• Steingart: Politik will weiter Retter spielen und betreibt dazu Panikmache
Aus dem MorningBriefing des Journalisten Gabor Steingart vom 25. September 2020:„Europas größte Volkswirtschaft wird derzeit nicht nach Umsatz und Gewinn gesteuert, sondern nach dem R-Faktor. Deutschland erlebt die zweite Welle dessen, was Botho Strauß ein Erregungsgewitter nennt.
Die Kanzlerin sagt: »Man muss die Zügel anziehen, um bei Corona nicht in ein Desaster reinzulaufen.«
Der Virologe Christian Drosten souffliert ihr: »Die Pandemie wird jetzt erst richtig losgehen. Auch bei uns.«
Damit ist der Ton gesetzt. Deutschland wird in den emotionalen Lockdown geschickt, derweil die Intensivbetten deutlich unterhalb der Auslastungsgrenze belegt sind. Auch die Zahl der Neuinfektionen bewegt sich, trotz einer Vervielfachung der Testkapazitäten, unterhalb jener Zahlen, die im März gemeldet wurden. Damals waren es bis zu 6294 Neuinfektionen pro Tag, gestern lag diese Kennziffer laut Robert-Koch-Institut bei 2143.
Doch mit der Brille der Virologen betrachtet, lauert Gevatter Tod überall; im Fahrstuhl, im Reisebus, in der Konzerthalle. Aber auch in der Schule, am Fließband und im Einzelhandelsgeschäft halten sich die Killerviren versteckt und zirkulieren bösartig vor sich hin. Der andere ist nicht mehr zuerst Freund oder Kollege, Opa oder Liebhaber, sondern ein Infektionsherd.
Die Politik ist auch sieben Monate nach dem Ausbruch der Pandemie offenbar zu keiner realpolitischen Güterabwägung bereit, die medizinische, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Folgen zueinander ins Verhältnis setzt. Das Virus wird medial vergröbert und vergrößert, wodurch alle anderen Belange des Menschen geschrumpft werden.
Armageddon hat Hollywood in Richtung Berlin verlassen. Der Staat gefällt sich in der Retterpose. Und Chef-Virologe Drosten funktioniert als das, was Botho Strauß in „Lichter des Toren. Der Idiot und seine Zeit“ als „Behauptungshäuptling“ beschrieb….
Der Staat will sich jetzt spüren. Er will retten, er will verbieten und beides, das Gerettete und das Verbotene, möchte er anschließend engmaschig kontrollieren. Neue Berufsbilder entstehen: Der Maskenkontrolleur in der U-Bahn. Der Abstandsmesser im Einzelhandel. Beide waren in einem früheren Leben als Blockwart beschäftigt. ...“
Fazit: Das heimtückische Virus hat erkennbar nicht nur die Atemwege befallen, sondern auch die Vorstellung vom selbstbestimmten Individuum. Das Wort Eigenverantwortung trägt eine Maske. ...“
Anmerkung: Ich finde die Aussagen von Steingart interessant, nicht nur, weil ich am Morgen, bevor ich das MorningBriefing las, die Politik selbst ähnlich einschätzte, die Frage, warum die Regierenden ihren Kurs wider alle Fakten fortsetzen, ähnlich beantwortete. Interessant sind ebenso die Stimmen aus dem liberalen Bürgertum, die Steingart zitiert und die sich ebenfalls gegen die fortgesetzte Angstmache wenden. Ich habe mich wohl geirrt, als ich kurz zuvor Steingart zu dem Lager der medialen Panikmacher rechnete.
Ein Beispiel dafür, wie das Virus „medial vergröbert und vergrößert“ wird, wie Steingart feststellt, lieferte die Süddeutsche Zeitung (SDZ) am 24. September 2020 mit ihrem online veröffentlichten Beitrag „Rätsel mit Zahlen“. Darin wird versucht, die steigenden sogenannten Infektionszahlen und die anhaltend niedrigen Krankheits- und Todeszahlen im Zusammenhang mit Covid-19 zu erklären. Dieses Rätselraten ist schon länger in tonangebenden Medien zu finden, die anscheinend nicht wahrhaben wollen, dass vielleicht doch alles nicht so schlimm ist wie sie es seit Monaten den Menschen erklären. Und so wird in der SDZ am Ende des Rätselns zwar noch der Virologe Hendrik Streeck mit einer Aussage aus einer TV-Talkshow zitiert:
„Ich denke, es ist wichtig, dass wir auf verschiedene Faktoren gleichzeitig schauen“, wozu er „die stationäre Versorgung, intensivmedizinische Versorgung, Anzahl der Tests“ zählte. Doch die SDZ-Autoren meinten erwartungsgemäß, hinzufügen zu müssen:
„Zweifellos allesamt wichtige Indikatoren. Doch am wichtigsten bleibt der Blick auf die Neuinfektionen und deren Entwicklung. Denn wenn sie unkontrolliert steigen, gehen die anderen Zahlen früher oder später zwangsläufig ebenfalls nach oben.“
So sieht das auch die Kanzlerin und ihr vermutlicher Lieblings-Virologe …
Zu Rolle der Medien gab es von Steingart im MorningBriefing am 24. September einen interessanten Hinweis ():
„Die Kanzlerin ist besorgt, fürchtet die neue Laxheit der Jugend und den Winter. Vorgestern rief sie überraschend eine vertrauliche Journalistenrunde ein, um die Medien auf stürmische Zeiten vorzubereiten. …“
• Merkel weiter im Panikmodus
Das meldete unter anderem die Rheinische Post online am 28. September 2020:
„Wenn sich die Zahlen wöchentlich so weiterentwickeln würden wie bisher, werde es zu Weihnachten 19.200 Neuinfektionen am Tag geben, sagte Merkel am Montag nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in einer Videokonferenz des CDU-Präsidiums. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung über diese Äußerung Merkels berichtet. Die Kanzlerin forderte, man müsse in Deutschland alles tun, damit die Zahlen nicht weiter exponentiell stiegen. …“
Zuvor hatte Merkel die Berliner Corona-Politik kritisiert, wie unter anderem der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) am selben Tag berichtete:
„… "Es muss in Berlin was passieren", sagte Merkel nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen in einer Videokonferenz des CDU-Präsidiums. Demnach äußerte sie zugleich Zweifel, dass die Berliner Landesregierung ernsthaft versuche, Maßnahmen gegen die Ausbrüche einzuleiten. …“
Merkel reicht es nicht, dass der Berliner Senat neue Kontaktbeschränkungen vorbereitet, wie der RBB am 26. September 2020 berichtete:
„Die Menschen in Berlin müssen sich womöglich schon bald wieder auf Kontaktbeschränkungen einstellen. Details dazu werde der Senat am kommenden Dienstag erörtern, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) dem rbb am Freitag nach einem Treffen mit Bezirksvertretern. …
Denkbar sei nun, dass sich wie bis Ende Juni erneut wieder nur maximal fünf Menschen oder Personen aus zwei Haushalten treffen dürften, so Kalayci. Außerdem sei sie sich mit den Vertretern der Innenstadtbezirke einig gewesen, private Feiern einzuschränken. Hier könnte es eine Obergrenze von maximal 50 Personen im Freien und 25 Personen in geschlossenen Räumen geben. … Kalayci zeigte sich insgesamt besorgt: ‚Wir haben eine sehr ernste Lage in Berlin‘, so die SPD-Politikerin angesichts der stetig steigenden Zahl an Neuinfektionen. ‚Wir müssen handeln.‘...“
Auf Diskussionen dazu im Senat machte die Berliner Zeitung am selben Tag in ihrer Druckausgabe auf Seite 1 aufmerksam:
Danach würden selbst Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) keine valide Datenbasis für den Kurs der Gesundheitssenatorin sehen. Die Zeitung weiter: „Kalaycis Problem ist groß: Sie kann nicht beweisen, dass sie recht hat. Sie hat keine entsprechenden Zahlen.“
Auf die Panikmache der Kanzlerin ging auch Gabor Steingart in seinem MorningBriefing am 29. September 2020 ein. Sein Fazit:
„Bürgerproteste und die Mahnungen vieler Ökonomen vor beschleunigten Wohlstandsverlusten finden im Bundeskanzleramt derzeit kein Gehör. Beide Ohren der Angela Merkel gehören den Virologen. Links flüstert Professor Drosten; rechts souffliert das RKI.“
• Virologe Streeck: „Es gibt zu viel Angst“
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, im Interview, Rheinische Post online am 29. September 2020:
„… nicht auszuschließen, Langzeitfolgen zu haben. Daher finde ich es wichtig, dass wir nicht nur auf die reinen Infektionszahlen schauen. Wir dürfen sie natürlich nicht außer Acht lassen. Aber wichtiger ist, dass wir aus den Daten lernen. Die Auslastung in der stationären Behandlung und der Anteil der belegten Intensivbetten müssen meines Erachtens nach im Verhältnis mit eingerechnet werden. Anhand dieser Daten müssen wir die Schwellenwerte definieren, ab denen Maßnahmen strikter werden. …
Wir hatten bislang nie einen exponentiellen Anstieg. Auch jetzt sehen wir eher einen linearen Anstieg. …
Ich glaube, im Gesundheitssystem sind wir sehr gut vorbereitet. Mental sind wir dagegen in Deutschland weniger gut vorbereitet, so empfinde ich es zumindest. Es gibt zu viel Angst. Und wir haben es über den Sommer hinweg nicht geschafft, pragmatische Lösungen zu finden, wie man in bestimmten Bereichen weiter machen kann, wenn die Infektionszahlen deutlich steigen. Da wurden Chancen ausgelassen. Meine Sorge für den Herbst ist, dass wir zu wenig über Lösungen diskutieren und zu viel darüber, wie wir das Leben wieder zurückfahren.“
Anmerkung: Leider wendet er sich erneut nicht gegen jene, die die Angst bewusst erzeugen, eben die verantwortlichen Politiker, bis hin zur Kanzlerin Angela Merkel. Er müsste sagen: Es wird zu viel Angst gemacht.
„… nicht auszuschließen, Langzeitfolgen zu haben. Daher finde ich es wichtig, dass wir nicht nur auf die reinen Infektionszahlen schauen. Wir dürfen sie natürlich nicht außer Acht lassen. Aber wichtiger ist, dass wir aus den Daten lernen. Die Auslastung in der stationären Behandlung und der Anteil der belegten Intensivbetten müssen meines Erachtens nach im Verhältnis mit eingerechnet werden. Anhand dieser Daten müssen wir die Schwellenwerte definieren, ab denen Maßnahmen strikter werden. …
Wir hatten bislang nie einen exponentiellen Anstieg. Auch jetzt sehen wir eher einen linearen Anstieg. …
Ich glaube, im Gesundheitssystem sind wir sehr gut vorbereitet. Mental sind wir dagegen in Deutschland weniger gut vorbereitet, so empfinde ich es zumindest. Es gibt zu viel Angst. Und wir haben es über den Sommer hinweg nicht geschafft, pragmatische Lösungen zu finden, wie man in bestimmten Bereichen weiter machen kann, wenn die Infektionszahlen deutlich steigen. Da wurden Chancen ausgelassen. Meine Sorge für den Herbst ist, dass wir zu wenig über Lösungen diskutieren und zu viel darüber, wie wir das Leben wieder zurückfahren.“
Anmerkung: Leider wendet er sich erneut nicht gegen jene, die die Angst bewusst erzeugen, eben die verantwortlichen Politiker, bis hin zur Kanzlerin Angela Merkel. Er müsste sagen: Es wird zu viel Angst gemacht.
Das wäre vielleicht zu viel von dem Virologen Streeck erwartet. Aber es ist notwendig.
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