteien unter anderem auf die Einstellung der Kämpfe, den Abzug schwerer Waffen und Kommunalwahlen geeinigt hatten.
Das Parlament in Kiew hatte deswegen am Donnerstag große Mühe, einen Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung durchzubringen. Laut den Minsker Vereinbarungen ist vorgesehen, dass den Regionen Donezk und Lugansk mehr Autonomie gewährt wird. Im Detail bedeutet das: Die Kommunen können eigene Gerichte, Staatsanwälte und Polizei aufstellen. Das Recht auf sprachliche Selbstbestimmung ist genauso vorgesehen wie eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation sowie die Abhaltung von Wahlen nach eigenen Gesetzen.
In der Ukraine laufen nicht nur Politiker gegen diese Bestimmungen Sturm. Auch die meisten Medien lehnen dieses Vorhaben ab, einige Kommentatoren gehen sogar soweit und sprechen von „jugoslawischen Szenarien für die Ost-Ukraine“. ...
Ob Poroschenko die Zustimmung zu den entsprechenden Gesetzen im September oder Oktober bekommt, ist nach der ersten Abstimmung fraglich. Viele in den Reihen seiner Koalitionspartner stimmten gegen die Dezentralisierung. ...
Ein weiterer Konfliktpunkt ist die Hafenstadt Odessa, wo seit Anfang Juni der frühere Präsident Georgiens, Michail Saakaschwili als Gouverneur regiert. ... Saakaschwili soll die Region komplett umbauen: Polizei, Sicherheitsbehörden, Verwaltung, Verbesserung des Investitionsklimas. Alles nach georgischem Vorbild, das heißt, mit starker Unterstützung der USA. Sicherheitsexperten aus Kalifornien coachen derzeit Polizeianwärter. Die Gehälter einiger Mitarbeiter Saakaschwilis werden nach Angaben des US-Botschafters in Kiew sogar von den USA bezahlt.
Als wenn all diese Konfliktherde noch nicht reichen würden, erlebt die Ukraine momentan auch eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise Die Arbeitslosigkeit steigt, die Mittelschicht fürchtet den Abstieg, die Währung verliert nach einer Phase der leichten Stabilität im Frühjahr wieder an Wert. ..." (Handelsblatt online, 25.7.15)
• Ein Besuch in Odessa
Der österreichische Journalist Martin Leidenfrost berichtet in der Ausgabe der Tageszeitung Neues Deutschland vom 25.7.15 von einem Besuch in Odessa: "Als der ukrainische Präsident Poroschenko den georgischen Ex-Präsidenten Saakaschwili im Juni zum Gouverneur der Region Odessa ernannte, wurde mir schwindlig. Saakaschwili bringt zwar aus Georgien Referenzen mit - unbestechliche Polizisten und Bürgerservicezentren zur Bündelung von Amtswegen. Doch an Georgiens Schwarzmeerstrand verpulverte er Unsummen für unbenutzbare phallusförmige Wolkenkratzer, in der Heimat erwartet ihn ein Haftbefehl, und auf der Stirn trägt er das Stigma, einen Krieg vom Zaun gebrochen zu haben. Der Politiker, der 2008 die pro-russische Republik Südossetien beschießen ließ, regiert nun an der Grenze zum pro-russischen Transnistrien - schriller können Alarmglocken nicht läuten.
Ich kenne die georgische Elite aus Georgien. Das sind wenige hundert Bringer, die dasselbe amerikanische Stipendium genossen haben, US-Politik-Englisch sprechen und gerne zugeben, dass sie am liebsten nur mit ihresgleichen arbeiten. Die Kluft zum Volk könnte größer nicht sein - die georgische Jugend spricht kein Russisch mehr und noch kein Englisch und ist mustergültig debilisiert. ...
Die Regionalbehörde gibt sich transparent, nur das Büro des herumdüsenden Gouverneurs ist mit einem kodierten Klebestreifen versiegelt. Vorläufig regieren hier sechs Georgier und ein Dutzend ukrainischer »Volontäre«. Die Beamten warten auf ihre Entlassung, seit Saakaschwili verkündete, dass »die 800 Beamten, die am Wochenende frei haben wollen, auszutauschen sind gegen 50, die Tag und Nacht arbeiten wollen.« Ich werde in die Amtsstube der Freiwilligen geführt. Sie kommen wegen Saakaschwili in das sowjetische Amtshaus, zwei sind Flüchtlinge aus dem Donbass. Der junge Presse-Volontär aus Kiew nennt das ein »Zentralgehirn«. Odessas pro-russischer »Antimajdan« sei zwar mächtig gewesen, »eine kolossale Mehrheit der qualitativen Leute ist aber für die Ukraine.« Das klingt schon mal georgisch-elitär. ...
Das Investitionsforum im »Hub Impact« wird zur One-Man-Show des neuen Gouverneurs. »Die Ukraine ist jetzt der interessanteste Ort der Welt«, ruft er. »Nicht wegen dem Krieg, sondern wegen dem Vibe, dem Drive.« Er greift mit süffigen Beispielen die Korruption der Hafenstadt an. ...
Er vergleicht Investoren mit einer schönen Frau, über seine Beamtinnen äußert er sich weniger galant: »Ein runzliges Mädel von 50 Jahren darf nicht zwischen mir und meinem Besitz stehen, meiner geliebten Wohnung, die ich kaufen oder verkaufen will.«
Und was sagt Odessa? Sonne, Party, Meer; Anspannung sieht nur, wer sie sehen will. »Unsere jüdischen Geschäftsleute lassen keinen Krieg in Odessa zu«, höre ich von verschiedenen Seiten. »Sie sind im Moment für Amerika, bei Bedarf einigen sie sich auch mit Russland.« Nicht einmal Saakaschwilis obszöne Entscheidung, am Tatort des Massakers vom 2. Mai 2014 die Marine unterzubringen, löst im weltklugen Odessa vernehmliches Entsetzen aus: »Man kann’s doch nicht leer stehen lassen.« Saakaschwilis verkündeten Krieg gegen Korruption betrachten meine Odessiter mit freudig verschränkten Armen: »Ach ja, die Korruption! Über die schrieb schon Plutarch!«"
• USA weiten Ausbildung Kiewer Truppen aus
"Das US-Militär weitet seinen Ausbildungseinsatz in der Ukraine aus. Neben der Nationalgarde des Innenministeriums sollten ab Herbst auch Soldaten und Spezialeinsatzkräfte geschult werden, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington am Freitag.
Dabei werde der Schwerpunkt voraussichtlich auf Taktik und der medizinischen Versorgung in Gefechtssituationen liegen. Die US-Armee bildet die Nationalgarde seit dem Frühling aus. ..." (Wiener Zeitung online, 25.7.15)
• Kiew plant "Partisanenarmee"
"Die Ukraine will Reservisten als territoriale Verteidigungskräfte heranziehen. In den Medien werden die neuen Einheiten bereits als Partisanenarmee bezeichnet, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Mittwoch.
Diese Idee wurde in Kiew bereits vor mehr als einem Jahr diskutiert. Jetzt wurde sie wiederbelebt, weil die ukrainischen Behörden eine Ausweitung der Kampfgebiete befürchten. Der Ausgangspunkt einer neuen Kriegsphase könnte laut Kiew die Einrichtung des UN-Tribunals zur MH17-Katastrophe sein.
Wie es Ende der vergangenen Woche in New York hieß, soll die Einrichtung eines UN-Tribunals Ende Juli im UN-Sicherheitsrat erörtert werden. Malaysia, die Niederlande, Australien, Belgien und die Ukraine haben sich bereits dafür ausgesprochen. Dagegen ist Russland.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte in einem CNN-Interview: „Nach der Untersuchung muss die zweite Etappe erfolgen – die Terroristen, die unschuldige Opfer töteten, zur Verantwortung zu ziehen. Wir unterstützen entschlossen die Einrichtung eines internationalen Tribunals. Wenn jemand diesen Prozess stoppen will, wird er dafür die Verantwortung übernehmen“.
Der ukrainische Präsident betonte im selben Interview, dass sich die Kämpfe im Donezbecken wegen der geplanten Erörterung der Resolution verschärft haben. „Ich habe Informationen darüber, dass es eine Intervention geben wird“, so Poroschenko. ..." (Sputnik, 22.7.15)
• Haben die USA EUropa vor "falschem Sicherheitsgefühl" bewahrt?
Der rumänische EU-Parlamentarier Sorin Moisă in einem Beitrag für das Onlinemagazin EurActiv vom 20.7.15 über "TTIP oder das Management der "großen Kontraktion" des Westens": "... Noch vor zwei Jahren, knapp vor Ausbruch der Ukraine-Krise, äußerten zwei europäische Spitzenpolitiker mir gegenüber in privaten Gesprächen die Überzeugung, dass westeuropäische Staaten wohl schon bald keine Streitkräfte mehr benötigen würden. Binnen kürzester Zeit hatte ein falsches Gefühl von Sicherheit Politiker und Völker gleichermaßen erfasst. In einer Umwelt, die von anderen (genauer gesagt den USA) beschützt wird - und noch dazu gegen schon in der Theorie schwer vorstellbare, geschweige denn tatsächlich nachvollziehbare Bedrohungen –, stumpft letztlich auch der Überlebensinstinkt ab. In Mittel- und Osteuropa gab es dieses Problem nie. Die wohl einleuchtendste Erklärung für die jähe Renaissance der Geopolitik bleiben die durch das vermeintliche Schwächeln der westlichen Vormacht entstandenen Anreize und die sich daraus ergebenden Herausforderungen. Die Wirtschaftskrise in Europa, die die EU auch heute noch durchbeutelt, trug ihrerseits zum trügerischen Gefühl bei, dass scharfe strategische Reaktionen höchst unwahrscheinlich seien; man ging daher lieber bewährten Strategien wie etwa "divide et impera" innerhalb der EU nach.
Zwar wird der Westen zurückgedrängt, allerdings steht er noch längst mit dem Rücken zur Wand. Mit Ausnahme von Russland schlägt derzeit kaum jemand aggressive Töne an. ..."
Siehe auch das Interview mit Jan Techau, Chef des Thinktanks Carnegie Europe in Die Presse online, 22.7.15:
"Die Presse: Wie sicher ist Europa im Jahr 2015?
Jan Techau: Europa ist ziemlich sicher, aber die Sicherheitslage wird nach und nach schlechter. Und Europa ist bei seiner Sicherheit im Wesentlichen von den Vereinigten Staaten abhängig – das ist auch der Grund für diese relative Sicherheit. Selbst könnten wir unsere Sicherheit nicht garantieren. Wir haben es mit einem wackeligen Konstrukt zu tun.
Wie prekär ist dieses Sicherheitsarrangement mit den USA?
Amerika wird sich nie vollständig aus Europa verabschieden können. Dafür hat es hier zu starke Interessen – die größten Investments und die besten Freunde, die es auf dieser Welt finden kann. Geopolitisch betrachtet ist Europa die Gegenküste der USA. Und für Washington war es immer von großer Bedeutung, dass es auf der anderen Seite des Teichs stabil zugeht. ...
Woran liegt es, dass die Europäer zu wenig für ihre eigene Sicherheit sorgen?
Es gibt mehrere Gründe: erstens das Arrangement mit den USA. Der zweite Grund liegt darin, dass sich die Europäer trotz aller Krisen in ihrer Nachbarschaft immer noch relativ sicher fühlen. Es gibt kein wirklich akutes Bedrohungsgefühl und deswegen auch keine wirkliche Diskussion über europäische Sicherheit, die über Expertenkreise hinausgeht. Selbst die Ukraine-Krise, die das europäische Sicherheitssystem an sich infrage stellt, hat zu keiner Grundsatzdebatte geführt – anders als es bei der Eurokrise der Fall ist ..."
Da muss doch ein bisschen Angst her, damit sich EUropa nicht von den USA entfernt und der Militärisch-Industrielle Komplex wieder mehr verdienen kann.
• Sanktionen treffen deutschen Mittelstand
"Die gegen Russland verhängten Sanktionen sind nicht zielführend und haben eine dramatische Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft, wie Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), betonte.
