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Dienstag, 5. Februar 2013

Syrien im Visier Israels

Immer wieder wird behauptet, Israel habe gar kein Interesse, das Nachbarland Syrien zu schwächen. Es kann auch anders sein.
Israel dürfte entgegen anderslautender Behauptungen sehr wohl ein Interesse an einem schwachen Syrien haben. Darauf deutet auch manches hin, was nach dem völkerrechtswidrigen Kriegsakt Israels gegen Syrien gemeldet wird. Danach soll es noch weiter gehen: "Nach Berichten über einen israelischen Luftangriff in Syrien schließen israelische Medien auch eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem nördlichen Nachbarn nicht mehr aus." Das schrieb der österreichische Standard am 1. Februar 2013. Natürlich wird Syrien dafür verantwortlich gemacht, wenn es so kommen sollte.
Davon ausgehend, dass Israel kaum etwas ohne Wissen und Zustimmung der USA machen kann, ist es auch möglich, dass Israel einen Job übernimmt, den der Westen nicht selber machen will, auch wenn er auf das Ergebnis scharf ist. Die USA waren über den Angriff auf Syrien laut New York Times vom 31. Januar 2013 informiert. Laut einem unbestätigten Bericht des Magazins Time wurde auch grünes Licht für weitere Luftangriffe in Syrien gegeben. Die USA seien auch selbst zu solchen Einsätzen in Syrien in der Region von Aleppo bereit, sollten die gegen das Assad-Regime kämpfenden Rebellen versuchen, Massenvernichtungswaffen unter ihre Kontrolle zu bringen, berichteten israelische Medien nach dem Time-Bericht. Im Orignalbeitrag heißt es: "A Western intelligence official indicated to TIME that at least one to two additional targets were hit the same night, without offering details. Officials also said that Israel had a “green light” from Washington to launch yet more such strikes."
Israels Kriegsminister Ehud Barak bezeichnete am 3. Februar 2013 auf der Münchner Sicherheitskonferenz den Luftangriff auf Syrien als einen Beweis dafür, dass es Israel mit seinen Erklärungen über die Unzulässigkeit der Übergabe moderner Waffen aus syrischen Arsenalen an libanesische Kämpfer ernst meine. ... "In den letzten Monaten hatten israelische Spitzenpolitiker ihre Besorgnis darüber geäußert, dass das syrische Regime Waffen an die Schiitenbewegung Hesbollah liefern kann, gegen die Israel sechs Jahre lang kämpfte. 'Hesbollah im Libanon und die Iraner sind die einzigen Verbündeten, die Baschar al-Assad noch hat', erklärte Barak laut AP. Der israelische Minister prophezeite ein „unumgängliches“ Fiasko des Regimes in Syrien." (RIA Novosti, 3.2.13) Die erwähnte AP-Meldung ist hier zu finden.
Baraks Hinweise auf die Hisbollah und den Iran weisen in die Richtung der tatsächlichen israelischen Interessen an einer Schwächung Syriens. Die Chemiewaffen dürften auch in dem Fall nur als Vorwand für den aktiven Krieg gegen das Nachbarland sein. Darauf deutet hin, was der ehemalige israelische General Schlomo Brom im August 2012 über die angebliche Gefahr für Israel durch syrische Chemiewaffen sagte: "Die unmittelbare Gefahr ist gering“. Im Interview mit der taz führte er u.a. aus: "... Halten Sie es für denkbar, dass Präsident Baschar al-Assad die Waffen möglicherweise als letzten Versuch, sich selbst zu retten, gegen Israel einsetzen könnte?
Das glaube ich nicht. Assads Regierung würde dadurch nichts gewinnen. Der syrischen Führung geht es nicht um die Zerstörung Israels, sondern um das eigene Überleben, als Regierung und als Individuum.
Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass die Waffen an die libanesische Hisbollah geleitet werden?
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Waffen der Hisbollah übergeben werden, ist gering. Es gibt keinen Präzedenzfall für den Transfer chemischer Waffen aus staatlichem Besitz an eine nichtstaatliche Organisation. Umgekehrt ist sehr fraglich, ob die Hisbollah überhaupt daran interessiert wäre, die Verantwortung für chemische Waffen zu übernehmen, die gegen eine gut geschützte Bevölkerung wie die israelische doch kaum etwas ausrichten können. ..." (taz, 21.8.2012)
Im Oktober 2012 sagte Einat Wilf, Knesset-Abgeordnete für die Unabhängigen, die Partei von Kriegsminister Barak, und Mitglied des Komitees Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung dem Schweizer Tages-Anzeiger auf die Frage, wovor sie sich fürchte: "In unserer Region haben vor allem die arabischen Länder mit Problemen zu kämpfen. Wir müssen sicherstellen, dass diese Probleme nicht in unser Land exportiert werden. Es gibt zurzeit nicht eine bestimmte Bedrohung. Kein bestimmtes Land, das heraussticht. Es geht wirklich vielmehr darum, die Unruhen von uns fernzuhalten."
Doch solche Argumente und Sichten stören nur bei den Kriegsbegründungen und diesen dienenden medial angehizten öffentlichen Hysterien. Und so wurden die Chemiewaffen als Begründung vorgeschoben, schon als der Überfall angekündigt wurde: "Israel will syrische Chemiewaffen nicht in die Hand militanter Gruppen fallen lassen. Dafür sei auch ein Präventivschlag denkbar, machte der stellvertretende Ministerpräsident Silvan Shalom am Sonntag im Militärradio deutlich." (Hamburger Abendblatt, 27.1.2013)
Und es sei daran erinnert, dass Israel längst seine Finger im antisyrischen Spiel hat. In einem Bericht des Radiosenders "Stimme Russlands" von Februar 2012 sagte der ehemalige libanesische general Amin Khteit, nachdem auf dem Flugplatz Kleyate im Norden Libanons israelische Waffen geliefert wurden, "die später zu den Aufständischen in Syrien geschickt wurden". Der Ex-General geht davon aus, dass der Flughafen ein Umschlagplatz für Waffenlieferungen an die syrischen "Rebellen" ist. (Quelle) Im April 2012 gab es dann Meldungen aus Syrien, wonach "große Mengen an verschiedenartigen in Israel und den USA gebauten Waffen ... in einem der Verstecke bewaffneter Terrorgruppen in der syrischen Stadt Homs entdeckt und sichergestellt worden" seien. Einen weiteren Beleg für israelische Waffen in Syrien veröffentlichte Franklin Lamb bei Counterpunch.org Anfang November 2012 mit einer Liste der Top 24-Länder unter den mehr als drei Dutzend, die derzeit in die illegalen Waffenlieferungen an die "Rebellen" in Syrien involviert sind, Darunter ist auch Israel zu finden. In dem Beitrag ist mehr darüber zu erfahren, wie die israelischen Waffen nach Syrien zu den "Rebellen" gelangen: "Israel is reported, by some researchers in Damascus who have been covering the crisis for nearly 20 months, to be sending arms to Syria from Kurdistan, having had much experience in Africa, South America and Eastern Europe via Mossad and Israeli black market arms dealing. What Israel did in Libya in terms of a wide spread arms business it is also trying to do in Syria.  Israeli arms, according to Syrian and Lebanese sources are being transported into Syria from along the tri-border area of South Lebanon, near Sheeba Farms, close to Jabla al-Saddaneh, and Gadja. ..."
Der Kriegsakt aus der Luft dürfte also nur eine Steigerungsstufe der israelischen Einmischung in Syrien sein. Wenn Israel so sehr an einem stabilen Syrien gelegen ist, dann ist Baraks schon mehrmals getätigte Äußerung, dass Syriens Präsident Assad am Ende ist und bald abtreten muss, mehr als kontraproduktiv. Dass Barak sowas nicht ernst meint, um Israels Interesse an Syriens Stabilität zu vertuschen, halte ich nur theoretisch für möglich. Das gilt auch für den Angriff auf syrisches Territroium als Tarnung für die israelische Unterstützung Assads, damit dieser an der Macht bleibt, weil eben keiner weiß, was nach ihm kommt und wie verhindert werden kann, dass Syrien irakisiert wird.
Dazu passt folgende Meldung: "Israel erwägt die Einrichtung einer Pufferzone auf syrischem Staatsgebiet, um eine Gefährdung durch den Bürgerkrieg zu verhindern. Das israelische Militär stellte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu laut einem Bericht der britischen «Sunday Times» entsprechende Pläne vor." (Quelle; siehe auch die Jerusalem Post vom 3. Februar 2013). Solch eine Pufferzone ist sicher kein Beitrag zur Stabilität Syriens, auch wenn es heißt, diese Pläne gelten nur für den Fall des Sieges der "Rebellen" in Syrien.
Bleibt noch die Frage, ob Israel tatsächlich nur zuschaut, wie andere versuchen, Assad zu stürzen, ganz unbeteiligt und nur versucht, sich vor den Folgen dessen zu schützen. Auch das kann ich nicht glauben, wenn ich Meldungen lese, dass Israel geheime Gespräche mit den "Rebellen" in Syrien "im Vorfeld einer gemeinsamen Operation von Israel und den USA zum Schutz der Golan-Höhen" führte (UPI, 1.1.2013, siehe auch hier).
Israels herrschende Kreise haben sicher mehrfaches Interesse an einem geschwächten Syrien:
a) eine konkurrierende Regionalmacht wäre weg und ein Unterstützer der Hisbollah und des Iran geschwächt bzw. weg,
b) bei allen Problemen mit einem irakisierten Syrien sind einzelne extremistische Gruppen, die von Syrien aus mit was auch immer Israel bedrohen und angreifen, ein leichter und kostengünstiger zu beherrschender Gegner als die Armee eines starken Syriens als potenzieller Gegner, (das wird u.a. gestützt durch die Entwicklung im Irak, der als Regionalmacht ausgeschaltet ist, und andere failed states),
c) eine scheinbare oder tatsächliche neue Bedrohung durch islamistische Gruppen aus Syrien ist den herrschenden Kreisen Israels zur Sicherung ihrer Macht auch nach innen nicht minder nützlich wie die palästinensische Hamas und die israelische Armee erhielte eine neue Aufgabe.
Das bestätigt eine Studie der von der Bundesregierung finanzierten "Stiftung Wissenschaft & Politik" (SWP), die den Regimewechsel in Syrien mitvorbereitet, vom November 2012. Dort ist zu lesen: "Manche amerikanischen und israelischen Strategen sehen allerdings im syrischen Bürgerkrieg auch eine Chance, den Iran entscheidend zu schwächen. Eine Niederlage in der Levante, so hofft man, könnte Teheran zum Einlenken bei anderen Streitpunkten – etwa dem Nuklearprogramm – zwingen.
Zudem wird erwartet, dass die libanesische Hisbollah durch einen Machtwechsel in Syrien geschwächt würde. Syrien dient der Hisbollah-Miliz als wichtigstes Transitland für Waffenlieferungen. Zugleich hat Damaskus starken Einfluss auf andere libanesische Akteure, was wesentlich dazu beiträgt, dass der Hisbollah im Machtgefüge des Landes eine übermächtige Position zukommt. Fällt das Assad-Regime, so die Kalkulation, würden sich auch die Risiken verringern, die mit einem Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen verbunden wären – dies betrifft vor allem mögliche Vergeltungsangriffe Syriens oder der Hisbollah auf Israel. Bei einem Umsturz in Syrien würde die militärische Drohkulisse gegenüber Teheran somit an Glaubwürdigkeit gewinnen." SWP-Direktor Volker Perthes beschrieb das in einem Interview am 1. Februar 2013 so: "In die (israelische) Diskussion gehen auch andere Überlegungen ein, ob ein Verschwinden Assads nicht auch dem weiter entfernten Feind, dem Iran, schaden würde. Ein Sturz des Regimes in Syrien könnte die regionalen Kräfteverhältnisse so beeinflussen, dass Israel davon profitiert."
Israel hätte also einiges zu gewinnen, wenn Assad gestürzt wird, was den potenziellen Schaden dabei wahrscheinlich als beherrschbar erscheinen lässt. Das trifft sich mit US-amerikanischen Interessen, die die Nahost-Wissenschaftlerin Karin Kulow im September 2012 so beschrieb: "Verspricht man sich in den USA doch, mit dem Sturz des von Assad geführten Baath-Regimes auch den Niedergang des Teheraner Mullah-Regimes beschleunigen zu können und als Folge die von Israel bereits mit dem Libanon-Krieg 2006 angepeilte Zerschlagung der Hizbullah zu erreichen."
Es ist sicher, dass auch nicht alle in den herrschenden Kreisen Israels dieser Linie folgen, weil auch diese Kräfte kein monolithischer Block sind. Die Frage ist wie in allen anderen Fällen dieser Art, wer seine Interessen und Sichten durchsetzt. Das gelang den israelischen „Falken“ bisher immer besser als jenen, die sich für friedliche Lösungen einsetzten. Natürlich ist Sicherheit ein legitimes Interesse eines jeden Landes. Aber das lässt sich nicht erreichen, indem völkerrechtswidrig Nachbarländer überfallen werden. Einen solchen Kriegsakt als notwendig für die Gefahrenabwehr zu bezeichnen, wie es der bundesdeutsche Kriegsminister Thomas de Maiziere getan hat, ist nicht minder völkerrechtswidrig und zeigt, wieviel die Interessen souveräner Staaten wert sind bei überlegener Waffentechnik. Für diese aggressive Haltung steht natürlich nicht Israel insgesamt, sondern dafür sind die derzeit in dem Land herrschenden Kräfte verantwortlich. Für eine andere Politik müssen die Israelis selber sorgen. Da geht es ihnen nicht anders wie den Syrern. Das ist bei der ganzen Geschichte wieder das Einfache, das schwer zu machen scheint.

aktualisiert um 20.23 Uhr

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