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Freitag, 16. September 2016

Proteste gegen CETA und TTIP: Alles Querfront oder was?


Am Vortag der Demonstrationen gegen die geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP wurde eine Studie von 2015 zu den Protestierenden erneut vorgestellt

Am kommenden Samstag, dem 17. September 2016, gibt es in sieben bundesdeutschen Städten Großdemonstrationen gegen die geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP. Dazu hat ein breites und vielfältiges Bündnis von mehr als 30 Organisationen aufgerufen. Als am 10. Oktober 2015 das erste Mal in Berlin gegen TTIP und CETA protestiert wurde, beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter 250.000 Menschen. Die Organisatoren rechnen in diesem Jahr mit ähnlich großem Zuspruch.

Doch sie haben nicht nur damit zu tun, in sieben Städten alles vorzubereiten, was bei solchen Demonstrationen dazu gehört, bis zur Sicherheit der Teilnehmenden. Sie haben auch weiter mit Behauptungen wie denen zu kämpfen, dass der Protest gegen die Freihandelsabkommen Rechte und Linke vereine, er sei antiamerikanisch, gar antisemitisch, fremdenfeindlich und nationalistisch. Das transportierten und verbreiten weiter vor allem Mainstream-Medien und deren Autoren. So veröffentlichte Spiegel online am 10. Oktober 2015 vor der Demonstration einen "polemischen" Kommentar von Spiegel-Hauptstadtreporter Alexander Neubacher. In diesem wurde nicht kritisiert, sondern verleumdet und gehetzt, indem der Autor unter anderem behauptete, „bei den TTIP-Protesten sind die Rechten nicht Mitläufer, sondern heimliche Anführer“. Belege dafür gab und gibt es keine, aber diese verleumdenden und zielgerichtet gestreuten Vorwürfe an die Organisatoren des Protestes und die Protestierenden selber halten sich weiter.

Das war einer der Gründe, warum das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und das Institut für Protest- und Bewegungsforschung (IPB) am 16. September 2016 in der Bundeshauptstadt fragten, ob es sich bei den Demonstrationen am nächsten Tag und den Teilnehmenden um „Querfront oder Querschnitt der Bevölkerung“ handelt. Die beiden Institute stellten gemeinsam noch einmal die Ergebnisse der Befragungen von mehr als 500 Menschen vor, die sie bei der Großdemonstration in der Hauptstadt im Vorjahr durchgeführt hatten. Das war bereits im November 2015 erstmals geschehen. Dass es aber im Vorfeld der diesjährigen Demonstrationen wieder notwendig und richtig war, zeigten die Fragen zweier anwesender Journalisten beispielhaft. Zuvor hatten Prof. Sabrina Zajak von der Ruhr-Uni Bochum, Prof. Dieter Rucht vom WZB und Dr. Simon Teune von der TU Berlin anhand der Befragungsergebnisse erneut darauf hingewiesen, dass die Teilnehmenden an den Anti-CETA- und -TTIP-Protesten „weder Querfront, noch Querschnitt der Bevölkerung“ seien. Sie seien stattdessen mehrheitlich „links von der Mitte“ und hätten unter anderem oftmals hohe Bildungsabschlüsse. Bei der Frage nach den Wahlpräferenzen 2015 habe sogar die Linke mit 46,2 Prozent vor den Bündnisgrünen (39,5 Prozent) am besten abgeschlossen. Dann erst folgte die SPD mir 5,8 Prozent, während die AfD nur auf drei und die NPD wie CDU/CSU nur auf 0,3 Prozent gekommen wären.

Welche Rolle spielen die Medien?


