Am 3. Oktober 2016 wies ich unter der Überschrift „UN: Westen schuld an humanitärer Katastrophe in Syrien“ auf eine entsprechende Meldung der russischen Nachrichtenagentur Sputnik hin. Diese hatte unter Bezugnahme auf einen Beitrag des Onlinemagazins The Intercept geschrieben: "Die von den USA und der EU verhängten Sanktionen gegen Syrien haben die schlimmste humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg verursacht, wie die Webseite „The Intercept“ unter Berufung auf einen Uno-Bericht schreibt.“
Mich erreichte dazu nun ein Hinweis eines Menschen aus der
Friedensbewegung, den ich hoch achte und der weiter meinen Respekt für sein
Wirken hat. Er bezeichnet den Sputnik-Beitrag
als „ein erneutes Beispiel für schlampige oder recht durchsichtig tendenziöse
Meldungen, wodurch sich das Portal sukzessive unglaubwürdig macht“. Weder im Intercept-Artikel noch in der internen
UN-Studie die kein "UN-Bericht"wäre, sei davon die Rede, dass die
"Sanktionen ... die schlimmste humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten
Weltkrieg verursacht“ hätten, sondern "nur", dass sie sie
verstärken.
Auf solch einen Einwand habe ich schon gewartet und damit
gerechnet.
Ich will hier wiedergeben, was ich auf den Einwand der von mir
geschätzten Person geantwortet habe:
Nun lässt sich trefflich streiten, ob der Sputnik-Beitrag den Intercept-Text wörtlich richtig wiedergegeben hat oder nur
sinngemäß. Auch darüber, ob es sich nun um eine „Studie“ oder einen "Bericht“
eines UN-Gremiums handelt. Die Wiedergabe von Untersuchungsergebnissen ist
nichts weniger als ein Bericht. Und wahrscheinlich sollten die Kollegen bei Sputnik tatsächlich beim Übersetzen genauer
formulieren. Das dachte und denke ich auch manches Mal. Und sicher dient der
Bericht eines UN-Gremiums zu den Folgen der Sanktionen gegen Syrien nicht der
Frage nach der Schuld an der größten humanitären Katastrophe seit dem 2.
Weltkrieg. Sie ist stattdessen der Frage gewidmet, wie die Sanktionen
"zielgerichteter" gegen die syrische Führung ausgerichtet werden
können und weniger der einfachen Bevölkerung schaden. Es ist aber immer noch
ein Bericht der UN, so wie zum Beispiel eine Aussage des Bundeswirtschaftsministers
Sigmar Gabriel immer auch die der Bundesregierung ist, wenn er sie eben als
Minister tut, usw.
Bei Intercept wird
aus dem UN-Material wiedergegeben, dass die Sanktionen der syrischen
Bevölkerung schwer schaden und die humanitäre Hilfe behindern inmitten bzw. während („during“) eine der größten
humanitären Katastrophen seit dem 2. Weltkrieg und die Folgen des Krieges für
die Menschen noch verschlimmern. Aber wenn ich die unbestreitbare Tatsache
nehme, dass die Sanktionen Teil des Krieges in und gegen Syrien samt dessen
Ziel des Regimewechsels in Damaskus sind, gehören sie zu dieser Katastrophe in
Folge des Krieges. Sie verursachen also mit die eingestandene größte humanitäre
Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg und „verstärken“ sie nicht nur. Und für diese
ist und bleibt der Westen verantwortlich, weil er für diesen Krieg und
die Sanktionen verantwortlich ist. Wenn jemand da andere Fakten hat, die auf
das Gegenteil hinweisen, soll er sie bringen. Ich habe damit kein Problem.
Weil ich eben solche Einwände erwartet habe, habe ich meinen Text
am 4. Oktober um Auszüge aus einem Interview mit Louay Hussein von 2012
und aus einer Analyse der Zeitschrift Aus
Politik und Zeitgeschichte aus der Bundeszentrale für politische Bildung zu
den Sanktionen von 2016 ergänzt. Gerade in letzter sind Sätze zu lesen, die die
Aussage aus dem Sputnik-Beitrag
stützen. So z.B.: "Die Wirtschaft
Syriens liegt mittlerweile zu großen Teilen darnieder, der Rest hat sich
zunehmend in eine Kriegswirtschaft verwandelt. Dabei dürften sich die
Zerstörung weiter Landesteile und die internationalen Sanktionen in der Wirkung
zumindest zum Teil gegenseitig verstärkt haben. Es gibt allerdings bislang kaum
und vor allem keine quantitativen Studien, die sich mit den Effekten der
beschriebenen Sanktionen auseinandergesetzt haben. ..." Oder: "Allerdings erhöhten gerade die umfassenden
Sanktionen auf überwiegend indirektem Wege die sozio-ökonomischen Kosten von
Krieg und Gewalt zusätzlich und trafen insbesondere die ohnehin ärmsten und am
höchsten gefährdeten Gruppen der Gesellschaft. ..."
Insofern bleibt für mich die inhaltliche Aussage des Sputnik-Beitrages weiter richtig, der
auf eine Studie bzw. Bericht aus der UN aufmerksam macht, der die Aussage zu
den Sanktionen gegen Syrien bestätigt, dass diese ähnlich wie die Sanktionen damals gegen
den Irak nichts weniger sind als ein schon für sich allein eine humanitäre Katastrophe
auslösendes völkerrechtliches Verbrechen. Das sehe ich als bestätigt an bis auf
den Beweis des Gegenteils durch wen auch immer. Wie sagte doch laut Intercept Joshua Landis: "... Washington knows this from Iraq."
Zu letzterem hat unter anderem selbst Die Welt 2010 einen interessanten Beitrag veröffentlicht: "Der vergessene Krieg gegen Iraks
Zivilbevölkerung".
Der Autor Michael Holmes bezeichnet die damaligen Sanktionen als "Verbrechen" und meinte: "Aus der jüngsten Geschichte des Irak können
wir lernen, dass eine Wirtschaftsblockade ebenso verheerende Folgen für die
Zivilbevölkerung eines Landes haben kann wie eine Militärintervention."
Und wie sagte damals die US-Aussenministerin Madeleine Albright, befragt nach
den in Folge der Sanktionen gestorbenen ca. 500.000 irakischen Kinder: „Wir denken, es ist den Preis wert.“ (siehe unter anderem hier)
Der Mensch, der Sputnik als
tendenziös kritisierte, weiß das alles selbst bestens.
Was ist denn anders im Fall Syrien? Meine Antwort: Nichts! Es ist das gleiche Verbrechen gegen die Menschheit! Und da hat Sputnik doch Recht, selbst wenn der Originalbeitrag von Intercept nicht korrekt übersetzt wurde. Und den Autoren des UN-Materials lag es sicher fern, den Westen zu beschuldigen. Der Inhalt aber bestätigt die Schuld des Westen an der größten humanitären Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg, die durch die Sanktionen gegen Syrien mit verursacht wurde, weil sie eben ein Teil dieses westlichen Krieges gegen das Land sind.
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