Hierzulande lassen sich derzeit viele erleichtert und erstaunt vom Geschehen um den angeblichen syrischen Terrorverdächtigen in den Bann ziehen. Erleichterung ist bei jenen zu finden, die hörten, dass der vermeintliche Terrorist mit IS-Verbindungen demnächst einen Berliner Flughafen angreifen wollte, was aber angeblich verhindert werden konnte. Erstaunen ist bei jenen zu finden, die angesichts des Selbstmordes des Verdächtigen im Gefängnis in Leipzig nicht nur wie Spiegel online „Fragen über Fragen über Fragen“ zum Geschehen haben, zu Recht, wie ich meine.
Ich bin nicht erleichtert und nicht so recht erstaunt,
wundere mich aber dennoch. Nämlich darüber, dass viel weniger bemerkt und wenn
gemeldet, dann noch weniger hinterfragt wird, was zur gleichen Zeit die
Bundesregierung der Öffentlichkeit mitteilt: „Die Bundeswehr weitet ihren Einsatz im Kampf gegen die IS-Terrormiliz
aus“, hieß es in einer Pressemitteilung am Morgen des 13. Oktober 2016. „Künftig werden deutsche Soldaten auch in
AWACS-Aufklärungsflugzeugen der Nato den Luftraum in Syrien überwachen.“
Dem Kabinettsbeschluss müsse der Deutsche Bundestag noch zustimmen. In der
Bildunterschrift zur noch nicht öffentlich frei zugänglichen Pressemitteilung
wird auf den Zweck des AWACS-Maschinen hingewiesen: „Künftig werden Bundeswehrsoldaten in AWACS-Aufklärungsflugzeugen der
Nato den Luftraum in Syrien überwachen.“ Im Text heißt es: „Bundeswehrsoldaten als Teil der
internationalen Besatzung von AWACS-Flugzeugen der Nato werden über Syrien
aufklären. Die bei den Aufklärungsflügen in Echtzeit gewonnenen Daten ergeben
ein noch besseres Lagebild.“ Weiter wird aufgezählt, wie die Bundeswehr
seit Dezember 2015 am Krieg in und gegen Syrien über „die internationale Anti-IS-Koalition“ direkt beteiligt ist: „Bereits seit Dezember 2015 unterstützt
Deutschland die internationale Anti-IS-Koalition. Im Einsatz sind neben ‚Recce‘-Tornados
auch Tankflugzeuge zur Luft-zu-Luft-Betankung. Außerdem schützt die Fregatte
"Augsburg" einen französischen Flugzeugträger. Weiteres Personal ist
in Stäben und Hauptquartieren eingesetzt. Diese Unterstützung wird fortgesetzt.“
Begründet wird das so“ Die fortgesetzte und ausgeweitete Beteiligung am Kampf
gegen IS stellt einen Kernpunkt des deutschen sicherheitspolitischen
Engagements in der Region dar. Damit wird der unmittelbaren und direkten Gefahr
für Deutschland, den Bündnispartner und der internationalen Gemeinschaft
entgegengetreten. Der Einsatz dient dem entschlossenen Vorgehen gegen
strategische IS-Versorgungswege und Ressourcen sowie Anführer, Kämpfer und
Anhänger der Terrormiliz.“
Nun habe ich neben dem Hinweis, dass die Bundesrepublik
Deutschland und die Bundeswehr von Anfang an diesem Krieg in und gegen Syrien
beteiligt ist (nachlesbar u.a. hier und hier und hier und hier)
auch noch ein paar Fragen. Dazu gehört zuerst die, für wie dumm wir ein
weiteres Mal gehalten werden. Und: Wenn es angeblich gegen den IS geht, warum
sollen Bundeswehrsoldaten in AWACS-Flugzeugen mitfliegen, die den Luftraum über
Syrien überwachen? Wer hat etwa geheime Informationen, dass die islamistischen
Terrorgruppen im Irak und in Syrien nun auch Kampfflugzeuge haben und
einsetzen? Ich gebe zu, diese Frage ist nur eine rhetorische. Aber weiter: Wenn
Spionageschiffe wie allein das bundesdeutsche laut Die Welt vom 19. August 2012
„Truppenbewegungen bis zu 600 Kilometer
tief in Syrien beobachten“ können, BND-Agenten (Die Welt: „‘Wir können stolz
darauf sein, welchen wichtigen Beitrag wir zum Sturz des Assad-Regimes
leisten‘, erklärte ein BND-Mitarbeiter der ‚Bild am Sonntag‘“) und sonstige
westliche „Spezialeinheiten“ aktiv gegen Syrien im Einsatz sind und
Tornado-Aufklärungsflugzeuge eingesetzt werden, wozu dann noch AWACS-Maschinen?
Und wer hat die NATO beauftragt, den Luftraum über Syrien zu überwachen, für
was und wen, gegen wen? Werden die Bundeswehrsoldaten statt in dem Kampf gegen
den IS in einen tatsächlichen Krieg gegen Russland und dessen Partner in Syrien
geschickt? Was läuft da tatsächlich?
Ich musste angesichts der aktuellen Meldung der
Bundesregierung an das denken, was Florian Rötzer am 2. Dezember 2015 auf Telepolis
nach der Nato-Außenministertagung am Vortag u.a. schrieb: „Auffällig war, dass Stoltenberg vermied, über das Thema einer großen
Koalition mit Russland im Kampf gegen den IS überhaupt zu sprechen, zwischen
Nato und Russland scheint auch in diesem Punkt Funkstille zu herrschen,
obgleich es den Wiener Prozess gibt und allen voran Frankreich sich bemüht,
eine Kooperation mit Russland zu ermöglichen.“ Und weiter: „Auch die Entsendung von Kriegsschiffen aus
Dänemark und Deutschland, in Deutschland verkauft als Beitrag zum Kampf gegen
den IS, scheint vor allem dazu zu dienen, die Nato-Präsenz im Mittelmeer gegen
Russland und zur Unterstützung der Türkei zu verstärken … Von dieser Strategie,
die hinter dem vorgeschobenen Kampf gegen den IS zumindest für die Nato steckt,
taucht allerdings nichts in dem Mandats-Text der Bundesregierung auf, die dem
Bundestag vorgelegt wird. Man könnte höchstens hellhörig werden, wenn das
Einsatzgebiet keineswegs nur Syrien ist, sondern das östliche Mittelmeer, das
Rote Meer, der Persische Golf sowie ‚angrenzende Seegebiete‘.“
Ach übrigens, die „internationale
Anti-IS-Koalition“, die in und gegen Syrien Spezial-Bodentruppen und Kampfflugzeuge
ohne jegliches UN- oder völkerrechtliches Mandat einsetzt, dürfte nicht nur den
Islamischen Staat als Ziel haben, wenn überhaupt. Es handelt sich um eine
klassische Intervention, die es manchmal auch mit UN-Deckmantel wie gegen
Libyen 2011 gibt. Zu dieser und anderen ähnlichen hatte das
Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) im September 2011 die Ergebnisse einer „systematische Analyse der Reaktionen der Vereinten
Nationen auf die 44 schwerwiegendsten humanitären Krisen nach dem Ende des
Ost-West-Konflikts“ veröffentlicht,
in der es um das Muster der Interventionen ging. In der Pressemitteilung wurde
u.a. gefragt: „Der Weltsicherheitsrat hat
Sanktionen gegenüber Libyen beschlossen, eine weitergehende Resolution gegen
Syrien aber bislang abgelehnt. Wie kommt es zu solchen selektiven
Entscheidungen?“ Autor Martin Binder antwortete darauf in dem Material u.a.: „Die Fähigkeit eines Zielstaates, eine
Gegenmacht gegen eine externe Intervention aufzubauen und damit die Kosten und Risiken
einer Intervention zu erhöhen, ist der vierte Erklärungsfaktor. Wie stark
dieser Widerstand ist, hängt in erster Linie von der militärischen Macht des
Interventionsziels ab, aber auch davon, ob der Krisenstaat mächtige Verbündete hat
oder in der Einflusssphäre eines Staates liegt, der ein Eingreifen der Vereinten Nationen im
Weltsicherheitsrat verhindern kann.“ Also wird im Fall Syrien gezwungenermaßen eben ein weiteres Mal auf
die UNO verzichtet und auf islamistische Terroristen als Begründung für die
Intervention zurückgegriffen. Was für ein glücklicher und nützlicher Zufall
ist es doch, dass der IS aufgetaucht ist – nützlich dort und hier.
Es könnte sein, dass das zeitliche Zusammentreffen der angeblich aufgeflogenen Terrorpläne des jungen Syrers und des erweiterten Kriegsauftrages für die Bundeswehr nicht zufällig ist. Ich weiß das nicht, aber ich habe so meine Zweifel, dass es nur ein Zufall ist, wenn ich in der erwähnten Pressemitteilung der Bundesregierung als Begründung lese: „Damit wird der unmittelbaren und direkten Gefahr für Deutschland, den Bündnispartner und der internationalen Gemeinschaft entgegengetreten. … Die Anschläge in Frankreich, Belgien, der Türkei, aber auch in Deutschland haben aber auch gezeigt, dass der IS auch Europa bedroht.“ Sollte das etwa nochmal unterstrichen und den Bundesbürger und allen, die hier leben, nochmal richtig Angst gemacht werden, damit keiner was sagt gegen noch mehr Krieg auch mit der Bundeswehr? Die Liste der Kriege und der Ausweitung von Kriegen, die mit echten und vermeintlichen Terroranschlägen begründet wurden, ist lang. Warum sollte das hierzulande anders als anderswo sein und funktionieren? Der junge Syrer, der angeblich einen Berliner Flughafen angreifen wollte, kann dazu nichts mehr sagen. Diese und andere Fragen müssen andere beantworten. Ich habe meine Zweifel, ob sie antworten, was sie wirklich betreiben und zu welchem Zweck. Die Antwort, dass sei alles Zufall, die halte ich für unzureichend, wenn sie nicht bewiesen werden kann. Und so richtig verwunderlich erscheint mir das alles nicht.
Nachtrag vom 14.10.16, 1:02 Uhr:
Beim Onlinemagazin German Foreign Policy war am 13. Oktober unter der Überschrift "Mit den AWACS im Syrien-Krieg" zum Thema unter anderem zu lesen: "Klar ist, dass die NATO-AWACS mit deutscher Beteiligung nicht nur syrische, sondern auch russische Kampfjets auf ihren Bildschirmen haben werden."
Es könnte sein, dass das zeitliche Zusammentreffen der angeblich aufgeflogenen Terrorpläne des jungen Syrers und des erweiterten Kriegsauftrages für die Bundeswehr nicht zufällig ist. Ich weiß das nicht, aber ich habe so meine Zweifel, dass es nur ein Zufall ist, wenn ich in der erwähnten Pressemitteilung der Bundesregierung als Begründung lese: „Damit wird der unmittelbaren und direkten Gefahr für Deutschland, den Bündnispartner und der internationalen Gemeinschaft entgegengetreten. … Die Anschläge in Frankreich, Belgien, der Türkei, aber auch in Deutschland haben aber auch gezeigt, dass der IS auch Europa bedroht.“ Sollte das etwa nochmal unterstrichen und den Bundesbürger und allen, die hier leben, nochmal richtig Angst gemacht werden, damit keiner was sagt gegen noch mehr Krieg auch mit der Bundeswehr? Die Liste der Kriege und der Ausweitung von Kriegen, die mit echten und vermeintlichen Terroranschlägen begründet wurden, ist lang. Warum sollte das hierzulande anders als anderswo sein und funktionieren? Der junge Syrer, der angeblich einen Berliner Flughafen angreifen wollte, kann dazu nichts mehr sagen. Diese und andere Fragen müssen andere beantworten. Ich habe meine Zweifel, ob sie antworten, was sie wirklich betreiben und zu welchem Zweck. Die Antwort, dass sei alles Zufall, die halte ich für unzureichend, wenn sie nicht bewiesen werden kann. Und so richtig verwunderlich erscheint mir das alles nicht.
Nachtrag vom 14.10.16, 1:02 Uhr:
Beim Onlinemagazin German Foreign Policy war am 13. Oktober unter der Überschrift "Mit den AWACS im Syrien-Krieg" zum Thema unter anderem zu lesen: "Klar ist, dass die NATO-AWACS mit deutscher Beteiligung nicht nur syrische, sondern auch russische Kampfjets auf ihren Bildschirmen haben werden."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen