Bitte beachten:

Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Freitag, 27. November 2015

Interessantes zum türkischen Abschuss der russischen SU-24

Im Folgenden der Hinweis auf zwei interessante Äußerungen zum Abschuss der russischen SU-24 durch türkische Kampfjets

Der österreichische Politikwisenschaftler Gerhard Mangott schrieb am 25. November 2015 dazu auf seiner Website:
"Der Abschuss der russischen Su-24 durch die türkische Luftwaffe am 24. November ist ein nachhaltiger Beitrag, eine politische und militärische Syrienkoalition zu beschädigen. Nicht dass die Bemühungen darum schon weit fortgeschritten oder die Aussichten dafür günstig wären. Aber nach dem Abschuss sind die Vorzeichen noch deutlich schlechter geworden. ...
NATO-Diplomaten meinen, dass sich die russische Maschine jedenfalls nur 17 Sekunden im türkischen Luftraum aufgehalten habe. Das führt zum Kern des gestrigen Zwischenfalls: Die Türkei hat die russische Maschine nicht wegen der (angeblichen oder tatsächlichen) Verletzung des türkischen Luftraumes abgeschossen, sondern weil sie Russland deutlich machen wollte, dass die Türkei die russischen Bombardements von Stellungen der turkmenischen Brigade der Freien Syrischen Armee im nordwestlichen Syrien nicht akzeptieren will. ...
Aber selbst wenn die türkischen Angaben stimmen, war der Abschuss des Flugzeugs eine exzessive Auslegung des Selbstverteidigungsrechtes und damit unverhältnismässig. Die türkischen F-16 hätten die russische Su-24 auch aus dem türkischen Luftraum eskortieren können.

Erdogans Kalkül war aber nicht nur, die Russen wegen des Vorgehens gegen die Turkmenen zu bestrafen. Erdogan, dessen Syrienpolitik seit Beginn an auf die Entmachtung al-Assads ausgelegt ist, sieht sich durch eine mögliche Interimslösung brüskiert, die al-Assad zumindest für eine – noch nicht näher definierte – Übergangszeit an der Macht beteiligt lässt. Die Wende Frankreichs, nach den Terroranschlägen in Paris, dem Kampf gegen Daesh den Vorrang einzuräumen und die Zukunft al-Assads zumindest vorübergehend als zweitrangig einzustufen, hat die Türkei weiter verunsichert.
Auch die mögliche militärische Koalition gegen den IS – zumindest zwischen Frankreich und Russland – ist nicht im Interesse der Türkei. Die Türkei unterstützt den IS finanziell und militärisch, weil der IS auch  gegen den türkischen Erzfeind al-Assad kämpft. Kämpfer des IS sickern über die türkisch-syrische Grenze, Rohl und raffinierte Produkte des IS werden auch in der Türkei abgesetzt, IS-Kämpfer werden in türkischen Spitälern versorgt und Waffenunterstützung des IS durch die Türkei wird allerorts angenommen. ...
Russland wird die Angriffe auf die turkmenischen Rebellen nicht einstellen – vermutlich sogar intensivieren. Ist die Türkei dann zu einer weiteren  Eskalation bereit? ..."

Auf dem Blog The Vineyard Saker – Deutsche Version wurde am 27.  November 2015 ein türkischer Beitrag zum Thema ins Deutsche übesetzt:
"Hier Auszüge aus einem türkischen Kommentar zum Absturz (Emre Uslu in Today´s Zaman)
“Die Entscheidung, das russische Flugzeug abzuschießen, wurde nicht nur in der Türkei getroffen. Wenn das so gewesen wäre, wären die Reaktionen aus den verschiedenen westlichen Hauptstädten ganz andere als die, die wir jetzt gehört haben. Es ist jetzt klar, dass die Türkei – genauer gesagt, Präsident Recep Tayyip Erdogan – einen neuen Vertrag mit dem Westen abgeschlossen hat, und der Abschuss des russischen Jets ist nur die erste Stufe dieses Vertrags. (…)
In den Wochen, die dem Zwischenfall mit dem Flugzeug vorausgingen, hat Ankara ein Projekt umgesetzt – das mit der türkischen Öffentlichkeit immer funktioniert. Es wurde ein lautes Mediengeschrei erhoben um die “Massaker, die an den Turkmenen in Syrien begangen werden”. (…) Wann auch immer in der Türkei Aufhebens darum gemacht werden, dass Türken oder Turkmenen im Ausland zu schaden kommen (oder kommen könnten), bedeutet das, dass es bald zu einem Militäreinsatz kommt.(…)
Tatsächlich fand ich schon vor einiger Zeit all die Nachrichten über Massaker an Turkmenen in Syrien verdächtig, deshalb schrieb ich auf meinem Twitter-Account schon am 20. November: “Wenn es Nachrichten über das TURKMENISCHE DRAMA in der Türkei gibt, heißt das, die Gesellschaft wird auf etwas vorbereitet. Sie werden unser Militär nach Syrien schicken, darum sind all die Nachrichten über die turkmenischen Berge höchst verdächtig”
(…) Aber heißt das, das war eine Operation, die die Türkei alleine durchführte, oder mit Rückendeckung eines Netzwerks westlicher Länder?
Wir sehen diese Frage durch die Erklärungen beantwortet, die Obama gleich nach dem Zwischenfall machte. Während Obama beide Seiten warnte, “die Spannung nicht zu erhöhen”, beschuldigte er nur Russland direkt. Er sagte, Russland behaupte, ISIS zu bombardieren, aber in wirklichkeit bombardiere es die Opposition entlang der Grenzen. Die zweite Hälfte seiner Bemerkung ist entscheidend, weil es sich hierbei um das erste Mal handelt, dass wir Obama von den turkmenischen Bergen reden hörten, in Nordsyrien, und dass er derart beschützerisch von diesen Gruppen sprach, während er gleichzeitig die Russen beschuldigte. Aber wer sind diese Gruppen, für deren Schutz sich Obama stark macht?
Nun, da ist al-Nusra, wie auch Ahrar al-Sham und die Fatih-Brigaden. Die meisten dieser Gruppen sind auf die eine oder andere Weise mit al-Kaida verbunden. Diese beschützende Rhetorik, die wir von Obama in Bezug auf diese Gruppen hören, zeigt uns, dass die Türkei nicht der Hauptplaner dieser letzten Operation war.
(…) Das ist eindeutig ein gut eingeübtes Szenario. ...
Für all jene, die die normale Geschwindigkeit der türkischen Bürokratie kennen, ist offensichtlich, dass wir solche Erklärungen, wie wir sie gehört haben – und die Reaktionen, die wir gesehen haben – nicht derart rechtzeitig hätten erfolgen können, wäre dieses Szenario nicht vorab vorbereitet worden.”
Das findet sich mittlerweile über den vermeintlichen “turkmenischen Kommandeur”, der sich so über die Ermordung des abgesprungenen Piloten freute – es handelt sich um den Sohn eines faschistischen Bürgermeisters aus der Türkei. ..."

Nachrichtenmosaik Ukraine Folge 255

Gesammelte Nachrichten und Informationen zum Ukraine- und zum West-Ost-Konflikt und den Hintergründen, ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit, fast ohne Kommentar

Aktuelles & Nachgetragenes:
• Weiter schwere wirtschaftliche Probleme
"Das dritte Quartal deutete bereits Hoffnung für die Ukraine an. Nun wird ihre Wirtschaft durch neue politische Eskalationen erschüttert. Am Desaster ist nicht nur Moskau schuld.
Wie eine Warm-Kalt-Dusche kommen die Nachrichten aus der Ukraine im Moment daher. Erst vor einer Woche überraschte der neben Griechenland zweite große Krisenstaat Europas mit den Zahlen für das dritte Quartal, die ein Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal zeigen und damit das Ende der katastrophalen und seit dem Vorjahr anhaltenden tiefen Rezession andeuteten. Schon eskaliert die Situation rund um die Blockade des Waren- und Stromverkehrs Richtung Krim. Schon stoppen die Russen die Gaslieferungen. Schon liefert die separatistische Ostukraine keine Kohle mehr in den Rest des Landes. „Das alles wird die Krise zusätzlich verschärfen“, prognostiziert Peter Havlik vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsstudien.
Zumindest auf dem Gassektor allein zeichnet sich vorerst kein Problem ab. Kiew will selbst derzeit nicht in Russland einkaufen – und zwar, weil es den weiteren Preisverfall bis Anfang 2016 abwartet. ...
Der aktuell heiklere Punkt sind die drei Mrd. Dollar, die der ukrainische Staat, dessen Gesamtschulden durch die Währungsabwertung auf 90 Prozent des BIPs hochgeschossen sind, Russland schuldet und die im Dezember fällig werden. Im Unterschied zu den anderen internationalen Gläubigern nämlich stimmt Russland keinem Schuldenschnitt zu, hat aber angeboten, die Schulden auf drei Jahre zu strecken, sofern der Internationale Währungsfonds (IWF) Rückzahlungsgarantien für die Ukraine abgibt. Die Möglichkeit eines Zahlungsausfalls ist also nicht gebannt. ...
Die Umschuldung sei jedenfalls „eine wichtige Voraussetzung, um wieder Wachstum zu erreichen“, sagte Finanzministerin Natalia Jaresko. Dennoch: Trotz Fortschritten im dritten Quartal wird das BIP im Gesamtjahr um etwa elf Prozent schrumpfen, nachdem es schon im Vorjahr um sieben Prozent zurückgegangen war. Zu Buche schlägt heuer auch, dass man erst jetzt in vollem Ausmaß die Zustände in der Ostukraine mit einberechnet, wie Vladimir Dubrovskiy, Chefökonom des Kiewer Wirtschaftsforschungsinstituts CASE, erklärt: „Man kann nicht alles auf den Osten schieben. Bei schnelleren Reformen hätte man vieles kompensieren können.“ ..." (Die Presse online, 26.11.15)

• OSZE meldet vermehrt Gefechte - Minsk II unerfüllt
"Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind alarmiert: Im Donbass kommt es seit Abhaltung der ukrainischen Lokalwahlen Ende Oktober wieder vermehrt zu Gefechten an der Frontlinie. Die Beobachter sind besorgt, dass die seit Anfang September geltende Waffenruhe in sich zusammenbrechen könnte. Wobei Botschafter Martin Sajdik, der für die OSZE den Verhandlungsprozess in Minsk moderiert, im Gespräch mit der „Presse“ darauf hinweist, dass „die Art und Qualität der Gefechte eine andere“ als früher seien. Auch aus den Berichten der Monitoring-Mission vor Ort geht hervor, dass derzeit vor allem leichte Infanteriewaffen und Panzerfäuste verwendet werden.
Grundlage des Friedensprozesses ist dass Abkommen von Minsk, das im Februar 2015 von Vertretern der Ukraine, Russlands und der Separatisten unterzeichnet wurde. Das Papier umfasst 13 Punkte und ist recht komplex. Die Punkte sind auch eine Checkliste für die EU bei der Frage der Aufrechterhaltung oder Abschaffung der gegen Moskau verhängten Sanktionen.
Laut Plan sollte der Minsk-Prozess bis Jahresende abgeschlossen sein, doch das ist mittlerweile unrealistisch. Die Verhandlungen werden wohl im nächsten Jahr weitergehen.
Die Bilanz der Umsetzung ist durchwachsen. Von beiden Seiten eingehalten wurde (bisher) die Waffenruhe. Auch haben die Konfliktpartner die schweren Waffen eigenen Angaben zufolge abgezogen. Allein: Die Kontrolle bleibt schwierig. OSZE-Beobachtern wird der Zugang zu Waffenlagern verwehrt. Trotz des offiziell beendeten Abzugs von Artillerie und Raketensystemen gibt es nach wie vor eine Dunkelziffer schwerer Waffen im Konfliktgebiet. OSZE-Diplomat Sajdik hat zudem beobachtet, dass die Kämpfe vor allem „vor, während und nach“ den Minsker Gesprächen stattfinden: interpretierbar als Signale von Gegnern des Friedensprozesses auf beiden Seiten. Tatsächlich harren vor allem die politischen Punkte im Minsk-Abkommen der Umsetzung. ..." (Die Presse online, 25.11.15)

