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Mittwoch, 6. Februar 2013

Syrien: Afghanistan reloaded

Eine befürchtete "Afghanisierung" des syrischen Konfliktes scheint längst Realität, wie Berichte über die Einmischung anderer Staaten zeigen.
Wenn Syriens Präsident Bashar al-Assad auf die ausländische Einmischung in sein Land hinweist, wird das meist als Verschwörungstheorie oder -angst abgetan. Belege dafür werden ignoriert. Dabei ist längst offensichtlich, dass es sich um einen von außen geförderten und zum Teil gesteuerten Krieg in und gegen Syrien handelt. Nachweise dafür gibt es eine ganze Reihe, auf die schon mehrmals hingewiesen wurde, u.a. auch frühzeitig von Joachim Guilliard. Inzwischen gibt es weitere Belege dafür, dass der Westen und seine arabischen Verbündeten aktiv in Syrien mitmischen und kämpfen lassen. Dabei mehren sich die Anzeichen, dass eine befürchtete „Afghanisierung“ des Krieges in Syrien längst stattfindet.
Scott Stewart vom privaten Nachrichtendienst Stratfor schrieb in einem am 31. Januar 2013 veröffentlichten Beitrag von einer "ausländischen Intervention in Syrien". Ihn beschäftigen die Folgen derselben. Im Gegensatz zu Libyen und Mali habe der Westen mit seinen arabischen Partnern diesmal den "Mittelweg" einer indirekten Intervention gewählt. "Seit mehr als einem Jahr unterstützen Länder wie die Vereinigten Staaten, die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und europäische Staaten die syrischen Rebellen." Das reiche von humanitärer Hilfe wie Unterkunft, Nahrung und medizinische Versorgung für Flüchtlinge bis zu "nichttödlicher" militärischer Ausrüstung wie Radios oder Schutzwesten. Doch zeige eine Analyse der in Syrien von den "Rebellen" eingesetzten Waffen, dass zunehmend auch solche geliefert werden, stellt Stewart fest und verweist auf Videos in denen Waffen zu sehen sind, die nicht aus erbeuteten Arsenalen der syrischen Armee stammen. Dazu gehörten Waffen, die aus Kroatien kommen, österreichische Gewehre sowie schweizerische Handgranaten, finanziert von arabischen Staaten. Die Vielfalt und die Konzentration dieser Waffen belege, dass es sich nicht um einen Zufall handele.
Für den Stratfor-Analysten hat die äußere Einmischung in Syrien das Niveau der Unterstützung für die afghanischen Mudschaheddin gegen die sowjetische Armee erreicht. Es werde nicht nur mit Ausbildung, Geheimdiensterkenntnissen und Unterstützung geholfen, sondern auch mit Waffen, deren Herkunft offensichtlich ist. "Es ist auch interessant, dass in Syrien wie in Afghanistan zwei der wichtigsten äusseren Unterstützer Washington und Riad sind", die diesmal mit regionalen Mächte wie der Türkei, Jordanien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zusammenarbeiten. Ähnlich wie in Afghanistan würden in Syrien jene Gruppen mit Geld und Waffen unterstützt, die "am erfolgreichsten auf dem Schlachtfeld" seien. Wie am Hindukusch seien das Dschihad-orientierte Gruppen wie Jabhat al-Nusra, die von den Saudis, aus Katar und den Emiraten Hilfe erhielten. Es handele sich dadurch und infolge der Radikalisierung durch die Dauer des Krieges inzwischen um "eine Kraft, mit der in der Zukunft zu rechnen sein wird".
Saudi-Arabien nutze es, wenn die Dschihadisten in Syrien, darunter Gruppen, die wie die Jabhat al-Nusra im Irak gegen die USA-Truppen kämpften, unterstützt werden. Mit ihrer Hilfe soll der iranische Einfluss in der Region gebrochen werden und ein sunnitisches Regime in Syrien errichtet werden, so Stewart. Zugleich zeige das saudische Königshaus damit, dass interne Kritik, es sei zu weltlich und westlich, falsch sei und dass es Muslimen beim Kampf helfe. Zugleich nutzen die Saudis aus Sicht des Stratfor-Analysten die Möglichkeit, ihre eigenen Radikalen bzw. Extremisten nach Syrien zu schicken, "wo sie kämpfen und möglicherweise sterben". "Angesichts einer großen Zahl von Arbeitslosen, unterbeschäftigten und radikalisierten jungen Männern bietet der Dschihad in Syrien ein Druckventil ähnlich wie bei den letzten Kämpfen im Irak, Tschetschenien, Bosnien und Afghanistan." Die Saudis rekrutierten aber nicht nur "ihre eigene unruhige Jugend", sondern sorgen nach Stratfor-Informationen auch dafür, Nachwuchs aus dem Jemen in Trainingslagern in der Türkei auszubilden und dann nach Syrien in den Kampf zu schicken.  Die jungen Jemeniten erhielten freie Fahrt und ein Stipendium für ihren "Dienst", wenn sie überleben.