Das überzeugte anscheinend Werner Kolhoff von der Saarbrücker Zeitung am Vortag der Demonstrationen von 2016 immer noch nicht. Es seien zwar „nicht die gleichen Leute“, meinte er, aber die gegen CETA und TTIP protestieren hätten doch die „gleiche Grundmotivation“ wie die rechten und nationalistischen Kräfte. Das reiche von der „Angst vor der Globalisierung“ über den „Rückzug ins Nationale“ bis hin zu „Angst vor Fremden“ und dem „Wunsch, sich abzuschotten“. Das habe sich nicht bestätigt, widersprach Politikwissenschaftlerin Zajak. In der Befragung 2015 sei auch nach den Motiven der Protestierenden gefragt worden. Die vermeintlichen Ängste vor Globalisierung oder allem Fremden hätten dabei keine Rolle gespielt, ebenso nicht der Wunsch nach Abschottung. Den Teilnehmenden an der Demonstration 2015 sei es vor allem um Kritik an den Verfahren von TTIP und CETA sowie an der Macht der Konzerne gegangen. Die Demonstranten waren sogar gefragt worden, ob sie auch unter anderem für das Thema „nationale Identität“ politisch engagieren würden. Doch das gaben nur knapp zwei Prozent aller Befragten an. Themen wie Umweltschutz, Frieden, Menschenrechte und Globalisierungskritik lagen dagegen weit vorn.

Es sind nicht Gegner der Globalisierung, sondern deren Kritiker, ohne sie grundsätzlich abzulehnen“, betonte Politikwissenschaftler Teune. Die Protestierenden gegen die Freihandelsabkommen seien „kritisch, aber loyal zur liberalen Demokratie“. Die Grenzen zwischen links und rechts würde nicht verschwimmen, stellte er klar. Ob das Hauptstadtkorrespondent Kolhoff, der auch schon für Landes- und Bundespolitik tätig war, überzeugt hat, wird sich unter anderem auch an seiner Berichterstattung vom 17. September 2016 zeigen. Ein Reporter der Süddeutschen Zeitung meinte noch, ob das nicht alles frühere Atomkraftgegner seien, die nur eine neue Bewegung suchten. Auch er bekam Widerspruch, von WZB-Forscher Rucht, der sagte, dass die Anti-Atom- und die Umwelt-Bewegung Teil und Wurzel der Anti-CETA und -TTIP-Proteste seien. Er verwies auf den „Trend zur Ausweitung der Kritik“, die meist mit einem Problem vor Ort beginne und in Folge der Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen sich bis zu den „Themen der Welt“ erweitere. Das bestätigte der anwesende Uwe Hiksch vom mitorganisierenden Umweltschutzverband Naturfreunde. Er kommt aus der bundesdeutschen Friedensbewegung und ist heute einer der Hauptorganisatoren der Veranstaltungen am 17. September. Er erinnerte noch einmal daran, dass es nicht nur darum gehe, gegen CETA und TTIP zu protestieren, um diese zu verhindern. Die Demonstrationen seien ausdrücklich auch „Für einen gerechten Welthandel“. Es werde aber ebenso deutlich gemacht, dass Organisatoren und Teilnehmende gegen Fremdenfeindlichkeit und auch gegen Antiamerikanismus seien. Hiksch kündigte an, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, zu verhindern, dass rechte und neofaschistische Gruppierungen die Demonstrationen für sich ausnutzen.

Politikwissenschaftler Teune will mit seinen Mitwirkenden im IPB gezielt die Medienberichterstattung zu den Protesten auswerten, um zu sehen, wie deren Tendenz ist und ob die „Querfront“-Behauptungen sich weiter halten. Am Schluß der Studie zur Demonstration vom 10. Oktober 2015 heißt es: „Angesichts der Größe der Demonstration bemerkenswert ist es allerdings auch, wie wenige Spuren der Protest in der medialen Öffentlichkeit hinterlassen hat. Zwar haben alle größeren Zeitungen und Nachrichtensendungen über die Demonstration berichtet, aber über die abgesehen von ihrer Größe wenig spektakuläre, friedlich und ohne Zwischenfälle verlaufene Demonstration wurde in den überregionalen Medien nicht ausführlich auf der Titelseite sondern nur im Innenteil der Zeitungen berichtet.“ Wer das nicht für einen Zufall hält, der dürfte sicher zum „Verschwörungstheoretiker“ gezählt werden. Die Rolle der Medien in der politischen Auseinandersetzung um die geplanten Freihandelsabkommen zu untersuchen, ist wirklich notwendig und lohnenswert.

siehe auch den Mitschnitt auf Youtube

aktualisiert: 20.9.16; 00:51 Uhr

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