Ein neues Buch gibt einen Überblick über die Entwicklung und
Lage in Syrien und versucht, eine Gegenstrategie zu dem von außen
geschürten Krieg zu skizzieren.
Um es vorwegzunehmen: Christiane Reymann und Wolfgang Gehrcke haben ein wichtiges und gutes Buch veröffentlicht. Mit „Syrien – Wie man einen säkularen Staat zerstört und eine Gesellschaft islamisiert“ bieten sie einen aktuellen Überblick über die Entwicklung und Lage in dem inzwischen kriegsgeschundenen Land. Der Papyrossa-Verlag hat die Journalistin und den Linkspartei-Bundestagsabgeordneten unterstützt und es möglich gemacht, dass aus der Idee der beiden Herausgeber von Dezember 2012 innerhalb von etwa drei Monaten ein interessantes Buch wurde.
Reymann und Gehrcke haben es geschafft, syrische, arabische und deutsche Autoren zu gewinnen, die wissen, wovon und worüber sie schreiben. Ob es Michel Kilo, der bekannte syrische Oppositionelle, oder der syrische Schriftsteller Louay Hussein ist, die Journalistin Karin Leukefeld, einer der wenigen, die von Anfang an aus Syrien berichtet, oder der Völkerrechtler und ehemalige Bundestagsabgeordnete Norman Paech, die Nahostwissenschaftlerin Karin Kulow oder der frühere DDR-Diplomat und spätere OSZE-Mitarbeiter Arne C. Seifert, die syrische Ärztin Mouna Ghanem oder Haytham Manna, Auslandssprecher des Nationalen Koordinationsbüros für Demokratischen Wandel in Syrien (NCB). Sie und noch andere tragen mit ihren Texten zu einem Mosaik bei, das gerade durch die unterschiedlichen Perspektiven so interessant ist, und das die Situation ebenso wie Hintergründe und Zusammenhänge der syrischen Entwicklung verstehen hilft. Zugleich werden so Alternativen zu dem aktuellen Geschehen und der westlichen Politik deutlich gemacht. Etwas haben die Autoren gemeinsam: Das Ja zu demokratischen Veränderungen in Syrien, aber auf friedlichem Wege, und das Nein zur anhaltenden Gewalt und zu dem von außen geschürten Krieg.
Mit dem Buch sollte auch jenen syrischen Oppositionellen ein Podium gegeben werden, die von den westlichen Mainstream-Medien ignoriert werden, so Christiane Reymann bei der Buchvorstellung am 19. März 2013 in Berlin. Die vom Westen mit größtem Druck zusammengestellte „Nationale Koalition“ umfasse nur einen Teil der „sehr vielfältigen syrischen Opposition“, werde aber von den meisten Medien immer als „die Opposition“ und als „die legitime Vertretung des syrischen Volkes“ dargestellt. Politisch Aktive wie Manna, Kilo und Hussein, die gemeinsam mit anderen für eine friedliche Lösung des syrischen Konfliktes eintreten, würden dagegen nicht oder kaum beachtet, zum Teil vom Westen auch aktiv behindert. Wie weit das geht, schilderte die Mitherausgeberin am Beispiel der Konferenz der gewaltfreien, demokratischen syrischen Opposition am 28. und 29. Januar 2013 in Genf, bei der sie dabei gewesen war. 62 der Oppositionellen konnten daran nicht teilnehmen, berichtete Reymann. Aber nicht die Ausreise aus Syrien sei das Hindernis gewesen, sondern die verweigerte Einreise durch die Schweiz.
„Wir haben uns mit dem Buch redlich Mühe gegeben, uns mit allen anzulegen“, meinte Mitherausgeber Gehrcke: Mit der etablierten Politik ebenso wie mit den Pseudo-Linken von „Adopt a Revolution“, aber ebenso mit jenen, die den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad als „fortschrittlich“ einschätzten. Zugleich sei es aber auch um eine faire Wertung der Entwicklung in Syrien gegangen. Was Gehrcke über das Land sagte, das klang fast wie eine Beschreibung dessen, was durch den bisher zweijährigen Krieg zerstört wurde. Das reichte von der im Vergleich zu anderen Ländern im Nahen Osten größeren sozialen Gerechtigkeit und das sich entwickelnde Bildungssystem bis zu dem säkularen Staat mit religiöser Freiheit. Dazu gehöre aber auch eine seit Jahrzehnten aktive politische Opposition, die Verfolgung, Haft, Folter und Mord aushalten musste und der unter Assad junior deutlich neoliberale Kurswechsel mit den sich verschlechternden Lebensverhältnissen auf dem Land. Gehrcke rechnete es dem syrischen Staat aber auch hoch an, dass er trotz aller eigenen Probleme rund 400.000 Palästinenser und fast zwei Millionen Iraker nach dem vor zehn Jahren begonnenen Krieg der USA als Flüchtlinge aufnahm.
„Die Lage heute ist katastrophal“, so der Bundestagsabgeordnete. Es sei „kein Krieg der Bürger“, der Syrien zerstöre, sondern ein von außen geschürter Krieg unterschiedlicher Gruppen gegen den Staat. Dieser zerfalle, einzelne Gebiete würden von verschiedenen Gruppen beherrscht und auch ausgebeutet. Das einzig zusammenhängende Territorium sei noch das der Kurden in Nordsyrien. Es müsse alles getan werden, um den Krieg zu beenden, forderte Gehrcke bei der Buchvorstellung. Das müsse mit einem Dialog für einen Waffenstillstand beginnen. Doch der Westen wolle nur den Sturz Assads, tue nichts für das Ende des Blutvergießens und habe mit der Bereitschaft, den „Rebellen“ Waffen zu liefern, das „Signal zur Verlängerung des Krieges“ gegeben. „Der Sturz Assads steht in keinem UN-Dokument als Ziel“, erinnerte der aktive Außen- und Friedenspolitiker der Linkspartei. Damit widersprach er auch jenen, die er nach eigenem Bekunden im Bundestag als stärkste Befürworter einer westlichen Intervention in Syrien erlebt: Den Bündnisgrünen, gegen die selbst Außenminister Guido Westerwelle fast wie ein Pazifist wirke. Gehrcke befürchtet, dass mit dem sogenannten Exil-Ministerpräsidenten Ghassan Hitto und der von ihm zu bildenden Exil-Regierung eine Situation geschaffen wird, in der diese als angeblich legitime Vertreter den Westen bitten, in Syrien militärisch einzugreifen, um den völkerrechtlichen Schein zu wahren.
„Sollte Gewalt die Oberhand behalten, wird noch mehr zerstört werden“, warnt der Schriftsteller und Vorsitzende der 2011 gegründeten Allianz zur Bildung des Syrischen Staates Louay Hussein in dem Buch. „Syrien ist ethnisch, religiös und kulturell sehr verflochten. Jeder bewaffnete Konflikt führt dieses Land in einen vielschichtigen Bürgerkrieg.“ Die Gewalt führe nicht nur zum „schrecklichen Verlust von Menschenleben und zur Zerstörung der Infrastruktur“. Sie stelle auch eine Gefahr für die nationale Integrität des Landes dar. Hussein erwähnt in seinem Beitrag auch das „offene Geheimnis“, dass die nichtsyrischen Kämpfer von vielen Staaten rekrutiert, finanziert, ausgebildet, bewaffnet und gesteuert werden. „Das Ziel dieser Staaten ist die Zerstörung Syriens um jeden Preis. Syrien soll nachhaltig geschwächt werden, indem es in kleine Einheiten aufgeteilt oder in einen extrem schwachen Zentralstaat umgewandelt wird.“ Die Allianz bleibe bei ihrem Ziel, das Regime zu stürzen, was aber kein Selbstzweck sei, „sondern Mittel, um die Demokratisierung Wirklichkeit werden zu lassen“. „Wir gingen und gehen davon aus, dass Demokratie nur durch gewaltlosen Kampf erreicht werden kann“, betonte der politisch aktive Schriftsteller. „Die Internationalisierung der Syrien-Frage gefährdet aus unserer Sicht die innersyrischen Optionen. Sie wird zum Gegenstand internationaler Verhandlungen ohne die Syrer selbst.“
Die Herausgeber des Buches wollen gemeinsam mit den Autoren einen Gegenentwurf skizzieren zur Strategie der selbsternannten „Freunde des syrischen Volkes“, der NATO und der Bundesregierung, welche auf einen Regimechange notfalls auch mit einer Militärintervention ziele. „Vermissen werden Sie in diesem Buch Aufrufe zur Gewalt, zur Fortsetzung des Bürgerkrieges, zum Waffenhandel, zur ‚humanitären Intervention‘, zur ‚Bündnistreue‘“, schreiben Christiane Reymann und Wolfgang Gehrcke in ihrem Vorwort. Genau das macht das Buch so wichtig und wertvoll, wie ich finde, wozu aber auch das „Who is Who in der syrischen Politik“ über die Parteien und Gruppen des Landes ebenso wie die Dokumente im Anhang beitragen.
Um es vorwegzunehmen: Christiane Reymann und Wolfgang Gehrcke haben ein wichtiges und gutes Buch veröffentlicht. Mit „Syrien – Wie man einen säkularen Staat zerstört und eine Gesellschaft islamisiert“ bieten sie einen aktuellen Überblick über die Entwicklung und Lage in dem inzwischen kriegsgeschundenen Land. Der Papyrossa-Verlag hat die Journalistin und den Linkspartei-Bundestagsabgeordneten unterstützt und es möglich gemacht, dass aus der Idee der beiden Herausgeber von Dezember 2012 innerhalb von etwa drei Monaten ein interessantes Buch wurde.
Reymann und Gehrcke haben es geschafft, syrische, arabische und deutsche Autoren zu gewinnen, die wissen, wovon und worüber sie schreiben. Ob es Michel Kilo, der bekannte syrische Oppositionelle, oder der syrische Schriftsteller Louay Hussein ist, die Journalistin Karin Leukefeld, einer der wenigen, die von Anfang an aus Syrien berichtet, oder der Völkerrechtler und ehemalige Bundestagsabgeordnete Norman Paech, die Nahostwissenschaftlerin Karin Kulow oder der frühere DDR-Diplomat und spätere OSZE-Mitarbeiter Arne C. Seifert, die syrische Ärztin Mouna Ghanem oder Haytham Manna, Auslandssprecher des Nationalen Koordinationsbüros für Demokratischen Wandel in Syrien (NCB). Sie und noch andere tragen mit ihren Texten zu einem Mosaik bei, das gerade durch die unterschiedlichen Perspektiven so interessant ist, und das die Situation ebenso wie Hintergründe und Zusammenhänge der syrischen Entwicklung verstehen hilft. Zugleich werden so Alternativen zu dem aktuellen Geschehen und der westlichen Politik deutlich gemacht. Etwas haben die Autoren gemeinsam: Das Ja zu demokratischen Veränderungen in Syrien, aber auf friedlichem Wege, und das Nein zur anhaltenden Gewalt und zu dem von außen geschürten Krieg.
Mit dem Buch sollte auch jenen syrischen Oppositionellen ein Podium gegeben werden, die von den westlichen Mainstream-Medien ignoriert werden, so Christiane Reymann bei der Buchvorstellung am 19. März 2013 in Berlin. Die vom Westen mit größtem Druck zusammengestellte „Nationale Koalition“ umfasse nur einen Teil der „sehr vielfältigen syrischen Opposition“, werde aber von den meisten Medien immer als „die Opposition“ und als „die legitime Vertretung des syrischen Volkes“ dargestellt. Politisch Aktive wie Manna, Kilo und Hussein, die gemeinsam mit anderen für eine friedliche Lösung des syrischen Konfliktes eintreten, würden dagegen nicht oder kaum beachtet, zum Teil vom Westen auch aktiv behindert. Wie weit das geht, schilderte die Mitherausgeberin am Beispiel der Konferenz der gewaltfreien, demokratischen syrischen Opposition am 28. und 29. Januar 2013 in Genf, bei der sie dabei gewesen war. 62 der Oppositionellen konnten daran nicht teilnehmen, berichtete Reymann. Aber nicht die Ausreise aus Syrien sei das Hindernis gewesen, sondern die verweigerte Einreise durch die Schweiz.
„Wir haben uns mit dem Buch redlich Mühe gegeben, uns mit allen anzulegen“, meinte Mitherausgeber Gehrcke: Mit der etablierten Politik ebenso wie mit den Pseudo-Linken von „Adopt a Revolution“, aber ebenso mit jenen, die den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad als „fortschrittlich“ einschätzten. Zugleich sei es aber auch um eine faire Wertung der Entwicklung in Syrien gegangen. Was Gehrcke über das Land sagte, das klang fast wie eine Beschreibung dessen, was durch den bisher zweijährigen Krieg zerstört wurde. Das reichte von der im Vergleich zu anderen Ländern im Nahen Osten größeren sozialen Gerechtigkeit und das sich entwickelnde Bildungssystem bis zu dem säkularen Staat mit religiöser Freiheit. Dazu gehöre aber auch eine seit Jahrzehnten aktive politische Opposition, die Verfolgung, Haft, Folter und Mord aushalten musste und der unter Assad junior deutlich neoliberale Kurswechsel mit den sich verschlechternden Lebensverhältnissen auf dem Land. Gehrcke rechnete es dem syrischen Staat aber auch hoch an, dass er trotz aller eigenen Probleme rund 400.000 Palästinenser und fast zwei Millionen Iraker nach dem vor zehn Jahren begonnenen Krieg der USA als Flüchtlinge aufnahm.
„Die Lage heute ist katastrophal“, so der Bundestagsabgeordnete. Es sei „kein Krieg der Bürger“, der Syrien zerstöre, sondern ein von außen geschürter Krieg unterschiedlicher Gruppen gegen den Staat. Dieser zerfalle, einzelne Gebiete würden von verschiedenen Gruppen beherrscht und auch ausgebeutet. Das einzig zusammenhängende Territorium sei noch das der Kurden in Nordsyrien. Es müsse alles getan werden, um den Krieg zu beenden, forderte Gehrcke bei der Buchvorstellung. Das müsse mit einem Dialog für einen Waffenstillstand beginnen. Doch der Westen wolle nur den Sturz Assads, tue nichts für das Ende des Blutvergießens und habe mit der Bereitschaft, den „Rebellen“ Waffen zu liefern, das „Signal zur Verlängerung des Krieges“ gegeben. „Der Sturz Assads steht in keinem UN-Dokument als Ziel“, erinnerte der aktive Außen- und Friedenspolitiker der Linkspartei. Damit widersprach er auch jenen, die er nach eigenem Bekunden im Bundestag als stärkste Befürworter einer westlichen Intervention in Syrien erlebt: Den Bündnisgrünen, gegen die selbst Außenminister Guido Westerwelle fast wie ein Pazifist wirke. Gehrcke befürchtet, dass mit dem sogenannten Exil-Ministerpräsidenten Ghassan Hitto und der von ihm zu bildenden Exil-Regierung eine Situation geschaffen wird, in der diese als angeblich legitime Vertreter den Westen bitten, in Syrien militärisch einzugreifen, um den völkerrechtlichen Schein zu wahren.
„Sollte Gewalt die Oberhand behalten, wird noch mehr zerstört werden“, warnt der Schriftsteller und Vorsitzende der 2011 gegründeten Allianz zur Bildung des Syrischen Staates Louay Hussein in dem Buch. „Syrien ist ethnisch, religiös und kulturell sehr verflochten. Jeder bewaffnete Konflikt führt dieses Land in einen vielschichtigen Bürgerkrieg.“ Die Gewalt führe nicht nur zum „schrecklichen Verlust von Menschenleben und zur Zerstörung der Infrastruktur“. Sie stelle auch eine Gefahr für die nationale Integrität des Landes dar. Hussein erwähnt in seinem Beitrag auch das „offene Geheimnis“, dass die nichtsyrischen Kämpfer von vielen Staaten rekrutiert, finanziert, ausgebildet, bewaffnet und gesteuert werden. „Das Ziel dieser Staaten ist die Zerstörung Syriens um jeden Preis. Syrien soll nachhaltig geschwächt werden, indem es in kleine Einheiten aufgeteilt oder in einen extrem schwachen Zentralstaat umgewandelt wird.“ Die Allianz bleibe bei ihrem Ziel, das Regime zu stürzen, was aber kein Selbstzweck sei, „sondern Mittel, um die Demokratisierung Wirklichkeit werden zu lassen“. „Wir gingen und gehen davon aus, dass Demokratie nur durch gewaltlosen Kampf erreicht werden kann“, betonte der politisch aktive Schriftsteller. „Die Internationalisierung der Syrien-Frage gefährdet aus unserer Sicht die innersyrischen Optionen. Sie wird zum Gegenstand internationaler Verhandlungen ohne die Syrer selbst.“
Die Herausgeber des Buches wollen gemeinsam mit den Autoren einen Gegenentwurf skizzieren zur Strategie der selbsternannten „Freunde des syrischen Volkes“, der NATO und der Bundesregierung, welche auf einen Regimechange notfalls auch mit einer Militärintervention ziele. „Vermissen werden Sie in diesem Buch Aufrufe zur Gewalt, zur Fortsetzung des Bürgerkrieges, zum Waffenhandel, zur ‚humanitären Intervention‘, zur ‚Bündnistreue‘“, schreiben Christiane Reymann und Wolfgang Gehrcke in ihrem Vorwort. Genau das macht das Buch so wichtig und wertvoll, wie ich finde, wozu aber auch das „Who is Who in der syrischen Politik“ über die Parteien und Gruppen des Landes ebenso wie die Dokumente im Anhang beitragen.
Wolfgang Gehrcke / Christiane Reymann (Hg.)
Syrien – Wie man einen säkularen Staat zerstört
und eine Gesellschaft islamisiert
PapyRossa Verlag, Köln, 2013
Neue Kleine Bibliothek 191, 187 Seiten
EUR 9,90 [D] / 10,20 [A]
ISBN 978-3-89438-521-7
wird ab 21.03. ausgeliefert
Inhaltsverzeichnis (pdf-Datei)
weitere Informationen hier online
Syrien – Wie man einen säkularen Staat zerstört
und eine Gesellschaft islamisiert
PapyRossa Verlag, Köln, 2013
Neue Kleine Bibliothek 191, 187 Seiten
EUR 9,90 [D] / 10,20 [A]
ISBN 978-3-89438-521-7
wird ab 21.03. ausgeliefert
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