Stewart warnt vor den Folgen des „taktischen Darwinismus“ der Saudis. Die Überlebenden bildeten einen militanten Kern, mit denen es die Saudis zu Hause zu tun haben werden. Die „Dschihad-Proxies“ bedrohten ebenso die Stabilität Syriens nach dem Krieg wie einst die Mudschaheddin in Afghanistan nach dem Rückzug der Sowjets und dem Sturz des Nadschibullah-Regimes 1992. Ein anderes Beispiel sei Libyen, wo die Dschihadisten nicht nur eine innere Gefahr seien, sondern auch ausländische Interessen bedrohten und ein regionales Problem darstellten, wie die Ereignisse in Mali und Algerien zeigten. „Ähnliche langfristige und weitreichende Auswirkungen sind in Folge der Intervention in Syrien zu erwarten“, meint Stewart.
Auf der englischen Seite der russischen Prawda war am 6. Februar 2013 zu lesen, der saudische Botschafter in Jordanien, Fahad bin Abdul Mohsen al-Zaid, habe in einem Interview mit der Zeitung Al-Hayat bestätigt, dass Saudis in Syrien gegen Assad kämpfen. Soweit ich das überprüfen konnte, hat der Diplomat das nicht gegenüber der Zeitung gesagt. Er erwähnte nur, dass derzeit noch 2.500 Saudis in Syrien leben und eine geringe Zahl von ihnen inhaftiert seien. (Quelle: Al-Hayat, 3.2.2013) Es gibt aber seit Dezember 2012 Informationen darüber, dass Saudi-Arabien hunderte Kriminelle, die wegen Drogenschmuggel, Mord und Vergewaltigung zum Tode verurteilt waren, freiließ und nach Syrien schickte, damit sie sich dort den bewaffneten Terrorgruppen anschließen. Christof Lehmann schrieb auch darüber auf seiner Website nsnbc.
Über saudische Waffenlieferungen an die „Rebellen“ in Syrien gibt es seit längerem Berichte. Schon im März 2012 hatte selbst die Welt gemeldet, dass laut einem hochrangigen arabischen Diplomaten Saudi-Arabien  über Jordanien "Militärgüter" an die Freie Syrische Armee (FSA) liefere. Im Dezember 2012 berichtete die iranische Nachrichtenagentur FARS News, dass die Saudis über die Grenze zum Irak Waffen, Bomben und militärische Ausrüstung nach Syrien bringen.
Dass das saudische Königshaus aktiv mitmischt im Krieg gegen und in Syrien bestätigte Kronprinz und Kriegsminister Salman bin Abdul Aziz bei der Konferenz der Organisation der Islamischen Zusammenarbeit (OIC) in Kairo am 6. Februar 2013. Im Auftrag von König Abdullah forderte er von der „internationalen Gemeinschaft“ und dem UN-Sicherheitsrat für einen Regimewechsel in Syrien zu sorgen, „mit allen möglichen Mitteln“. Welche neben den bisher eingesetzten dazu gehören sollen, beschrieb Prinz Turki al Faisal Al Saud gegenüber der FAZ im Januar 2013: „Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrwaffen und Waffen gegen Artillerie“. Dieser saudische Prinz, für den die Dschihadisten in Syrien die "guten Jungs" sind, war übrigens 1977 bis 2001 Chef des wichtigsten saudischen Auslandsgeheimdienstes, der maßgeblich an der Bewaffnung der afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion beteiligt war.
All das Beschriebene läuft nicht ohne Unterstützung der führenden westlichen Staaten, insbesondere der USA. Darauf wurde ebenfalls schon mehrfach hingewiesen. „Die saudische Politik in Bezug auf Syrien wird eng mit den Vereinigten Staaten koordiniert“, stellte u.a. die israelische Zeitung Haaretz im Juli 2012 in einem Bericht über den „CIA-Favoriten“ Prinz Bandar bin Sultan fest, der die Grundlage für ein Syrien nach Assad gelegt habe. Beide Länder verfolgten wie Israel damit das Ziel, den Iran von seiner „wichtigsten arabischen Basis“ trennen und die Waffenlieferungen an die Hisbollah einzudämmen.
Übrigens hatte Präsident Assad schon im Oktober 2011 in einem Interview mit der britischen Zeitung The Telegraph gewarnt: "Wollt ihr noch ein Afghanistan – wollt ihr noch zehn Afghanistans?" Seine damalige Warnung vor den Folgen einer Intervention wurde ihm erwartungsgemäß als Drohung ausgelegt.
David Ignatius wies am 5. September 2012 in der Washington Post ebenfalls auf die "schaurigen Parallelen" zwischen Afghanistan in den 80ern und Syrien heute und bestätigte, wie sich der Westen heute wieder einmischt. Natürlich ist er dafür, die "Rebellen" zu unterstützen, warnte aber zumindest ebenfalls vor den Folgen. Die Wiener Zeitung hatte den Text am 6. September 2012 auf deutsch veröffentlicht.
Geschichte wiederholt sich ... oder wird wiederholt, zum Teil von den gleichen Akteuren.

Hier geht's zum Stratfor-Beitrag "The Consequences of Intervening in Syria"

Der Text wurde am 7.2.13 aktualisiert

Nachtrag: "Das Pentagon hat laut US-Generalstabschef Martin Dempsey den 2012 ausgearbeiteten CIA-Plan zur Bewaffnung der syrischen Opposition über die US-Verbündeten in der Region gebilligt." (RIA Novosti, 8.2.13)

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