• Kiew sperrt Luftraum für russische Flugzeuge
"Nach einem generellen Landeverbot hat die Ukraine ihren Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt. "Die ukrainische Regierung untersagt alle Transitflüge russischer Fluglinien durch den ukrainischen Luftraum", erklärte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Mittwoch bei einer Kabinettssitzung in Kiew. Er begründete den Schritt mit der nationalen Sicherheit.
Dies betreffe alle zivilen Fluggesellschaften Russlands, sagte Ministerpräsident Jazenjuk. Moskau könne den Luftraum für "Provokationen" nutzen, meinte er. Die Ukraine wirft Russland die Unterstützung von Separatisten im Osten des Landes vor. Im Oktober hatte Kiew bereits russischen Flugzeugen die Landeerlaubnis in der Ukraine entzogen. Moskau reagierte mit einem Verbot für ukrainische Airlines. Damit verschärfte sich der Konflikt zwischen beiden Staaten weiter. ..." (Der Standard online, 25.11.15)


• Nächste Runde im Gas-Streit
"Russland hat die Gaslieferungen in die Ukraine eingestellt. Der ukrainische Konzern Naftogas habe die gesamte Gasmenge, die Kiew bezahlt habe, aus dem Pipelinesystem entnommen, sagte Gazprom-Chef Alexej Miller. "Eine neue Vorauszahlung ist nicht eingegangen, daher werden die Lieferungen bis zum Eintreffen neuer Zahlungen von Seiten des ukrainischen Konzerns eingestellt", fügte er hinzu.
Beide Seiten hatten sich erst im September auf Vermittlung der Europäischen Union auf Umfang und Preis der Lieferungen für den laufenden Winter geeinigt. Demnach muss die Ukraine für 1000 Kubikmeter russischen Gases 227,40 Dollar zahlen. Insgesamt hat Russland für 454 Millionen Dollar rund zwei Milliarden Kubikmeter geliefert. ..." (Der Standard online, 25.11.15)


• Terror und Blockade gegen die Krim
"Anschläge auf zwei ukrainische Hochspannungsleitungen gefährden die Stromversorgung der von Russland annektierten Halbinsel Krim. Zwei weitere Leitungen wurden beschädigt und drohen auszufallen, wie der Stromversorger Ukrenergo am Freitag in Kiew mitteilte. Derzeit liefere das Festland nur noch zwei Drittel der benötigten Elektrizität. Bei einem Ausfall der beschädigten Leitungen würden auch Teile der südukrainischen Gebiete Cherson und Mykolajiw ohne Strom dastehen. Aktivisten der Krimtataren kündigten an, Reparaturen behindern zu wollen. ..." (Der Standard online, 20.11.15)
"Ein Stromausfall sorgt für neue Spannungen im russisch-ukrainischen Verhältnis: Nachdem Unbekannte in der ostukrainischen Region Cherson vier Starkstromleitungen lahmgelegt hatten, gingen für die 1,9 Millionen Bewohner der Krim in der Nacht zum Sonntag alle Lichter aus. "Die Masten wurden soeben gesprengt", teilte Ilja Kiwa, ein Vertreter des ukrainischen Innenministeriums, auf seiner Facebook-Seite mit. Schon am Freitag hatten Demonstranten, vornehmlich Krimtataren und Kämpfer des Rechten Sektors, die seit Wochen die Einfahrten zur Krim blockieren, versucht, die Stromleitungen zu sprengen, und sie dabei schwer beschädigt. Die ukrainische Nationalgarde musste schließlich anrücken, um die Demonstranten zu vertreiben und Reparaturtrupps den Zugang zu ermöglichen. Wegen der Zusammenstöße wurden inzwischen in der Ukraine mehrere Strafverfahren eingeleitet, auch die Suche nach den Strom-Saboteuren läuft. ..." (Der Standard online, 22.11.15)
"Nach wochenlanger Blockade der Krim durch ukrainische Aktivisten hat die Regierung in Kiew den Warenverkehr zu der von Russland annektierten Halbinsel vorerst offiziell unterbrochen. Regierungschef Arseni Jazenjuk ordnete bei einer Sondersitzung des Kabinetts am Montag in Kiew an, eine Liste mit Waren zu erstellen, die blockiert werden. Aktivisten sperren bereits seit mehr als zwei Monaten den Güterverkehr vom ukrainischen Kernland auf die Krim. Der Zugverkehr war bereits im Dezember 2014 – wenige Monate nach der russischen Annexion – eingestellt worden. Jazenjuk sprach sich zudem dafür aus, einen Stromliefervertrag mit den Krim-Behörden zu beenden.
Ukrainische Nationalisten und Krim-Tataren haben indes die Reparatur gesprengter Stromleitungen zur Krim verhindert. Gespräche über die Wiederherstellung der Lieferungen könnten erst dann beginnen, wenn auf der Halbinsel festgehaltene politische Gefangene freigelassen würden, sagte ein ranghoher Vertreter der Krim-Tataren, Mustafa Dschemilew, am Montag. ..." (Der Standard online, 23.11.15)

 
• Kein Ende der westlichen Sanktionen gegen Russland 
"Die westlichen Sanktionen gegen Russland wegen der Krim-Annexion und der Ukraine-Krise sollen einem Zeitungsbericht zufolge trotz der sich abzeichnenden Zusammenarbeit im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verlängert werden. Eine Vorentscheidung dafür sei bereits getroffen worden, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" am Samstag vorab.
Während des G-20-Treffens in Antalya im Süden der Türkei habe sich eine Fünfer-Runde darauf verständigt, an den Sanktionen festzuhalten, solange das Minsker Abkommen zum Ukraine-Konflikt nicht umgesetzt sei, berichtete die "FAS". An dem Treffen nahmen neben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel demnach US-Präsident Barack Obama, der britische Premierminister David Cameron, Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi und der französische Außenminister Laurent Fabius teil ..." (Wiener Zeitung online, 21.11.15)

• NATO-Manöver in der Westukraine
"Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat ein Manöver mit bis zu 2.500 NATO-Soldaten noch vor Jahresende im Westen der Ex-Sowjetrepublik erlaubt. Der proeuropäische Staatschef habe ein entsprechendes Dokument unterschrieben, berichteten Medien in Kiew am Mittwoch. Es wäre bereits das sechste Manöver in diesem Jahr, an dem ausländische Soldaten auf dem Territorium der Ukraine beteiligt sind. ..." (Der Standard online, 18.11.15)

• Kiew zahlt nicht an Moskau
"In einem milliardenschweren Schuldenstreit mit Russland will die Ukraine einen im Dezember fälligen Kredit nicht fristgemäß tilgen. "Wenn Russland nicht auf eine Umschuldung eingeht, wird die Regierung einen Zahlungsaufschub einleiten", sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Freitag in Kiew. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte in Moskau, wenn Kiew seine Schulden nicht begleiche, bedeute dies einen Staatsbankrott. Russland lehnt eine Umschuldung ab. Die zweijährigen Anleihen über 3 Milliarden Dollar (2,8 Milliarden Euro) werden am 20. Dezember fällig. ..." (Der Standard online, 13.11.15)

• Krieg, Flucht und Armut
"Wenig Geld, keine Arbeit und ein Leben in Notunterkünften: Eine Million Binnenflüchtlinge sind in der Ukraine gestrandet
... Seit Beginn des bewaffneten Konflikts sind laut der Hilfsorganisation UNHCR 1,4 Millionen Menschen aus den Kriegsgebieten rund um Donezk und Luhansk in andere Teile der Ukraine geflohen. Weitere 1,1 Millionen haben sich auf den Weg in Nachbarländer wie Russland und Polen gemacht. Der gesamte Oblast Dnipropetrowsk hat laut Zahlen der Hilfsorganisation Shelter Cluster bis in den August offiziell rund 75.000 Flüchtlinge aufgenommen. Allerdings dürfte die tatsächliche Zahl um einiges höher liegen, denn nicht alle Flüchtlinge wurden als solche registriert, wenn sie zum Beispiel bei Verwandten unterkommen. Zum Vergleich: Während der Jugoslawien-Kriege waren laut Schätzungen des UNHCR rund 2,3 Millionen als Flüchtlinge registriert. ..." (Der Standard online, 13.11.15)
Der zitierte Bericht von Michaela Kampl hat immerhin den Zusatz: "Die Reise in die Ukraine erfolgte auf Einladung der US-Botschaft und wurde in Zusammenarbeit mit dem Ukraine Crisis Media Center in Kiew organisiert."


• Neue Kämpfe gemeldet
"Im Osten der Ukraine kommt es wieder verstärkt zu Gefechten zwischen Regierungstruppen und prorussischen Rebellen. Beide Seiten machten sich am Mittwoch gegenseitig für die aufgeflammten Kämpfe verantwortlich. "Die Separatisten haben unsere Stellungen direkt angegriffen", sagte ein ukrainischer Militärsprecher. "Das ist eine Eskalation des Konflikts." ...
Die Separatisten wiederum berichteten von Angriffen der Regierungsseite rund um den Flughafen der Stadt. Zuvor hatten die Waffen seit Mitte September weitgehend geschwiegen. ..." (Der Standard online, 11.11.15)
"Im Krisengebiet Ostukraine hat die Regierungsarmee den prorussischen Separatisten eine Verletzung der Waffenruhe mit Mörsern und Schusswaffen vorgeworfen. Mindestens fünf Soldaten seien getötet und vier weitere verletzt worden, sagte Präsidialamtssprecher Andrej Lyssenko am Samstag in Kiew. Die Aufständischen hätten unter anderem bei Marjinka nahe der Großstadt Donezk Granatwerfer mit einem Kaliber von 82 Millimetern eingesetzt. Auch im Raum Luhansk habe es "Provokationen" der militanten Gruppen gegeben, teilte Lyssenko mit.
Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Unruheregion Donbass hatten zuletzt über zunehmende Spannungen berichtet. Eigentlich sollten die Konfliktparteien Kriegsgerät 15 Kilometer weit von der Frontlinie abziehen. Allerdings verläuft die Umsetzung eines Friedensabkommens von Februar schleppend. Die prowestliche Zentralregierung in Kiew und die Separatisten geben sich gegenseitig die Schuld dafür. ..." (Der Standard online, 14.11.15)

 
• War Sprache nie ein Problem?
"Frontverläufe sind in der Ukraine oft klarer als die Grenzen sprachlicher Identität, meint Linguistin Stefaniya Ptashnyk STANDARD: Welche Rolle spielt die ukrainische Sprache für das Selbstbewusstsein des Staates? Ptashnyk: Die Idee "Ein Staat, eine Nation", die ja aus dem 19. Jahrhundert stammt, trifft heute auf die wenigsten Länder zu. In der Ukraine bekennt sich die Mehrheit zum Ukrainischen als Muttersprache, aber es lebt auch eine große russische Minderheit im Land. Sie gehört genauso dazu wie die Polen, die Ungarn und andere. Die Liste ist ziemlich lang. ...
STANDARD: Spielte die sprachliche Identität bei der Annexion der Krim wirklich eine so große Rolle, wie oft behauptet wird?
Ptashnyk: Das war eine Annexion von außen, die aber in der Bevölkerung eine Grundlage vorfand – auch durch die Präsenz russischer Medien. Wenn Knopf Nummer eins das Fernsehprogramm aus Moskau ist, dann sorgt das schon für eine gewisse Verbundenheit.

STANDARD: Welche Versuche gab es, die Sprache im Ukraine-Konflikt politisch zu instrumentalisieren?
Ptashnyk: Zu Beginn des Konflikts hat das in den Diskursen eine große Rolle gespielt. Im Fernsehen etwa gab es Sendungen über Menschen in der Ostukraine, die Angst hatten, dass sie alle ihr Russisch aufgeben und Ukrainisch lernen müssen. Meist waren das geschürte Ängste, die nicht der Realität entsprachen. Die Sprache war nie der Kern des Konflikts und ist inzwischen auch kein Thema mehr.
STANDARD: Die Frage der Amtssprache hat aber die Gemüter eine Zeitlang ziemlich erhitzt.
Ptashnyk: 1996 wurde Ukrainisch in der Verfassung als Amtssprache festgeschrieben. Später wurden per Gesetz auch Minderheitensprachen regional anerkannt, doch bald nach Beginn der Maidan-Bewegung stand die Abschaffung dieses Gesetzes zur Debatte. Das war völlig unnötig, denn es schuf neue Ängste rund um das Thema Sprache. Selbst meine westukrainischen Freunde protestierten dagegen: Aus Solidarität mit den russischsprachigen Mitbürgern begannen sie, im Internet auf Russisch zu chatten. Im Kampf für Demokratisierung waren ja Angehörige aller Nationalitäten engagiert. ..." (Der Standard online, 9.11.15)
 
• Genscher: Westen hat Russland provoziert
"Hans-Dietrich Genschers aufrüttelnder Appell für das "große Zukunftsprojekt Europa". ...
Mit der Annexion der Krim habe Russland das Völkerrecht klar gebrochen. Das war "ein schwerer Fehler", sagt Genscher. Doch es gibt dazu auch eine Vorgeschichte. Als der russische Präsident Wladimir Putin 2001 eine gemeinsame Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok in Aussicht stellte, wurde er zwar im Westen beklatscht, aber man habe ihn danach nicht beim Wort genommen. Die Annäherung der Ukraine an die EU hätte eine völlig andere Reaktion Moskaus ausgelöst, ist sich Genscher heute sicher, wenn sie von Verhandlungen mit Putin über die Freihandelszone begleitet worden wäre.
Stattdessen wurde Russland von den USA zu jener Zeit als Regionalmacht abgetan. "In der neuen Weltordnung der Ebenbürtigkeit und Gleichberechtigung ist kein Staat mehr der Schulmeister des anderen", so Genscher. So sehe er die Notwendigkeit für eine gesamteuropäische Friedensordnung, die auch Russland partnerschaftlich einschließt. Europa und vor allem Deutschland müssen einmal mehr die Verantwortung übernehmen für einen neuen Entwurf eines "großen Friedensraumes von Vancouver bis Wladiwostok"." (Wiener Zeitung online, 9.11.15)

• UNO-Hilfe in Lugansk unerwünscht?
"Uno-Mitarbeiter sind in Luhansk nicht mehr erwünscht. Separatisten in der Ostukraine haben den Vereinten Nationen eine Frist gesetzt: Mitarbeiter der Uno und internationaler Nichtregierungsorganisationen sollen das Gebiet verlassen, so die Aufforderung der prorussischen Kämpfer. Dies solle bis Freitag geschehen, teilte Uno-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien am Donnerstag in New York mit. Er sagte, die Entwicklung beunruhige ihn, er sei "besorgt".
Die Separatisten hätten bereits Anträge von Uno-Organisationen und internationalen Nichtregierungsorganisationen zurückgewiesen, in der Gegend tätig werden zu dürfen. Wegen der Blockadehaltung der Milizen seien rund 16.000 Tonnen an Hilfsgütern nicht bei Bedürftigen in der Region eingetroffen und örtliche Krankenhäuser könnten aus Mangel an Betäubungsmitteln nicht operieren, sagte O'Brien. ..." (Spiegel online, 25.9.15)

• Ukraine-Konflikt im Schatten des Krieges in Syrien?
"Die Ukraine steuert auf die Kommunalwahlen zu, die zusammen mit der Dezentralisierung und der Frage nach dem Status der beiden "Volksrepubliken", Sprengstoff enthalten. Die Kommunalwahlen sind Teil des Minsker Abkommens, nun wird darüber gestritten, unter welchen Bedingungen sie auch in Donezk und Lugansk stattfinden könnten. Allerdings hatten die Vertreter der "Volksrepubliken" beschlossen, unabhängig von Kiew eigene Wahlen durchzuführen, was von Kiew als Bruch des Minsker Abkommens gewertet wird. In Donezk sollen sie am 18. Oktober stattfinden, in Lugansk am 1. November, dazwischen, am 25. Oktober, in der Ukraine. ...
Offenbar sind nun die Vertreter der "Volksrepubliken" doch interessiert, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen, und sind bei den Trilateralen Gesprächen in Minsk, an denen die ukrainische Regierung demonstrativ nicht direkt teilnimmt, sondern Vertreter schickt, mit einem Kompromissangebot ein. Russland setzt wohl nicht weiter auf Konflikt, auch für die USA ist ebenso wie für Europa die Ukraine gerade nicht das Hauptthema. Das könnte die ukrainische Position schwächen, zumal die Bedenken wachsen, dass die Regierung mit der Umsetzung der gewünschten Reformen nicht vorankommt. ...
Die Chancen stehen derzeit trotz des Konflikts über den vermuteten Ausbau eines russischen Luftwaffenstützpunkts in Latakia gar nicht schlecht, denn die Situation ist auch für die USA völlig verfahren. Jedenfalls scheint Moskau nun eher auf Syrien ausgerichtet zu sein, was die Vertreter der "Volksrepubliken" mit zu dem Angebot veranlasst haben könnte, die Kommunalwahl auf den 21. Februar 2016 zu verschieben. Das ist natürlich ein symbolischer Tag für die "Revolution der Würde". An diesem Tag wurde 2014 das Abkommen zur friedlichen Lösung der Krise mit Janukowitsch auch von den drei Oppositionskräften unterschrieben, das dann prompt von den radikalen Maidan-Kräften mit einem Ultimatum und einem Marsch zum Parlament abgelehnt wurde und zum Sturz der Janukowitsch-Regierung führte. In der ukrainischen Regierung wird dies als Affront gesehen, der das am 2. Oktober in Frankreich stattfindende Treffen der vier Regierungschefs im Normandie-Format beeinflussen soll. ..." (Telepolis, 24.9.15)

• Annäherung zwischen Berlin und Moskau zu Syrien?
"Russland hat die Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßt, wonach man auch mit dem syrischen Machthaber Baschar al Assad über ein Ende des Kriegs sprechen müsse.
Die Haltung der Kanzlerin entspreche der Position Moskaus, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax. Es sei „unrealistisch“, den „legitimen Präsidenten“ Syriens aus der Suche nach einer Lösung des Konflikts ausschließen zu wollen.„Die Erklärung der Kanzlerin stimmt mit dem überein, was Präsident Wladimir Putin mehrfach sagte. Über das Schicksal Syriens kann nur das syrische Volk entscheiden“, sagte Peskow.
Peskow nannte darüber hinaus jüngste Berichte amerikanischer Medien über angeblich bevorstehende Luftangriffe Russlands auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) „reine Spekulation“. ..." (FAZ online, 24.9.15)
Zur Erinnerung eine Schlagzeile aus dem Jahr 2012: "Wie in Berlin die Zeit nach Assad geplant wird" So verändert sich manches ... Da gab es noch die "Arbeitsgruppe Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung Syriens", geleitet von der Bundesrepublik und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Was ist eigentlich aus der geworden? Hat diese Gruppe die Arbeit aufgegeben?

• Moskau reagiert auf mutmaßliche US-Atomwaffen-Pläne
"Russland will nicht tatenlos zusehen, sollten Medienberichte über eine geplante Modernisierung des US-Atomwaffenarsenals in Deutschland zutreffen. "Das könnte die Machtbalance in Europa verändern. Und ohne Zweifel würde das erfordern, dass Russland notwendige Gegenmaßnahmen ergreift, um die strategische Balance und Parität wiederherzustellen", sagte ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin am Mittwoch. Er reagierte damit auf einen ZDF-Bericht. Demnach sollen in Rheinland-Pfalz noch aus der Zeit des Kalten Kriegs lagernde US-Atombomben durch neue hochmoderne Nuklearwaffen ersetzt werden.
Die Nachrichtenagentur Interfax berichtete unter Berufung auf einen Militärvertreter, als Reaktion könne Russland womöglich ballistische Raketen vom Typ Iskander in seine Exklave Kaliningrad zwischen Polen und Litauen verlagern. "Eine endgültige Entscheidung wird nach einer detaillierten Analyse der potenziellen Bedrohung getroffen", zitierte die Agentur ihren Informanten. ...
Dem ZDF-Bericht zufolge beginnen auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz in diesen Tagen die Vorbereitungen für die Stationierung neuer amerikanischer Atombomben. ..." (Der Tagesspiegel online, 23.9.15)

• Kiewer Regierung ohne Rückhalt der Bevölkerung
"Vor den Kommunalwahlen in der Ukraine am 25. Oktober scheint die Regierungskoalition auseinander zu brechen. Die Regierung unter Präsident Poroschenko und Premier Jazenjuk hat in der Bevölkerung sowieso kaum Rückhalt mehr, aber nun ist die Radikale Partei, selbst gebeutelt unter Korruptionsvorwürfen, gerade wurde ein Abgeordneter verhaftet, ein anderer trat aus der Partei aus, schon ausgeschert, auch die Vaterlandspartei von Timoschenko droht mit dem Bruch. Beide stehen unter Druck der Rechtsnationalisten, die weiter einen starken Zentralstaat wollen und die von der Regierung angestrebte Dezentralisierung ablehnen, die sie als Nachgeben gegenüber Moskau und den Separatisten bezeichnen. Um den Rechten Sektor hingegen ist es nach den blutigen Krawallen vor dem Parlament ruhig geworden, weiterhin angestrebt wird von ihm ein Volksentscheid, der den Rücktritt der Regierung fordert. ...
Interessant ist in dem Zusammenhang auch eine Umfrage, die zwar bereits im Mai durchgeführt wurde, aber doch die weiterhin herrschende Stimmung im Land wiedergeben dürfte. 48,5 Prozent sahen hier die wichtigste politische Aufgabe in der Beendigung des Kriegs. 61,8 Prozent würden auch auf die von den Separatisten kontrollierten Gebiete verzichten, wenn es dafür Frieden geben würde. 22,9 Prozent wären für die Fortsetzung des Kriegs bis zur Wiedereingliederung der Gebiete. Die Unabhängigkeit anerkennen wollten aber nur 12,7 Prozent. Bei Verhandlungen mit Russland würden auch 45,2 Prozent Zugeständnisse machen. ..." (Telepolis, 20.9.15)
Washington findet eine Lösung für das Problem, da bin ich mir sicher.

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alternative Presseschau aus ukrainischen, ostukrainischen und russischen Quellen


die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine
 

Donnerstag, 26. November 2015

Keine Überraschung

Es gibt angeblich Überlegungen der Bundesregierung, Aufklärungsflugzeuge über Syrien und dem Irak einzusetzen. Ich bin nicht überrascht.

"... Die Deutsche Presse-Agentur berichtet, die Koalitionsfraktionen wollten noch am Nachmittag die Entsendung von Aufklärungsflugzeugen vom Typ "Tornado" diskutieren. Auch ein Marineeinsatz stehe im Raum. ..." (n-tv, 26.11.15)

Ja, wer sagt's denn ...

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel würde wahrscheinlich auf Nachfrage sagen: "Niemand hat die Absicht, Tornados nach Syrien und den Irak zu schicken ... außer, wir werden drum gebeten."
Mich überrascht gar nicht, was die deutschen Aasgeier sich so alles überlegen, wenn sie schon die erlegte Beute nicht ausweiden können, weil Syrien immer noch nicht gefallen ist, aber wenigsten mitverdienen und dabei sein wollen, wenn es einen "Friedenseinsatz" oder sowas Ähnliches gibt.

Nachtrag: "Deutschland greift militärisch in den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat ein. Die Bundeswehr wird dazu "Tornado"-Aufklärungsjets, ein Kriegsschiff sowie mindestens ein Tankflugzeug und Satellitenaufklärung bereitstellen. Das beschlossen Kanzlerin Angela Merkel und die zuständigen Minister am Donnerstag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bei einem Treffen in Berlin. ...
Ein Mandat der Vereinten Nationen gibt es für den Einsatz nicht. Aus Regierungskreisen hieß es, ein solches Mandat sei angesichts der harten ablehnenden Haltung Russlands auch unrealistisch. ...
" (n-tv, 26.11.15)

aktualisiert: 27.11.15; 14:28 Uhr

Freitag, 20. November 2015

Eine Vision

Was könnte aus dem wiederholten vermeintlichen Versagen der Geheimdienste und Sicherheitsapparate folgen?

Die Geheimdienste und Sicherheitsapparate hätten wieder einmal versagt, seien überfordert oder zu langsam, heißt es mal wieder nach den Anschlägen in Paris am 13. November 2015. Sie haben anscheinend auch übersehen, dass ausgerechnet einer der angeblich bekannten gefährlichsten islamistischen Extremisten in Europa die Anschläge geplant haben soll. "Immer einen Schritt zu spät" ist unter anderem auf freitag.de zu lesen.

Eigentlich gibt es nur eine vernünftige Lösung für das Problem: Diese lahmen Truppen auflösen! Und das Geld für Geheimdienste wie das für Armeen zum Beispiel ausgeben für Sozialpolitik für alle, denn die ist bekanntermaßen noch die beste Prävention, die wiederum bekanntermaßen langfristig besser und auch kostengünstiger ist als Heilung. Aber für diese Lösung bräuchte es eine gesellschaftliche Veränderung, die den Namen Revolution trägt. Die sei angesichts der gesellschaftlichen Probleme notwendig, erklärte mir bereits im Sommer 2014 in Paris ein französischer Physiker.

Die systemkonformen Lösungsvorschläge sehen erwartungsgemäß anders aus, nur drei aus einer großen Auswahl:
- Fiese Diktatoren unterstützen, bewaffnete Wachenvor die Theater, Geheimdienste vernetzen: Ein Strategiepapier von Martin van Creveld
- Umdenken bei Rüstungsausgaben
- Polizei, Geheimdienste und Armee aufrüsten

Aber weiterdenken über das hinaus, was kurzfristig notwendig und möglich ist, ist nicht minder notwendig.
Ich muss nun auch nicht zum Arzt gehen, nur weil ich eine Vision habe. Das hat selbst der nun von uns gegangene Helmut Schmidt eingestanden, befragt nach diesem Therapievorschlag, den er mal machte ("Das muss mindestens 35 Jahre her sein, vielleicht 40. Da wurde ich gefragt: Wo ist Ihre große Vision? Und ich habe gesagt: Wer eine Vision hat, der soll zum Arzt gehen. Es war eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage."). Da bin ich zumindest beruhigt und widme mich wieder dem Tagesgeschen und meinen ganz unvisionären Tagesaufgaben.

Der Text entstand bereits am 19. November. Inzwischen fand ich unter anderem das zum Thema:
Das ist in der gedruckten jungen Welt vom 20.11.15 zu lesen:
Zweifel an Geheimdienstinformationen
Angeblicher »Kopf« der Attentäter als einer der Toten vom Einsatz in Saint-Denis identifiziert
...
Der französische Ministerpräsident Manuel Valls begrüßte »die Neutralisierung eines der Köpfe der Attentate«. Erhebliche Zweifel an dieser Version äußerten Sicherheitsexperten und Psychologen – allesamt ehemalige Polizei- und Militärberater. Abaaoud habe »weder das intellektuelle noch das mentale Profil eines Kriegsherrn« gehabt.
Zweifel an den Geheimdienstinformationen, die am Mittwoch zu einem sieben Stunden dauernden konzertierten Einsatz französischer Sicherheitskräfte gegen eine mutmaßliche Terrorzelle in Saint-Denis im Norden von Paris geführt hatten, gaben auch Sprecher der Polizei in der Tageszeitung Libération zu Protokoll. Das Haus, in dem während der Aktion acht Verdächtige gestellt und drei von ihnen getötet wurden, sei zum Teil von Hausbesetzern bewohnt gewesen, die mit den Anschlägen in Paris »absolut nichts zu tun gehabt« hätten. Außerdem hätten sich Angaben zu technischen Einzelheiten, die für den Einsatz von Bedeutung gewesen seien, als falsch erwiesen. ...
Bin ich also nicht allein mit meinen Zweifeln ...

Ganz so visionär oder unrealistisch sind meine Gedanken gar nicht, stellte ich fest, als ich mich erinnerte, was ein Landeskundiger aus Russland auf freitag.de berichtete:
"... Überall dort, wo es RUS gelang, den Gebieten durch Einbindung und finanzielle Transfers ein würdiges Leben zu ermöglichen, herrscht relative Ruhe. In die Bergdörfer Dagestans reicht RUS Arm nicht, die RF ist dort kaum sichtbar. Die Klans, Korruption und Verarmung bestimmen die Lebensrealität der Menschen dort. Tausende ehemaliger Tschetschenien-Kämpfer aber auch junge Radikal-Islamisten finden dort noch Zuflucht und Unterstützung. ..."
Das ergänzte er an anderer Stelle: "... Aber RUS hat als einziges Land bereits Erfahrung mit einem Islamischen Staat gemacht. Und es waren nicht nur die Mittel des Krieges und die Repressionen Kadyrows, die Tschetschenien und seine muslimischen Völker befriedet haben, es waren vor allem auch die Transferleistungen Moskaus, der soziale Wiederaufbau und die Unterstützung für die Schaffung von Perspektiven für die Menschen. Wenige Tausend islamistische Kämpfer flohen in die Bergdörfer Dagestans und finden dort noch Zuflucht und terroristischen Nachwuchs, weil der Arm Moskaus dorthin nicht reicht, Klanherrschaften und Korruption die Menschen verarmen und verelenden lassen. ..."
Es zeigt zumindest, was durch gute Sozialpolitik auch gegen Terror möglich ist.
Danke an berlino1010 dafür

Donnerstag, 19. November 2015

Ja, wer sagt's denn ... die Bundeswehr auf nach Syrien

Ein Beispiel für das Verhältnis von Medien und Politik – oder doch nur der reine Zufall

Am 16. November 2015 hatte ich auf freitag.de aus der gedruckten Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) vom Vortag Folgendes zitiert, was der Mitherausgeber Berthold Kohler unter dem Titel "Weltkrieg" veröffentlichte:
"... Hollande spricht von einem 'Kriegsakt'. Das könnte schwerwiegende Folgen nach sich ziehen – für Frankreich, für die Nato und damit auch für den wichtigsten Verbündeten, Deutschland. Merkels Diktum, man müsse die Fluchtursachen schon in Syrien bekämpfen, könnte plötzlich einen von ihr nicht gewollten Bedeutungswechsel erfahren. ... Mehr denn je kommt es jetzt auf die Geschlossenheit des Westens an. Und darauf, dass er seinen Willen und seine Fähigkeit demonstriert, seine Werte zu schützen. Das wird angesichts des Ausmaßes der Bedrohung und der Assymmetrie des Konflikts nicht gänzlich ohne Einschränkungen der Freieheiten möglich sein, die es zu verteidigen gilt, gegebenenfalls auch mit eigenen Truppen in Syrien. Ohne Opfer wird dieser epochale Kampf nicht zu bestehen sein. ..."
Dazu fügte ich an: Sicher ist der Autor Berthold Kohler, der das unter dem Titel "Weltkrieg" schrieb und auf Seite 1 der FAS veröffentlichte, nur ein Schreiber, einer von vielen. Aber er ist auch Mitherausgeber einer Zeitung, die als "meinungsbildend" gerade unter denjenigen gilt, die als führende und herrschenden Kreise hierzulande gelten, als vermeintliche und tatsächliche Elite, und damit gewissermaßen nicht ganz einflusslos.

Nun musste ich lesen, was Spiegel online am 18. November 2015 veröffentlichte: "Die Bundeswehr ist womöglich in Zukunft stärker mit dem Krieg in Syrien beschäftigt: Die Bundesregierung schließt einen Einsatz der Streitkräfte in dem Land nach SPIEGEL-Informationen nicht aus. Voraussetzung sei ein Beschluss des Uno-Sicherheitsrats, heißt es in Regierungskreisen.
Denkbar sei ein Einsatz zur Überwachung eines möglichen Waffenstillstands. Nach Einschätzung des Kanzleramts sind die Chancen für ein solches Mandat in den vergangenen Wochen gestiegen. ..."
Na, was für ein Zufall ... Oder Beispiel für das Zusammenspiel zwischen "Leitmedien" und Politik? Lässt sich so oder so verstehen.

Ich stieß auf die zweite Nachricht durch eine Pressemitteilung von Sahra Wagenknecht, die am 18. November 2015 u.a. warnte: ""Ein Einsatz der Bundeswehr in Syrien wäre vollkommener Irrsinn. Die Bundesregierung muss umgehend zu den Medienberichten Stellung beziehen, dass es in der Regierung Pläne für einen Kampfeinsatz der Bundeswehr in dem Bürgerkriegsland gibt", kommentiert Sahra Wagenknecht die Medienberichte, dass die Bundesregierung einen Einsatz von Bodentruppen in Syrien nicht ausschließt. Die Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE weiter: "Es wäre unverantwortlich, wenn die Große Koalition die schrecklichen Terroranschläge von Paris dazu missbrauchen würde, deutsche Soldaten in neue sinnlose Kriege zu schicken. Niemand braucht ein zweites Afghanistan. Es ist unverantwortlich, dass die Bundesregierung dem von Frankreich ausgerufenen Beistandsfall nach Artikel 47 der EU-Verträge nicht widersprochen hat.
Stattdessen muss der Kreislauf aus Krieg und Terrorismus durchbrochen werden. Der Islamische Staat muss vor allem durch eine konsequente Unterbindung von Waffenlieferungen und Finanzströmen kampfunfähig gemacht werden. Es ist eine Schande, dass bis zum heutigen Tag und trotz zahlreicher Ankündigungen der Türkei die Schließung der Grenze immer noch aussteht und der IS so weiterhin ungehindert Nachschub an Dschihadisten und Waffen erhält.“"

Mittwoch, 18. November 2015

Lesetipp: "Wider den Krieg in Syrien!"

Die Zweiwochenschrift "Ossietzky" hat ein Themenheft zum Krieg in und gegen Syrien herausgebracht

Das Heft mit der Nummer 22/2015 ist schon am 7. November erschienen. Da es noch aktuell ist und das Thema "Wider den Krieg in Syrien!" leider aktuell bleibt, sei an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht. Es bietet zahlreiche Informationen zu den Ereignissen und Hintergründen des Krieges in und gegen Syrien. Es dürfte im gut sortierten Bahnhofsbuchhandel noch erhältlich oder beim Verlag bestellbar sein.

"Nun ist Syrien verwüstet – welch ein Erfolg der Westlichen Wertegemeinschaft und der von ihr ausgerüsteten Mordbanden, der sogenannten Gotteskrieger!", schreiben Werner René Schwab und Eckart Spoo im ersten Beitrag. Sie erinnern daran, dass bei aller Kritik an den politischen Zuständen im Land Syrien ein entwickeltes Land mit religiöser Toleranz, gutem Bildungssystem ("... davon profitiert jetzt Deutschland bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge zur Behebung des hiesigen Fachkräftemangels. ...") und für arabische Verhältnisse demokratischen Zuständen sowie ein "relativ friedlicher Staat" war.

Karin Leukefeld, eine Journalistin, die immer wieder von vor Ort berichtet, zeigt an einem Beispiel, wie deutsche Journalisten und Medien frühzeitig in die Kriegshetze einstiegen und wider besseren Wissens daran mitwirkten, dass die Wahrheit zuerst stirbt. Es geht um das Bombenattentat vom 18. Juli 2012 auf die Spitzen der militärischen und geheimdienstlichen Führung Syriens. Deutsche Journalisten udn Medien hätten die Ereignisse nur einseitig wiedergegeben und unter der Parole "Assads Krieg" auch unterschlagen, dass "die überwiegende Mehrheit der Syrer ... eine friedliche politische Veränderung" suchte und will. Sie erwähnt, dass nach Informationen der libanesischen Tageszeitung As Safir vom März 2015 das Attentat drei Jahre zuvor vom türkischen Antakya aus organisiert und geführt wurde. "Die Fäden zog demnach eine Sondereinheit der US-Anti-Terrorabteilung, die von John Brennan geführt wurde, dem damaligen Anti-Terror-Berater des US-Präsidenten im Weißen Haus. ... Frankreich, Katar und die Türkei seien vorab informiert gewesen ...". Ein Militärputsch und gezielte bewaffnete Operationen der "Rebellen" sollten in der Folge dafür sorgen, den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Dieses Ziel sei bis heute nicht aufgegeben worden. Dass Assad "seit 2011 zu einem politischen Dialog mit der Opposition über die Zukunft Syriens bereit war – ohne Gewalt – passt nicht in das Bild von dem 'Schlächter, der sein eigenes Volk tötet'. Und weil es nicht passt, werden weiterhin Fakten ignoriert."

Mit einer Erinnerung an die Zerstörung Jugoslawiens beginnt der Text von Bernd Duschner. Er zeigt wie die damals schon bewusst eingesetzte Sanktionspolitik des Westens auch im Fall Syrien durch Aushungern der Bevölkerung des Landes und die wirtschaftlichen Folgen den gewünschten Regimewechsel befördern soll. Duschner erinnert auch daran, dass die Bundesregierung von Beginn an Kriegspartei in Syrien war und ist, auch durch ihre Beteiligung an Plänen für die Zeit nach dem Sturz Assads. "Den entscheidenden Beitrag zum Krieg gegen Syrien leistet die Bundesregierung aber mit ihren Sanktionen, die darauf abzielen, das syrische Volk auszuhungern." Bundeskanzlerin Angela Merkel sei deshalb eine "Kriegsherrin" und keine neue "Mutter Teresa", die plötzlich ihr Herz für die Syrer entdeckt habe. Die angekündigte bevorzugte Behandlung syrischer Flüchtlinge habe sich in Syrien sehr schnell herumgesprochen und dazu geführt, dass sich Zehntausende gerade aus der gutausgebildeten und finanziell dazu in der Lage befindlichen Mittel- und Oberschicht Syriens auf den Weg machten. Das habe die Bundesregierung genau gewusst: "Mit ihrer 'Einladung' an die Syrer, für deren Aufnahme keinerlei Vorbereitungen getroffen wurden, sollte der Zusammenbruch Syriens forciert werden. Die Kriegsherrin wollte dem ausgebluteten Land sein noch verbliebenes 'Humankapital' entreißen. Der Flüchtlingsstrom sollte gleichzeitig zur Rechtfertigung für das langersehnte direkte militärische Eingreifen in Syrien instrumentalisiert werden." Das russische Eingreifen ab Ende September habe gerade noch rechtzeitig die von den USA zusammen mit der Türkei und Jordanien geplanten "Flugverbotszonen" verhindert. Duschner fordert Solidarität mit dem syrischen Volk ein und aktiv gegen den westlich geförderten Krieg einzutreten.

Einen Überblick über die Lage des Weltkulturerbes in Syrien gibt der Direktor der syrischen Altertümer- und Museenverwaltung, Maamoun Abdelkarim. Das Land, "das als Wiege der Zivilisation bekannt ist", müsse davor bewahrt werden, eine kulturgeschichtliche Wüste zu werden. "Zukünftige Generationen werden es uns danken."

Die Islam- und Nahostwissenschaftlerin Karin Kulow gibt Antworten auf die Frage "Warum gerade Syrien?" Das Land sein ein "Schlüsselglied regionaler Neuordnung" im Nahen Osten. Sie analysiert die verschiedenen Interessen der am Konflikt beteiligten Staaten und stellt fest: "Bei aller berechtigten Kritik am Baath-Regime müssen jedoch ebenso alle anderen staatlichen und nichtstaatlichen Akteure Rechenschaft darüber ablegen, inwieweit sie zur heutigen Misere beigetragen haben." Auch westliche Politik müsse sich fragen lassen, "warum sie – statt die mit dem 'Genfer Kommunique' (30. Juni 2012) gebotene Chance für eine politische Lösungssuche zu ergreifen – weiterhin auf einen Regime Change gesetzt hat". Das hätten inzwischen mehr als 250.000 Menschen mit ihrem Leben bezahlt. "Was vielleicht zu verhindern gewesen wäre; wie ebenso auch die Europa nun selbst bis ins Mark erschütternden Flüchtlingsfolgen."

Der Schriftsteller Victor Grossmann, selbst gebürtiger US-Amerikaner, erinnert an die unselige und blutige Tradition der Kriege der USA in anderen Ländern, die 1805 mit dem Einsatz von US-Marines im heuigen libyschen Tripolis begann. Er verweist auch auf die durch den Ex-General Wesley Clark 2007 bekanntgemachten US-Pläne von 2001 nicht nur den Irak anzugreifen, sondern auch Syrien, Libanon, Somalia, Sudan und dann den Iran "platt zu machen". Die Friedensbewegung sei gefordert: "Wenn sie mutig warnt und gegen jene demonstriert, die die Weltherrschaft anstreben und in immer mehr Gegenden der Welt neuen Schlachten 'in der Luft, zu Land und zu Wasser' schlagen, dann hat das nichts mit Antiamerikanismus zu tun."

Gegen den Mythos einer "friedlichen Revolution" in Syrien schreibt Joachim Guillard an. Dieser "sei schwer mit Zeugenberichten und der erbarmungslosen Ermordung zahlreicher syrischer Sicherheitskräfte in Einklang zu bringen, widersprach schon Anfang Juli 2011 die International Crisis Group (ICG) in einem Bericht dieser Darstellung." Von Anfang an seien nachweislich bewaffnete Regimegegner aktiv gewesen, die von westlichen Medien aber "erst spät erwähnt und ausschließlich als eine Reaktion auf die angeblich willkürliche 'Gewalt des Regimes' dargestellt" worden. Guillard weist nicht nur daraufhin, dass vor allem die USA und Saudi-Arabien bereits vor 2011 syrische islamistische Regimegegner und deren Eindringen aus Libanon u.a. von Al Jazeera im April 2011 gemeldet wurde. "Eine wichtige Rolle bei der raschen Eskalation der Gewalt spielten bald auch nicht identifizierte Heckenschützen, die sowohl auf Demonstrahnten als auch auf Regierungskräfte feuerten." Für die Frage einer politischen Konfliktlösung hält es der Autor, der einem "überwiegend gewaltfreien Charakter der anfänglichen Protestbewegung" nicht widerspricht, für entscheidend, dass sich die repressive Gewalt seiten der syrischen Regierungskräfte "im Kontext bewaffneter Auseinandersetzungen mit größtenteils terroristischen Gruppen entwickelte."

Weitere Beiträge des Heftes sind:
Winfried Wolk "Syrien und die Medienekstase"
Ralph Hartmann "»Was wäre, wenn …«"
Joachim Guilliard "Propaganda mit Zahlen"
Klaus Nilius "Klartext im Wasgau"
Sanne Hofmann/Volker Bräutigam "Mal was anderes hören"
Ingar Solty "Fluchtursache Kapitalismus"
Ulla Jelpke "Humanitärer Korridor für Kobanê"
Rolf Gössner "»Sicherer Herkunftsstaat« Türkei?"
Jane Zahn "Monatsrückblick: Wir schaffen das …"

Sie sind allesamt lesenswert und hochinformativ und, ja, auch einseitig, wenn gegen den Krieg sein einseitig ist. Wer sich die 2,80 Euro für das Heft als Investition in Information und Aufklärung nicht leisten kann oder will, der kann die Texte in Kürze im Ossietzky-Onlinearchiv lesen. Das Themenheft lässt sich sicher auch beim Verlag bestellen.

Mir kamen beim Lesen wieder Wut und Trauer über das hoch, was da auch im Namen vermeintlicher westlicher Werte in Syrien angerichtet wurde und wird. Deshalb muss ich es wiederholen: In meinem Namen geschieht das nicht!

Und immer wieder eine Übung

Gleichzeitige Terroranschläge und Antiterrorübungen: Alles wieder nur Zufall?

Als ich vom Anschlag in Paris auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion am 7. Januar 2015 erfuhr, fragte ich mich, ob es wieder wie bei anderen Fällen zuvor Nachrichten geben wird, dass mindestens einer der  angeblichen bzw. mutmaßlichen Täter den Sicherheitsbehörden bekannt war. Es dauerte nicht lange, da kam die Bestätigung.

