In der Ausgabe des Magazins Stern vom 10. Dezember 2015 (S. 42/43) widerspricht Autor Luik unter dem Titel „Die Schlafwandler rücken aus“
den politischen und medialen Begründungen für den
Bundeswehr-Kriegseinsatz in Syrien. Die Bundesregierung handele
gefährlich kopflos und schlafwandele wie einst jene, die das laut
Christopher Clark 1914 vor und zu Beginn des 1. Weltkrieges getan haben
sollen. Albrecht Müller bezeichnete am 10. Dezember 2015 auf den Nachdenkseiten Luiks Text als „Kompakte Aufklärung gegen den Kriegseinsatz“,
die weiterverbreitet werden müsse. Nicht nur diese Bitte Müllers hat
mich zu Widerspruch angeregt. Vor dem Weiterverbeiten müsste das
Auseinandersetzen mit dem Text kommen.
Luik sagt deutlich Nein zum Kriegseinsatz. Jedes Nein zum Krieg ist wichtig. Aber wie und mit was er das begründet, das zwingt mich gewissermaßen zum Widerspruch. Er lässt wichtige Hintergründe und Zusammenhänge weg. Zugleich wirft er alle am Konflikt in und um Syrien Beteiligte in einen Topf, obwohl es da deutliche Unterschiede in den Interessen und im Handeln gibt. Luik lässt Wichtiges weg und urteilt zum Teil pauschal. Das ist keine Form von Aufklärung. Das ist gewissermaßen Populismus, der nicht hilft, klarer zu sehen, worum es geht: Nämlich dass diese Bundesregierung alles andere als kopflos schlafwandelt, sondern einen zielgerichteten und interessengeleiteten Kurs fortsetzt, der 1990 begann.
Das geht gleich zu Beginn des Textes los. Luik meint, er habe seinen historischen Optimismus verloren. Er habe seine Zuversicht verloren, „dass sich die Menschheit weiterentwickeln werde, langsam, tapsend, aber dass es letztendlich doch vorangehe mit der Zivilisation, moralisch, politisch, und dass der Mensch friedlicher werde“. Schuld daran seien neben arabischen und nordafrikanischen Despoten, islamistischen Extremisten sowie dem französischen Präsidenten Francois Hollande und dessen US-Kollegen Barack Obama die deutschen Politikerdarsteller von Sigmar Gabriel bis Angela Merkel, aber auch der russische Präsident Wladimir Putin. Hier ist aus meiner Sicht dem verständlich wütenden Luik das erste Mal zu widersprechen. Der Grund dafür ist in meinem Text „Wird eine barbarische Schande gestoppt?“ vom 17. November 2015 nachzulesen: „Russland unterstützt mit seinem Eingreifen die einzig legitime Seite, die das Recht hat, gegen den 'Islamischen Staat' und andere ähnliche Gruppierungen, auch die der vermeintlich gemeäßigten 'Rebellen', Krieg zu führen: die syrische Führung und die syrische Armee.“ Ich habe auch darauf hingewiesen, dass das aufgrund eines nach internationalem Recht gültigen Vertrag zwischen beiden Staaten erfolgt. Auch darauf: „Leider dürften Hoffnungen auf eine friedliche Lösung unrealistisch geworden sein, schon lange, bevor die erste russische Bombe abgeworfen wurde.“
Russland gehörte seit Ausbruch des Konfliktes in Syrien 2011 zu jenen Kräften, die sich für eine friedliche Lösung eingesetzt haben. Das führte unter anderem 2012 zu den Verhandlungen in Genf. Eine Lösung schien in Sicht, blieb aber dann aus. Neben anderen fragte die Islam- und Nahostwissenschaftlerin Karin Kulow in der Zeitschrift Ossietzky, Ausgabe 22/15, warum westliche Politik "statt die mit dem 'Genfer Kommunique' (30. Juni 2012) gebotene Chance für eine politische Lösungssuche zu ergreifen – weiterhin auf einen Regime Change gesetzt hat". Das hätten inzwischen mehr als 250.000 Menschen mit ihrem Leben bezahlt.
Als Russland im September 2015 begann, aktiv auf Seiten der syrischen Regierung in den Krieg einzugreifen, protestierten Deutschland, die USA, Frankreich, Großbritannien, der Türkei, Saudi-Arabien und Katar dagegen und warfen Moskau Eskalation vor. Das taten ausgerechnet jene Staaten bzw. deren Führungen, die von Beginn an verantwortlich sind für diesen Krieg in Syrien, weil sie alle möglichen „Rebellen“ unterstützen, auch die islamistischen Extremisten, für das eine gemeinsame Ziel: Assad muss weg! „Da haben wir sie ja, die ganze nette Gesellschaft der Sponsoren des Terrors in Syrien, wie auf dem Präsentierteller. Es brauchte nur ein paar russische Luftangriffe, und alles tritt offen zutage.“ Das war dazu am 2. Oktober 2015 auf dem Blog chartophylakeion tou polemou zu lesen. Diese Kräfte hatten im Februar 2012 einen russischen Vorschlag für ein Ende des Konfliktes, zu dem der Assad-Rücktritt gehört, ignoriert. Das berichtete laut dem britischen Freitags-Partner The Guardian vom 15. September 2015 der finnische Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari. Zu erinnern ist auch daran, dass Russland im August 2013 nach dem mutmaßlichen Giftgas-Einsatz durch „Rebellen“ bei Damaskus dafür sorgte, dass der vorbereitete westliche Angriff auf Syrien nicht ausgeführt wurde. Die westlichen Kriegstreiber und ihre arabischen Verbündeten Heuchler zu nennen, ist angesichts dessen noch der harmloseste Vorwurf. Ihnen auf ihren Propagandaleim zu gehen, wäre fahrlässig.
Luik kritisiert deutlich Hollande. Dafür gibt es allen Grund. Aber er beschränkt sich darauf, ihn als „Wiedergänger von US-Präsident George W. Bush, dem Erfinder des ‚weltweiten Kriegs gegen den Terror‘ und Herrn der Irak- und Afghanistankriege“ zu bezeichnen. Was fehlt, das ist der Hinweis darauf, dass beide nur die Umsetzer der Interessen der hinter ihnen stehenden Kreise sind und um welche es sich dabei handelt. Es sind auf keinen Fall die französischen oder US-amerikanischen Wähler. Im deutschen Fall auch nicht die Wähler hierzulande. Da erwarte ich etwas mehr von einem gestandenen Journalisten wie Luik. Das gilt auch, wenn er schreibt, dass die Kriege des Westens wie in Afghanistan, Irak oder Libyen „das Gegenteil von dem brachten, was geplant war: Diktatorische Regime wurden zwar hinweggefegt, man liquidierte Saddam Hussein, erschoss Bin Laden, erledigte Gadhafi – das Böse ist tot, aber statt Freiheit und Demokratie kam die Finsternis, das noch brutalere terroristische Chaos.“ Glaubt Luik etwa die westliche Kriegspropaganda, dass es um Freiheit und Demokratie gehe? Der folgende Terror samt des vermeintlichen Krieges gegen diesen ist doch diesen Kriegstreibern nützlich, wenn nicht gar willkommen. Das nutzt doch nicht nur dem Militärisch-Industriellen Komplex und sichert billigere Rohstoffpreise, sondern hilft auch bei der eigenen Machtsicherung. „Die Bereitschaft, Freiheitsrechte mit dem Ziel verschärfter Sicherheitsmaßnahmen einzuschränken, steigt nach einem Anschlag oder vereitelten Anschlag phasenweise deutlich an.“ Das hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bereits 2010 festgestellt, was allerdings alles, bloß nicht überraschend ist. Die Opfer des Terrors und des Krieges sind jenen, denen es um die eigene Macht und die Milliardenprofite der hinter ihnen stehenden Kreise geht, egal. Die verbreitete Angst in Folge des Terrors ist nützlich, nutzt aber den Terroristen am Ende weniger als jenen, die vorgeben, sie zu bekämpfen. Vielleicht ist es zu viel verlangt zu erwarten, dass ein Stern-Autor darauf hinweist.
Luik meint weiter, dass nicht nur „atemberaubend“ sei, wie schnell der Kriegseinsatz in Syrien von der Bundesregierung beschlossen und durch das Parlament gebracht wurde. Das bezieht er auch darauf, „wie sich das Koordinatensystem hierzulande in Sachen Militäreinsätze in den vergangenen 25 Jahren verändert hat.“ Wer davon überrascht ist, hat in all den Jahren wenig mitbekommen oder wahrgenommen. Zum Beispiel, dass das "Koordinatensytem" mit Plan bzw. Strategie verändert wurde. Das ist nachlesbar: 1992 kündigte zum Beispiel der damalige sogenannte Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) bereits den neuen deutschen Weg in den Krieg an, in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel:
"SPIEGEL: Die Bürger sollen sich eines Tages mit Kampfeinsätzen der Bundeswehr abfinden?
RÜHE: Ich glaube, daß man in die Verantwortung hineinwachsen muß. Übrigens strebt niemand Kampfeinsätze an. ...
Aber es wäre verfassungspolitisch nicht in Ordnung, wenn wir das Grundgesetz ändern und dann nur noch Blauhelm-Einsätze möglich wären. ...
Wenn in einer schwierigen internationalen Lage das Leben der Soldaten aufs Spiel gesetzt wird, brauchen sie nicht nur ausreichenden Sold. Sie müssen das Gefühl haben, diesen Einsatz für Deutschland zu vollziehen. Und von daher ist es geboten, bei solchen Einsätzen einen größeren Konsens zu suchen. ..."
Als ich das damals, 1992 in einem Sommer-Urlaub in Bulgarien, las, wußte ich, was Rühe da ankündigt und wohin die "Reise" gehen soll. Soll ich der Einzige gewesen sein, der das so früh erkannte? Das glaube ich nicht. Der Zusatz Rühes „Übrigens strebt niemand Kampfeinsätze an.“ ist nicht nur eine Beruhigungspille gewesen, sondern gewissermaßen eine deutsche Traditionslüge.
Der Stern-Autor verweist zwar auch auf den Krieg gegen Jugoslawien 1999 mit deutschen Tornados. Aber er vergisst, dass schon das ohne Grundlage seitens der UNO erfolgte und meint: „Jetzt rückt man ganz rasch aus – auch ohne UN-Mandat, man bemüht sich nicht einmal mehr darum.“ Das ist doch auch nichts Neues. Die von Luik ausgemachte historische Zäsur, die vermeintliche deutsche historisch bedingte Kriegszurückhaltung aufzugeben, hat Jahre zuvor stattgefunden.
Aber vielleicht weiß der Autor nicht, dass die deutsche Bundesregierung nicht erst jetzt teilnimmt an „einem neuen Kreuzzug, auf nach Syrien!“ An dem Krieg in und gegen Syrien beteiligt sie sich von Anfang, worauf ich auch schon mehrmals hingewiesen habe, zum Beispiel am 4. September 2012: „Sage niemand, die Bundesrepublik sei nicht am Krieg gegen und in Syrien beteiligt. Sie lässt mitkämpfen und schaut zu, beobachtet und spioniert, wie Aasgeier das eben tun, die warten, bis die Beute erlegt ist oder von selbst aus Schwäche zusammenbricht nach den dauernden Angriffen der Raubtiere.“ Dazu gehörte die ganze deutsche politische und mediale Kriegshetze gegen Syrien, ein Land, das der EU vor dem „Arabischen Frühling“ als möglicher Partner galt und mit dem u.a. 2004 ein Assoziationsabkommen für die geplante „Europa-Mittelmeer-Partnerschaft“ vereinbart wurde. Als ein Regimechange in Damaskus in Aussicht stand, war die Bundesregierung in Berlin nicht nur ganz schnell dabei, sich an den Planungen für eine Zeit ohne Bashar al-Assad zu beteiligen. Und das gemeinsam mit all jenen Staaten und Kräften, denen Luik zu Recht vorwirft, islamistische Extremisten bei ihrem Krieg in Syrien zu unterstützen, mit Geld, Waffen, Ausbildung, logistischer Unterstützung und offenen Grenzen.
„Militärisch ist dieser Krieg nicht zu gewinnen“, wiederholt Luik. Das gilt sicher für den „Krieg gegen den Terror“. Der Krieg in und gegen Syrien kann wahrscheinlich nur noch militärisch entschieden werden, wie es derzeit die syrische Armee mit russischer Unterstützung versucht. Sicher ist, dass sie ihn nicht begonnen hat und einen Verteidigungskrieg führt, um Syrien zu erhalten. Syrien als Staat zu zerstören ist nicht nur das Ziel des IS, sondern seit langem auch der westlichen Kriegsmächte und ihrer arabischen Verbündeten. Ist es zu viel verlangt, dass das auch von jenen klar gesagt wird, die Nein zum Bundeswehreinsatz sagen?
Hollande nimmt die EU auch nicht „in Geiselhaft“, wie der Stern-Autor behauptet. Der französische Präsident setzt um, was zu den strategischen Szenarien der EU auch als Militärmacht seit langem gehört: Notfalls die eigenen Interessen auch militärisch durchzusetzen und zu sichern. Auch die kritisierte verbale Unterstützung von Bundespräsident Joachim Gauck für Hollandes Kriegskurs ist doch alles andere als überraschend. Das hat doch unter anderem Gauck mit seiner Rede in München im Januar 2014 von der Verantwortung Deutschlands in der Welt selbst angekündigt: „Wir sind auf dem Weg zu einer Form der Verantwortung, die wir noch nicht eingeübt haben.“ Luik meint, es gehe bei all dem um „Machtlogik“. Das greift eindeutig zu kurz. Die Frage ist ja, welche Interessen hinter der Macht stehen und die diese durchsetzen und sichern helfen soll. Auch das beantwortet der Stern-Autor leider nicht. Dabei ist im deutschen Fall, aber nicht nur in diesem, auch das nachlesbar. So zum Beispiel in der „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ aus dem Jahr 2011. Das ist übrigens das Jahr, in dem der Krieg in und gegen Syrien begann. In dem Papier aus dem Bundeskriegsministerium ist zu lesen, warum die Bundeswehr ihre Tornados auch nach Syrien schickt: „Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung.“ Als Gauck-Vorgänger Horst Köhler das 2010, ein Jahr vor dem Papier, öffentlich erklärte, musste er noch zurücktreten. Heute redet der derzeitige Bundespräsident, was von ihm erwartet wird und die Bundesregierung umsetzt. Gauck ist gewissermaßen der Vorredner für Leute wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Der übernehme einfach die Worte des Bundespräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 von der deutschen Verantwortung, hieß es am 25. Februar 2015 im Magazin Cicero. Steinmeier füge nur hinzu: „‘Dabei kann zur Absicherung von politischen Lösungen auch der Einsatz militärischer Mittel geboten oder gar unumgänglich sein.‘ Das müssten wir Deutschen zwar immer sorgfältig prüfen, ‚aber nicht reflexhaft ausblenden‘.“
Der anvisierte Regimechange in Damaskus ist bis heute nicht geglückt.
Doch er ist nicht aufgegeben. Der neuerliche „Krieg gegen den Terror“
ist nur ein weiteres Etikett dafür. Der IS ist ein Mittel für ganz
andere Ziele, bzw. wird als solches genutzt und gesehen. Ich halte in
dem Zusammenhang für wichtig und auch die vermeintliche oder
theoretische Berliner "Hilflosigkeit" widerlegend, was Florian Rötzer auf Telepolis am 2.12.15 zur jüngsten NATO-Tagung schrieb: "...
Statt den Konflikt zwischen Russland und der Türkei zu deeskalieren,
macht Stoltenberg deutlich, dass die Verlegung von Truppen und Gerät in
die Türkei und in das Mittelmeer, angeblich begründet durch die
Bekämpfung des IS, eigentlich vor allem zur Unterstützung der Türkei
dient, … Auch die Entsendung von Kriegsschiffen aus Dänemark und
Deutschland, in Deutschland verkauft als Beitrag zum Kampf gegen den IS,
scheint vor allem dazu zu dienen, die Nato-Präsenz im Mittelmeer gegen
Russland und zur Unterstützung der Türkei zu verstärken: "Das ist alles
wichtig für die Türkei. Es ist Teil der Unterstützungsmaßnahmen für die
Türkei", so Stoltenberg ..."
Stern-Autor Luik warnt davor, dass der Bundeswehr-Einsatz „das Zeug zum großen Flächenbrand hat“, u.a. weil die USA (von ihm großzügig „Amerika“ genannt) und Russland mit eigenen Truppen und Waffen auf engstem Raum agierten. Er fragt tatsächlich: „Wenn eine verirrte russische Rakete einen US-Militärtransporter vom Himmel holt – was dann?“ Während er infolgedessen die Gefahr des 3. Weltkrieges sieht, erwähnt er aber erstaunlicherweise nicht, dass solch ein Fall schon eintrat, als das NATO-Land Türkei am 24. November 2015 einen russischen Jagdbomber vom syrischen Himmel holte. „Mit dem Abschuss des russischen Bombers hat die Türkei nach Einschätzung von Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew den Anlass geliefert, einen Krieg zu beginnen“, berichtete Sputnik am 9. Dezember 2015. Doch Russland habe sich nicht provozieren lassen.
All das scheine die Verantwortlichen in Berlin nicht zu kümmern, argwöhnt Luik, und sieht sie wie die Politiker von 1914 100 Jahre später wieder in die Katastrophe schlafwandeln. Das verdient genauso Widerspruch: Da rücken keine Schlafwandler aus! Da werden Soldaten in einen weiteren Krieg befohlen von Verantwortlichen, die genau wissen, was sie tun und einen Plan dafür haben. Ob sie am Ende ihr Ziel erreichen, das ist eine andere Frage. Die Frage nach den Opfern dieses Handelns, den eigenen und den fremden, die muss ganz laut gestellt werden. Die bisherigen und die zukünftigen Opfer des Krieges in und gegen Syrien, aber auch all der anderen Kriege unter deutscher Beteiligung, sind für mich ein Hauptgrund, um Nein zu sagen zu diesen neuen deutschen Kriegseinsatz.
Nein, Luik leistet keinen Beitrag zur Aufklärung über die wahren Gründe für den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien. Er bleibt mit der Begründung für sein Nein leider genau in dem Nebel, der von hiesigen Politikdarstellern und ihren medialen Lakaien bewusst und leider erfolgreich verbreitet wird.
Zum Schluss sei nochmal auf das Heft 22/2015 der Zeitschrift Ossietzky hingewiesen, das mit seinen Beiträgen zum Krieg in und gegen Syrien im Gegensatz zu Luiks Text tatsächlich Aufklärung und Argumente für das Nein zum Bundeswehreinsatz in Syrien bietet.
Luik sagt deutlich Nein zum Kriegseinsatz. Jedes Nein zum Krieg ist wichtig. Aber wie und mit was er das begründet, das zwingt mich gewissermaßen zum Widerspruch. Er lässt wichtige Hintergründe und Zusammenhänge weg. Zugleich wirft er alle am Konflikt in und um Syrien Beteiligte in einen Topf, obwohl es da deutliche Unterschiede in den Interessen und im Handeln gibt. Luik lässt Wichtiges weg und urteilt zum Teil pauschal. Das ist keine Form von Aufklärung. Das ist gewissermaßen Populismus, der nicht hilft, klarer zu sehen, worum es geht: Nämlich dass diese Bundesregierung alles andere als kopflos schlafwandelt, sondern einen zielgerichteten und interessengeleiteten Kurs fortsetzt, der 1990 begann.
Das geht gleich zu Beginn des Textes los. Luik meint, er habe seinen historischen Optimismus verloren. Er habe seine Zuversicht verloren, „dass sich die Menschheit weiterentwickeln werde, langsam, tapsend, aber dass es letztendlich doch vorangehe mit der Zivilisation, moralisch, politisch, und dass der Mensch friedlicher werde“. Schuld daran seien neben arabischen und nordafrikanischen Despoten, islamistischen Extremisten sowie dem französischen Präsidenten Francois Hollande und dessen US-Kollegen Barack Obama die deutschen Politikerdarsteller von Sigmar Gabriel bis Angela Merkel, aber auch der russische Präsident Wladimir Putin. Hier ist aus meiner Sicht dem verständlich wütenden Luik das erste Mal zu widersprechen. Der Grund dafür ist in meinem Text „Wird eine barbarische Schande gestoppt?“ vom 17. November 2015 nachzulesen: „Russland unterstützt mit seinem Eingreifen die einzig legitime Seite, die das Recht hat, gegen den 'Islamischen Staat' und andere ähnliche Gruppierungen, auch die der vermeintlich gemeäßigten 'Rebellen', Krieg zu führen: die syrische Führung und die syrische Armee.“ Ich habe auch darauf hingewiesen, dass das aufgrund eines nach internationalem Recht gültigen Vertrag zwischen beiden Staaten erfolgt. Auch darauf: „Leider dürften Hoffnungen auf eine friedliche Lösung unrealistisch geworden sein, schon lange, bevor die erste russische Bombe abgeworfen wurde.“
Russland gehörte seit Ausbruch des Konfliktes in Syrien 2011 zu jenen Kräften, die sich für eine friedliche Lösung eingesetzt haben. Das führte unter anderem 2012 zu den Verhandlungen in Genf. Eine Lösung schien in Sicht, blieb aber dann aus. Neben anderen fragte die Islam- und Nahostwissenschaftlerin Karin Kulow in der Zeitschrift Ossietzky, Ausgabe 22/15, warum westliche Politik "statt die mit dem 'Genfer Kommunique' (30. Juni 2012) gebotene Chance für eine politische Lösungssuche zu ergreifen – weiterhin auf einen Regime Change gesetzt hat". Das hätten inzwischen mehr als 250.000 Menschen mit ihrem Leben bezahlt.
Als Russland im September 2015 begann, aktiv auf Seiten der syrischen Regierung in den Krieg einzugreifen, protestierten Deutschland, die USA, Frankreich, Großbritannien, der Türkei, Saudi-Arabien und Katar dagegen und warfen Moskau Eskalation vor. Das taten ausgerechnet jene Staaten bzw. deren Führungen, die von Beginn an verantwortlich sind für diesen Krieg in Syrien, weil sie alle möglichen „Rebellen“ unterstützen, auch die islamistischen Extremisten, für das eine gemeinsame Ziel: Assad muss weg! „Da haben wir sie ja, die ganze nette Gesellschaft der Sponsoren des Terrors in Syrien, wie auf dem Präsentierteller. Es brauchte nur ein paar russische Luftangriffe, und alles tritt offen zutage.“ Das war dazu am 2. Oktober 2015 auf dem Blog chartophylakeion tou polemou zu lesen. Diese Kräfte hatten im Februar 2012 einen russischen Vorschlag für ein Ende des Konfliktes, zu dem der Assad-Rücktritt gehört, ignoriert. Das berichtete laut dem britischen Freitags-Partner The Guardian vom 15. September 2015 der finnische Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari. Zu erinnern ist auch daran, dass Russland im August 2013 nach dem mutmaßlichen Giftgas-Einsatz durch „Rebellen“ bei Damaskus dafür sorgte, dass der vorbereitete westliche Angriff auf Syrien nicht ausgeführt wurde. Die westlichen Kriegstreiber und ihre arabischen Verbündeten Heuchler zu nennen, ist angesichts dessen noch der harmloseste Vorwurf. Ihnen auf ihren Propagandaleim zu gehen, wäre fahrlässig.
Luik kritisiert deutlich Hollande. Dafür gibt es allen Grund. Aber er beschränkt sich darauf, ihn als „Wiedergänger von US-Präsident George W. Bush, dem Erfinder des ‚weltweiten Kriegs gegen den Terror‘ und Herrn der Irak- und Afghanistankriege“ zu bezeichnen. Was fehlt, das ist der Hinweis darauf, dass beide nur die Umsetzer der Interessen der hinter ihnen stehenden Kreise sind und um welche es sich dabei handelt. Es sind auf keinen Fall die französischen oder US-amerikanischen Wähler. Im deutschen Fall auch nicht die Wähler hierzulande. Da erwarte ich etwas mehr von einem gestandenen Journalisten wie Luik. Das gilt auch, wenn er schreibt, dass die Kriege des Westens wie in Afghanistan, Irak oder Libyen „das Gegenteil von dem brachten, was geplant war: Diktatorische Regime wurden zwar hinweggefegt, man liquidierte Saddam Hussein, erschoss Bin Laden, erledigte Gadhafi – das Böse ist tot, aber statt Freiheit und Demokratie kam die Finsternis, das noch brutalere terroristische Chaos.“ Glaubt Luik etwa die westliche Kriegspropaganda, dass es um Freiheit und Demokratie gehe? Der folgende Terror samt des vermeintlichen Krieges gegen diesen ist doch diesen Kriegstreibern nützlich, wenn nicht gar willkommen. Das nutzt doch nicht nur dem Militärisch-Industriellen Komplex und sichert billigere Rohstoffpreise, sondern hilft auch bei der eigenen Machtsicherung. „Die Bereitschaft, Freiheitsrechte mit dem Ziel verschärfter Sicherheitsmaßnahmen einzuschränken, steigt nach einem Anschlag oder vereitelten Anschlag phasenweise deutlich an.“ Das hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bereits 2010 festgestellt, was allerdings alles, bloß nicht überraschend ist. Die Opfer des Terrors und des Krieges sind jenen, denen es um die eigene Macht und die Milliardenprofite der hinter ihnen stehenden Kreise geht, egal. Die verbreitete Angst in Folge des Terrors ist nützlich, nutzt aber den Terroristen am Ende weniger als jenen, die vorgeben, sie zu bekämpfen. Vielleicht ist es zu viel verlangt zu erwarten, dass ein Stern-Autor darauf hinweist.
Planmäßiger Kurs auf Krieg
Luik meint weiter, dass nicht nur „atemberaubend“ sei, wie schnell der Kriegseinsatz in Syrien von der Bundesregierung beschlossen und durch das Parlament gebracht wurde. Das bezieht er auch darauf, „wie sich das Koordinatensystem hierzulande in Sachen Militäreinsätze in den vergangenen 25 Jahren verändert hat.“ Wer davon überrascht ist, hat in all den Jahren wenig mitbekommen oder wahrgenommen. Zum Beispiel, dass das "Koordinatensytem" mit Plan bzw. Strategie verändert wurde. Das ist nachlesbar: 1992 kündigte zum Beispiel der damalige sogenannte Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) bereits den neuen deutschen Weg in den Krieg an, in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel:
"SPIEGEL: Die Bürger sollen sich eines Tages mit Kampfeinsätzen der Bundeswehr abfinden?
RÜHE: Ich glaube, daß man in die Verantwortung hineinwachsen muß. Übrigens strebt niemand Kampfeinsätze an. ...
Aber es wäre verfassungspolitisch nicht in Ordnung, wenn wir das Grundgesetz ändern und dann nur noch Blauhelm-Einsätze möglich wären. ...