Der deutsche Mittelstand sei davon in besonderem Maße betroffen, sagte er in einem RIA-Novosti-Gespräch. „Denn die Mehrzahl der rund 6.000 deutschen Unternehmen, die in Russland aktiv sind, sind mittelständische Betriebe.“
„Die Situation insgesamt ist dramatisch: Wir hatten 2012 ein Exportvolumen zwischen Deutschland und Russland von rund 80 Milliarden Euro, heute sind es 65 Milliarden Euro“, betonte Ohoven. „Allein im ersten Quartal 2015 gab es einen Einbruch um 35 Prozent. Bemerkenswert scheint mir dabei, dass die US-Exporte nach Russland fast gleich geblieben sind.“
„Im Klartext: Die Sanktionen treffen das Herz der deutschen Exportwirtschaft“, unterstrich Ohoven. „Besonders hart trifft es die Autoindustrie, deren Zulieferer im Wesentlichen aus dem Mittelstand kommen, und den mittelständisch geprägten Maschinenbau. Autoexperten waren 2012 davon ausgegangen, dass der russische Automarkt bis 2015 ein Volumen von mehr als drei Millionen Neuwagen erreichen würde. Tatsächlich liegen wir jetzt bei der Hälfte.“
„Im Maschinenbau sind es insbesondere Mittelständler aus Ostdeutschland, die die Auswirkungen der Sanktionen zu spüren bekommen“, fügte er hinzu. „Das hängt mit ihren traditionell guten Beziehungen zu russischen Partnern zusammen. Alles in allem sind die Aussichten der Maschinen- und Anlagenbauer für das Russland-Geschäft sehr düster. Wir wissen aus einer Umfrage des Branchenverbandes VDMA, dass über 91 Prozent für das laufende Jahr mit einer negativen Wirtschaftsentwicklung rechnen.“ ..." (Sputnik, 14.7.15)
• Jazenjuk als Verwalter und Vollstrecker der US-Interessen
"Wie direkt amerikanische Politiker auf die Regierungsbildung in der Ukraine Einfluss nehmen, zeigt ein auf den 25. Juni 2015 datierter Brief des US-Senators Richard J. Durbin, der bei The Saker zu finden ist. Darin wendet sich der Ko-Vorsitzende der „Ukraine-Gruppe“ („Ukraine Caucus“) im Senat an den ukrainischen Ministerpräsidenten und engen US-Verbündeten Arseni Jazenjuk. Zunächst teilt er mit, er teile dessen Sorge, um einige der jüngsten „Entlassungen von Schlüsselfiguren der ukrainischen Führung durch [Präsident] Petro Poroschenko.“ Es sei von enormer Bedeutung, „jede Anstrengung zu unternehmen, um Oleksiy Pavlenko in seinem Amt als Agrar- und Lebensmittelminister zu halten“. Mit seinem Rausschmiss würden „einer Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und ukrainischen Agrofirmen zusätzliche Hindernisse in den Weg gelegt.“ In der Tat dürfte dies misslich sein, waren die US-Agrofirmen doch bislang in der Lage, sich etliche Filetstücke des ukrainischen Landwirtschaftssektors unter den Nagel zu reißen (siehe IMI-Aktuell 2015/142). Darüber hinaus sei es von „höchster Bedeutung“ sicherzustellen, dass Yuriy Nedashkovsky weiter Präsident von Energoatom bleibe.
Allerdings scheint man andererseits auch nicht mit jeder Personalpräferenz Janzejuks konform zu gehen ...
Allein die Tatsache allerdings, dass ein US-Senator sich berufen fühlt, dem ukrainischen Ministerpräsidenten detaillierte Vorgaben zur Besetzung führender Regierungs- und Unternehmensposten zu übermitteln, sagt einiges über den Grad der Unabhängigkeit der Ukraine aus." (Informationsstelle Militarisierung - IMI, 6.7.15)
• EU-Kurs: Expansion – Assoziation – Konfrontation
Die Informationstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen hat Ende Juni die Broschüre "Expansion – Assoziation – Konfrontation: EUropas Nachbarschaftspolitik, die Ukraine und der Neue Kalte Krieg gegen Russland" in Zusammenarbeit mit der linken Europaabgeordneten Sabine Lösing herausgegeben.
Weitere Informationen auf der IMI-Website
→ hier geht's zu Folge 234
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
Die Tageszeitung junge Welt dokumentiert in ihrer Ausgabe vom 27.7.15 den offenen Brief der »Veteran Intelligence Professionals for Sanity« (Pensionierte Geheimdienstexperten für den gesunden Menschenverstand – VIPS) an US-Präsident Barack Obama mit Datum vom 22. Juli 2015:
"... Die Spannungen zwischen den USA und Russland betreffs der Ukraine nähern sich mit hohem Tempo einem gefährlichen Punkt. Einer der Hauptfaktoren für das negative Bild, das die US-amerikanische Öffentlichkeit von Moskau hat, ist der Abschus der Maschine von Flug MH17 der Malaysia Airlines. ...
Wenn das Weiße Haus bezüglich MH17 über konkrete, beweiskräftige nachrichtendienstliche Informationen verfügt, dann finden wir, dass es höchste Zeit ist, ihre Freigabe zu genehmigen, bevor die Darstellung, »Russland ist schuld«, alles dominiert. Die US-Bevölkerung ist sehr wohl in der Lage, sich selbst ein Urteil darüber zu bilden, was passiert ist. Aber sie braucht dazu alle Informationen, die unvoreingenommen und ohne jeden Versuch unterbreitet werden sollten, unangenehme Schlussfolgerungen zu vermeiden. Und das sollte auch trotz des Risikos getan werden, dass dabei »Quellen und Methoden« gefährdet werden könnten, weil der größere Komplex von Krieg oder Frieden mit Russland ein vorrangiges Anliegen für jeden US-Amerikaner sein sollte.
Was wir brauchen, ist ein »Interagency Intelligence Assessment« – ein Mechanismus, den wir in der Vergangenheit angewendet haben, um signifikante Ergebnisse präsentieren zu können. Von einigen unserer ehemaligen Kollegen hörten wir auf indrektem Wege, dass der Entwurf des niederländischen Berichts im Widerspruch steht zu tatsächlich gesammelten nachrichtendienstlichen Informationen. Auf eine weitere Regierungs- (nicht Geheimdienst-) Einschätzung zurückzugreifen, um dem Problem der Verantwortung aus dem Weg zu gehen, das ist nicht angemessen und stellt für sich genommen eine Beleidigung für die Integrität und Professionalität der Geheimdienstler dar.
Mr. Präsident, wir glauben, dass es notwendig ist, dass Sie sich jetzt mit rechtschaffenen Geheimdienstanalysten zusammensetzen und ihnen zuhören, vor allem, wenn sie die vom Gruppendenken bestimmte vorherrschende Darstellung des Flugzeugabsturzes hinterfragen oder gar ablehnen. Diese Analysten könnten auch Sie überzeugen, Schritte zu unternehmen, um sich direkt mit dem Abschuss der Maschine von MH17 auseinanderzusetzen und das Risiko zu minimieren, dass die Beziehungen zu Russland in eine Wiederholung des Kalten Krieges mit der Drohung der Eskalation bis hin zum thermonuklearen Konflikt ausarten. In aller Offenheit sprechen wir die Vermutung aus, dass zumindest einige Ihrer Berater die Ungeheuerlichkeit dieser Gefahr unterschätzen.
Um Antwort wird gebeten. ..."
