Wer einen Streit anfängt, hat schon halb gewonnen, wenn die Mehrheit zur Halbzeit glaubt, beide Streithähne seien in gleicher Weise schuld
Diese Erfahrung kennzeichnet die Lage im Ukraine-Konflikt, im neuen
West-Ost-Konflikt wie auch im Falle Syrien: „Beide Seiten, der Westen
und Russland, sind schuld“, so der vermittelte Eindruck. Oder schon
weiter: „Die Russen sind schuld“. – NachDenkSeiten wollen aufklären.
Deshalb bringen wir heute eine nähere Betrachtung eines Gastautoren zu
Syrien. Das Motiv des Aufklärungsversuchs liegt offen zutage: Wenn der
wahre Verursacher eines Konflikts mit dieser Taktik durchkommt, dann
zettelt er einen Konflikt nach dem anderen an. Und damit wächst die
Kriegsgefahr. Übrigens auch deshalb, weil die heute übliche Taktik dazu
führen kann, dass sich in Moskau Kräfte durchsetzen, die auf
Konfrontation setzen, weil dem Westen sowieso nicht zu trauen sei.
Albrecht Müller
„Die USA sind Russland propagandistisch weit überlegen.“ Darauf hat Albrecht Müller am 27. September 2016 in einem Beitrag zu Recht hingewiesen, wie ich finde. Dass die US-Propaganda von der deutschen Regierung, der ARD-Tagesschau, sogar von der TAZ, von Campact u.a.m. unterstützt wird, stimmt und ist belegbar, wie Albrecht Müller zeigt.
Aus meiner Sicht ist es notwendig, seine Hinweise zu ergänzen. So will ich darauf aufmerksam machen oder erinnern, dass Russland u.a. von Jürgen Todenhöfer fälschlicherweise auch im Interview mit den NachDenkSeiten wie die anderen an diesem Krieg beteiligten externen Kräfte in einen Topf geworfen wird, nachdem Motto „Alle sind schuld“.
Die tatsächlichen Kriegsverantwortlichen und -treiber freuen sich sicher nicht nur über solche gleichmachenden Behauptungen. Sie rechnen ebenso mit der Vergesslichkeit der Menschen und der Flüchtigkeit von Nachrichten. Und so redet heutzutage niemand mehr darüber, dass Russland 2015 erst nach vier Jahren Krieg in und gegen Syrien begann, seine nach internationalem Recht korrekten Unterstützungszusagen gemäß dem am 8. Oktober 1980 unterzeichneten „Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und der Syrischen Arabischen Republik“ zu erfüllen. Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR hatte am 2. März 2012 bestätigt, dass der Vertrag weiter gültig ist. Der Zeitschrift WeltTrends zufolge, die das Dokument in ihrer Ausgabe 86 (Sept./Okt. 2012) im Wortlaut veröffentlichte, enthält der Vertrag keine Beistandsklausel, aber einen Artikel (10) zur militärischen Zusammenarbeit mit dem Ziel der Verteidigung. Dazu gehört die Klausel in Artikel 11, dass keine der beiden Seiten sich an Bündnissen, Staatengruppierungen und Handlungen beteiligen wird, die gegen die andere Seite gerichtet sind.
Wer interessiert sich dafür, dass alle anderen Beteiligten, die den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad stürzen wollen, nicht ein solches Dokument vorlegen können, das es ihnen gestattet, sich einzumischen?
Oder wen interessiert noch, wenn es überhaupt zur Kenntnis genommen wurde, was 2013 auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht wurde? In dem Text vom 29. März 2013 beschäftigte sich Dr. Margarete Klein von der bundesregierungsfinanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) mit den Interessen und Motiven Russlands innerhalb des Konfliktes in und um Syrien. Klein schrieb u.a.:
„Von Anfang an nahm Russland im Syrienkonflikt eine klare Haltung ein, die es trotz aller Kritik aus dem Westen und der Region selbst bis heute beibehalten hat: die Kämpfe zwischen Regime und Opposition seien nur innersyrisch zu lösen, nämlich durch ergebnisoffene Verhandlungen zwischen beiden Seiten, wobei der Rücktritt Assads keine Vorbedingung sein dürfe. Eine Einmischung externer Kräfte wird strikt abgelehnt, wobei sich dies nicht nur auf die Bewaffnung der Opposition oder eine militärische Intervention, sondern auch auf die Verhängung von Sanktionen oder die bloße Ausübung einseitigen diplomatischen Drucks auf die Führung in Damaskus bezieht.“Die wirtschaftlichen und militärischen Interessen Russland seien nur „peripher von Bedeutung“ so die Autorin. Es sei viel über die materiellen Interessen Moskaus spekuliert worden, über die Rüstungsexporte und die Marinebasis Tartus. „Der Verlauf des Konflikts zeigte aber, dass beide nur von nachgeordneter Bedeutung sind und bei weitem nicht ausreichen, die russische Haltung zu erklären.“ Die Autorin stellte klar:
„Die eigentlichen Motive der russischen Syrienpolitik gehen über materielle Interessen hinaus. Sie betreffen grundlegende Fragen der internationalen Ordnung und regionalen Machtbalance, aber auch konkrete sicherheitspolitische Risiken für Russland selbst.“Es gehe um das Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Souveränität und der sogenannten Schutzverantwortung („responsibility to protect“ – „R2P“).