Nach den Anschlägen vom 13. November 2015 in Paris fragte ich mich das gleich und wieder kam recht schnell die passende Antwort. Ich erinnerte mich auch an Berichte, denen zu Folge es beispielsweise bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington und denen in London vom 7. Juli 2005 zeitgleich bzw. zeitnah Übungen des Militärs und bzw. oder der Sicherheitsbehörden und bzw. oder der Katastrophenschutzbehörden gab, in den ähnliche Szenarien durchgespielt wurden. Ich dachte, dass mal recherchiert werden müsste, ob es ähnliche Informationen zu den jüngsten Ereignissen in Paris gibt, hatte aber selbst keine Zeit dazu. Ich scheute ehrlich auch die mögliche Erkenntnis. Die hat nun Paul Schreyer in einem Beitrag vom 17. November 2015 auf Telepolis geliefert: "Der Guardian zitierte zitierte am Sonntag den in Frankreich bekannten Notarzt Patrick Pelloux, der nach den Pariser Anschlägen im Krankenhaus Verletzte behandelt hatte, mit den Worten:
"Unmittelbar, nachdem ich von den Freitagabend stattgefundenen Anschlägen erfahren hatte, eilte ich in die Notaufnahme. Tatsächlich hatten die Pariser Notfallkräfte an jenem Morgen eine Übung für einen großen Terroranschlag durchgeführt. Wir waren gut vorbereitet."
Gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Radiosender France Info hatte Pelloux gleichen Sinnes erklärt, dass medizinische Notfallkräfte am Morgen in Paris eine Übung abgehalten hätten, bei der es um fiktive Anschläge an mehreren Orten gegangen sei. Auch Polizei und Feuerwehr seien in die Übung eingebunden gewesen. ..."

Inzwischen fand ich auch den Hinweis, dass selbst bei den Anschlägen in Madrid am 11. März 2004 die NATO noch bis einen Tag zuvor vom 4. bis 10. März 2004 eine geheime jährliche Übung unter dem Titel "CMX 2004" durchführte, bei der u.a. die militärisch-zivile Zusammenarbeit in Fällen von Terrorismus geübt worden sein soll.

Ist das alles wirklich nur Zufall, weil zum Beispiel die Angst vor Terroranschlägen zu so häufigen Übungen führt, um darauf vorbereitet zu sein, dass die mutmaßlichen Attentäter eben rein zufällig die gleichen Tage erwischen? Dazu meint Schreyer in seinem Beitrag: "... Nun wäre der Umstand einer solchen einzelnen Übung für sich genommen noch als bizarre Zufälligkeit erklärbar. Wesentlich komplexer wird die Situation jedoch dadurch, dass auch anderen großen Terroranschlägen in westlichen Metropolen in den vergangenen Jahren solche präzise passenden Notfallübungen unmittelbar vorausgingen - was bis heute nur wenig bekannt ist. ..." Und meint weiter: "... Der Knackpunkt ist die behauptete Autonomie der entsprechenden Terroristen, von deren Planungen niemand etwas gewusst haben will. Die wiederholte Gleichzeitigkeit von Notfallübungen und Terroranschlägen stellt diese Behauptung nachdrücklich in Frage - oder sie muss tatsächlich ein Zufall sein. ..."

Ich kenne die Antwort nicht. Ehrlich gesagt erschreckt mich etwas die erneute Bestätigung von Fragen und Zweifeln, die ich durch vorangegangene Beispiele bei Nachrichten wie denen jüngst aus Paris schon fast automatisch habe. Ich wünsche mir Aufklärung, aber wer, dem noch getraut werden könnte,  soll die liefern? Die offiziellen Behörden egal welches Landes fallen da leider aus.

Dienstag, 17. November 2015

Wird eine barbarische Schande gestoppt?

Russland beteiligt sich am Krieg in Syrien. Das scheint mir leider alternativlos und notwendig

Als die russische Führung sich entschloss, ab Ende September aktiv in den Krieg in und gegen Syrien einzugreifen, war mir ehrlich gesagt anfangs nicht klar, wie ich das für mich bewerte. Inzwischen bin ich mir darüber im Klaren. Mir ist bewusst, dass sich mit solch klaren Aussagen wie den Folgenden immer wieder auch jene verstöre, die ebenfalls nach Antworten suchen und sich immer wieder im Nebel verirren. Diesen kann ich nur empfehlen, was ich kürzlich einem Mitarbeiter der Linksfraktion im Bundestag zum Thema sagte: Lasst Euch nicht den klaren Blick eintrüben und vernebeln gerade von jenen, gegen die ihr zu sein vorgebt.

Russland unterstützt mit seinem Eingreifen die einzig legitime Seite, die das Recht hat, gegen den „Islamischen Staat“ und andere ähnliche Gruppierungen, auch die der vermeintlichen „Rebellen“, Krieg zu führen: die syrische Führung und die syrische Armee. Nicht nur, weil es deren legitime Aufgabe und Pflicht ist, das Land auch gegen jene zu verteidigen, die es von innen heraus zerstören wollen, was sie zu viel zu großen Teilen schon erreicht haben. Die russische Unterstützung samt der aktuellen Bombardierungen von IS-Stellungen durch Langstreckenbomber erfolgt im Unterschied zu den westlichen Luftangriffen auf völkerrechtlicher Grundlage. Zu dieser gehört unter anderem der am 8. Oktober 1980 unterzeichnete "Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und der Syrischen Arabischen Republik". Russland hatte als Rechtsnachfolger der UdSSR am 2. März 2012 bestätigt, dass der Vertrag weiter in Kraft ist. Der Zeitschrift WeltTrends zufolge, die das Dokument in ihrer Ausgabe 86 (Sept./Okt. 2012) im Wortlaut veröffentlichte, enthält der Vertrag keine Beistandsklausel, aber einen Artikel (10) zur militärischen Zusammenarbeit mit dem Ziel der Verteidigung, sowie die Klausel in Artikel 11, dass keine der beiden Seiten sich an Bündnissen, Staatengruppierungen und Handlungen beteiligen wird, die gegen die andere Seite gerichtet sind.

Ich habe mich seit Beginn des Krieges in und gegen Syrien im Jahr 2011, als der Westen und dessen arabische Verbündete anfingen zu versuchen, den Wind des vermeintlichen „Arabischen Frühlings“ auch in dem Land für ihre Interessen auszunutzen, gefragt, wann Russland einschreitet. Auch weil die westliche Einmischung aus dem Frühlingswind keinen Hauch, sondern einen Sturm des Todes machte, in Libyen, Syrien und anderswo. Nach vielen Versuchen und Vorschlägen aus Moskau, wie der Konflikt friedlich gelöst werden könnte, die immer wieder abgelehnt und torpediert wurden, schaffen Einheiten der russischen Armee aus der Luft gemeinsam mit denen der syrischen Armee am Boden Fakten, an denen auch der Westen nicht vorbeikommt. Das geschieht spät, aber ich hoffe, dass es nicht zu spät ist. Leider dürften Hoffnungen auf eine friedliche Lösung unrealistisch geworden sein, schon lange, bevor die erste russische Bombe abgeworfen wurde. Dafür ist auch nicht der syrische Präsident Bashar al-Assad verantwortlich, sondern eben jene Kräfte des Westens und seiner arabischen Verbündeten, die bis heute ihr Ziel des Regimewechsels in Damaskus aufgegeben haben, zumindest nicht öffentlich. Noch immer scheint ihnen wichtiger, ihr „Gesicht zu wahren“, als auch nur einen offenen und wirksamen Beitrag zu leisten, diesen Krieg zu einem schnellen Ende zu führen, in dem sie endlich ihre Unterstützung für alle mögliche Gruppierungen der vermeintlichen „Rebellen“ aufzugeben, auch der islamistischen. Täten sie das, käme auch der russische Kriegseinsatz wahrscheinlich noch schneller an sein Ende. Aus diesem Gesicht, das sie wahren wollen, ist doch längst die Fratze des Krieges geworden. Sie müssen aufpassen, dass es nicht ihre eigene Todesmaske wird.

Der US-Publizist F. William Engdahl hat aus meiner Sicht Bedenkenswertes zum Thema aufgeschrieben. In einem am 15. Oktober 2015 im Online-Magazin New Eastern Outlook veröffentlichten Beitrag stellte er fest: „Putin is Defeating More than ISIS in Syria“ („Putin besiegt mehr als nur ISIS in Syrien“) Engdahl lobt nicht nur die Zurückhaltung des russischen Präsidenten Wladimir Putin angesichts aller westlichen verbaler und politischer Attacken in Folge des Ukraine-Konfliktes. Aus seiner Sicht hat die Politik Putins und der russischen Führung entscheidend dazu beigetragen, die Gefahr eines potenziellen Weltkrieges zu verhindern. Der Autor verwies dabei auch auf Putins Rede vor der UN-Generalversammlung in New York am 28. September 2015. Der russische Präsident habe klar beschrieben, was in der internationalen Ordnung heute falsch laufe. Die USA, die sich als einzige Supermacht und unfehlbaren Hegemon sehe, hätten nach dem Zusammenbruch des Hauptgegners, der Sowjetunion, 1990 in arroganter Manier begonnen, ein totalitäres Imperium aufzubauen, das US-Präsident George W. Bush am 11. September 1991 bei einer Rede vor dem US-Kongress als „Neue Weltordnung“ bezeichnete. Putin habe das Vorgehen der Obama-Administration in Syrien und im Nahen Osten bei Bewaffnung und Ausbildung „gemäßigter“ islamischer Terroristen offen beschrieben, das dazu diente, das Ziel des Regimewechsels in Damaskus zu erreichen. Putin habe die für Krieg und Terror statt für Demokratie und Freiheit in Arabien und Nordafrika Verantwortlichen gefragt: „Do you at least realize now what you’ve done?“ („Versteht ihr wenigstens jetzt, was ihr gemacht habt?“) Der russische Präsident sagte auch, dass er befürchte, dass die Frage unbeantwortet bleibe, weil die Angesprochen, aber nicht namentlich Genannten, „nie ihre Politik, die auf Arroganz, Einzigartigkeit und Straflosigkeit basiert, aufgegeben haben“.

Engdahl erinnerte auch daran, dass Putin in seiner rede weiterging und sagte: „Doch auch der Islamische Staat selbst entstand nicht aus dem Nichts, er wurde anfangs ebenso als Waffe gegen unerwünschte säkulare Regime hochgezüchtet. Nach der Bildung der Ausgangsbasis in Syrien und dem Irak versucht der IS aktiv, in andere Regionen zu expandieren und zielt auf die Herrschaft in der islamischen Welt und nicht nur dort. … Die Lage ist mehr als gefährlich. In einer solchen Situation ist es heuchlerisch und verantwortungslos, mit Erklärungen über die Bedrohung, die vom internationalen Terrorismus ausgeht, aufzutreten und gleichzeitig die Augen vor Finanzierungs- und Unterstützungskanälen der Terroristen zu verschließen, darunter Handel mit Drogen, illegalem Öl und Waffen.“ Dennoch habe US-Präsident Barack Obama im Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen am 30. September 2015 in New York stur auf dem Regimewechsel in Damaskus beharrt.

Russlands Luftangriffe auf IS-Stellungen hätten innerhalb weniger Tage mehr erreicht als wochenlange Bombardements durch westliche Kampfflugzeuge. Zugleich seien die meisten der von den USA und ihren Verbündeten ausgebildeten und ausgerüsteten „gemäßigten Rebellen“ bei den islamistischen Extremisten auch des IS zu finden, erinnerte Engdahl. Nun müssten westliche Regierungen wie die in Berlin eingestehen, dass ohne Russland eine Lösung in Syrien unmöglich ist.
Es gibt eine deutsche Fassung des Engdahl-Beitrages, wie immer leider nur vom fragwürdigen Kopp-Verlag auf dessen Website veröffentlicht. Ich habe erst gezögert, ob ich es tun sollte, setze aber dennoch den Link zur deutschen Fassung des Engdahl-Textes. Zum einen bin ich gegen Zensur und Leseverbote sowie für Selberdenken und –urteilen. Zum anderen scheut sich auch niemand, auch ich nicht, auf Beiträge von hetzenden und kriegstreibenden Mainstreammedien wie Spiegel, FAZ, Die Zeit, ARD und ZDF und andere hinzuweisen, die von sich immer noch behaupten sie seien seriös und stattdessen alles, nur keinen Beitrag zum Frieden leisten. Dennoch gibt es auch bei diesen immer wieder wichtige und interessante Informationen und Beiträge, so wie es zum Glück immer Ausnahmen von der Regel gibt.

Mich beschäftigt weiter die Frage, warum Syrien so zerstört werden musste und so viele Menschen in die Flucht vor dem durch den Westen angeheizten Krieg getrieben werden mussten, ehe ein Ende in Sicht ist und endlich alle Seiten wieder miteinander reden und verhandeln. Die Antwort werden Historiker in ein paar Jahren finden. Unterdessen hoffe ich, dass auch mit russischer Hilfe jene gestoppt werden können, die Syrien zerstört haben und weiter zerstören, und dass jene im Westen, die ihnen dabei halfen und helfen, das nun endlich beenden, damit der Krieg in Syrien so bald wie möglich endet. Mögen die russischen Angriffe nun auch mit Langstreckenbombern dazu beitragen, dass die unsägliche Schande gestoppt wird, dass mit Syrien ein weiteres entwickeltes Land in westlichem Interesse und mit westlicher Unterstützung zerstört wird, so wie bereits Jugoslawien, der Irak, Libyen usw. Es ist für mich nicht nur eine Schande, sondern eine Barbarei, für die es keine Entschuldigung gibt und die in ihrer Dimension noch weitgehender und grundlegender ist als der barbarische Terror des „Islamischen Staates“ und anderer Gruppierungen, egal, worauf sie sich berufen. Beiden gilt meine Abscheu.

Und wenn ich könnte, würde ich dem russischen Präsidenten спасибо sagen, ganz ehrlich.

Sonntag, 15. November 2015

Misstrauen statt blinder Solidarität

Warum ich Nein sage, wenn Politiker und Medien nach den Pariser Anschlägen von mir wieder einmal erwarten, ihnen blind zu vertrauen und zu folgen

Selbstverständlich finde ich die Anschläge in Paris vom 13. November schrecklich. Genauso selbstverständlich haben die Angehörigen der Opfer mein Mitgefühl. So wie es alle Opfer von Terror, ob von Einzeltätern, Gruppen oder Staaten, und deren Angehörige haben. Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen jenen, die durch Krieg und Terror unschuldig und unbeteiligt sterben und leiden müssen, in Paris, in Kunduz, im Donbass, in New York, in Libyen, im Gazastreifen oder anderswo.

Jene, die mir ganz schnell Erklärungen anbieten, was da genau in Paris geschah und wer dahinter steckt, die haben nicht minder selbstverständlich mein Misstrauen. Egal, ob es sich um eine Regierung und den ihr folgenden Medien handelt oder eine Gruppierung wie den „Islamischen Staat“. Deren Interessen, die Ereignisse für sich und ihre jeweilige Politik zu nutzen, sind erwartungsgemäß und klar. Alles andere wäre verwunderlich, was es aber nicht besser macht.
Im konkreten bedauerlichen weiteren Fall in Paris gibt mir Anlass zum Misstrauen unter anderem, dass doch tatsächlich selbst bei Tätern, die sich in die Luft sprengten, erhaltene Pässe gefunden worden sein sollen. Die sollen natürlich erwartungsgemäß auf Islamisten hinweisen, die sich unter anderem als Flüchtlinge auf den Weg nach Westeuropa machten. Vielleicht stimmt das ja diesmal, aber warum sollten uns jene, die uns schon oft belogen, um uns auf ihren Kriegskurs zu bringen, diesmal nicht auch wieder belügen? Warum sollen wir ihnen diesmal glauben? Mit was werben sie um unser Vertrauen? Mit unserer Angst, dass solche Anschläge auch bei uns zuhause möglich sind und uns selbst treffen können?

Anlass zu konkretem Misstrauen im Fall der jüngsten Pariser Anschläge gibt es für mich auch in der Geschichte des Terrors in Frankreich und der Rolle der französischen Politik und ihrer Behörden. Ich weise nur auf Beispiele hin, ohne ins nachlesbare Detail zu gehen. Da ist zum einen die Geschichte einer Reihe von terroristischen Anschlägen und Entführungen durch angebliche algerische Islamisten auch in Frankreich in den frühen 90er Jahren. Im Online-Magazin Algeria-Watch gibt ein Beitrag vom Juli 2004 einen Überblick über die Verwicklung der französischen Geheimdienste und der Pariser Politik in den schmutzigen Krieg algerischer Militärs gegen islamistische Gruppen. Dabei wird auch eine Untersuchung von Lounis Aggoun und Jean-Baptiste Rivoire über die Verwicklung Frankreichs in diesen Krieg verwiesen. „Die algerische Junta bediente sich subversiver und terroristischer Methoden, deren Modell die Franzosen während des algerischen Befreiungskampfes (1954-1962) entwickelten und erprobten.“ Dazu gehörten Anschläge in Frankreich vor genau 20 Jahren, die das Land schon damals in Angst und Schrecken versetzten. Im Beitrag heißt es, dass sehr viele französische Verantwortliche in Politik, Wirtschaft und Geheimdienst wussten, dass der algerische Geheimdienst DRS den Terror beauftragt und organisiert hatte. Zu den Folgen habe gehört, dass die Pariser Politik die algerischen Machthaber deckte, mit ihnen kooperierte und jegliche Versuche einer friedlichen Lösung des Konfliktes in Algerien unmöglich schienen, weil mit islamistischen Terroristen nicht verhandelt werden durfte und konnte. Bis heute werde von der französischen Politik über die wirklichen Hintergründe des Terrors vor 20 Jahren geschwiegen und die verantwortlichen algerischen Generäle weiter hofiert.

Ein anderer Anlass für Misstrauen ist für mich der Terror, den Franzosen selbst in Frankreich verübten und planten: Die Organisation armée secrète (OAS), gegründet von Militärs, die die algerische Unabhängigkeit verhindern wollten. Dabei soll sogar ein Attentat auf Präsident Charles de Gaulle und ein Putsch geplant gewesen sein. DER SPIEGEL berichtete unter anderem am 31. Mai 1961 darüber. Allerdings agierte die OAS zumindest offen bzw. bekannte sich zu ihren Taten. Ein Beitrag auf Telepolis vom 27. Mai 2012 und einer von Sabine Kebir im Freitag vom 25. März 2012 bieten neben vielen anderen weitere Informationen dazu.

Und natürlich gibt es noch andere Hinweise auf ganz andere mögliche Verbindungen wie die im Mai bekannt gewordenen Belege auf die mögliche westliche Unterstützung für den "Islamischen Staat" zeigen, worauf selbst das Hamburger Abendblatt aus dem Springer-Konzern am 27. Mai 2015 hinwies.

Ich will und kann das alles nicht vertiefen, sondern wie geschrieben nur auf Gründe für mein Misstrauen gegenüber dem, was herrschende Politik und die ihr folgenden Medien, egal aus welchem Land, uns erklären, hinweisen. Da sich aller Wahrscheinlichkeit die hinter den Ereignissen stehende und diese verursachende Politik nicht ändern wird, gilt wahrscheinlich leider: Nach dem Terror ist vor dem Terror.

Übrigens: Der französische Flugzeugträger "Charles de Gaulle" wurde schon im Januar 2015 in Richtung Naher Osten geschickt, um in den Krieg in und gegen Syrien aktiv einzugreifen. Die Tagesschau meldete am 14. Januar 2015 online das dazu Passende, das auf weitere Nutznießer des Terrors hinweist: „Die geplanten Kürzungen bei den Streitkräften sollten angesichts der derzeitigen Ausnahmesituation überdacht werden, gab Hollande zu bedenken. Wegen des Haushaltsdefizits sollen bei der Armee in den kommenden Jahren Zehntausende Stellen gestrichen werden. Die Ankündigung ist auch eine Reaktion auf die Anschläge im Großraum Paris, bei der drei Islamisten 17 Menschen erschossen.

Dazu noch der Hinweis auf Erkenntnisse aus dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) über die Folgen des Terrors, veröffentlicht am 25. Januar 2010: "Anti-Terror-Maßnahmen und Freiheitsrechte – meist geht das eine zu Lasten des anderen. Jetzt haben Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) empirisch nachgewiesen, was politische Beobachter seit langem vermuten: Die Bereitschaft, Freiheitsrechte mit dem Ziel verschärfter Sicherheitsmaßnahmen einzuschränken, steigt nach einem Anschlag oder vereitelten Anschlag phasenweise deutlich an.
Zu diesem Ergebnis kommen Cathérine Müller und Carlos Bozzoli vom DIW Berlin. Sie haben Umfragen ausgewertet, in denen Bürger unmittelbar vor und nach den vereitelten Terroranschlägen von London vom Juli 2005 befragt wurden. „Direkt nach Anschlägen gibt es eine fundamentale Verschiebung in der Bereitschaft, Bürger- und Freiheitsrechte im Gegenzug zu einem schärferen Anti-Terror-Kampf einzuschränken,“ fassen Cathérine Müller und Carlos Bozzoli ihre Studie zusammen. ...
Politische Brisanz gewinnen die Ergebnisse der DIW-Untersuchung vor dem Hintergrund der Medien- und Politikspirale, die sich nach jedem Anschlag oder vereitelten Anschlag neu zu drehen beginnt – zumindest, wenn er sich in Westeuropa oder den USA ereignet hat. Für Befürworter möglichst harter Anti-Terror-Maßnahmen käme es demzufolge darauf an, beschlussfähige Vorschläge bereits in der Schublade zu haben und die breite öffentliche Zustimmung dafür so schnell wie möglich in politische Beschlüsse umzusetzen. ...
Die DIW-Wissenschaftler verweisen aber noch auf einen anderen Aspekt ihrer Studie. „Das Hauptziel von Terrorismus ist es letztlich, Angst und Unsicherheit zu verbreiten, nicht nur bei den direkten Opfern – man will die Gesellschaft als ganzes treffen,“ so das Fazit der DIW-Experten Bozzoli und Müller. Genau dies gelänge den Terroristen auch, wenn sie eine Spirale der Angst, immer schärferer Anti-Terror-Maßnahmen und stärkerer Beschränkungen der Freiheitsrechte in Gang zu setzten. „Die Gesellschaft muss sich fragen, ob sie sich darauf einlassen will – oder ob sie Freiheitsrechte verteidigen will, die sie über Jahrhunderte mühsam erkämpft hat,“ sagen Carlos Bozzoli und Cathérine Müller. „Unsere Untersuchung zeigt: Gerade nach einem Anschlag – wenn man dem Terrorismus direkt gegenübersteht – gilt es, der Verführung immer schärferer Repression zu widerstehen.“ ..."

Und wie immer bin ich dankbar für jeden Hinweis auf Belege dafür, dass meine Zweifel und mein Misstrauen grundlos sind.

Nachtrag:
Ich musste vorhin an Folgendes denken, was ich am 13.2.14 unter der Überschrift "Wird der „Militärschlag“ gegen Syrien nachgeholt?" schrieb und was zu meinem Misstrauen beiträgt:
• Die USA behalten sich laut Präsident Barack Obama das Recht auf eine Militäroperation in Syrien vor, meldete die Nachrichtenagentur RIA Novosti am 11. Februar. Eine politische Regelung, also ein Regimechange ohne offenen Krieg, habe aber weiter Vorrang, erklärte Obama danach am 11. Februar auf einer gemeinsam Pressekonferenz in Washington mit seinem französischen Amtskollegen Francois Hollande. „Ich sage immer, dass ich mir dieses Recht vorbehalte“, betonte er und erinnerte daran, dass eine Militäroperation (in Syrien) im vergangenen Herbst für zweckmäßig befunden worden war." (siehe auch hier Obama im Original) Einen Tag später hieß es, die Diplomatie, der angebliche Hauptpfeiler der US-Politik in Sachen Syrien habe versagt. Das habe die Obama-Administration eingesehen, berichtete die Washington Post am 12. Februar. Während verhandelt werde ohne erkennbares Ergebnis, werde weiter gekämpft und zerstört. "Mit jedem Tag leiden mehr Menschen in Syrien", wurde Obama zitiert. "Der syrische Staat zerbröckelt. Das ist für Syrien schlecht. Es ist schlimm für die Region." Es sei auch schlecht für die "globale nationale Sicherheit", weil Extremisten das entstandene Machtvakuum in einigen Gebieten Syriens ausfüllten, "in einer Weise, die uns langfristig gefährden kann." Der Zeitung zufolge meinte der US-Präsident, die syrische Regierung sei nicht in der Lage, die Situation bewältigen zu können. Diese Einschätzung Obamas könnte einen möglichen Grund für eine Intervention liefern, um die radikalsten islamistischen Gruppen in Syrien zu bekämpfen, um zu verhindern, dass das Land dauerhaft zur neuen Ausgangsbasis für islamistische Terrorgruppen werden könnte.
Dienen die Anschläge von Paris nun einer Intervention, weil ja auch der russische Kriegsbeitritt auf Seiten von Damaskus gegen den IS nicht geholfen zu haben scheint und auch Moskau nicht erreicht haben soll, was Obama nicht schaffte, aber kurz vor den Anschlägen in Paris in einem ABC-Interview verkündete: Der USA sei es gelungen, die Terrorgruppierung Islamischer Staat (IS) einzudämmen. (siehe auch hier)
Ich meine eine Intervention über Luftschläge hinaus, um so ganz "nebenbei" endlich mit Assad aufzuräumen ...
Das muss US-Präsident barack Obama gar nicht selber wollen, aber jene Kriegstreiber in der US-Politik, die ihre Ziele trotz Obama nie aufgegeben haben und ihn dazu bringen wollen, dass er anscheinend gar nicht anders handeln könne ...
Ich hoffe auch hier, mich zu irren.

(aktualisiert: 21:52 Uhr)

Samstag, 14. November 2015

Pourquoi la guerre?

Nachdenkliches nach den Nachrichten über die Terroranschläge vom 13. November 2015 in Paris

Nach den Nachrichten aus Paris bin ich entsetzt und erschüttert, auch traurig, aber nicht verwundert. Ich hatte gestern Abend zufällig keine Nachrichten gesehen und gehört. So hörte ich erst heute Vormittag von den Anschlägen in der französischen Hauptstadt. Stattdessen sah ich gestern Abend einen Film auf DVD, der mir nun erschreckend passend vorkommt: „Zero Dark Thirty“ über die Jagd der CIA nach Osama Bin Laden bis zu dessen mutmaßlicher Ermordung am 1. Mai 2011.

Was ich dann heute Vormittag aus der Stadt hörte, die ich im letzten Jahr besuchte und erlebte, hat mich erschüttert. Es macht mich traurig, nicht nur, weil ich mit meiner Lebenspartnerin durch die Pariser Straßen ging, in Cafés saß, Museen und andere Orte besuchte. Es entsetzt mich, dass dieser Krieg, nicht endet und eben nicht verwunderlich auch immer wieder zu uns zurückkehrt.
Vorhin lief im Radio Eins vom rbb eine Sondersendung zu den Anschlägen in Paris. Sie endete passend mit dem französischen Lied „Pourquoi la guerre?“ Das ist die Frage, die mich bewegt. Es ist schwierig, eine schnelle und kurze Antwort darauf zu finden. Für das was geschah und geschieht, gibt es nicht die eine Antwort. Aber zu kurz greifen auch solche wie die von Kanzlerin Angela Merkel und anderen Politikern, die uns wieder einmal erklären, dass die Terroristen uns und unsere Lebensweise angreifen und uns alle treffen wollen.

Ja, Paris hat nicht zum ersten Mal gezeigt, dass der Terror, dass dieser „asymmetrische Krieg“ uns alle bedroht und treffen kann. Und das ist das Schwierige und auch Perfide, denn nicht wir, die sogenannten einfachen Menschen, sind verantwortlich für die Ursachen von Krieg und Terror. Es sind jene, die uns auch jetzt wieder erklären, dass sie uns beschützen wollen. Jene, die sich auf uns und unsere Freiheit berufen, wenn sie andere Länder mit krieg überziehen, direkt und indirekt. Verantwortlich sind wir insofern mit, weil wir sie wählen, der eine mehr, die andere weniger.

Ich habe keine eindeutige Antwort auf die Fragen. Ich weiß auch nicht, wer es wirklich, war, der die Menschen in Paris zum Tod verurteilte. Aber sollten es tatsächlich Täter mit islamistischen und bzw. oder arabischem Hintergrund gewesen sein, ist das alles nicht verwunderlich. Sollte der „Islamische Staat“ tatsächlich der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge sein, so wäre er doch nur so etwas wie ein Trittbrettfahrer. Denn er nutzt das, was der Westen und dessen herrschenden Kreise anrichten in der Welt um sich herum, auch in den islamisch geprägten und arabischen Ländern. Was wundern wir uns denn über solche Taten, über feigen Mord an Menschen in Pariser Konzerthallen, Cafés und anderswo? Hat unsere Regierung Staatstrauer angeordnet, wenn NATO-Bomben in Afghanistan mal wieder eine Hochzeitsfeier niedermetzelten oder ein Krankenhaus zerstörten? Haben die Angehörigen der Opfer des Bombenangriffs auf Kunduz 2009 wenigstens eine Entschuldigung von einem deutschen Regierungspolitiker gehört? Was haben die Regierungen, die jetzt erschüttert wieder einmal einen Angriff auf unsere Freiheit und Lebensweise beklagen, getan, um die Zerstörung Syriens und das Aufkommen solcher Gruppen wie des „Islamischen Staates“ zu verhindern, anstatt daran eifrig mitzuwirken? Wer kümmert sich um die wehrlosen Opfer der heimtückischen Drohnenangriffe im „Krieg gegen den Terror“? Die Liste ist lang und begann nicht erst nach dem 11. September 2001. Zu dieser „Schwarzen Liste“ gehört auch die jahrzehntelange westliche Unterstützung islamistischer Extremisten, wenn diese nur den „richtigen“ Feind angriffen.

Was wundern wir uns, dass sich immer wieder Menschen finden lassen, die solche Taten begehen? Sie treibt nicht nur einfach die islamistische „Märtyrer“-Idee mit der himmlischen Belohnung an. Diese macht nur den letzten Schritt möglich. Den Nährboden dafür schaffen die westlichen Politiker und die hinter ihnen stehenden Kreise, die für ihre Interessen andere Länder überfallen und dort Krieg führen lassen, die Krokodiltränen über Flüchtlinge aus von ihnen verursachten Kriegen vergießen und gleichzeitig jenen ebenso wie den eigenen Bürgern mit ihrem Krieg gegen den Sozialstaat das Recht auf ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben verweigern.

Meine Gedanken sind alle nicht neu. Sie beschäftigen mich schon lange und jetzt wieder nach diesem erneuten traurigen Anlass. Was ich angeschnitten habe, damit haben sich andere schon ausführlich beschäftigt. Ich kann nur ein paar Nachleseempfehlungen zu Büchern geben, die Jahre zuvor erschienen und die Ursachen lange vorher beschrieben:
Arno Gruen "Wider den Terrorismus"
Ted Honderich „Nach dem Terror“
Viviane Forrester „Der Terror der Ökonomie“
Nafeez M. Ahmed „Geheimsache 09/11 - Hintergründe über den 11. September und die Logik amerikanischer Machtpolitik“ (Ahmed zitierte in dem Buch u.a. zum oben erwähnten Bin Laden aus dem Guardian vom 18.9.01: "Sein Nutzen für westliche Regierungen liegt in seiner Fähigkeit, Schrecken einzujagen.")
Ja, auch diese Liste wäre eigentlich noch viel länger. Es gibt ausreichend weitere Literatur dazu.

Was mich auch entsetzt, ist, dass all das Wissen um die Ursachen, dass all die Warnungen über die Folgen der fortgesetzten westlichen Politik nichts nutzen und nichts verändern. Nein, im Gegenteil: Die Ursachen für den Terror werden nicht beseitigt und der Terror wird so nicht enden. Mir ist klar, dass das sowieso nicht von heute auf morgen geschähe. Aber es müsste ein Anfang gemacht werden, in dem die westliche Politik aufhört, den Nährboden für den Terror aktiv zu düngen. Aber das ist leider weiter nicht in Aussicht: Stattdessen wird der Terror weiter gehen, von beiden Seiten. Ich habe nicht nur vor Terroristen Angst, die auch mich und Menschen um mich herum als nützliche unschuldige Opfer ins Visier nehmen können. Ich habe nicht minder Angst vor jenen, denen genau diese Angst nutzt, dieser Schrecken, den sie mit ihrer Politik und ihren Kriegen in der Welt mit verursacht haben, bei denen sie sich auch ungefragt auf mich berufen. So wie die Terroristen in Paris bei allem Versuch, die Ursachen ihrer Taten zu verstehen, nicht mein Verständnis haben, sondern nur meine Abscheu, so haben auch die westlichen Politiker nicht mein Verständnis. Sie handeln nicht in meinem Namen, wenn sie weiter Kriege führen und Menschen in den Tod schicken, die einfach nur wie ich ein gutes Leben führen wollten. Das ist das Einzige, was ich neben meiner Trauer und meinen Entsetzen öffentlich kundtun kann. Ich weiß, dass es völlig unzureichend ist, dass es hilflos ist und nichts verändert. Aber ich weiß auch nicht, was ich und jede und jeder Einzelne sonst tun können, um wenigstens langsam ein Stück wirklich zu verändern und sich nciht völlig von dem Schrecken und der Angst beherrschen zu lassen. Wenn diese die Herrschaft über uns haben, nutzt das am wenigsten irgendwelchen Extremisten und Terroristen, egal wo sie herkommen, sondern jenen, die hier bei uns herrschen und herrschen lassen, um ihre Interessen zu sichern und zu schützen.