• Kiew geht weiter gegen Kommunisten vor
"Die ukrainische Regierung hält sich nicht einmal an ihre eigenen Prozeduren. So muss man die Entscheidung von Justizminister Pawlo Petrenko vom Freitag verstehen, die Registrierung kommunistischer Kandidaten für die im Oktober anstehenden Kommunalwahlen zu verbieten. Petrenko begründete es mit dem im Mai in Kraft getretenen Verbot der »Propagierung totalitärer Symbole« und erklärte, sie stehe im Einklang mit dem zu erwartenden Ergebnis des seit einem guten Jahr laufenden Verbotsverfahrens gegen die Kommunistische Partei der Ukraine (KPU). Letztere Äußerung spricht Bände über den Respekt, den der Justizminister gegenüber rechtsstaatlichen Prinzipien wie der Unabhängigkeit der Justiz und der Gewaltenteilung zeigt. Denn ein Urteil muss erst ergehen und wirksam werden, bevor sich Rechtsfolgen daraus ableiten lassen. Formal ist die KPU also derzeit nicht verboten. Im übrigen schleppt sich das Verbotsverfahren gegen die KPU von einer Vertagung zur nächsten und macht nicht den Eindruck, kurz vor dem Abschluss zu stehen. Mehrfach hatten sich Kiewer Verwaltungsrichter selbst für befangen oder unzuständig erklärt, um auf diese Weise gegen politischen Druck zu protestieren. ...
Das Wählerpotential der ukrainischen Kommunisten ist ohnehin gering. Die KPU, die noch 2010 13 Prozent der Stimmen bekommen hatte, landete bei der letzten Parlamentswahl bei knapp vier Prozent. Umso wahrscheinlicher ist, dass das Verbot, Kandidaten irgendwelcher kommunistischen Gruppen auch nur zu registrieren, präventiven Charakter hat. Denn die Sympathie für die in Kiew Regierenden hat abgenommen. ..." (junge Welt, 27.7.15)
• Angeblich russischer Offizier festgenommen
"Der ukrainische Grenzschutz meldet die Festnahme eines russischen Majors. Er soll einen Munitions-Lkw der Rebellen begleitet haben, als er am Kontrollpunkt Beresowoje im Gebiet Donezk abgefangen wurde. Während ein ebenfalls festgenommener Separatistenkämpfer einen Ausweis der "Donezker Volksrepublik" (DVR) bei sich trug, wird die Identität des Russen bislang dokumentarisch nicht bestätigt; die Behörden präsentierten lediglich eine russische Fahrerlaubnis.
Über die Zugehörigkeit zu den russischen Streitkräften will der Grenzschutz "aus eigenen Worten" des Verdächtigen erfahren haben. Kiew werde die Identität des Mannes überprüfen, teilte der Vertreter der Präsidialverwaltung, Alexander Motusjanik, mit. Der Vorfall könnte den von Präsident Petro Poroschenko angekündigten Abzug schwerer Waffen bis Mitte August verzögern.
Die Rebellen nannten die Konfiskation des Munitionslasters bereits "Inszenierung der ukrainischen Geheimdienste". Der Kontrollpunkt Beresowoje sei extra dafür ausgewählt worden, weil er nicht von den Rebellen kontrolliert werde. ..." (Der Standard online, 26.7.15)
Und immer, wenn sich Bewegung in Richtung Frieden andeutet, passiert etwas, dass das verhindern kann und soll ...
• Poroschenko kündigt entmilitarisierte Zone an
"Im ostukrainischen Kriegsgebiet sollen die schweren Waffen nach Angaben von Präsident Petro Poroschenko bis Mitte August von der Front abgezogen werden. Nach der Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens durch die Regierung und die prorussischen Separatisten gelte eine Frist von zehn Tagen, sagte der ukrainische Staatschef dem TV-Sender STB.
Trotz der geplanten Friedensschritte nahmen sich die Konfliktparteien am Wochenende unter Beschuss. Zwar hatten sich Kiew und die Aufständischen bereits am Dienstag geeinigt, eine 30 Kilometer breite entmilitarisierte Zone im Donbass einzurichten, doch lässt die Unterschrift des Abkommens auf sich warten. Die Vereinbarung solle bis spätestens 3. August besiegelt sein, bestätigte Poroschenko frühere Berichte. ..." (Der Standard online, 26.7.15)
• "Geburt des Donbass: Ein "wildes Feld" für Magnaten und Sowjets"
Die österreichische Tageszeitung Die Presse veröffentlichte in ihrer Onlineausgabe am 25.7.15 einen interessanten Beitrag von Jutta Sommerbauer über die Geschichte des Donbass
• Ukraine vorm Absturz
"Machtkämpfe mit Schmugglern, neue Kämpfe im Osten, Einflussnahme aus Russland und den USA: Die Ukraine muss derzeit an mehreren Fronten kämpfen. Es wächst die Angst vor dem endgültigen Chaos.
Aus den großen Schlagzeilen ist die Ukraine zuletzt verschwunden. Doch das heißt nicht, dass sich die Lage im Land wirklich beruhigt hätte. Die Regierung liefert sich einen Machtkampf mit Vertretern des paramilitärischen „Rechten Sektors“, die Dezentralisierung und der Sonderstatus des Donbass sorgt für Streit und im Osten wird trotz Waffenstillstands weiter gekämpft. Hinzu kommt eine Wirtschafts- und Finanzkrise, die immer bedrohlicher wird. Viele fürchten, dass nach dem Krieg in der Ost-Ukraine auch andere Landesteile destabilisiert werden und das Land vollends ins Chaos stürzt. ...
In der Westukraine hat die Regierung von Präsident Petro Poroschenko inzwischen Probleme, die Kontrolle zu behalten. In der Grenzstadt Mukatschewe liefern sich seit über einer Woche Kämpfer des als ultranational geltenden „Rechten Sektors“ Kämpfe mit der Polizei und dem ukrainischen Militär. ...
Doch Poroschenko will die ukrainische Armee nicht auch noch im Westen einsetzen und so weiter aufreiben. Die Soldaten sind im Osten des Landes schließlich noch genug beschäftigt. Dort wo eigentlich seit dem 15. Februar eine Waffenruhe gelten soll, kam es in den vergangenen Wochen zu den intensivsten Kämpfen seit der Einigung von Minsk, bei der sich alle Konfliktparteien unter anderem auf die Einstellung der Kämpfe, den Abzug schwerer Waffen und Kommunalwahlen geeinigt hatten.
Das Parlament in Kiew hatte deswegen am Donnerstag große Mühe, einen Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung durchzubringen. Laut den Minsker Vereinbarungen ist vorgesehen, dass den Regionen Donezk und Lugansk mehr Autonomie gewährt wird. Im Detail bedeutet das: Die Kommunen können eigene Gerichte, Staatsanwälte und Polizei aufstellen. Das Recht auf sprachliche Selbstbestimmung ist genauso vorgesehen wie eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation sowie die Abhaltung von Wahlen nach eigenen Gesetzen.
In der Ukraine laufen nicht nur Politiker gegen diese Bestimmungen Sturm. Auch die meisten Medien lehnen dieses Vorhaben ab, einige Kommentatoren gehen sogar soweit und sprechen von „jugoslawischen Szenarien für die Ost-Ukraine“. ...
Ob Poroschenko die Zustimmung zu den entsprechenden Gesetzen im September oder Oktober bekommt, ist nach der ersten Abstimmung fraglich. Viele in den Reihen seiner Koalitionspartner stimmten gegen die Dezentralisierung. ...
Ein weiterer Konfliktpunkt ist die Hafenstadt Odessa, wo seit Anfang Juni der frühere Präsident Georgiens, Michail Saakaschwili als Gouverneur regiert. ... Saakaschwili soll die Region komplett umbauen: Polizei, Sicherheitsbehörden, Verwaltung, Verbesserung des Investitionsklimas. Alles nach georgischem Vorbild, das heißt, mit starker Unterstützung der USA. Sicherheitsexperten aus Kalifornien coachen derzeit Polizeianwärter. Die Gehälter einiger Mitarbeiter Saakaschwilis werden nach Angaben des US-Botschafters in Kiew sogar von den USA bezahlt.
Als wenn all diese Konfliktherde noch nicht reichen würden, erlebt die Ukraine momentan auch eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise Die Arbeitslosigkeit steigt, die Mittelschicht fürchtet den Abstieg, die Währung verliert nach einer Phase der leichten Stabilität im Frühjahr wieder an Wert. ..." (Handelsblatt online, 25.7.15)
• Ein Besuch in Odessa
Der österreichische Journalist Martin Leidenfrost berichtet in der Ausgabe der Tageszeitung Neues Deutschland vom 25.7.15 von einem Besuch in Odessa: "Als der ukrainische Präsident Poroschenko den georgischen Ex-Präsidenten Saakaschwili im Juni zum Gouverneur der Region Odessa ernannte, wurde mir schwindlig. Saakaschwili bringt zwar aus Georgien Referenzen mit - unbestechliche Polizisten und Bürgerservicezentren zur Bündelung von Amtswegen. Doch an Georgiens Schwarzmeerstrand verpulverte er Unsummen für unbenutzbare phallusförmige Wolkenkratzer, in der Heimat erwartet ihn ein Haftbefehl, und auf der Stirn trägt er das Stigma, einen Krieg vom Zaun gebrochen zu haben. Der Politiker, der 2008 die pro-russische Republik Südossetien beschießen ließ, regiert nun an der Grenze zum pro-russischen Transnistrien - schriller können Alarmglocken nicht läuten.
Ich kenne die georgische Elite aus Georgien. Das sind wenige hundert Bringer, die dasselbe amerikanische Stipendium genossen haben, US-Politik-Englisch sprechen und gerne zugeben, dass sie am liebsten nur mit ihresgleichen arbeiten. Die Kluft zum Volk könnte größer nicht sein - die georgische Jugend spricht kein Russisch mehr und noch kein Englisch und ist mustergültig debilisiert. ...
Die Regionalbehörde gibt sich transparent, nur das Büro des herumdüsenden Gouverneurs ist mit einem kodierten Klebestreifen versiegelt. Vorläufig regieren hier sechs Georgier und ein Dutzend ukrainischer »Volontäre«. Die Beamten warten auf ihre Entlassung, seit Saakaschwili verkündete, dass »die 800 Beamten, die am Wochenende frei haben wollen, auszutauschen sind gegen 50, die Tag und Nacht arbeiten wollen.« Ich werde in die Amtsstube der Freiwilligen geführt. Sie kommen wegen Saakaschwili in das sowjetische Amtshaus, zwei sind Flüchtlinge aus dem Donbass. Der junge Presse-Volontär aus Kiew nennt das ein »Zentralgehirn«. Odessas pro-russischer »Antimajdan« sei zwar mächtig gewesen, »eine kolossale Mehrheit der qualitativen Leute ist aber für die Ukraine.« Das klingt schon mal georgisch-elitär. ...
Das Investitionsforum im »Hub Impact« wird zur One-Man-Show des neuen Gouverneurs. »Die Ukraine ist jetzt der interessanteste Ort der Welt«, ruft er. »Nicht wegen dem Krieg, sondern wegen dem Vibe, dem Drive.« Er greift mit süffigen Beispielen die Korruption der Hafenstadt an. ...
Er vergleicht Investoren mit einer schönen Frau, über seine Beamtinnen äußert er sich weniger galant: »Ein runzliges Mädel von 50 Jahren darf nicht zwischen mir und meinem Besitz stehen, meiner geliebten Wohnung, die ich kaufen oder verkaufen will.«
Und was sagt Odessa? Sonne, Party, Meer; Anspannung sieht nur, wer sie sehen will. »Unsere jüdischen Geschäftsleute lassen keinen Krieg in Odessa zu«, höre ich von verschiedenen Seiten. »Sie sind im Moment für Amerika, bei Bedarf einigen sie sich auch mit Russland.« Nicht einmal Saakaschwilis obszöne Entscheidung, am Tatort des Massakers vom 2. Mai 2014 die Marine unterzubringen, löst im weltklugen Odessa vernehmliches Entsetzen aus: »Man kann’s doch nicht leer stehen lassen.« Saakaschwilis verkündeten Krieg gegen Korruption betrachten meine Odessiter mit freudig verschränkten Armen: »Ach ja, die Korruption! Über die schrieb schon Plutarch!«"
• USA weiten Ausbildung Kiewer Truppen aus
"Das US-Militär weitet seinen Ausbildungseinsatz in der Ukraine aus. Neben der Nationalgarde des Innenministeriums sollten ab Herbst auch Soldaten und Spezialeinsatzkräfte geschult werden, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington am Freitag.
Dabei werde der Schwerpunkt voraussichtlich auf Taktik und der medizinischen Versorgung in Gefechtssituationen liegen. Die US-Armee bildet die Nationalgarde seit dem Frühling aus. ..." (Wiener Zeitung online, 25.7.15)
• Kiew hat "technische Pleite" abgewendet
"Die
Ukraine hat 120 Millionen Dollar (110,4 Millionen Euro) an Zinsen an
ihre Anleihegläubiger zurückbezahlt, wie es aus dem ukrainischen
Finanzministerium heißt. Damit habe das Land einen technischen Bankrott
verhindern können.
Im September werden die nächsten 500 Millionen Dollar und im Dezember weitere drei Millionen Dollar fällig. In Summe schuldet das krisengebeutelte Land internationalen Privatinvestoren rund 19 Milliarden Dollar.
Die Zahlung war bis zuletzt unsicher gewesen. Nicht etwa, weil sich die Ukraine die vergleichsweise kleine Rate nicht leisten könnte, sondern weil sie vor der Frage steht, ob es sinnvoller ist, die Schulden zu bezahlen oder nicht. Ähnlich wie Griechenland steht auch Kiew unter Druck der Gläubiger, die Schulden relativ rasch zu reduzieren.
Die ukrainische Regierung hingegen wünscht sich einen Schuldenschnitt von 40 Prozent bei den Privatgläubigern, dazu niedrigere Zinssätze auf die Anleihen und eine Streckung der Laufzeiten. Die Gläubiger wollen von einem Schuldenschnitt nichts wissen. ..." (Die Presse online, 24.7.15)
"... Allerdings hat sich die Ukraine selbst gesetzlich dazu ermächtigt, die Zahlungen per Moratorium auszusetzen, wenn sie das denn möchte. Sie begründet das Gesetz zum einen mit dem "Schutz nationaler Interessen".
Und außerdem damit, dass der Internationale Währungsfonds (IWF), der dem Land 17,5 Milliarden Dollar an Krediten zugesagt und knapp ein Drittel davon schon ausbezahlt hat, eine Verringerung der Schuldenlast um 15 Milliarden Dollar innerhalb von vier Jahren fordert.
"Die Situation ist in dieser Hinsicht durchaus mit Griechenland vergleichbar", erklärt Vasily Astrov, Ukraine-Experte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). "Das Land steht nämlich vor der Frage, ob es schlimmer ist, die Schulden zu bedienen oder nicht."
So gesehen könne man dem Freitag große Symbolkraft beimessen, sagt Dmitry Bojartschuk, Staatsschuldenexperte am Kiewer Wirtschaftsinstitut "Case", der "Welt". "Er wird zeigen, wo die Ukraine steht und wozu sie bereit ist." ..." (Die Welt online, 24.7.15)
Ergänzung von mir: Und die westlichen Herren Kiews zeigen, wozu sie bereit sind, die von ihnen an die Macht Gebrachten zu stützen.
Im September werden die nächsten 500 Millionen Dollar und im Dezember weitere drei Millionen Dollar fällig. In Summe schuldet das krisengebeutelte Land internationalen Privatinvestoren rund 19 Milliarden Dollar.
Die Zahlung war bis zuletzt unsicher gewesen. Nicht etwa, weil sich die Ukraine die vergleichsweise kleine Rate nicht leisten könnte, sondern weil sie vor der Frage steht, ob es sinnvoller ist, die Schulden zu bezahlen oder nicht. Ähnlich wie Griechenland steht auch Kiew unter Druck der Gläubiger, die Schulden relativ rasch zu reduzieren.
Die ukrainische Regierung hingegen wünscht sich einen Schuldenschnitt von 40 Prozent bei den Privatgläubigern, dazu niedrigere Zinssätze auf die Anleihen und eine Streckung der Laufzeiten. Die Gläubiger wollen von einem Schuldenschnitt nichts wissen. ..." (Die Presse online, 24.7.15)
"... Allerdings hat sich die Ukraine selbst gesetzlich dazu ermächtigt, die Zahlungen per Moratorium auszusetzen, wenn sie das denn möchte. Sie begründet das Gesetz zum einen mit dem "Schutz nationaler Interessen".
Und außerdem damit, dass der Internationale Währungsfonds (IWF), der dem Land 17,5 Milliarden Dollar an Krediten zugesagt und knapp ein Drittel davon schon ausbezahlt hat, eine Verringerung der Schuldenlast um 15 Milliarden Dollar innerhalb von vier Jahren fordert.
"Die Situation ist in dieser Hinsicht durchaus mit Griechenland vergleichbar", erklärt Vasily Astrov, Ukraine-Experte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). "Das Land steht nämlich vor der Frage, ob es schlimmer ist, die Schulden zu bedienen oder nicht."
So gesehen könne man dem Freitag große Symbolkraft beimessen, sagt Dmitry Bojartschuk, Staatsschuldenexperte am Kiewer Wirtschaftsinstitut "Case", der "Welt". "Er wird zeigen, wo die Ukraine steht und wozu sie bereit ist." ..." (Die Welt online, 24.7.15)
Ergänzung von mir: Und die westlichen Herren Kiews zeigen, wozu sie bereit sind, die von ihnen an die Macht Gebrachten zu stützen.
• "Ukraine: Oligarchie tonangebend"
"Inzwischen
ist ziemlich deutlich, dass die Entoligarchisierung der Ukraine, eine
zentrale Forderung der Maidan-Bewegung, nicht erreicht wurde (vgl. u.a.
diese IMI-Analyse). Auch der Guardian
hat nun nochmal über diese Problematik berichtet. Irina Veschtschuk,
die ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Rawa-Ruska wird in diesem
Bericht des Guardian folgendermaßen zitiert: “Poroshenko says what the
western politicians want to hear, and for some reason they believe him,
but they don’t understand how impossible de-oligarchisation is in our
system, how deep this post-Soviet legacy runs […]. The oligarchs are
like the blood and organs of the system, and we have nothing yet to
transplant them with.” (mp)" (IMI aktuell, 23.7.15)
• Orwell lässt grüßen: "Eigene Wahrheit als Gegengift"
"Der
Konflikt in der Ostukraine wird nicht zuletzt auch in den Medien
ausgetragen. Während der russischen Führung vorgeworfen wird, durch
staatsnahe Medien gezielt Falschinformationen zu verbreiten und gegen
die ukrainische Führung zu hetzen ("faschistische Junta"), hat Kiew im
vergangenen Dezember ein "Ministerium für Informationspolitik"
gegründet. Die Gründung wurde von scharfer Kritik begleitet, das
Ministerium von Journalisten und Aktivisten als "Wahrheitsministerium"
(nach dem Roman "1984" von George Orwell) verspottet. "Das ist keine
Strategie, um Propaganda zu bekämpfen", kritisierte auch Dunja
Mijatovic, OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit. Die "Wiener Zeitung"
sprach mit dem Vize-Minister Artjom Bidenko darüber, was die Ziele und
Funktionen des umstrittenen Ministeriums nun sind.
"Wiener Zeitung": Herr Vize-Minister, zuletzt habe ich in der Südukraine ein Graffiti gesehen: "Die Kraft der Ukraine liegt in der Wahrheit." Sehen Sie das auch so?
Artjom Bidenko: Unser Motto lautet: Die beste Gegenpropaganda ist die Wahrheit. Im Spanischen bedeutet "Propaganda" eigentlich "Werbung", aber seit dem Zweiten Weltkrieg ist das Wort sehr negativ aufgeladen. Wir sind aber überzeugt, dass Gegen-Propaganda auch heißt, Fake-News zu entlarven, indem man die Wahrheit sagt.
Wir wissen aber auch, dass das, was eine Regierung respektive ein Informationsministerium sagt, nicht immer zwangsläufig die Wahrheit ist.
Die Ukraine befindet sich in einer Krisen-Situation. Die bestehenden Strukturen sind dem nicht gewachsen. Eine Art Informationsministerium gab es etwa 1917 in den USA oder zur Zeit des Zweiten Weltkrieges in Großbritannien. ...
Ist das Informationsministerium also einfach so etwas wie eine große Pressestelle für den Staat?
