Karin Leukefeld hat in der jungen Welt vom 21. August 2013
einen interessanten Überblick über die Interessen der in- und
ausländischen Akteure in Ägypten gegeben: "... Die Muslimbruderschaft
wiederum kann auf Millionen Ägypter in den Armenvierteln und ländlichen
Gebieten setzen. Diese Menschen wurden von den Islamisten jahrzehntelang
mit dem versorgt, was die herrschende Elite um Hosni Mubarak der
Bevölkerung versagte: soziale und medizinische Hilfe, Arbeitsplätze und
Zukunftsorientierung. ...
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait haben sich eindeutig hinter das Militär und die Übergangsregierung gestellt, die ihre regionalen Interessen besser bedienen als die Muslimbruderschaft. Kuwait hat Ägypten die Lieferung von 4,5 Millionen Barrel Öl zugesagt, die Golfstaaten haben erklärt, alle Kosten zu übernehmen, sollten Europa oder die USA Zahlungen an Ägypten einstellen. Das Angebot ist nicht nur eine deutliche Parteinahme für Militär und Übergangsregierung, es hilft dem Westen, auch vor der eigenen Bevölkerung das Gesicht zu wahren. ..."
Auf der Website der Nachrichtenagentur Inter Press Service beschrieb Thalif Deen in einem Beitrag am 16. August 2013, dass die US-Rüstungskonzerne die tatsächlichen Nutznießer der jährlichen 1,3 Milliarden Dollar für das ägyptische Militär sind. Der Großteil dieser Gelder fließe zurück an die US-Unternehmen wie Lockheed Martin, Northrop Grumman, General Electric, Boeing, Sikorsky, General Dynamics, United Defence, Raytheon, und andere, die Waffen nach Ägypten liefern und die ägyptischen Soldaten ausbilden. Um deren Interessen gehe es eigentlich, wenn die US-Regierung fälschlich behaupte, sie müsse weiter Waffen an den Nil liefern, um die Stabilität in der Region zu sichern.
"Aber das Geld kommt nie nach Ägypten", stellte Julia Simon am 8. August 2013 in einem Beitrag für das National Public Radio (NPR) fest. Es gehe an die Federal Reserve Bank of New York, dann in einen Treuhandfonds im Finanzministerium und schließlich an die US-Produzenten der Panzer und Kampfjets für Ägypten, die das Land am Nil eigentlich nicht brauche.
In einem zweiten dem Deen-Text beigefügten Beitrag bei IPS beschrieb Ökonomieprofessor Paul Sullivan die Wurzeln der US-Militär"hilfe". Diese folgte dem Camp David-Abkommen von 1978. Die USA und Ägypten bräuchten einander u.a. in Fragen der Sicherheit, der Wirtschaft und des Schutzes der Seewege. Ägypten sei wichtig auch für Überflüge von US-Flugzeugen und der Suezkanal für US-Schiffe. Sullivan erinnerte daran, dass "mehr als 15 Millionen Ägypter" gegen Mursi protestierten. Würde ähnliches in den USA, England und anderswo geschehen, würden die dortigen Führungen "entweder zurücktreten oder zum Rücktritt aufgefordert oder ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet". Sullivan bezeichnete den Sturz Mursis als "Revo-Coup". "Die Menschen hatten ihre Revolution. Millionen sprachen. Warum wird darüber nicht geschrieben?"
In dem Zusammenhang sei an etwas erinnert, was angesichts des aktuellen Geschehens unterzugehen droht und u.a. im Toronto Star am 4. Juli 2013 zu lesen war: "Brot und Butter, Fleisch und Kartoffeln, ein Dach über dem Kopf. Diese grundlegenden wirtschaftlichen Fragen sind ebenso verantwortlich für die aktuelle Krise in Ägypten wie die Unzufriedenheit mit dem autokratischen Stil des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi und mit der wachsenden Macht seiner religiösen Anhänger." Neben der Angst vor den (inzwischen eingetretenen) Auseinandersetzungen zwischen Militär und Muslimbrüdern präge die Angst um das tägliche Überleben das arme Land, das die schlimmste Finanzkrise seit den 1930er Jahren erlebe. 30 Prozent der ägyptischen Kinder litten an Wachstumsstörungen in Folge von Unterernährung, zitierte das Blatt Abeer Etefa vom Büro des UN-Welternährungsprogramms WFP in Kairo. Die von der Organisation im Mai 2013 veröffentlichte Studie habe diese Ergebniss für die Jahre 2009 bis 2011, also vor dem Sturz Hosni Mubaraks, herausgefunden. "Wir wissen, dass die Situation jetzt wahrscheinlich viel schlimmer ist", so Etefa im Juli. Die Wirtschaftsleistung sei gesunken, die Arbeitslosigkeit gestiegen wie auch die Preise vor allem für Grundnahrungsmittel wie Öl und Hülsenfrüchte. "Mehr Ägypter sind in einem Kreislauf von Armut und Hunger gefangen." Die Schulden Ägyptens seien unter Mursi gestiegen und die Devisenreserven gesunken. Die Wirtschaftspolitik der Muslimbrüder habe auch den Armen geschadet und sei das gleiche neoliberale Programm wie unter Mubarak gewesen. Die Bruderschaft sei bekannt für ihre Wohltätigkeit, stattdessen seien die Muslimbrüder aber "Über-Kapitalisten", zitierte die Zeitung Sherief Gaber vom Mosireen Independent Media Collective in Kairo. "Wenn es weiter steigende Preise, weniger Arbeitsplätze und keinen Versuch, wesentliche Veränderungen zu schaffen, gibt, werden die Proteste nicht enden", sagt Gaber. "Wenn es um soziale Gerechtigkeit und Wohlfahrt geht, halten die Menschen nicht still. Es wird noch einmal passieren."
