Bitte beachten:

Mit deutsch- und volkstümelndem sowie rechtsextremem und faschistischem Gedankengut habe ich nichts am Hut und nichts zu tun!

Freitag, 22. Juli 2016

Wenn zwei das Gleiche tun ...

Die türkische Regierung hat angekündigt, im Zuge des Ausnahmezustandes die Europäische Menschenrechtskonvention auszusetzen

Wenn zwei das Gleiche tun ist das noch lang nicht das Selbe. So sagt es eine alte Weisheit. Ist das immer so? Was ist es dann? Nur das Gleiche?
So meldet u.a. die österreichische Tageszeitung Die Presse online am 21. Juli 2016: "Die türkische Regierung hat die Aussetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) angekündigt. Der Schritt folge der Ausrufung des Ausnahmezustandes, erklärte Vizeregierungschef Numan Kurtulmus, wie der Sender NTV berichtete. ...
Zwar versprachen Politiker der AK-Partei, dass sich für türkische Bürger trotz des Ausnahmezustandes nichts ändern werde. Die Menschenrechtskonvention werde aber ausgesetzt, so Kurtulmus, der in diesem Zusammenhang Frankreich als Vorbild nannte. Dort wurde nach den Paris-Anschlägen vom November ebenfalls der Ausnahmezustand verhängt und die EMRK unter Berufung auf Artikel 15 der Konvention teilweise ausgesetzt. ..."
Zum erwähnten Beispiel Frankreich meldete u.a. die ebenfalls österreichische Zeitung Der Standard online am 25. November 2015: "Nach den Pariser Anschlägen mit 130 Toten hat Frankreich die Europäische Menschenrechtskonvention teilweise ausgesetzt. ...
Frankreich begründet die Maßnahme mit dem nach den Anschlägen vom 13. November ausgerufenen Ausnahmezustand, der mittlerweile auf drei Monate verlängert wurde. Dabei beruft sich die Regierung auf Artikel 15 der Konvention. Demnach können Unterzeichner von den Verpflichtungen "abweichen", wenn "das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht" wird und die Lage im Land das "unbedingt erfordert". ..."
Nur zur Erinnerung an die letzten Anschlägen in türkischen Städten hier der Hinweis auf einen Beitrag der FAZ online vom 29. Juni 2016 über die Anschlagserie in der Türkei in den letzten Monaten.

Ich habe einem Freund, der von mir ein klares Bekenntnis gegen die Politik des türkischen Präsidenten Erdogan haben wollte, gesagt, dass ich ihm das nicht geben kann. Ich habe das damit begründet, dass ich nicht genau weiß, was da in der Türkei vor sich geht und wer da welches Spiel mit welchen Mitteln spielt auf Kosten viel zu vieler Opfer. Deshalb kann ich auch die Frage nicht beantworten, was das im konkreten Fall nun genau ist, wenn zwei das Gleiche tun, ob es etwa gar in dem einen Fall gut, in dem anderen aber schlecht ist. Auf jeden Fall finde ich in beiden Fällen die (mir bekannten) Ursachen für die konkreten Entwicklungen und deren Folgen für viele Unbeteiligte nicht gut. Aus menschenrechtlicher Perspektive ist beides wie auch jedes ähnliche Ereignis anderswo nicht gut.