Ja, das ist eine Funktion. Die zweite Funktion ist es, die Informationen der staatlichen Organe zu koordinieren. Und dann gibt es noch die Konzeption der Gegen-Propaganda. Wir machen keine Zensur, wir sagen den Journalisten nicht, was sie schreiben sollen und was nicht. Davor hatten ja alle Angst. Wir kümmern uns nur um die staatliche Kommunikation. ... Oder Mariupol (ukrainisch kontrollierte Stadt nahe der Front, Anm.). Es gibt dort keine ukrainischen Informationen. Wir suchen eine Finanzierungsquelle, um Flugblätter zu drucken und zu verteilen. ...
Wir wollen die Gesellschaft um bestimmte Werte sammeln.
Welche Werte sind das?
Freiheit, Wahrheit, Meinungsfreiheit, Patriotismus.
Aber gerade Patriotismus verträgt sich nicht immer mit der Meinungsfreiheit.
Wir haben keine Zensur. Patriotismus ist die Liebe zu seinem Staat. Daran kann ich nichts Schlechtes finden. ..." (Wiener Zeitung online, 22.7.15)
Ach ja, nicht nur bei der Aussage, dass es im von Kiewer Truppen, darunter faschistischen Freikorps wie dem Asow-Bataillon, kontrollierten Mariupol keine Kiewer Informationen geben soll, war ich doch etwas erstaunt über so viel "Wahrheit" ...
"Wiener Zeitung": Herr Vize-Minister, zuletzt habe ich in der Südukraine ein Graffiti gesehen: "Die Kraft der Ukraine liegt in der Wahrheit." Sehen Sie das auch so?
Artjom Bidenko: Unser Motto lautet: Die beste Gegenpropaganda ist die Wahrheit. Im Spanischen bedeutet "Propaganda" eigentlich "Werbung", aber seit dem Zweiten Weltkrieg ist das Wort sehr negativ aufgeladen. Wir sind aber überzeugt, dass Gegen-Propaganda auch heißt, Fake-News zu entlarven, indem man die Wahrheit sagt.
Wir wissen aber auch, dass das, was eine Regierung respektive ein Informationsministerium sagt, nicht immer zwangsläufig die Wahrheit ist.
Die Ukraine befindet sich in einer Krisen-Situation. Die bestehenden Strukturen sind dem nicht gewachsen. Eine Art Informationsministerium gab es etwa 1917 in den USA oder zur Zeit des Zweiten Weltkrieges in Großbritannien. ...
Ist das Informationsministerium also einfach so etwas wie eine große Pressestelle für den Staat?
Ja, das ist eine Funktion. Die zweite Funktion ist es, die Informationen der staatlichen Organe zu koordinieren. Und dann gibt es noch die Konzeption der Gegen-Propaganda. Wir machen keine Zensur, wir sagen den Journalisten nicht, was sie schreiben sollen und was nicht. Davor hatten ja alle Angst. Wir kümmern uns nur um die staatliche Kommunikation. ... Oder Mariupol (ukrainisch kontrollierte Stadt nahe der Front, Anm.). Es gibt dort keine ukrainischen Informationen. Wir suchen eine Finanzierungsquelle, um Flugblätter zu drucken und zu verteilen. ...
Wir wollen die Gesellschaft um bestimmte Werte sammeln.
Welche Werte sind das?
Freiheit, Wahrheit, Meinungsfreiheit, Patriotismus.
Aber gerade Patriotismus verträgt sich nicht immer mit der Meinungsfreiheit.
Wir haben keine Zensur. Patriotismus ist die Liebe zu seinem Staat. Daran kann ich nichts Schlechtes finden. ..." (Wiener Zeitung online, 22.7.15)
Ach ja, nicht nur bei der Aussage, dass es im von Kiewer Truppen, darunter faschistischen Freikorps wie dem Asow-Bataillon, kontrollierten Mariupol keine Kiewer Informationen geben soll, war ich doch etwas erstaunt über so viel "Wahrheit" ...
"Die Ukraine will Reservisten als territoriale Verteidigungskräfte heranziehen. In den Medien werden die neuen Einheiten bereits als Partisanenarmee bezeichnet, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Mittwoch.
Diese Idee wurde in Kiew bereits vor mehr als einem Jahr diskutiert. Jetzt wurde sie wiederbelebt, weil die ukrainischen Behörden eine Ausweitung der Kampfgebiete befürchten. Der Ausgangspunkt einer neuen Kriegsphase könnte laut Kiew die Einrichtung des UN-Tribunals zur MH17-Katastrophe sein.
Wie es Ende der vergangenen Woche in New York hieß, soll die Einrichtung eines UN-Tribunals Ende Juli im UN-Sicherheitsrat erörtert werden. Malaysia, die Niederlande, Australien, Belgien und die Ukraine haben sich bereits dafür ausgesprochen. Dagegen ist Russland.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte in einem CNN-Interview: „Nach der Untersuchung muss die zweite Etappe erfolgen – die Terroristen, die unschuldige Opfer töteten, zur Verantwortung zu ziehen. Wir unterstützen entschlossen die Einrichtung eines internationalen Tribunals. Wenn jemand diesen Prozess stoppen will, wird er dafür die Verantwortung übernehmen“.
Der ukrainische Präsident betonte im selben Interview, dass sich die Kämpfe im Donezbecken wegen der geplanten Erörterung der Resolution verschärft haben. „Ich habe Informationen darüber, dass es eine Intervention geben wird“, so Poroschenko. ..." (Sputnik, 22.7.15)
• Haben die USA EUropa vor "falschem Sicherheitsgefühl" bewahrt?
Der rumänische EU-Parlamentarier Sorin Moisă in einem Beitrag für das Onlinemagazin EurActiv vom 20.7.15 über "TTIP oder das Management der "großen Kontraktion" des Westens": "... Noch vor zwei Jahren, knapp vor Ausbruch der Ukraine-Krise, äußerten zwei europäische Spitzenpolitiker mir gegenüber in privaten Gesprächen die Überzeugung, dass westeuropäische Staaten wohl schon bald keine Streitkräfte mehr benötigen würden. Binnen kürzester Zeit hatte ein falsches Gefühl von Sicherheit Politiker und Völker gleichermaßen erfasst. In einer Umwelt, die von anderen (genauer gesagt den USA) beschützt wird - und noch dazu gegen schon in der Theorie schwer vorstellbare, geschweige denn tatsächlich nachvollziehbare Bedrohungen –, stumpft letztlich auch der Überlebensinstinkt ab. In Mittel- und Osteuropa gab es dieses Problem nie. Die wohl einleuchtendste Erklärung für die jähe Renaissance der Geopolitik bleiben die durch das vermeintliche Schwächeln der westlichen Vormacht entstandenen Anreize und die sich daraus ergebenden Herausforderungen. Die Wirtschaftskrise in Europa, die die EU auch heute noch durchbeutelt, trug ihrerseits zum trügerischen Gefühl bei, dass scharfe strategische Reaktionen höchst unwahrscheinlich seien; man ging daher lieber bewährten Strategien wie etwa "divide et impera" innerhalb der EU nach.
Zwar wird der Westen zurückgedrängt, allerdings steht er noch längst mit dem Rücken zur Wand. Mit Ausnahme von Russland schlägt derzeit kaum jemand aggressive Töne an. ..."
Siehe auch das Interview mit Jan Techau, Chef des Thinktanks Carnegie Europe in Die Presse online, 22.7.15:
"Die Presse: Wie sicher ist Europa im Jahr 2015?
Jan Techau: Europa ist ziemlich sicher, aber die Sicherheitslage wird nach und nach schlechter. Und Europa ist bei seiner Sicherheit im Wesentlichen von den Vereinigten Staaten abhängig – das ist auch der Grund für diese relative Sicherheit. Selbst könnten wir unsere Sicherheit nicht garantieren. Wir haben es mit einem wackeligen Konstrukt zu tun.
Wie prekär ist dieses Sicherheitsarrangement mit den USA?
Amerika wird sich nie vollständig aus Europa verabschieden können. Dafür hat es hier zu starke Interessen – die größten Investments und die besten Freunde, die es auf dieser Welt finden kann. Geopolitisch betrachtet ist Europa die Gegenküste der USA. Und für Washington war es immer von großer Bedeutung, dass es auf der anderen Seite des Teichs stabil zugeht. ...
Woran liegt es, dass die Europäer zu wenig für ihre eigene Sicherheit sorgen?
Es gibt mehrere Gründe: erstens das Arrangement mit den USA. Der zweite Grund liegt darin, dass sich die Europäer trotz aller Krisen in ihrer Nachbarschaft immer noch relativ sicher fühlen. Es gibt kein wirklich akutes Bedrohungsgefühl und deswegen auch keine wirkliche Diskussion über europäische Sicherheit, die über Expertenkreise hinausgeht. Selbst die Ukraine-Krise, die das europäische Sicherheitssystem an sich infrage stellt, hat zu keiner Grundsatzdebatte geführt – anders als es bei der Eurokrise der Fall ist ..."
Da muss doch ein bisschen Angst her, damit sich EUropa nicht von den USA entfernt und der Militärisch-Industrielle Komplex wieder mehr verdienen kann.
• Sanktionen treffen deutschen Mittelstand
"Die gegen Russland verhängten Sanktionen sind nicht zielführend und haben eine dramatische Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft, wie Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), betonte.
Der deutsche Mittelstand sei davon in besonderem Maße betroffen, sagte er in einem RIA-Novosti-Gespräch. „Denn die Mehrzahl der rund 6.000 deutschen Unternehmen, die in Russland aktiv sind, sind mittelständische Betriebe.“
„Die Situation insgesamt ist dramatisch: Wir hatten 2012 ein Exportvolumen zwischen Deutschland und Russland von rund 80 Milliarden Euro, heute sind es 65 Milliarden Euro“, betonte Ohoven. „Allein im ersten Quartal 2015 gab es einen Einbruch um 35 Prozent. Bemerkenswert scheint mir dabei, dass die US-Exporte nach Russland fast gleich geblieben sind.“
„Im Klartext: Die Sanktionen treffen das Herz der deutschen Exportwirtschaft“, unterstrich Ohoven. „Besonders hart trifft es die Autoindustrie, deren Zulieferer im Wesentlichen aus dem Mittelstand kommen, und den mittelständisch geprägten Maschinenbau. Autoexperten waren 2012 davon ausgegangen, dass der russische Automarkt bis 2015 ein Volumen von mehr als drei Millionen Neuwagen erreichen würde. Tatsächlich liegen wir jetzt bei der Hälfte.“
„Im Maschinenbau sind es insbesondere Mittelständler aus Ostdeutschland, die die Auswirkungen der Sanktionen zu spüren bekommen“, fügte er hinzu. „Das hängt mit ihren traditionell guten Beziehungen zu russischen Partnern zusammen. Alles in allem sind die Aussichten der Maschinen- und Anlagenbauer für das Russland-Geschäft sehr düster. Wir wissen aus einer Umfrage des Branchenverbandes VDMA, dass über 91 Prozent für das laufende Jahr mit einer negativen Wirtschaftsentwicklung rechnen.“ ..." (Sputnik, 14.7.15)
• Jazenjuk als Verwalter und Vollstrecker der US-Interessen
"Wie direkt amerikanische Politiker auf die Regierungsbildung in der Ukraine Einfluss nehmen, zeigt ein auf den 25. Juni 2015 datierter Brief des US-Senators Richard J. Durbin, der bei The Saker zu finden ist. Darin wendet sich der Ko-Vorsitzende der „Ukraine-Gruppe“ („Ukraine Caucus“) im Senat an den ukrainischen Ministerpräsidenten und engen US-Verbündeten Arseni Jazenjuk. Zunächst teilt er mit, er teile dessen Sorge, um einige der jüngsten „Entlassungen von Schlüsselfiguren der ukrainischen Führung durch [Präsident] Petro Poroschenko.“ Es sei von enormer Bedeutung, „jede Anstrengung zu unternehmen, um Oleksiy Pavlenko in seinem Amt als Agrar- und Lebensmittelminister zu halten“. Mit seinem Rausschmiss würden „einer Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und ukrainischen Agrofirmen zusätzliche Hindernisse in den Weg gelegt.“ In der Tat dürfte dies misslich sein, waren die US-Agrofirmen doch bislang in der Lage, sich etliche Filetstücke des ukrainischen Landwirtschaftssektors unter den Nagel zu reißen (siehe IMI-Aktuell 2015/142). Darüber hinaus sei es von „höchster Bedeutung“ sicherzustellen, dass Yuriy Nedashkovsky weiter Präsident von Energoatom bleibe.
Allerdings scheint man andererseits auch nicht mit jeder Personalpräferenz Janzejuks konform zu gehen ...
Allein die Tatsache allerdings, dass ein US-Senator sich berufen fühlt, dem ukrainischen Ministerpräsidenten detaillierte Vorgaben zur Besetzung führender Regierungs- und Unternehmensposten zu übermitteln, sagt einiges über den Grad der Unabhängigkeit der Ukraine aus." (Informationsstelle Militarisierung - IMI, 6.7.15)
• EU-Kurs: Expansion – Assoziation – Konfrontation
Die Informationstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen hat Ende Juni die Broschüre "Expansion – Assoziation – Konfrontation: EUropas Nachbarschaftspolitik, die Ukraine und der Neue Kalte Krieg gegen Russland" in Zusammenarbeit mit der linken Europaabgeordneten Sabine Lösing herausgegeben.
Weitere Informationen auf der IMI-Website
→ hier geht's zu Folge 234
→ alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen
→ die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
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