Wenn in einer schwierigen internationalen Lage das Leben der Soldaten aufs Spiel gesetzt wird, brauchen sie nicht nur ausreichenden Sold. Sie müssen das Gefühl haben, diesen Einsatz für Deutschland zu vollziehen. Und von daher ist es geboten, bei solchen Einsätzen einen größeren Konsens zu suchen. ..."
Als ich das damals, 1992 in einem Sommer-Urlaub in Bulgarien, las, wußte ich, was Rühe da ankündigt und wohin die "Reise" gehen soll. Soll ich der Einzige gewesen sein, der das so früh erkannte? Das glaube ich nicht. Der Zusatz Rühes „Übrigens strebt niemand Kampfeinsätze an.“ ist nicht nur eine Beruhigungspille gewesen, sondern gewissermaßen eine deutsche Traditionslüge.
Der Stern-Autor verweist zwar auch auf den Krieg gegen Jugoslawien 1999 mit deutschen Tornados. Aber er vergisst, dass schon das ohne Grundlage seitens der UNO erfolgte und meint: „Jetzt rückt man ganz rasch aus – auch ohne UN-Mandat, man bemüht sich nicht einmal mehr darum.“ Das ist doch auch nichts Neues. Die von Luik ausgemachte historische Zäsur, die vermeintliche deutsche historisch bedingte Kriegszurückhaltung aufzugeben, hat Jahre zuvor stattgefunden.
Aber vielleicht weiß der Autor nicht, dass die deutsche Bundesregierung nicht erst jetzt teilnimmt an „einem neuen Kreuzzug, auf nach Syrien!“ An dem Krieg in und gegen Syrien beteiligt sie sich von Anfang, worauf ich auch schon mehrmals hingewiesen habe, zum Beispiel am 4. September 2012: „Sage niemand, die Bundesrepublik sei nicht am Krieg gegen und in Syrien beteiligt. Sie lässt mitkämpfen und schaut zu, beobachtet und spioniert, wie Aasgeier das eben tun, die warten, bis die Beute erlegt ist oder von selbst aus Schwäche zusammenbricht nach den dauernden Angriffen der Raubtiere.“ Dazu gehörte die ganze deutsche politische und mediale Kriegshetze gegen Syrien, ein Land, das der EU vor dem „Arabischen Frühling“ als möglicher Partner galt und mit dem u.a. 2004 ein Assoziationsabkommen für die geplante „Europa-Mittelmeer-Partnerschaft“ vereinbart wurde. Als ein Regimechange in Damaskus in Aussicht stand, war die Bundesregierung in Berlin nicht nur ganz schnell dabei, sich an den Planungen für eine Zeit ohne Bashar al-Assad zu beteiligen. Und das gemeinsam mit all jenen Staaten und Kräften, denen Luik zu Recht vorwirft, islamistische Extremisten bei ihrem Krieg in Syrien zu unterstützen, mit Geld, Waffen, Ausbildung, logistischer Unterstützung und offenen Grenzen.
„Militärisch ist dieser Krieg nicht zu gewinnen“, wiederholt Luik. Das gilt sicher für den „Krieg gegen den Terror“. Der Krieg in und gegen Syrien kann wahrscheinlich nur noch militärisch entschieden werden, wie es derzeit die syrische Armee mit russischer Unterstützung versucht. Sicher ist, dass sie ihn nicht begonnen hat und einen Verteidigungskrieg führt, um Syrien zu erhalten. Syrien als Staat zu zerstören ist nicht nur das Ziel des IS, sondern seit langem auch der westlichen Kriegsmächte und ihrer arabischen Verbündeten. Ist es zu viel verlangt, dass das auch von jenen klar gesagt wird, die Nein zum Bundeswehreinsatz sagen?
Hollande nimmt die EU auch nicht „in Geiselhaft“, wie der Stern-Autor behauptet. Der französische Präsident setzt um, was zu den strategischen Szenarien der EU auch als Militärmacht seit langem gehört: Notfalls die eigenen Interessen auch militärisch durchzusetzen und zu sichern. Auch die kritisierte verbale Unterstützung von Bundespräsident Joachim Gauck für Hollandes Kriegskurs ist doch alles andere als überraschend. Das hat doch unter anderem Gauck mit seiner Rede in München im Januar 2014 von der Verantwortung Deutschlands in der Welt selbst angekündigt: „Wir sind auf dem Weg zu einer Form der Verantwortung, die wir noch nicht eingeübt haben.“ Luik meint, es gehe bei all dem um „Machtlogik“. Das greift eindeutig zu kurz. Die Frage ist ja, welche Interessen hinter der Macht stehen und die diese durchsetzen und sichern helfen soll. Auch das beantwortet der Stern-Autor leider nicht. Dabei ist im deutschen Fall, aber nicht nur in diesem, auch das nachlesbar. So zum Beispiel in der „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ aus dem Jahr 2011. Das ist übrigens das Jahr, in dem der Krieg in und gegen Syrien begann. In dem Papier aus dem Bundeskriegsministerium ist zu lesen, warum die Bundeswehr ihre Tornados auch nach Syrien schickt: „Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung.“ Als Gauck-Vorgänger Horst Köhler das 2010, ein Jahr vor dem Papier, öffentlich erklärte, musste er noch zurücktreten. Heute redet der derzeitige Bundespräsident, was von ihm erwartet wird und die Bundesregierung umsetzt. Gauck ist gewissermaßen der Vorredner für Leute wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Der übernehme einfach die Worte des Bundespräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 von der deutschen Verantwortung, hieß es am 25. Februar 2015 im Magazin Cicero. Steinmeier füge nur hinzu: „‘Dabei kann zur Absicherung von politischen Lösungen auch der Einsatz militärischer Mittel geboten oder gar unumgänglich sein.‘ Das müssten wir Deutschen zwar immer sorgfältig prüfen, ‚aber nicht reflexhaft ausblenden‘.“
Mittäter statt Schlafwandler
Die NATO erwähnt Luik in seinem
Plädoyer gegen den Kriegseinsatz nur kurz im Zusammenhang mit der Rolle
der Türkei und ihres größenwahnsinnigen Präsidenten Recep Erdogan. Dabei
zeigte dieses vermeintliche Verteidigungsbündnis spätestens 1999 gegen
Jugoslawien, wozu es eigentlich dient: Zum Krieg führen, entweder als
Bündnis oder als logistischer Hintergrund einzelner oder mehrerer
kriegführender Mitgliedsstaaten. Luik weist auf die Rolle der Türkei in
dem Krieg hin, auf deren Unterstützung des IS und des Krieges gegen die
Kurden. Er meint, es sei „pervers“ solche Verbündeten zu akzeptieren und stellt fest: „Solange die Täter die besten Geschäftsfreunde sind, gibt es keinen Frieden.“
Das ist an sich richtig. Falsch ist es, wegzulassen, dass die
Bundesregierung von Beginn an selbst Mittäter ist, worauf ich weiter
oben schon hinwies. Zur Erinnerung: "Deutschland spielt im
Syrien-Konflikt eine weitaus größere Rolle als bislang bekannt. Ein
Spionageschiff der Deutschen Marine kreuzt vor der syrischen Küste.
Dieses sogenannte „Flottendienstboot“ hat modernste Spionagetechnik des
Bundesnachrichtendienstes (BND) an Bord. Damit lassen sich
Truppenbewegungen bis zu 600 Kilometer tief in Syrien beobachten.
Die gewonnenen Erkenntnisse, etwa über militärische Operationen der Assad-Armee, werden an amerikanische und britische Geheimdienste weitergegeben. Von dort aus gelangen die Informationen an die syrische Befreiungsarmee. ..." Das meldete Bild.de am 19. August 2012. Und zitierte einen BND-Mitarbeiter: „Wir können stolz darauf sein, welchen wichtigen Beitrag wir zum Sturz des Assad-Regimes leisten.“
Die gewonnenen Erkenntnisse, etwa über militärische Operationen der Assad-Armee, werden an amerikanische und britische Geheimdienste weitergegeben. Von dort aus gelangen die Informationen an die syrische Befreiungsarmee. ..." Das meldete Bild.de am 19. August 2012. Und zitierte einen BND-Mitarbeiter: „Wir können stolz darauf sein, welchen wichtigen Beitrag wir zum Sturz des Assad-Regimes leisten.“
Die Bundesregierung ist von Anfang an
Mittäter in dem Krieg, der Syrien zerstört. Das hat sicher etwas mit
den wirtschaftlichen Verbindungen zwischen IS-Paten wie Katar und der
Bundesrepublik zu tun, auf die Luik hinweist. Sie ist daran mitschuldig, dass ein Land zerstört wurde, das sich u.a. durch eine "Geschichte des Zusammenlebens über ethnische, konfessionelle und politische Trennlinien hinweg" auszeichnete, wie es der Nahostwissenschaftler V0lker Perthes in seinem Buch "Das Ende des Nahen Ostens, wie wir ihn kennen" 2015 beschrieb. Die "Anerkennung dieser gesellschaftlichen und konfessionellen Vielgestaltigkeit" sei "eines der Charaktermerkmale, ja vielleicht ... die Raison d'etre gerade des syrischen Staates" gewesen, so Perthes. Seine Hinweise finde ich interessant, aber auch pikant, ist er doch geschäftsführender Vorsitzender der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die von der Bundesregierung finanziert wird. Am 26. Juli 2012 berichtete Die Zeit online: "Monatelang haben sich Assad-Gegner geheim in Berlin getroffen – mit Wissen und Willen der Bundesregierung. ...
Bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hat sich seit Januar eine Gruppe von bis zu 50 syrischen Oppositionellen aller Couleur geheim getroffen, um Pläne für die Zeit nach Assad zu schmieden. Das geheime Projekt mit dem Namen "Day After" wird von der SWP in Partnerschaft mit dem United States Institute of Peace (USIP) organisiert, wie die ZEIT von Beteiligten erfuhr. Das deutsche Außenministerium und das State Department helfen mit Geld, Visa und Logistik. Direkte Regierungsbeteiligung gibt es wohlweislich nicht, damit die Teilnehmer nicht als Marionetten des Westens denunziert werden können." An dem Projekt, das am 28. August 2012 öffentlich vorgestellt wurde, waren neben Vertretern des größten exilsyrischen Oppositionsbündnisses, dem Syrischen Nationalrat (SNC), auch Kräfte aus unterschiedlichen politischen, ethnischen und religiösen Lagern beteiligt. Dazu gehörten Angehörige der islamistischen Muslimbrüder und der Freien Syrischen Armee (FSA). Laut Zeit sei "der Weg hin zum Sturz Assads und die damit verbundene Debatte um Fluch und Segen militärischer Interventionen ... bewusst ausgeklammert" worden. "Das unweigerliche Ende des Regimes wird schlicht vorausgesetzt, als eine Art Arbeitshypothese. Darin zeigt sich, dass die Bundesregierung schon viel länger mit dem Sturz des syrischen Regimes kalkuliert, als Berliner Diplomaten zugeben können. Und: Deutschland ist sehr viel stärker in die Vorbereitungen der syrischen Opposition einbezogen, als man bisher öffentlich erklärte." Mehr als pikant ist es, wenn dann ausgerechnet Perthes in seinem Buch schreibt, dass der sogenannte Islamische Staat ua. deshalb "sehr viel weniger Wirkung entfalten" könnte, "wenn die Staaten, auf deren Territorium diese Organisation ihre Herrschaft auszudehnen versucht, funktioniert und nicht so deutlich dabei versagt hätten". Ein Ratgeber der am Zerstören Beteiligten wirft den zertörten Staaten vor, nicht mehr richtig zu funktionieren. Ist das nicht auch pervers?
Bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hat sich seit Januar eine Gruppe von bis zu 50 syrischen Oppositionellen aller Couleur geheim getroffen, um Pläne für die Zeit nach Assad zu schmieden. Das geheime Projekt mit dem Namen "Day After" wird von der SWP in Partnerschaft mit dem United States Institute of Peace (USIP) organisiert, wie die ZEIT von Beteiligten erfuhr. Das deutsche Außenministerium und das State Department helfen mit Geld, Visa und Logistik. Direkte Regierungsbeteiligung gibt es wohlweislich nicht, damit die Teilnehmer nicht als Marionetten des Westens denunziert werden können." An dem Projekt, das am 28. August 2012 öffentlich vorgestellt wurde, waren neben Vertretern des größten exilsyrischen Oppositionsbündnisses, dem Syrischen Nationalrat (SNC), auch Kräfte aus unterschiedlichen politischen, ethnischen und religiösen Lagern beteiligt. Dazu gehörten Angehörige der islamistischen Muslimbrüder und der Freien Syrischen Armee (FSA). Laut Zeit sei "der Weg hin zum Sturz Assads und die damit verbundene Debatte um Fluch und Segen militärischer Interventionen ... bewusst ausgeklammert" worden. "Das unweigerliche Ende des Regimes wird schlicht vorausgesetzt, als eine Art Arbeitshypothese. Darin zeigt sich, dass die Bundesregierung schon viel länger mit dem Sturz des syrischen Regimes kalkuliert, als Berliner Diplomaten zugeben können. Und: Deutschland ist sehr viel stärker in die Vorbereitungen der syrischen Opposition einbezogen, als man bisher öffentlich erklärte." Mehr als pikant ist es, wenn dann ausgerechnet Perthes in seinem Buch schreibt, dass der sogenannte Islamische Staat ua. deshalb "sehr viel weniger Wirkung entfalten" könnte, "wenn die Staaten, auf deren Territorium diese Organisation ihre Herrschaft auszudehnen versucht, funktioniert und nicht so deutlich dabei versagt hätten". Ein Ratgeber der am Zerstören Beteiligten wirft den zertörten Staaten vor, nicht mehr richtig zu funktionieren. Ist das nicht auch pervers?
Stern-Autor Luik warnt davor, dass der Bundeswehr-Einsatz „das Zeug zum großen Flächenbrand hat“, u.a. weil die USA (von ihm großzügig „Amerika“ genannt) und Russland mit eigenen Truppen und Waffen auf engstem Raum agierten. Er fragt tatsächlich: „Wenn eine verirrte russische Rakete einen US-Militärtransporter vom Himmel holt – was dann?“ Während er infolgedessen die Gefahr des 3. Weltkrieges sieht, erwähnt er aber erstaunlicherweise nicht, dass solch ein Fall schon eintrat, als das NATO-Land Türkei am 24. November 2015 einen russischen Jagdbomber vom syrischen Himmel holte. „Mit dem Abschuss des russischen Bombers hat die Türkei nach Einschätzung von Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew den Anlass geliefert, einen Krieg zu beginnen“, berichtete Sputnik am 9. Dezember 2015. Doch Russland habe sich nicht provozieren lassen.
All das scheine die Verantwortlichen in Berlin nicht zu kümmern, argwöhnt Luik, und sieht sie wie die Politiker von 1914 100 Jahre später wieder in die Katastrophe schlafwandeln. Das verdient genauso Widerspruch: Da rücken keine Schlafwandler aus! Da werden Soldaten in einen weiteren Krieg befohlen von Verantwortlichen, die genau wissen, was sie tun und einen Plan dafür haben. Ob sie am Ende ihr Ziel erreichen, das ist eine andere Frage. Die Frage nach den Opfern dieses Handelns, den eigenen und den fremden, die muss ganz laut gestellt werden. Die bisherigen und die zukünftigen Opfer des Krieges in und gegen Syrien, aber auch all der anderen Kriege unter deutscher Beteiligung, sind für mich ein Hauptgrund, um Nein zu sagen zu diesen neuen deutschen Kriegseinsatz.
Nein, Luik leistet keinen Beitrag zur Aufklärung über die wahren Gründe für den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien. Er bleibt mit der Begründung für sein Nein leider genau in dem Nebel, der von hiesigen Politikdarstellern und ihren medialen Lakaien bewusst und leider erfolgreich verbreitet wird.
Zum Schluss sei nochmal auf das Heft 22/2015 der Zeitschrift Ossietzky hingewiesen, das mit seinen Beiträgen zum Krieg in und gegen Syrien im Gegensatz zu Luiks Text tatsächlich Aufklärung und Argumente für das Nein zum Bundeswehreinsatz in Syrien bietet.
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