„War Moskau in Libyen noch bereit, der westlichen Interpretation entgegen zu kommen, so wirkte gerade die Erfahrung mit diesem Konflikt verhärtend auf die russische Position.“Klein verwies zudem auf die Befürchtungen in Moskau, dass der islamistische Extremismus sich weiter ausbreite.
Wer fragt noch danach, während der Westen und seine arabischen Partner genau diese islamistischen Verbrecher in Syrien weiter unterstützt? Wer fragt noch danach, dass Russland 2012 eine friedliche Lösung ermöglichte, die aber von der anderen Seite abgelehnt wurde? Dieser Krieg hätte schon 2012 wieder zu Ende sein können, nachdem der „Arabische Frühling“ 2011 genutzt wurde, um ihn nach Syrien zu bringen, um den Regimechange in Damaskus hinzubekommen wie zuvor in Libyen. Darauf machten Aussagen des ehemaligen finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari aufmerksam, wie sie 2015 u.a. vom Onlinemagazin Telepolis wiedergegeben wurden. „Die westlichen Mächte ignorierten damals das Angebot der Russen, Präsident Bashar al-Assad zum Rücktritt zu zwingen“, sagte im Frühjahr dieses Jahres selbst der algerische Spitzendiplomat und ehemalige Syrien-Vermittler der UNO Lakhdar Brahimi.
Der Westen bzw. seine herrschenden Kreise und deren politischen und medialen Lakaien sowie ihre arabischen Verbündeten sahen sich zu dem Zeitpunkt schon in Damaskus einmarschieren. Am 26. Juli 2012 war immerhin mal bei Spiegel online zu lesen, „Wie der Westen in Syrien heimlich Krieg führt“. Dazu gehörte auch das: „Es sind weniger die steigenden Opferzahlen, die der Diskussion um eine Intervention in diesen Tagen eine neue Schubkraft verleihen, als der näher rückende Kollaps des Regimes.“ Letzteres trat bis heute nicht ein.
Die anders gearteten Interessen Russlands im Vergleich zu denen der führenden westlichen Staaten und deren arabischen Verbündeten werden nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen wird behauptet, Russland habe mit seiner „Intervention“ den Krieg in und gegen Syrien erst angefacht. ...
Aber wer redet nach einem umso heftiger behaupteten mutmaßlichen russischen Angriff auf einen Hilfskonvoi noch über den Akt staatlicher Aggression, den der US-Angriff auf die Stellung der syrischen Armee darstellt? Und beide Seiten werfen sich vor, nicht ernsthaft an einer Verhandlungslösung interessiert zu sein. Die US-Botschafterin in der UNO, Samantha Power, bezichtigte Russland gar der „Barbarei“. Das Ziel ist erreicht. Übrigens meldete u.a. die Hannoversche Allgemeine bereits am 9. September 2013: „Samantha Power gilt in der US-Administration als eine der starken Fürsprecher eines Angriffs auf das Assad-Regime.“
Ich bin kurz nach den gemeldeten Vereinbarungen zwischen Russland und den USA zu Syrien gefragt worden, was ich davon halte. Ich habe gesagt, dass ich mich nicht festlegen und erst die folgenden Ereignisse abwarten wolle. Die haben nun erwartungsgemäß gezeigt: Den USA ist nicht zu trauen. Mögen US-Präsident Barack Obama und sein Außenminister John Kerry tatsächlich ehrlich um eine friedliche Lösung bemüht sein. Aber sie sind nicht die wahren Herren im Weißen Haus und erst recht nicht im US-Kriegsministerium. Kerry habe sich für das Abkommen „gegen erhebliche Widerstände in seiner eigenen Regierung“ durchgesetzt, bestätigte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 24. September 2016. Er stehe aber nun wie Obama „mit leeren Händen da“, woran allerdings Moskau schuld sein soll – wer sonst? Russland war wie so oft in seiner Geschichte vertragstreu, auch wenn längst die Bomben fallen … Inzwischen hat es aber den Worten seines Außenministers Sergej Lawrow nach Konsequenzen gezogen. „Russland wird keine Bitten um eine einseitige Aussetzung der Tätigkeit der russischen und der syrischen Luftwaffe in Syrien mehr zur Kenntnis nehmen“, zitierte die Nachrichtenagentur Sputnik den Minister am 24. September 2016. Eine weitere Chance für eine gemeinsame Lösung des Konfliktes in und um Syrien wurde vom Westen bewusst verschenkt. ...
Aber die Kriegstreiber machen ungehindert weiter, die deutsche Regierung aktiv mit dabei, alles nach bewährtem Drehbuch.
Es wird Zeit, diese Politik gegen Syrien als das zu bezeichnen, was
sie angesichts der Zerstörungen und Opfer tatsächlich ist: Völkermord!
Ich schäme mich für diese Politik und ihre medialen Hilfskräfte, die
leider immer noch erfolgreich zu sein scheinen. Es ist ein Verbrechen
gegen die Menschheit, wie die völkerrechtliche Formulierung von den
„crimes against humanity“ korrekt zu übersetzen ist (siehe u.a. hier). Es ist aber auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie es allgemeinsprachlich heißt.
Der vollständige Beitrag kann hier auf den NachDenkSeiten nachgelesen werden.
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