aktualisiert: 20:12 Uhr
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait haben sich eindeutig hinter das Militär und die Übergangsregierung gestellt, die ihre regionalen Interessen besser bedienen als die Muslimbruderschaft. Kuwait hat Ägypten die Lieferung von 4,5 Millionen Barrel Öl zugesagt, die Golfstaaten haben erklärt, alle Kosten zu übernehmen, sollten Europa oder die USA Zahlungen an Ägypten einstellen. Das Angebot ist nicht nur eine deutliche Parteinahme für Militär und Übergangsregierung, es hilft dem Westen, auch vor der eigenen Bevölkerung das Gesicht zu wahren. ..."
Auf der Website der Nachrichtenagentur Inter Press Service beschrieb Thalif Deen in einem Beitrag am 16. August 2013, dass die US-Rüstungskonzerne die tatsächlichen Nutznießer der jährlichen 1,3 Milliarden Dollar für das ägyptische Militär sind. Der Großteil dieser Gelder fließe zurück an die US-Unternehmen wie Lockheed Martin, Northrop Grumman, General Electric, Boeing, Sikorsky, General Dynamics, United Defence, Raytheon, und andere, die Waffen nach Ägypten liefern und die ägyptischen Soldaten ausbilden. Um deren Interessen gehe es eigentlich, wenn die US-Regierung fälschlich behaupte, sie müsse weiter Waffen an den Nil liefern, um die Stabilität in der Region zu sichern.
"Aber das Geld kommt nie nach Ägypten", stellte Julia Simon am 8. August 2013 in einem Beitrag für das National Public Radio (NPR) fest. Es gehe an die Federal Reserve Bank of New York, dann in einen Treuhandfonds im Finanzministerium und schließlich an die US-Produzenten der Panzer und Kampfjets für Ägypten, die das Land am Nil eigentlich nicht brauche.
In einem zweiten dem Deen-Text beigefügten Beitrag bei IPS beschrieb Ökonomieprofessor Paul Sullivan die Wurzeln der US-Militär"hilfe". Diese folgte dem Camp David-Abkommen von 1978. Die USA und Ägypten bräuchten einander u.a. in Fragen der Sicherheit, der Wirtschaft und des Schutzes der Seewege. Ägypten sei wichtig auch für Überflüge von US-Flugzeugen und der Suezkanal für US-Schiffe. Sullivan erinnerte daran, dass "mehr als 15 Millionen Ägypter" gegen Mursi protestierten. Würde ähnliches in den USA, England und anderswo geschehen, würden die dortigen Führungen "entweder zurücktreten oder zum Rücktritt aufgefordert oder ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet". Sullivan bezeichnete den Sturz Mursis als "Revo-Coup". "Die Menschen hatten ihre Revolution. Millionen sprachen. Warum wird darüber nicht geschrieben?"
In dem Zusammenhang sei an etwas erinnert, was angesichts des aktuellen Geschehens unterzugehen droht und u.a. im Toronto Star am 4. Juli 2013 zu lesen war: "Brot und Butter, Fleisch und Kartoffeln, ein Dach über dem Kopf. Diese grundlegenden wirtschaftlichen Fragen sind ebenso verantwortlich für die aktuelle Krise in Ägypten wie die Unzufriedenheit mit dem autokratischen Stil des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi und mit der wachsenden Macht seiner religiösen Anhänger." Neben der Angst vor den (inzwischen eingetretenen) Auseinandersetzungen zwischen Militär und Muslimbrüdern präge die Angst um das tägliche Überleben das arme Land, das die schlimmste Finanzkrise seit den 1930er Jahren erlebe. 30 Prozent der ägyptischen Kinder litten an Wachstumsstörungen in Folge von Unterernährung, zitierte das Blatt Abeer Etefa vom Büro des UN-Welternährungsprogramms WFP in Kairo. Die von der Organisation im Mai 2013 veröffentlichte Studie habe diese Ergebniss für die Jahre 2009 bis 2011, also vor dem Sturz Hosni Mubaraks, herausgefunden. "Wir wissen, dass die Situation jetzt wahrscheinlich viel schlimmer ist", so Etefa im Juli. Die Wirtschaftsleistung sei gesunken, die Arbeitslosigkeit gestiegen wie auch die Preise vor allem für Grundnahrungsmittel wie Öl und Hülsenfrüchte. "Mehr Ägypter sind in einem Kreislauf von Armut und Hunger gefangen." Die Schulden Ägyptens seien unter Mursi gestiegen und die Devisenreserven gesunken. Die Wirtschaftspolitik der Muslimbrüder habe auch den Armen geschadet und sei das gleiche neoliberale Programm wie unter Mubarak gewesen. Die Bruderschaft sei bekannt für ihre Wohltätigkeit, stattdessen seien die Muslimbrüder aber "Über-Kapitalisten", zitierte die Zeitung Sherief Gaber vom Mosireen Independent Media Collective in Kairo. "Wenn es weiter steigende Preise, weniger Arbeitsplätze und keinen Versuch, wesentliche Veränderungen zu schaffen, gibt, werden die Proteste nicht enden", sagt Gaber. "Wenn es um soziale Gerechtigkeit und Wohlfahrt geht, halten die Menschen nicht still. Es wird noch einmal passieren."
aktualisiert: 20:12 Uhr
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