Ich hatte miterlebt, wie 1999 ein Mitglied des Stadtrates von Gotha
das Erbe der Friedensnobelpreisträgerin hochhalten wollte. Das sollte
durch ein Friedensfest im Orangerie-Garten der Stadt am 1. September
geschehen, dem Tag des Überfalls des faschistischen Deutschlands auf Polen und des
Beginns des Zweiten Weltkrieges, dem einstigen Weltfriedenstag und
heutigen Antikriegstag. Doch eine Mehrheit von CDU und SPD im Stadtrat
lehnte diesen Vorschlag ab. Ob das geschah, weil es ein solches
Friedensfest zu DDR-Zeiten in Gotha gab oder weil der Vorschlag von
einem Mitglied der damaligen kommunalen PDS-Fraktion kam, ist nicht
bekannt. Bezeichnend fand ich das Ereignis schon damals dafür, wie viel
wert in Deutschland der Frieden ist.
Mitte der 90er Jahre war derselbe Kommunalparlamentarier mit einem
anderen Antrag gescheitert. Er hatte vorgeschlagen, dass sich der
Oberbürgermeister von Gotha dafür einsetzt, dass die Bundesrepublik
Deutschland als Rechtsnachfolger des faschistischen Dritten Reiches
Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus der Zeit von 1933 bis 1945
rehabilitiert und ihnen bzw. ihren Angehörigen eine Rente zahlt. Dafür
sollten unter anderem die Kriegsopfer-Rentenzahlungen an deutsche und
ausländische ehemalige Angehörige der Kriegsverbrecherorganisation SS
eingestellt werden. Anlass war eine Bitte der in Australien in Armut
lebenden Tochter des letzten „Kampfkommandanten“ von Gotha, Josef Ritter von Gadolla,
ihr finanziell zu helfen. Der Abgeordnete meinte, diese Aufgabe habe
eben grundsätzlich die Bundesrepublik zu erfüllen. Denn Gadolla,
übrigens wie von Suttner in Österreich geboren, wurde heute vor fast
genau 57 Jahren, am 5. April 1945, von einem Standgericht der
faschistischen Wehrmacht hingerichtet. Er hatte versucht, die Stadt
kampflos an die heranrückenden US-amerikanischen Truppen zu übergeben.
Auf dem Weg zu den US-Amerikanern war er bei Weimar von
Wehrmachtssoldaten abgefangen und einen Tag nach der Kapitulation Gothas
erschossen worden. Immerhin hatte er erreicht, dass die schon
anfliegenden alliierten Bomberverbände kurz vor ihrem Ziel Gotha
abdrehten. Dafür wurde Nordhausen zum Großteil zerstört … Gadollas (zu)
späte Einsicht, dass der Kampf bis zum Untergang sinnlos ist, bezahlte
er mit dem Leben.
Immerhin wurde Gadolla 1998, vom Oberlandesgericht Thüringen rehabilitiert
und das Urteil gegen ihn aufgehoben. Bis dahin galt Gadolla als
Deserteur. Es war das erste Urteil dieser Art in der Bundesrepublik.
Erst 2002 wurden in der Bundesrepublik die Urteile der Militärgerichte
gegen Deserteure der Wehrmacht pauschal aufgehoben. Die deutschen und
ausländischen Angehörigen der Kriegsverbrecherorganisation SS werden
unterdessen weiter mit Renten versorgt, wie die junge Welt erst wieder am 5. April 2012 berichtete.
Interessanterweise sah ich ebenfalls Mitte der 90er Jahre, auf welche
Tradition das in Gotha stationierte "Panzeraufklärungsbataillon 13" der
Bundeswehr setzte. In dem Traditionszimmer der Kaserne war ein Foto des
Eingangs aus den 30er Jahren zu sehen, davor deutlich die
Hakenkreuzfahne. In Vitrinen standen Modelle von Wehrmachtsfahrzeugen
und -panzern. Inzwischen wurde der Festsaal der Kaserne in Gadolla-Saal
umbenannt. Das Bataillon, jetzt "Aufklärungsbataillon 13", ist seit 2004
an den Kriegseinsätzen der Bundeswehr beteiligt und gehört unter
anderem seitdem zu SFOR, KFOR und ISAF. Und so tragen Soldaten auch aus
der Stadt, in der Bertha von Suttner beigesetzt ist, den Krieg von
deutschem Boden in die Welt. Die Friedensnobelpreisträgerin hatte vor
dem 1. Weltkrieg gefordert: „Die Waffen nieder!“
So ist das mit Deutschland und seinem Verhältnis zu Krieg und Frieden, in Gotha und anderswo, zu Ostern und anderen Zeiten.
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