Erdogans westliche Vorbilder


Ich hatte diesen Text am 21. Juli zuerst auf freitag.de veröffentlicht. Nicht unerwartet gab es eine Reihe von zum Teil kontroversen Kommentaren, einige wenige persönlich. Darunter waren zahlreiche interessante Bemerkungen zum Thema. Ich habe mit Folgendem darauf geantwortet:
Vielen Dank für die sachlichen, auch in der Sache gegensätzlichen Bemerkungen. Ich halte das alles auf jeden Fall für bedenkenswert, was die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des französischen und türkischen Ausnahmefalls angeht.
Die persönlichen Bemerkungen .. naja, ab in die Tonne. Wobei manche mir davon so eine leichte Ahnung davon geben, dass für manche auf dieser Plattform vielleicht sowas wie ein mentaler oder Meinungs-Ausnahmezustand willkommen wäre oder schon gilt. Jede abweichende Position, jeder Zweifel an dem scheinbar und anscheinend Offensichtlichen darf nicht sein, das muss mindestens verbal bekämpft werden ... naja. Sicher ein harter Vorwurf, der auch nur für ganz wenige gilt, für ganz ganz Wenige, die aber anscheinend nicht an sich halten können und anderen das vorwerfen müssen, was sie selbst praktizieren ganz nach dem Motto: Ich habe Recht, weil mir meine Meinung besser gefällt.
Aber wie gesagt, das sind auch hier noch Ausnahmen, auch beim Thema Ausnahmezustand.
Ansonsten bin ich gespannt, wie es weiter geht. Frankreich wirft schon mal aus Rache Bomben in Syrien und hat Soldaten nach Libyen geschickt. Was passiert da eigentlich im Inneren? Ist der französische Ausnahmezustand tatsächlich nur Attrappe? Hat schon mal jemand an die Massenproteste gegen unsoziale Gesetze gedacht, was das für diese bedeutet, dass auch in Frankreich die Europäische Menschenrechtskonvention zeitweise außer Kraft gesetzt wurde? Ist die zeitliche Gleichheit mit den Anschlägen nur Zufall, weil Islamisten auf andere Protesttermine keine Rücksicht nehmen?
Ist Erdogan tatsächlich so wie Putin sein soll, hinterhältig, nichts als machtbesessen, rücksichtslos, und all seine Wähler und Anhänger alles nur von der falschen Koranauslegung besessen oder gar unter Drogen gesetzt? Oder werden die gleichen einfachen Erklärungsmuster auch im Fall der Türkei angewandt, weil es uns so passt, etwas nicht so einfach Erklärbares so zu deuten, weil es nicht unseren Mustern entspricht? In einem Gewerkschaftsblatt fand ich vor ein paar Tagen einen Bericht über die ICCI 2016, die Energiemesse in Istanbul, mit vielen deutschen Unternehemen (siehe hier als PDF-Datei, letzte Seite). Die Überschrift des Textes: "Riesiger Markt am Bosporus" und dann u.a. der Hinweis, dass die türkische Wirtschaft die 18tgrößte Volkswirtschaft der Welt ist und deutliche Wachstumsraten aufweisen könne. Das interessiere deutsche Firmen sehr, bis dahin, dass die ICCI 2016 von einer türkischen Tochter der Hannover-Messe ausgerichtet wird. Hat das nichts mit den Ereignissen zu tun? Spielt politische Ökonomie keine Rolle in den aktuellen Vorgängen? Sollen oder wollen wir das nicht erkennen?
Aber sicher führt das zu weit vom Thema der Ausnahmezustände dort und dort weg. Das hat alles nichts miteinander zu tun. und als Putin-Versteher kann ich natürlich gar nicht anders als zu versuchen zu verstehen, was Erdogan tut und warum.
Da fällt mir ein, das ich vor ein paar Tagen nochwas anderes las: Dass die CIA hinter dem Putschversuch in der Türkei stehen könnte. Das hätte glatt von mir sein können, gebe ich zu. War es aber nicht. Sondern vom früheren US-Diplomaten Lawrence Wilkerson, der mal für Colin Powell arbeitete, als der US-Außenminister war. Ja, und der hat das gegenüber Sputnik gesagt. Aber da kann das ja gar nicht im Ansatz eine mögliche Möglichkeit sein ... Und der Wilkerson, der auch Ex-Oberst ist, der hat ja noch so andere komische Sachen gesagt und die USA gar als "den Händler des Todes in der Welt" bezeichnet, der ist ja auch noch voll unamerikanisch ... Oder der ist von Moskau bezahlt. Geht gar nicht anders.

Ein Kommentar eines Bloggers war: "... Die Zeit-Korrespondentin aus Nizza schreibt:
Tatsächlich setzt die Polizei mit dem Segen des Innenministeriums ihre erweiterten Befugnisse nicht allein für den Kampf gegen potenzielle Terroristen, sondern auch gegen kritische Bürger ein. In den vergangenen Monaten wurden beispielsweise Demonstrationen verboten, obwohl die Bürger etwa gegen den Bau eines Flughafens oder gegen ein umstrittenes Arbeitsgesetz auf die Straße gehen wollten.
Das deutet sehr stark darauf hin, dass die französische Regierung das Geschäft des FN mitbetreibt, aber gleichzeitig politische Ziele verfolgt, indem sie, wie hier geschildert, legitime politische Kundgebungen mit Hilfe des Artikels 15 verhindert. Es nützt also nichts, wenn sozialdemokratische (sozialistische?) Regierungen an der Macht sind. Sie sind es gerade, wie auch bei uns in Deutschland, die den Sozialabbau umsetzen oder, wenn es aus deren Sicht nötig erscheint, bürgerliche Grundrechte außer Kraft setzen."

Ich fügte u.a. noch hinzu:
Erdogan macht vielleicht nur nach, was die westlichen Hüter von Freiheit, Demokratie und Menschenrechte ihm vormachen ... Halte ich überhaupt nicht für verwunderlich, auch wenn es das in keinem Fall besser macht.
Und zum westeuropäischen Entsetzen über die Äußerungen Erdogans zur Wiedereinführung der Todesstrafe sei an Folgendes erinnert: Eine Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 25. März 2011: "Der Tod eines Demonstranten beim Weltwirtschaftsgipfel in Genua im Jahr 2001 hat keine juristischen Folgen für Italien. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied am Donnerstag rechtskräftig, daß die tödlichen Schüsse eines Carabiniere auf den Demonstranten Carlo Giuliani nicht menschenrechtswidrig waren." Dietrich Antelmann schrieb im Jahr 2010 in Ossietzky u.a. Folgendes: "… zum effektiven Schutz vor einer nicht mehr alles hinnehmenden Bevölkerung ermöglicht der Lissabon-Vertrag die Todesstrafe und die Tötung im ›Aufstand‹ oder ›Aufruhr‹. In den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, die unter der Leitung des Präsidiums des Konvents zur Ausarbeitung der Charta formuliert und unter der Verantwortung des Präsidiums des Europäischen Konvents aktualisiert wurden, heißt es zum Artikel über das Recht auf Leben: ›Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.‹"
Wer es nicht versteht, sollte das nochmal ganz in Ruhe lesen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen